Entscheidungsstichwort (Thema)
Zulassung zur Rechtsanwaltschaft
Tenor
1. Der Antrag des Antragstellers auf Gewährung von Prozesskostenhilfe für die sofortige Beschwerde gegen den Beschluss des 1. Senats des Sächsischen Anwaltsgerichtshofs beim Ober- landesgericht Dresden vom 22. Januar 1999 wird zurückgewiesen.
2. Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des 1. Senats des Sächsischen Anwaltsgerichtshofs beim Oberlandesgericht Dresden vom 22. Januar 1999 wird zurückgewiesen.
Der Antragsteller hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen und dem Antragsgegner die ihm im Beschwerdeverfahren entstandenen notwendigen außergerichtlichen Auslagen zu erstatten.
Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 90.000,– DM festgesetzt.
Gründe
I.
Das nach §§ 42 Abs. 6 BRAO, 14 FGG, 114 ZPO statthafte Gesuch auf Prozesskostenhilfe ist zurückzuweisen, weil das Rechtsmittel – wie unter II. dargelegt – keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet.
II.
Der am 12. Oktober 1965 geborene Antragsteller hat im Jahre 1991 das Studium der Rechtswissenschaften an der Humboldt-Universität in Berlin mit dem akademischen Grad eines Diplom-Juristen abgeschlossen. Im Anschluss daran absolvierte er ab dem 16. September 1991 bis 28. Juli 1995 den Vorbereitungsdienst als Rechtsreferendar im Freistaat Sachsen. Die zweite juristische Staatsprüfung bestand er nicht. Auch die Wiederholungsprüfung blieb ohne Erfolg. Für die Ausbildung in der Anwaltsstation, der Wahlstation und im Ergänzungsvorbereitungsdienst war er Rechtsanwalt L. in R. zugewiesen. Neben dem Vorbereitungsdienst bei Rechtsanwalt L. und ab April 1996 war er bei der Europcar-Autovermietung GmbH Agentur B., später Sixt-Agentur B. tätig.
Unter dem 21. März 1996 hat der Antragsteller unter Berufung auf § 4 Rechtsanwaltsgesetz (RAG) seine Zulassung zur Rechtsanwaltschaft beantragt. Mit Bescheid vom 29. November 1996 hat der Antragsgegner den Antrag zurückgewiesen, weil der Antragsteller die nach § 4 Abs. 1 Nr. 2 RAG erforderliche zweijährige juristische Praxis nicht aufweise. Den vom Antragsteller gestellten Antrag auf gerichtliche Entscheidung hat der Anwaltsgerichtshof mit Beschluss vom 21. Januar 1999 zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde des Antragstellers.
Die sofortige Beschwerde ist zulässig (§ 42 Abs. 1 Nr. 2 BRAO, Abs. 4 BRAO), bleibt in der Sache jedoch ohne Erfolg.
a) Nach Art 21 Abs. 8 des Gesetzes zur Neuordnung des Berufsrechts der Rechtsanwälte und Patentanwälte vom 2. September 1994 (BGBl. I S. 2278) besitzen die Befähigung zur anwaltlichen Tätigkeit auch Personen, die spätestens innerhalb von zwei Jahren nach dem Inkrafttreten dieses Gesetzes (9. September 1994) die fachlichen Voraussetzungen für die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft nach § 4 RAG erfüllen. Gemäß § 4 Abs. 1 RAG kann zur Rechtsanwaltschaft zugelassen werden, wer ein umfassendes juristisches Hochschulstudium in der DDR absolviert und mit dem akademischen Grad eines Diplom-Juristen abgeschlossen hat und auf mindestens zwei Jahre juristische Praxis in der Rechtspflege oder in einem rechtsberatenden Beruf verweisen kann.
Damit soll berücksichtigt werden, dass die in der früheren DDR ausgebildeten Juristen in der DDR keine Möglichkeiten hatten, ein zweites juristisches Staatsexamen abzulegen und die Befähigung zum Richteramt im Sinne von § 5 Abs. 1 DRiG zu erwerben, aber auch der besonderen Verantwortung des Rechtsanwalts als Berater und Vertreter in allen Rechtsangelegenheiten und als freiberuflich tätiger Jurist Rechnung getragen werden (Treffkorn, DtZ 1990, 309, 310). Auch wenn nach dem Zweck der Regelung im wesentlichen den bereits in der früheren DDR juristisch tätig gewesenen Diplom-Juristen der Zugang zur Rechtsanwaltschaft erleichtert werden sollte, stand die Zulassung nach § 4 Abs. 1 RAG auch denjenigen offen, die ihre Diplomprüfung (die nach Anlage I Kap. III Sachgebiet A. Abschn. III Nr. 8 Maßg.y-gg des Einigungsvertrags – BGBl 1990 II 931 – dem ersten juristischen Staatsexamen gleichgestellt ist) erst – wie der Antragsteller – nach dem Beitritt der DDR zur Bundesrepublik abgelegt haben und für die die Möglichkeit gegeben war, den juristischen Vorbereitungsdienst zu absolvieren und die Rechtsanwaltszulassung nach erfolgreicher zweiter Staatsprüfung gemäß § 4 BRAO, § 5 DRiG zu erlangen. Auch eine Einschränkung in dem Sinne, dass mit der Wahl dieses Weges die Zulassung nach § 4 RAG ausgeschlossen wäre, lässt sich weder dem Gesetz noch dem Einigungsvertrag entnehmen.
b) Der Antragsteller hat jedoch die Zulassungsvoraussetzungen des § 4 Abs. 1 RAG nicht erfüllt.
