Verfahrensgang
LG Berlin (Entscheidung vom 17.04.2023; Aktenzeichen 534 KLs 4/23) |
Tenor
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Berlin vom 17. April 2023 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere als Schwurgericht zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Gründe
Rz. 1
Das Landgericht hat den Angeklagten vom Vorwurf der gefährlichen Körperverletzung freigesprochen. Es hat seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Zudem hat es eine Einziehungsentscheidung getroffen. Die auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten führt auf eine Verfahrensrüge hin zur Aufhebung des Urteils. Der Beschwerdeführer beanstandet zu Recht eine Verletzung von § 265 Abs. 2 Nr. 1 StPO.
Rz. 2
1. Der Rüge liegt folgendes Verfahrensgeschehen zugrunde: Die Staatsanwaltschaft erhob gegen den Angeklagten Anklage wegen gefährlicher Körperverletzung. Auf Anregung des Landgerichts beantragte sie später hilfsweise eine Eröffnung im Sicherungsverfahren. Dem Angeklagten wurde dieser Antrag nicht mitgeteilt. Die Strafkammer beschloss die Zulassung der Anklage zur Hauptverhandlung und die reguläre Eröffnung des Hauptverfahrens. Weder im Eröffnungsbeschluss noch in der Anklageschrift wurde die Möglichkeit einer Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus thematisiert. Auch im Folgenden wurde der Angeklagte vor der Urteilsverkündung durch die Strafkammer nicht darauf hingewiesen, dass die Verhängung einer derartigen Rechtsfolge in Betracht kam.
Rz. 3
2. Der Angeklagte hat die Rüge in zulässiger Weise erhoben (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO). Insbesondere ergibt sich - wie auch in der Zuschrift des Generalbundesanwalts ausgeführt - auch ohne Nennung des § 265 Abs. 2 StPO als verletzter Vorschrift aus dem Revisionsvortrag eindeutig, dass sich der Beschwerdeführer dagegen wendet, ohne entsprechende Information durch die Anklageschrift und ohne vorherigen Hinweis des Gerichts einer Unterbringung nach § 63 StGB unterworfen worden zu sein.
Rz. 4
3. Die Rüge ist begründet. Das Tatgericht ist unabhängig von einer eingetretenen Veränderung der Sachlage verpflichtet, den Angeklagten in der Hauptverhandlung gemäß § 265 Abs. 2 Nr. 1 StPO förmlich auf die mögliche Anordnung einer Maßregel der Besserung und Sicherung hinzuweisen, wenn die Maßregel in der zugelassenen Anklage keine Erwähnung gefunden hat (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschlüsse vom 1. August 2017 - 4 StR 178/17, StraFo 2017, 418; vom 22. Oktober 2020 - GSSt 1/20, BGHSt 66, 20). Dem ist die Strafkammer nicht nachgekommen.
Rz. 5
Das Urteil beruht auf dem Verfahrensfehler (§ 337 Abs. 1 StPO). Entgegen dem Antrag des Generalbundesanwalts unterliegen auch die Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen der Aufhebung. Der Senat vermag nicht auszuschließen, dass sich der Angeklagte nach einem Hinweis auf eine mögliche Unterbringung auch in diese Richtung wirksamer als geschehen hätte verteidigen können.
Rz. 6
4. Der Senat verweist das Verfahren gemäß dem Antrag des Generalbundesanwalts entsprechend § 355 StPO an eine Schwurgerichtskammer des Landgerichts zurück. Dies hat auch bei einer Zurückverweisung gemäß § 354 Abs. 2 StPO zu geschehen, weil das Revisionsgericht den nach den Vorschriften des Gerichtsverfassungsgesetzes zuständigen Spezialspruchkörper (§ 74 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4, § 74e Nr. 1 GVG) mit der Sache zu betrauen hat (vgl. BGH, Urteile vom 23. September 2021 - 3 StR 38/21; vom 29. April 2010 - 5 StR 18/10, BGHSt 55, 121) und sich auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen nicht ausschließen lässt, dass der Angeklagte mit Tötungsvorsatz gehandelt haben könnte.
Cirener |
|
Mosbacher |
|
Köhler |
|
von Häfen |
|
Werner |
|
Fundstellen
Dokument-Index HI15927351 |