Leitsatz (amtlich)
a) Ist ein betriebliches Anrecht wegen einer vor der Regelaltersgrenze liegenden Inanspruchnahme unmittelbar gekürzt worden, so hat die Kürzung im Versorgungsausgleich außer Betracht zu bleiben, soweit die für den verminderten Zugangsfaktor maßgeblichen Kalendermonate außerhalb der Ehezeit liegen (im Anschluss an die BGH v. 4.3.2009 - XII ZB 117/07 - zur Veröffentlichung bestimmt; v. 29.10.2008 - XII ZB 69/06, FamRZ 2009, 107 ff.; v. 1.10.2008 - XII ZB 34/08, FamRZ 2009, 28 ff.; v. 9.5.2007 - XII ZR 77/06, FamRZ 2007, 1542 ff.; v. 22.6.2005 - XII ZB 117/03, FamRZ 2005, 1455 ff.).
b) Im öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleich ist auch im Abänderungsverfahren der Ehezeitanteil einer bereits laufenden Rente grundsätzlich auf seinen bei Ehezeitende bestehenden Wert zurückzurechnen (im Anschluss an den BGH v. 14.1.2009 - XII ZB 74/08, FamRZ 2009, 586 f.).
Normenkette
BGB § 1587 Abs. 2, § 1587a Abs. 2 Nr. 3 lit. b; VAHRG § 10a Abs. 1-2
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Rechtsbeschwerde der weiteren Beteiligten zu 1) wird der Beschluss des 12. Senats für Familiensachen des OLG Hamm vom 10.10.2007 aufgehoben.
Auf die Beschwerde der weiteren Beteiligten zu 1) wird der Beschluss des AG - FamG - Kamen vom 20.11.2006 insoweit abgeändert, dass die im Wege des analogen Quasi-Splittings zu Lasten der Versorgung des Antragsgegners bei der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder auf dem Versicherungskonto der Ehefrau bei der deutschen Rentenversicherung Bund begründeten Rentenanwartschaften monatlich 127,79 DM (65,34 EUR) betragen (statt 118,78 DM), bezogen auf den 31.8.1996.
Die Kosten des Beschwerde und des Rechtsbeschwerdeverfahrens werden zwischen den Parteien gegeneinander aufgehoben.
Beschwerdewert: 2.000 EUR
Gründe
I.
[1] Die Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (VBL, weitere Beteiligte zu 1)) begehrt die Abänderung einer rechtskräftigen Entscheidung über den Versorgungsausgleich.
[2] Die am 18.2.1966 geschlossene Ehe der Parteien wurde aufgrund eines am 16.9.1996 zugestellten Antrags durch Urteil des AG - FamG - vom 14.3.1997 geschieden. Im Rahmen der rechtskräftigen Verbundentscheidung wurde der Versorgungsausgleich dahin geregelt, dass durch Rentensplitting (§ 1587b Abs. 1 BGB) vom Versicherungskonto des Ehemanns (Antragsgegner, geboren am 25.2.1942) bei der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (jetzt: Deutsche Rentenversicherung Bund, weitere Beteiligte zu 2), im Folgenden: DRV Bund) Rentenanwartschaften i.H.v. 325,34 DM (166,34 EUR) auf das Versicherungskonto der Ehefrau (Antragstellerin, geboren am 17.1.1936) bei der DRV Bund - bezogen auf den 31.8.1996 - übertragen wurden. Zudem wurden zu Lasten der Versorgung des Ehemanns bei der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (VBL, weitere Beteiligte zu 1)) durch analoges Quasi-Splitting (§ 1 Abs. 3 VAHRG) auf dem Versicherungskonto der Ehefrau bei der DRV Bund Rentenanwartschaften i.H.v. monatlich 64,76 DM (33,11 EUR) begründet, bezogen auf den 31.8.1996.
