Tenor
Auf die sofortige Beschwerde des Klägers wird der Beschluß des 5. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Bamberg vom 24. März 1999 aufgehoben.
Dem Kläger wird gegen die Versäumung der Frist zur Begründung seiner Berufung gegen das Urteil des Landgerichts Coburg vom 20. Mai 1998 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt.
Der Beschwerdewert wird auf 150.090,71 DM festgesetzt.
Gründe
I.
Der Kläger hat gegen das ihm am 27. Mai 1998 zugestellte Urteil des Landgerichts am 29. Juni 1998, einem Montag, Berufung eingelegt. Die auf den 28. Juli 1998 datierte Berufungsbegründung ist am 30. Juli 1998, mithin um einen Tag verspätet, eingegangen.
Mit einem dem Oberlandesgericht am 12. August 1998 zugegangenen Schriftsatz hat der Kläger Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist beantragt. Dazu hat er vorgetragen und glaubhaft gemacht, die in der Kanzlei seiner zweitinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten mit der Bearbeitung der Fristen betraute Anwaltsfachangestellte M. habe es aus nicht mehr nachvollziehbaren Gründen entgegen bestehenden Anweisungen unterlassen, bei der Einreichung der Berufung eine Berufungsbegründungsfrist auf den 29. Juli 1998 zu notieren und diese Eintragung später anhand der Eingangsbestätigung des Oberlandesgerichts, die am 3. Juli 1998 in der Kanzlei vorgelegen habe, noch einmal zu überprüfen.
Frau M. habe sich zuvor bei der Führung des Fristenkalenders stets als sehr zuverlässig erwiesen. Es habe niemals Anlaß zu Beanstandungen gegeben; Stichproben und Kontrollen hätten jeweils eine ordnungsgemäße Bearbeitung gezeigt.
In dieser Sache habe der erstinstanzliche Prozeßbevollmächtigte des Klägers vereinbarungsgemäß auch die Schriftsätze für den zweiten Rechtszug entworfen. Diese würden in solchen Fällen in der Kanzlei der Berufungsanwälte dann lediglich ausgefertigt und dem zuständigen Sachbearbeiter zur Unterschrift vorgelegt. So sei es auch mit der Berufungsbegründung vom 28. Juli 1998 geschehen. An diesem Tage sei der Sachbearbeiter verhindert gewesen, und am 29. Juli 1998 habe ein Betriebsausflug der Kanzlei stattgefunden. Als dann am 30. Juli 1998 nach Unterzeichnung und Einreichung der Berufungsbegründungsschrift die Begründungsfrist im Terminkalender als erledigt habe abgehakt werden sollen, sei festgestellt worden, daß dort eine solche Frist gar nicht eingetragen worden sei.
Mit Schriftsatz vom 29. September 1998 hat der Kläger ergänzend die Ansicht vertreten, die Eintragung einer Vorfrist sei hier wegen der Erstellung der Berufungsbegründung durch den erstinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten entbehrlich gewesen. Ihr Fehlen sei für die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist auch nicht ursächlich geworden.
Das Oberlandesgericht hat den Wiedereinsetzungsantrag zurückgewiesen und die Berufung des Klägers als unzulässig verworfen. Es hat zur Begründung ausgeführt, die Berufungsbegründung sei nicht nur wegen der unterlassenen Eintragung des Endes dieser Frist, sondern auch deshalb versäumt worden, weil keine entsprechende Vorfrist eingetragen worden sei. Einer solchen Eintragung habe es unbeschadet des Umstandes bedurft, daß die Berufungsbegründungsschrift vereinbarungsgemäß vom erstinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten des Klägers habe entworfen werden sollen. Bei Vorlage der Sache am Tage der Vorfrist hätte der zweitinstanzliche Vertreter des Klägers pflichtgemäß überprüft, für welchen Tag das Fristende eingetragen sei; dabei hätte er dann den fehlenden Eintrag bemerkt.
II.
Die zulässige sofortige Beschwerde ist begründet.
Der Kläger hat dargelegt und glaubhaft gemacht, daß die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist ausschließlich auf einem Versehen der Büroangestellten M. beruht. Ein für die Fristversäumnis ursächliches Verschulden seiner zweitinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten, das der Kläger sich gemäß §§ 233, 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen müßte, liegt entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts nicht vor.