Der Anwaltsgerichtshof hat zu Recht verneint, daß der Antragsteller auf die Zulassungsvoraussetzungen einer mindestens zweijährigen juristischen Praxis bis zum 9. September 1996 verweisen kann.
aa) Der juristische Vorbereitungsdienst kann grundsätzlich nicht als juristische Praxis in einem rechtsberatenden Beruf oder in der Rechtspflege im Sinne von § 4 Abs. 1. Nr. 2 RAG angesehen werden (Senatsbeschluss vom 26. Mai 1997 – AnwZ(B) 66/96 = BRAK-Mitt 1997, 198). Er ist Ausbildung mit dem Ziel, die Referendarinnen und Referendare mit den richterlichen und staatsanwaltlichen Aufgaben, den Aufgaben des höheren allgemeinen Verwaltungsdienstes und der Anwaltschaft vertraut zu machen. Dies gilt auch für die Wahlstation, die der Vertiefung und Ergänzung der Ausbildung dient. Demgegenüber ist unter juristischer Praxis nach dem Zweck und der Entstehungsgeschichte der Regelung eine berufliche Tätigkeit zu verstehen, bei der die im Studium erworbenen Fähigkeiten professionell angewendet werden und die sich von einer Ausbildungstätigkeit durch Umfang und Eigenverantwortlichkeit unterscheidet. Nur unter diesen Voraussetzungen erscheint es gerechtfertigt, die in der Praxis erworbenen, vertieften und in der praktischen Arbeit bewährten Kenntnisse jedenfalls annähernd denen gleichzusetzen, die durch eine erfolgreiche Ablegung der zweiten Staatsprüfung belegt sind.
b) Danach kann die Tätigkeit des Antragstellers, soweit sie im Rahmen des juristischen Vorbereitungsdienstes geleistet worden ist, nicht als eine Tätigkeit in Sinne von § 4 Abs. 1 Nr. 2 RAG angesehen werden. Der Antragsteller ist nicht vom Vorbereitungsdienst zurückgetreten, sondern hat das zweite Staatsexamen angestrebt und auch zweimal die Prüfung – wenn auch nicht mit Erfolg – abgelegt. Diese Entscheidung hat er getroffen, obwohl er durch Bescheid vom 27. Mai 1994 darauf hingewiesen worden war, dass nach der geplanten Neufassung der BRAO die Möglichkeit, eine Anwaltszulassung nach § 4 RAG zu erreichen, nur noch zwei Jahre nach Inkrafttreten dieses Gesetzes, bestehen werde und der Referendardienst nach der Verwaltungspraxis aller neuen Bundesländer nicht als juristische Praxis im Sinne des § 4 RAG anerkannt werde.
Besonderheiten ergeben sich auch nicht aus der Tätigkeit, die er bei Rechtsanwalt L. geleistet hat. Während seiner Tätigkeit für Rechtsanwalt L. hat dieser ihm die Akten zugewiesen, die vom Antragsteller verfertigten Schriftsätze regelmäßig unterschrieben und auf Plausibilität geprüft. Schließlich belegt auch der Umfang der vom Antragsteller in dieser Zeit bearbeiteten Fälle nicht, dass der Antragsteller weit über das in einem Ausbildungsverhältnis übliche Maß tätig geworden ist, der es möglicherweise rechtfertigte, einen Teil dieser Tätigkeit als außerhalb der Ausbildung erbracht anzusehen. Nach den Angaben des vor dem Anwaltsgerichtshof als Zeugen vernommenen Rechtsanwalts L. hat der Antragsteller im Sommer 1993 nur wenige Akten, in der Zeit vom 1. November 1993 bis zum 30. Juni 1995 50 bis 60 laufende Verfahren bearbeitet. Der Antragsteller selbst hat eine – nach seinen Angaben nicht vollständige – Liste von 58 Verfahren erstellt, in denen er tätig geworden sei. Dies entspricht einer durchschnittlichen monatlichen Bearbeitung von drei bis vier Akten.
Selbst wenn man berücksichtigte, dass der Antragsteller nach Ablauf der Pflichtwahlstation und des Ergänzungsvorbereitungsdienstes während der Dauer des Prüfungsverfahrens für Rechtsanwalt L. und daneben ab November 1993 bis Juli 1995 außerhalb des Ausbildungsverhältnisses gelegentlich rechtsberatend für die Fa. B. tätig gewesen ist, käme allenfalls eine Teilanrechnung für diese Zeit in Betracht. Auch bei einer Anrechnung der Hälfte dieser Zeit als juristische Praxis wäre die Zulassungsbedingung des § 4 Abs. 1 RAG nicht erfüllt, ohne dass es darauf ankäme, ob die weiteren Tätigkeiten des Antragstellers für die Firma B. als juristische Praxis im Sinne dieser Bestimmung gewertet werden können. Der Senat teilt die Auffassung des Anwaltsgerichtshofs, dass jedenfalls eine in diesem Rahmen erbrachte rechtsberatende Tätigkeit für die Zeit von Juli 1993 bis Oktober 1993 im nennenswerten Umfang nicht feststellbar ist.
Die Kostenentscheidung folgt – auch für das Beschwerdeverfahren – aus § 201 BRAO. Der Geschäftswert bestimmt sich nach §§ 202 Abs. 2 BRAO, 30 Abs. 2 KostO. Er ist im Zulassungsverfahren nach Art und Umfang der Praxis, die der Bewerber nach seiner erstrebten Zulassung aufnehmen kann, zu schätzen. Entsprechend seiner Rechtsprechung in Zulassungsverfahren in den neuen Bundesländern setzt ihn der Senat auf 90.000,– DM fest.
Unterschriften
Geiß, Fischer, Terno, Otten, Salditt, Schott, Christian
Fundstellen
Haufe-Index 539871 |
NJ 2000, 560 |
BRAK-Mitt. 2001, 90 |