[3] Im Abänderungsverfahren hat das AG - FamG - aktuelle Auskünfte der beteiligten Versicherungsträger über die in der Ehezeit (1.2.1966 bis 31.8.1996, § 1587 Abs. 2 BGB) erworbenen Anrechte der Parteien eingeholt. Danach verfügt der Ehemann über ehezeitliche gesetzliche Rentenanrechte bei der DRV Bund i.H.v. monatlich 1.182,23 EUR (2.312,24 DM), bezogen auf das Ende der Ehezeit. Seit März 2002 erhält der Ehemann (mit Vollendung des 60. Lebensjahres) daraus gesetzliche Rentenleistungen. Außerdem war der Ehemann vom 1.7.1978 bis zum 31.8.1996 bei der VBL pflichtversichert und dort für die Zeit ab 1.9.1996 beitragsfrei versichert. Er bezieht seit März 2002 (mit Vollendung des 60. Lebensjahres) eine Betriebsrente der VBL, die wegen der vorzeitigen Inanspruchnahme nach § 35 Abs. 3 VBL-S i.V.m. § 77 SGB VI mit einem verminderten Zugangsfaktor von 0,82 berechnet wird. Ohne Berücksichtigung des Abschlags für den vorzeitigen Rentenbezug beträgt die (ausschließlich in der Ehezeit erworbene) Betriebsrente 214,98 EUR. Die Ehefrau hat in der Ehezeit gesetzliche Rentenanrechte bei der DRV Bund i.H.v. monatlich 803,57 EUR (1.571,64 DM) erworben, wiederum bezogen auf das Ehezeitende. Sie bezieht daraus seit dem 1.12.1999 eine gesetzliche Altersrente.
[4] Auf der Grundlage der neu erteilten Auskünfte hat das AG - FamG - die Verbundentscheidung zum Versorgungsausgleich für die Zeit ab 1.6.2006 dahin abgeändert, dass durch Splitting Rentenanwartschaften des Ehemanns i.H.v. 189,33 EUR (370,30 DM) auf das Versicherungskonto der Ehefrau bei der DRV Bund übertragen sowie weitere Rentenanwartschaften i.H.v. 60,73 EUR (118,78 DM) durch analoges Quasi-Splitting zu Lasten der Zusatzversorgung des Ehemannes auf dem Versicherungskonto der Ehefrau begründet werden (jeweils bezogen auf den 31.8.1996). Dabei hat es das Anrecht des Ehemanns bei der VBL als im Leistungsstadium volldynamisch behandelt und unter Zugrundelegung der Barwert-Verordnung in ein insgesamt volldynamisches Anrecht von 121,47 EUR (237,57 DM) umgerechnet.
[5] Auf die Beschwerde der VBL, mit der sie eine fehlerhafte Anwendung der Barwert-Verordnung beanstandet, hat das OLG das Anrecht des Ehemanns bei der VBL insgesamt als volldynamisch behandelt und die Erstentscheidung über den Versorgungsausgleich dahin abgeändert, dass neben dem Rentensplitting i.H.v. 189,33 EUR (370,30 DM) ab 1.6.2006 durch analoges Quasi-Splitting zu Lasten der Versorgung des Ehemanns bei der VBL auf dem Versicherungskonto der Ehefrau bei der DRV Bund Rentenanwartschaften i.H.v. monatlich 98,62 EUR (192,88 DM) - bezogen auf den 31.8.1996 - zu begründen sind.
[6] Hiergegen richtet sich die zugelassene Rechtsbeschwerde der VBL, mit der sie sich gegen die Bewertung des bei ihr bestehenden Anrechts im Abänderungsverfahren als insgesamt volldynamisch wendet.
II.
[7] Das zulässige Rechtsmittel hat in der Sache Erfolg.
