Verfahrensgang
LG Wuppertal (Entscheidung vom 13.12.2023; Aktenzeichen 22 KLs 16/23) |
Tenor
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Wuppertal vom 13. Dezember 2023
a) im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte des Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Erwerb von Cannabis sowie des Erwerbs von Betäubungsmitteln schuldig ist;
b) in den Aussprüchen über die Einzelstrafe im Fall II. 2. der Urteilsgründe und die Gesamtstrafe aufgehoben, jedoch werden die jeweils zugehörigen Feststellungen aufrechterhalten.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
Gründe
Rz. 1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen „unerlaubten“ Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und „unerlaubten“ Erwerbs von Betäubungsmitteln zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten verurteilt. Hiergegen wendet sich der Beschwerdeführer mit seiner auf die Rügen der Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
I.
Rz. 2
Nach den vom Landgericht getroffenen Feststellungen erwarb der Angeklagte am 23. Oktober 2021 Ecstasy-Tabletten mit einer Gesamtwirkstoffmenge von mindestens 2,82 Gramm MDMA-Base zum Eigenverbrauch (Fall II. 1. der Urteilsgründe). Zu einem späteren Zeitpunkt vor dem 13. September 2022 erwarb er - gleichfalls zum Eigenverbrauch - im Rahmen eines einheitlichen Einkaufsvorgangs 84,66 Gramm Cannabis, und zwar 32,56 Gramm Marihuana mit einer Wirkstoffmenge von 2,05 Gramm Tetrahydrocannabinol (THC) und 52,10 Gramm Haschisch mit einer Wirkstoffmenge von 3,12 Gramm THC, sowie Ecstasy-Tabletten mit einer Wirkstoffmenge von 21,5 Gramm MDMA-Base und Amphetamin mit einer Wirkstoffmenge von 31,8 Gramm Amphetaminbase.
II.
Rz. 3
1. Die Verfahrensrüge ist nicht ausgeführt und damit unzulässig (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO).
Rz. 4
2. Die auf die Sachrüge veranlasste umfassende materiellrechtliche Nachprüfung des Urteils hat hinsichtlich des Falls II. 1. der Urteilsgründe und der diesbezüglichen Verurteilung des Angeklagten wegen Erwerbs von Betäubungsmitteln gemäß § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BtMG keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Der Senat lässt allerdings die unnötige Kennzeichnung der Straftat als „unerlaubt“ (vgl. insofern BGH, Beschluss vom 19. Dezember 2023 - 3 StR 411/23, juris Rn. 9 mwN) entfallen.
Rz. 5
3. Dagegen hat der Schuldspruch im Fall II. 2. der Urteilsgründe keinen Bestand, weil das Landgericht den Angeklagten, soweit die Tat den Umgang mit Marihuana und Haschisch betrifft, entsprechend der zum Urteilszeitpunkt geltenden Rechtslage nach dem Betäubungsmittelgesetz verurteilt hat. Am 1. April 2024 ist jedoch das Gesetz zum Umgang mit Konsumcannabis (Konsumcannabisgesetz - KCanG) vom 27. März 2024 in Kraft getreten (BGBl. 2024 I Nr. 109). Die Rechtsänderung hat der Senat gemäß § 2 Abs. 3 StGB in Verbindung mit § 354a StPO zu berücksichtigen. Nach der Neuregelung unterfällt Cannabis nicht mehr dem Betäubungsmittelgesetz, sondern bestimmt sich die Strafbarkeit der hier zu beurteilenden Tat, soweit es den Erwerb von Marihuana und Haschisch betrifft, nach dem Konsumcannabisgesetz (vgl. BGH, Beschlüsse vom 7. Mai 2024 - 5 StR 115/24, juris Rn. 9; vom 6. Mai 2024 - 5 StR 1/24, juris Rn. 4; vom 18. April 2024 - 6 StR 24/24, juris Rn. 5).
Rz. 6
Die Tat im Fall II. 2. der Urteilsgründe ist unter dem neuen Rechtszustand nach Inkrafttreten des Konsumcannabisgesetzes als Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (in Bezug auf die Ecstasy-Tabletten und das Amphetamin) in Tateinheit mit Erwerb von Cannabis (§ 34 Abs. 1 Nr. 12 Buchst. a KCanG) zu werten. Bei Marihuana und Haschisch handelt es sich um ein Produkt der Cannabispflanze, das nach den Begriffsbestimmungen des Konsumcannabisgesetzes als „Cannabis“ erfasst wird (§ 1 Nr. 4 und 5 KCanG). Die Tathandlungen des § 34 Abs. 1 KCanG hat der Gesetzgeber ausdrücklich an die Begrifflichkeiten des BtMG angelehnt (vgl. BT-Drucks. 20/8704, S. 94). Die Strafbarkeit wegen Erwerbs von Cannabis gemäß § 34 Abs. 1 Nr. 12 Buchst. a KCanG verdrängt in der vorliegenden Fallkonstellation diejenige wegen Besitzes von Cannabis gemäß § 34 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b KCanG. Auch bei Straftaten nach dem KCanG bedarf es keiner Tatkennzeichnung als „unerlaubt“ (oder „verboten“), weil die Strafvorschriften des § 34 KCanG allein den untersagten Umgang mit Cannabis betreffen (vgl. BGH, Beschluss vom 23. April 2024 - 5 StR 153/24, juris Rn. 6).