1. Zutreffend geht das Berufungsgericht allerdings davon aus, daß die Organisation der Fristenkontrolle in der Kanzlei der zweitinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten des Klägers Mängel aufgewiesen hat.
a) Ein Rechtsanwalt hat durch geeignete organisatorische Maßnahmen dafür zu sorgen, daß Fristversäumnisse möglichst vermieden werden. Dazu gehört nach feststehender Rechtsprechung die allgemeine Anordnung, daß jedenfalls bei solchen Prozeßhandlungen, deren Vornahme nach ihrer Art mehr als nur einen geringen Aufwand an Zeit und Mühe erfordert, wie dies regelmäßig bei Rechtsmittelbegründungen der Fall ist, außer dem Datum des Fristablaufs auch noch eine sog. Vorfrist zu vermerken ist (vgl. Senatsbeschluß vom 27. Mai 1997 - VI ZB 10/97 - NJW 1997, 2825, 2826; BGH, Beschluß vom 6. Juli 1994 - VIII ZB 26/94 - NJW 1994, 2551 f.).
b) Dem Berufungsgericht ist dahin zu folgen, daß die Eintragung einer solchen Vorfrist im Streitfall nicht deshalb entbehrlich war, weil die Berufungsbegründungsschrift vereinbarungsgemäß von dem erstinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten des Klägers erstellt und den zweitinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten lediglich zur Ausfertigung und Unterzeichnung zugeleitet werden sollte. Auch bei einer solchen Abrede verbleibt die eigentliche Verantwortung für die Einhaltung der Berufungsbegründungsfrist bei dem Berufungsanwalt (BGH, Beschluß vom 23. Januar 1997 - I ZB 43/96 - NJW-RR 1997, 824). Die Handhabung in der Kanzlei der zweitinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten des Klägers, in solchen Fällen keine Vorfrist eintragen zu lassen, beruht deshalb auf einer mangelhaften Büroorganisation.
2. Der angefochtene Beschluß ist jedoch deshalb aufzuheben, weil entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts der Pflichtenverstoß der zweitinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten des Klägers für die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist hier nicht ursächlich geworden ist.
a) Wie der Kläger vorgetragen und glaubhaft gemacht hat, hat die ansonsten stets sehr zuverlässig arbeitende Anwaltsfachangestellte M. im Streitfall entgegen bestehenden Anweisungen weder bei der Einreichung der Berufungsschrift eine (vorläufige) Berufungsbegründungsfrist notiert, noch hat sie später anhand der Bestätigung des Eingangs der Berufungsschrift durch das Berufungsgericht den Fristenkalender auf eine richtige Eintragung hin überprüft. Es muß davon ausgegangen werden, daß sie im konkreten Fall nicht anders verfahren wäre, wenn in der Kanzlei eine allgemeine Anweisung zur Notierung von Vorfristen auch für solche Mandate bestanden hätte, in denen die Erstellung der Berufungsbegründungsschrift vereinbarungsgemäß durch den erstinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten erfolgen sollte (zu einem ähnlichen Fall vgl. BGH, Beschluß vom 25. Juni 1997 - XII ZB 61/97 - NJW-RR 1997, 1289). Deshalb kommt hier dem Fehlen einer Anweisung zur Notierung von Vorfristen keine eigenständige Bedeutung zu.
b) Es spricht auch nichts dafür, daß die Büroangestellte M. etwa dann, wenn eine allgemeine anwaltliche Anweisung zur Eintragung einer Vorfrist auch für Fälle wie den vorliegenden bestanden hätte, die Eintragung der Endfrist nicht vergessen hätte. Denn da die Notierung der Endfrist durch eine besondere, von M. aber dennoch nicht beachtete Anordnung vorgeschrieben war, kann nicht angenommen werden, daß M. einer Anweisung zur Eintragung von Vorfristen eine stärkere Beachtung geschenkt und dabei dann auch an die Eintragung einer Endfrist gedacht hätte.
3. Da somit den zweitinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten des Klägers kein für die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist ursächlicher Pflichtenverstoß zur Last zu legen ist, muß der angefochtene Beschluß aufgehoben und dem Kläger Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt werden.
Unterschriften
Groß, Bischoff, Dr. v. Gerlach, Dr. Müller, Dr. Dressler
Fundstellen
Haufe-Index 538968 |
BRAK-Mitt. 1999, 257 |