[8] 1. Das OLG hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet: Zutreffend habe die VBL das bei ihr bestehende Anrecht des Ehemanns mit dem Wert mitgeteilt, wie er sich ohne die infolge des vorzeitigen Rentenbezugs vorzunehmenden Abschläge ergebe. Die durch den vorgezogenen Ruhestand eingetretene Verminderung der Rente sei unbeachtlich, weil die hierfür maßgeblichen Zeiten ausschließlich nach dem für das Ehezeitende maßgeblichen Stichtag lägen. Wegen des nunmehr erreichten Leistungsstadiums sei die VBL-Rente des Ehemanns aber als insgesamt volldynamische Versorgung in die Ausgleichsbilanz einzustellen. Eine im Zeitpunkt der Entscheidung über den Abänderungsantrag nach § 10a VAHRG bereits laufende, im Leistungsstadium volldynamische Rente sei nämlich - unabhängig von einer Anwartschaftsdynamik - ohne Umrechnung nach Maßgabe der Barwert-Verordnung im Versorgungsausgleich zu berücksichtigen.
[9] Im Rahmen der Abänderungsentscheidung sei nicht der Wert entscheidend, den das VBL-Anrecht bei Rentenbeginn im März 2002 gehabt habe. Maßgeblich sei nach § 10a Abs. 1 Nr. 1 VAHRG der Wert im Zeitpunkt der Entscheidung. Die fiktiv ungekürzte Rente könne aber nicht im vollen Umfang um die seit März 2002i.H.v. 1 % p.a. erfolgten Wertsteigerungen erhöht werden. Bis zum Erreichen des 65. Lebensjahres des Ehemanns (25.2.2007) beruhten diese nämlich nur darauf, dass die Rente vorzeitig und unter Hinnahme von Abschlägen bezogen wurde. Wenn aber die infolge der vorzeitigen Inanspruchnahme vorzunehmenden Abschläge unberücksichtigt blieben, dürften auch die auf dem vorzeitigen Leistungsbeginn beruhenden Wertsteigerungen keine Beachtung finden. Die Rentensteigerungen dürften vielmehr nur berücksichtigt werden, soweit sie nach Erreichen des 65. Lebensjahres eingetreten seien. Deshalb sei vorliegend lediglich die zum 1.7.2007 erfolgte Wertsteigerung zu beachten, der mitgeteilte Ehezeitanteil von 214,98 EUR erhöhe sich deshalb um 1 % auf 217,13 EUR.
[10] Im öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleich könne allerdings nicht der derzeitige (fiktive) Zahlbetrag der VBL-Rente berücksichtigt werden. Vielmehr müsse das Anrecht - ebenso wie die gesetzlichen Rentenanwartschaften beider Parteien - auf das Ende der Ehezeit als dem gesetzlichen Bewertungsstichtag (§ 1587 Abs. 2 BGB) zurückgerechnet werden. Dies könne bei Beachtung des Halbteilungsgrundsatzes jedoch nur anhand der Entwicklung des aktuellen Rentenwerts erfolgen, denn auch der Wertausgleich erfolge letztlich durch die Begründung von Anwartschaften in der gesetzlichen Rentenversicherung; zur Sicherung der Dynamik finde dabei nach § 1587b Abs. 6 BGB eine Umrechnung des geschuldeten Ausgleichsbetrages in Entgeltpunkte statt, aus denen sich durch Multiplikation mit dem jeweils gültigen aktuellen Rentenwert der jeweils aktuell an die Antragstellerin auszuzahlende Rentenbetrag ermittle. Indem die errechnete fiktive VBL-Rente des Ehemannes von derzeit 217,13 EUR durch den aktuellen Rentenwert (26,27 EUR) geteilt und mit dem für das Ehezeitende maßgeblichen aktuellen Rentenwert von 46,67 DM multipliziert werde, errechne sich ein zum Stichtag Ehezeitende maßgeblicher Wert von 197,23 EUR = 385,75 DM.