Rz. 7
Die neue Rechtslage unter der Geltung des Konsumcannabisgesetzes ist bei dem nach § 2 Abs. 3 StGB gebotenen konkreten Gesamtvergleich im Einzelfall (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteile vom 10. August 2023 - 3 StR 412/22, NZWiSt 2024, 187 Rn. 70; vom 8. August 2022 - 5 StR 372/21, BGHSt 67, 130 Rn. 12 f. mwN; Beschluss vom 14. Oktober 1982 - 3 StR 363/82, NStZ 1983, 80; Urteil vom 9. Oktober 1964 - 3 StR 32/64, BGHSt 20, 74, 75; Fischer, StGB, 71. Aufl., § 2 Rn. 8 f.; Schönke/Schröder/Hecker, StGB, 30. Aufl., § 2 Rn. 28 ff. mwN) für den Angeklagten günstiger als die nach dem Tatzeitrecht (§ 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG); sie ist daher gemäß § 2 Abs. 3 StGB in Verbindung mit § 354a StPO maßgeblich. Zwar tritt nach ihr im Schuldspruch eine tateinheitliche Verurteilung wegen Erwerbs von Cannabis zur Strafbarkeit wegen Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge hinzu. Jedoch lässt die Herausnahme des tatgegenständlichen Haschisch und Marihuanas aus der Strafbarkeit wegen Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge nach § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG und die gesonderte Erfassung des Cannabis durch eine (tateinheitliche) Bestrafung wegen Erwerbs von Cannabis nach § 34 Abs. 1 Nr. 12 Buchst. a KCanG aufgrund des geringeren Schuldgehalts von Taten nach dem Konsumcannabisgesetz Raum für eine mildere Bestrafung.
Rz. 8
Der Senat ändert den Schuldspruch deshalb in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO wie aus der Beschlussformel ersichtlich. Die Regelung des § 265 StPO steht der Schuldspruchänderung nicht entgegen, weil sich der geständige Angeklagte nicht wirksamer als geschehen hätte verteidigen können.
Rz. 9
4. Infolge der Schuldspruchänderung im Fall II. 2. der Urteilsgründe bedarf die Einzelstrafe für diese Tat der Aufhebung. Es ist nicht auszuschließen, dass die auf Cannabis bezogenen Tathandlungen des Angeklagten für das Landgericht bei der Bestimmung des Schuldumfangs und damit bei der Zumessung der verhängten Strafe mitentscheidend gewesen sind. Auch wenn die Strafe dem Strafrahmen des § 29a Abs. 1 BtMG zu entnehmen ist (vgl. § 52 Abs. 2 Satz 1 StGB), entzieht die gesetzgeberische Wertung eines reduzierten Unrechtsgehalts, die sich nicht zuletzt aus der in § 34 Abs. 1 KCanG vorgesehenen und gegenüber § 29 Abs. 1 BtMG milderen Strafdrohung ergibt, der Strafe die Grundlage. Die Aufhebung der Einzelstrafe bedingt zudem die Aufhebung der Gesamtstrafe.
Rz. 10
Einer Aufhebung der jeweils zugehörigen Feststellungen bedarf es nicht (§ 353 Abs. 2 StPO). Soweit die Strafkammer zu Gunsten des Angeklagten gewertet hat, dass es sich bei Marihuana und Haschisch um eine weiche Droge handele, und damit einen unter der Geltung des Konsumcannabisgesetzes nicht mehr statthaften Strafzumessungsgrund herangezogen hat (vgl. BGH, Beschlüsse vom 16. Mai 2024 - 6 StR 116/24, juris Rn. 5; vom 29. April 2024 - 6 StR 132/24, juris Rn. 5), handelt es sich um eine bloße Wertung und keine Tatsachenfeststellung. Das zur neuen Verhandlung und Entscheidung berufene Tatgericht kann ergänzende Feststellungen treffen, soweit diese den bisherigen nicht widerstreiten.
VRiBGH Prof. Dr. Schäfer befindet sich um Urlaub und ist deshalb gehindert zu unterschreiben. |
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Fundstellen
Dokument-Index HI16416559 |