Verfahrensgang
LG Berlin (Urteil vom 29.10.2020; Aktenzeichen (526 KLs) 253 Js 336/20 (2/20)) |
Tenor
1. Auf die Revision des Angeklagten W. wird das Urteil des Landgerichts Berlin vom 29. Oktober 2020, auch soweit es den Mitangeklagten Wü. betrifft, aufgehoben; jedoch bleiben die Feststellungen aufrechterhalten.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
Gründe
Rz. 1
Das Landgericht hat den Angeklagten W. wegen besonders schwerer räuberischer Erpressung zu einer Freiheitsstrafe von zehn Monaten verurteilt, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat. Gegen den nicht revidierenden Mitangeklagten Wü. hat es wegen derselben Tat eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren verhängt und seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet. Gegen seine Verurteilung wendet sich der Angeklagte W. mit seiner auf die in allgemeiner Form erhobene Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Erfolg, auch soweit es den Mitangeklagten Wü. betrifft; im Übrigen erweist es sich als unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
Rz. 2
1. Der Schuldspruch wegen besonders schwerer räuberischer Erpressung hat keinen Bestand, weil die vom Landgericht getroffenen Feststellungen zu der vom Mitangeklagten Wü. beim Überfall auf den Kiosk als Drohmittel verwendeten geladenen und funktionsfähigen Schreckschusspistole nicht die Annahme des Qualifikationstatbestandes des § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB tragen. Denn nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs unterfällt eine geladene Schreckschusspistole nur dann dem Waffenbegriff des § 250 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a, Abs. 2 Nr. 1 StGB, wenn feststeht, dass beim Abfeuern der Waffe der Explosionsdruck nach vorne aus dem Lauf austritt und die Waffe deshalb nach ihrer Beschaffenheit geeignet ist, erhebliche Verletzungen hervorzurufen (vgl. BGH, Beschluss vom 4. Februar 2003 – GSSt 2/02, BGHSt 48, 197). Feststellungen dazu hat die Strafkammer nicht getroffen; sie waren nicht entbehrlich, denn der Austritt des Explosionsdrucks nach vorne kann nicht als selbstverständlich vorausgesetzt werden (BGH, Beschlüsse vom 9. Februar 2010 – 3 StR 17/10, NStZ 2010, 390; vom 10. September 2013 – 4 StR 331/13). Auch eine Typenbezeichnung oder eine sonstige Beschreibung der verwendeten Schreckschusspistole, die eine Beurteilung ihrer bauartbedingten Wirkungsweise im Revisionsverfahren ermöglicht hätte (vgl. insoweit BGH, Beschluss vom 20. Januar 2015 – 3 StR 523/14, NStZ-RR 2015, 111 mwN), findet sich in dem angefochtenen Urteil nicht. Die Feststellungen sind von dem Rechtsfehler nicht betroffen und können deshalb bestehen bleiben (§ 353 Abs. 2 StPO). Das neue Tatgericht wird indes zur Bauart der verwendeten Waffe ergänzende Feststellungen zu treffen haben.
Rz. 3
2. Der festgestellte Rechtsfehler ist der Strafkammer in gleicher Weise auch zum Nachteil des nicht revidierenden Mitangeklagten Wü. unterlaufen; die Entscheidung war deshalb gemäß § 357 Satz 1 StPO auf diesen zu erstrecken.
Unterschriften
Cirener, Berger, Gericke, Mosbacher, Resch
Fundstellen
Haufe-Index 14487939 |
NStZ 2023, 8 |