[11] Die Ehefrau verfüge über ehezeitliche Anrechte i.H.v. 1.571,64 DM (803,57 EUR), der Ehemann über solche i.H.v. insgesamt (2.312,24 DM + 385,75 DM =) 2.697,99 DM (1.379,46 EUR). In Höhe von ([2.697,99 - 1.571,64] : 2 =) 563,18 DM (287,95 EUR) sei der Ehemann mithin ausgleichspflichtig. Der Wertausgleich habe durch Rentensplitting i.H.v. ([2.312,24 - 1.571,64] : 2 =) 370,30 DM (189,33 EUR) und durch analoges Quasi-Splitting zu Lasten der Versorgung des Ehemanns bei der VBL i.H.v. (385,75 : 2 =) 192,88 DM (98,62 EUR) zu erfolgen. Dabei seien die Voraussetzungen einer Änderung nach § 10a Abs. 1, 2 VAHRG gegeben, insb. sei die Änderung i.H.v. insgesamt (563,18 DM - 390,10 DM =) 173,08 DM (88,49 EUR) wesentlich.
[12] Diese Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung nicht in allen Punkten stand.
[13] 2. Allerdings ist das OLG bei der Bewertung des VBL-Anrechts im öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleich im Ansatz zutreffend von der bereits laufenden Rente des Ehemanns ausgegangen. Zwar bezog dieser zum Stichtag Ehezeitende noch keine Leistungen aus seiner Zusatzversorgung. Erhält indessen ein Ehegatte im Abänderungsverfahren nach § 10a VAHRG im Zeitpunkt der Entscheidung bereits eine Rente, ist der auf das Ende der Ehezeit bezogene Teil dieser laufenden Versorgung und nicht der Ehezeitanteil einer zuvor gegebenen Anwartschaft in den öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleich einzubeziehen, weil dies dem Halbteilungsgrundsatz am ehesten entspricht (vgl. BGH BGHZ 172, 177, 182 = BGH v. 9.5.2007 - XII ZB 188/06, BGHReport 2007, 1081 = FamRZ 2007, 1238, 1239 und zum Rentenbezug vor einer Entscheidung im Ausgangsverfahren BGH v. 25.4.2007 - XII ZB 206/06, FamRZ 2007, 1084, 1085).
[14] 3. Der Ehemann hat das ihm zum 1.3.2002 bewilligte VBL-Anrecht mit einem Wert von 214,98 EUR vollständig in der Ehezeit erworben.
[15] Die seit 1.3.2002 gewährte VBL-Rente des Ehemanns beruht nach der Auskunft des Versorgungsträgers wegen des Systemwechsels in der Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes (vgl. hierzu Wick; FamRZ 2008, 1223, 1226 ff.) ausschließlich auf einer dem Ehemann zum 1.1.2002 gutgebrachten Startgutschrift, die gem. §§ 78 Abs. 1, 80 VBL-S nach der bis zum 31.12.2001 geltenden Versicherungsrentenberechnung (§§ 44 f. VBL-S a.F.) ermittelt worden ist. Soweit eine laufende Rente aus der Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes ausschließlich auf einer solchen Startgutschrift beruht, ist deren Ehezeitanteil nach der Rechtsprechung des Senats gem. § 1587a Abs. 2 Nr. 3 lit. b BGB rein zeitratierlich aus dem Verhältnis der gesamtversorgungsfähigen Zeit in der Ehe bis Ende 2001 zur gesamten gesamtversorgungsfähigen Zeit bis Ende 2001 zu ermitteln (vgl. BGH v. 14.1.2009 - XII ZB 178/05, FamRZ 2009, 591, 594). Hier liegt die vom Ehemann in der Ehe zurückgelegte zusatzversorgungspflichtige Zeit (1.7.1978 bis 31.8.1996) vollständig innerhalb der von ihm bis 31.12.2001 insgesamt zurückgelegten zusatzversorgungspflichtigen Zeit (1.2.1966 bis 31.8.1996); das ab 1.3.2002 fiktiv - ohne den Abschlag wegen vorzeitigen Leistungsbezugs - i.H.v. 214,98 EUR bestehende Rentenanrecht hat er mithin insgesamt in der Ehezeit erdient.
[16] 4. Das OLG hat die VBL-Rente des Ehemanns zu Recht mit 214,98 EUR bewertet, also ohne den Abschlag für die vor Vollendung des 65. Lebensjahres erfolgte Inanspruchnahme.
[17] a) Die Höhe eines in der Ehezeit erworbenen betrieblichen Versorgungsanrechts bestimmt sich grundsätzlich nach den Verhältnissen am letzten Tag der Ehezeit als dem maßgeblichen Bewertungsstichtag (vgl. BGH v. 14.3.2007 - XII ZB 142/06, FamRZ 2007, 891, 892). Nach dem in § 1587a Abs. 1 Satz 2 BGB niedergelegten Halbteilungsgrundsatz ist der ausgleichsberechtigte Ehegatte zur Hälfte an allen ehezeitlich erworbenen Versorgungsanwartschaften und -rechten des anderen Ehegatten zu beteiligen. Dieser Grundsatz lässt sich aber regelmäßig nur dann verwirklichen, wenn das betreffende Anrecht im Versorgungsausgleich mit seinem zum Stichtag Ehezeitende tatsächlich erreichten wirtschaftlichen Wert unter Zugrundelegung der bis dahin erlangten wertbestimmenden Merkmale Berücksichtigung findet (BGH v. 11.6.2008 - XII ZB 115/08, FamRZ 2008, 1602, 1603).
[18] b) Nach Ehezeitende eintretende tatsächliche Veränderungen eines Versorgungsanrechts sind im öffentlich-rechtlichen Wertausgleich dann zu beachten, wenn sie rückwirkend betrachtet auf der Grundlage der individuellen, zum Bewertungsstichtag bestehenden Verhältnisse den ehezeitbezogenen Wert ändern. Wegen des Stichtagsprinzips bleiben allerdings nachehezeitliche Veränderungen außer Betracht, die keinen Bezug zum ehezeitlichen Erwerb aufweisen und nach Maßgabe der zum Ehezeitende bestehenden individuellen Bemessungsgrundlagen keinen Einfluss auf den Ehezeitanteil der Versorgung haben (BGH v. 14.1.2009 - XII ZB 74/08, FamRZ 2009, 586, 588; v. 14.3.2007 - XII ZB 142/06, FamRZ 2007, 891, 892; Johannsen/Henrich/Hahne Eherecht 4. Aufl., § 10a VAHRG Rz. 16).
[19] Bei der Bestimmung des Ehezeitanteils einer betrieblichen Altersversorgung ist deshalb nicht mehr von einer Betriebszugehörigkeit bis zu der in der Versorgungsregelung vorgesehenen festen Altersgrenze i.S.v. § 1587a Abs. 2 Nr. 3 Satz 1 lit. a BGB auszugehen, wenn die Betriebszugehörigkeit zwar nach dem Ende der Ehezeit, aber vor dem für die tatrichterliche Entscheidung über den Versorgungsausgleich maßgeblichen Zeitpunkt vorzeitig geendet hat (vgl. BGH v. 14.3.2007 - XII ZB 142/06, FamRZ 2007, 891, 892; v. 16.8.2000 - XII ZB 73/98, FamRZ 2001, 25, 26). Hingegen hat die unmittelbare Kürzung des Anrechts infolge des vorzeitigen Rentenbezugs durch einen Zugangsfaktor (hier nach § 35 Abs. 3 VBL-S i.V.m. § 77 SGB VI) grundsätzlich außer Betracht zu bleiben, soweit die für die Verminderung maßgeblichen Zeiten nach dem Ende der Ehezeit liegen. Der Zugangsfaktor ist Teil der individuellen Bemessungsgrundlagen des Anrechts, deren nachehezeitliche Änderung unberücksichtigt bleiben muss. Als volle Versorgung ist in diesem Fall das (nach den auch sonst maßgeblichen Bemessungsgrundlagen errechnete) Altersruhegeld vor Anwendung des in der Versorgungsordnung vorgesehenen Kürzungsfaktors zugrunde zu legen (Staudinger/Rehme BGB [2004] § 1587a Rz. 308; vgl. für die Außerachtlassung des Zugangsfaktors bei gesetzlichen Rentenanrechten bzw. Anrechten nach § 1587a Abs. 2 Nr. 4d BGB, sofern die für die Verringerung des Zugangsfaktors maßgeblichen Kalendermonate außerhalb der Ehezeit liegen, BGH v. 4.3.2009 - XII ZB 117/07 - zur Veröffentlichung bestimmt; v. 29.10.2008 - XII ZB 69/06, FamRZ 2009, 107, 108; v. 1.10.2008 - XII ZB 34/08, FamRZ 2009, 28, 29; v. 9.5.2007 - XII ZB 77/06, FamRZ 2007, 1542, 1543 f.; v. 22.6.2005 - XII ZB 117/03, FamRZ 2005, 1455, 1457 f.).
[20] 5. Schließlich hat das OLG im Ausgangspunkt zutreffend angenommen, dass auch im Abänderungsverfahren der Ehezeitanteil einer bereits laufenden Rente grundsätzlich auf seinen bei Ehezeitende bestehenden Wert zurückzurechnen ist. Sofern das Ehezeitende nämlich vor dem für die Ermittlung der Besitzstandsrenten maßgeblichen Stichtag liegt, beinhaltet das Anrecht auch die im öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleich unbeachtliche nacheheliche Wertentwicklung. Nur durch die Rückrechnung des Anrechts auf den Stichtag Ehezeitende ist gewährleistet, dass in die nach § 1587a Abs. 1 BGB zu bildende Gesamtausgleichsbilanz miteinander vergleichbare Werte eingestellt werden (vgl. BGH v. 14.1.2009 - XII ZB 74/08, FamRZ 2009, 586, 589). Eine solche Rückrechnung ist vorliegend indessen nicht geboten:
[21] a) Entgegen der Auffassung des OLG können die Wertsteigerungen von 1 % p.a., welche das zum 1.3.2002 bewilligte VBL-Anrecht des Ehemannes nachfolgend gem. § 39 VBL-S erfahren hat, hier bereits deshalb außer Betracht bleiben, weil das Ehezeitende (31.8.1996) hier vor dem 31.12.2001 als dem für den Systemwechsel in der Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes maßgeblichen Stichtag liegt.
[22] b) Eine weitere Rückrechnung des Anrechts, das dem Ehemann zum 1.1.2002i.H.v. 214,98 EUR infolge des Systemwechsels als Startgutschrift in das neue Versorgungssystem übertragen wurde, ist vorliegend entbehrlich. Mit der Ehezeit endete nämlich auch die Pflichtversicherung des Ehemanns in der Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes; er war deshalb seit dem 1.9.1996 beitragsfrei versichert, weshalb das Anrecht nach diesem Zeitpunkt bis zum Systemwechsel keine nacheheliche Wertentwicklung mehr erfahren hat. Weil die Anwartschaft des Ehemanns zwischen dem Ehezeitende und dem Rentenbeginn unverändert geblieben ist, kann das VBL-Anrecht auch mit einem bei Ehezeitende bestehenden Wert von 214,98 EUR monatlich im Abänderungsverfahren berücksichtigt werden.
[23] 6. Entgegen der Auffassung des Ehemanns ist der Ehezeitanteil der VBL-Rente des Ehemanns in eine volldynamische Anwartschaft der gesetzlichen Rentenversicherung umzurechnen.
[24] a) Die Leistungen aus der Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes sind seit der Änderung der für sie geltenden Satzung im Anwartschaftsstadium statisch und im Leistungsstadium volldynamisch (vgl. BGH BGHZ 160, 41, 42 ff. = FamRZ 2004, 1474 ff.). Nach der Rechtsprechung des Senats darf der ehezeitliche Anteil einer im Zeitpunkt der Entscheidung laufenden und im Leistungsstadium volldynamischen Rente aber grundsätzlich nur dann mit seinem Nominalbetrag und ohne Umrechnung nach der Barwert-Verordnung ausgeglichen werden, wenn die Versorgung schon im Anwartschaftsstadium volldynamisch war oder mit dem Eintritt des Versorgungsfalls eine bestehende (verfallbare) Anwartschaftsdynamik unverfallbar und das Anrecht damit insgesamt volldynamisch geworden ist oder wenn die Rente schon zum Ende der Ehezeit bezogen wurde (vgl. BGH v. 25.4.2007 - XII ZB 206/06, FamRZ 2007, 1084 [1086]; v. 20.9.2006 - XII ZB 248/03, FamRZ 2007, 23, 27). Der Ehezeitanteil einer nachehelich bewilligten und im Zeitpunkt der Entscheidung über den Versorgungsausgleich bereits laufenden Rente, die im Anwartschaftsstadium statisch war und erst im Leistungsstadium volldynamisch ist, kann hingegen nur ausnahmsweise und im Einzelfall mit seinem Nominalbetrag in den Versorgungsausgleich einbezogen werden, wenn auch die gesetzliche Rentenversicherung und die Beamtenversorgung als Maßstabversorgungen in der relevanten Zeit vom Ende der Ehezeit bis zum Beginn der Leistungsdynamik mit Rentenbeginn nicht angestiegen sind und die Statik der Anwartschaftsphase deswegen einer ebenfalls statischen Phase der Maßstabsversorgungen entsprach (BGH v. 25.4.2007 - XII ZB 206/06, FamRZ 2007, 1084, 1086).
[25] b) Diese Voraussetzungen sind hier nicht gegeben. Vorliegend war das Anrecht des Ehemanns infolge der beendeten Pflichtversicherung vom Ehezeitende (31.8.1996) bis zur Bewilligung der nach § 39 VBL-S jährlich um 1 % anzupassenden Betriebsrente zum 1.3.2002 statisch. Bliebe aber die fehlende Dynamik in der Anwartschaftsphase vom Ehezeitende bis zum Rentenbeginn unberücksichtigt, liefe dies auf eine Verletzung des Halbteilungsgrundsatzes hinaus. Würde nämlich der sich erst mit Rentenbeginn als volldynamisch darstellende Ehezeitanteil ungeschmälert berücksichtigt und dessen Nennbetrag - auf das Ende der Ehezeit am 31.8.1996 bezogen - der Entscheidung zugrunde gelegt, erhielte die Ehefrau höhere Anwartschaften, als dem Ehemann verblieben. Denn der durch analoges Quasi-Splitting auf die Ehefrau übertragene Ausgleichsbetrag würde dann durch Division mit dem aktuellen Rentenwert zum Ende der Ehezeit von 46,67 DM (23,86 EUR) in Entgeltpunkte umgerechnet. Die auf dem Rentenversicherungskonto der Ehefrau in der gesetzlichen Rentenversicherung begründeten Entgeltpunkte wären vom Ende der Ehezeit bis zum Rentenbeginn des Ehemanns am 1.3.2002 nach der Entwicklung des aktuellen Rentenwerts von 46,67 DM (23,86 EUR) auf 25,31 EUR zu dynamisieren. Die Ehefrau erhielte also aus der Zusatzversorgung des Ehemanns einen von dem Ende der Ehezeit bis zum Rentenbeginn dynamisierten Betrag, obwohl die Dynamisierung der Rente des Ehemanns erst ab diesem Zeitpunkt einsetzt (vgl. BGH v. 25.4.2007 - XII ZB 206/06, FamRZ 2007, 1084, 1085 f.).
[26] c) Deshalb ist vorliegend eine Dynamisierung des nur im Leistungsstadium volldynamischen VBL-Anrechts nach § 1587a Abs. 3 Nr. 2 BGB i.V.m. § 2 Barwert-Verordnung (in der nun geltenden Fassung der 4. Verordnung zur Änderung der Barwert-Verordnung vom 2.6.2008, BGBl. I, 969) erforderlich.
[27] Aus der Monatsrente i.H.v. 214,98 EUR errechnet sich ein Jahresbetrag von 2.579,76 EUR. Dieser ist zur Ermittlung des Barwerts nach Tabelle 2 der Barwert-Verordnung mit einem Barwertfaktor von 10,65 (Alter bei Ehezeitende 54 Jahre = Faktor 7,1x 50 % [vgl. Anm. 2 zu Tabelle 2]) zu multiplizieren. Eine Erhöhung des Barwertfaktors nach § 2 Abs. 2 Satz 1 Barwert-Verordnung (Anm. 1 zu Tabelle 1) ist dabei nicht vorzunehmen, weil der vor dem 65. Lebensjahr liegende Rentenbeginn des Ehemanns bei der hier fiktiven Ermittlung des im Versorgungsausgleich zu beachtenden Ehezeitanteils außer Betracht geblieben ist (vgl. oben, Ziff. II. 2b). Der Barwert beträgt mithin (2.579,76 EUR x 10,65 =) 27.474,44 EUR (= 53.735,33 DM), multipliziert mit dem maßgeblichen Umrechnungsfaktor ergeben sich (53.735,33 DM x 0,0001019084 =) 5,4761 Entgeltpunkte. Multipliziert mit dem aktuellen Rentenwert bei Ehezeitende ergibt sich ein dynamischer, im Versorgungsausgleich zu beachtender Betrag von (5,4761 EP x 46,67 DM aRW) = 255,57 DM (130,67 EUR).
[28] 7. Der Senat kann in der Sache selbst abschließend entscheiden.
[29] a) Die ehezeitlichen Rentenanwartschaften des Ehemanns belaufen sich auf insgesamt (2.312,24 DM + 255,57 DM =) 2.567,81 DM (1.312,90 EUR). Abzüglich der ehezeitlichen Rentenanwartschaften der Ehefrau in der gesetzlichen Rentenversicherung i.H.v. 1.571,64 DM (803,57 EUR) ergibt sich eine Differenz der Anrechte der Parteien i.H.v. (2.567,81 - 1.571,64) = 996,17 DM (509,33 EUR). In Höhe der Hälfte dieses Betrages, mithin i.H.v. 498,09 DM (254,67 EUR), ist der Ehemann ausgleichspflichtig. Dieser Betrag übersteigt den Ausgleichsbetrag von insgesamt 199,24 EUR nach Maßgabe der Ausgangsentscheidung um mehr als 10 % (§ 10a Abs. 2 VAHRG), weshalb der Abänderungsantrag der VBL Erfolg hat.
[30] b) Der Ausgleich vollzieht sich in zwei Schritten:
[31] Im Umfang der hälftigen Differenz der Anwartschaften beider Ehegatten in der gesetzlichen Rentenversicherung und damit i.H.v. 189,33 EUR hat der Ausgleich zugunsten der Ehefrau durch Rentensplitting zu erfolgen (2.312,24 DM - 1.571,64 DM = 740,60 DM : 2 = 370,30 DM = 189,33 EUR).
[32] Danach verbleiben weitere (498,09 DM - 370,30 DM =) 127,79 DM (65,34 EUR), die zu Lasten der Versorgung des Ehemannes bei der VBL durch analoges Quasi-Splitting nach § 1 Abs. 3 VAHRG auf dem Versicherungskonto der Ehefrau in der gesetzlichen Rentenversicherung zu begründen sind.
Fundstellen
Haufe-Index 2185163 |
BGHR 2009, 991 |
EBE/BGH 2009 |
FamRZ 2009, 1309 |
NJW-RR 2009, 1297 |
MDR 2009, 1047 |
FF 2009, 382 |
FamRB 2009, 274 |
FK 2009, 188 |