Entscheidungsstichwort (Thema)
Zulassungswiderruf. Rechtsanwalt. Vermögensverfall
Leitsatz (redaktionell)
Die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft ist zu widerrufen, wenn der Rechtsanwalt in ungeordnete, schlechte finanzielle Verhältnisse geraten ist, diese in absehbarer Zeit nicht ordnen kann und außerstande ist, seinen Zahlungsverpflichtungen nachzukommen, was vermutet wird, wenn über sein Vermögen ein Insolvenzverfahren eröffnet oder er in das vom Vollstreckungsgericht zu führende Verzeichnis eingetragen wurde.
Normenkette
BRAO § 14 Abs. 2 Nr. 7
Verfahrensgang
AGH Nordrhein-Westfalen (Beschluss vom 19.07.2002) |
Tenor
Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des 1. Senats des AGH des Landes Nordrhein-Westfalen v. 19.7.2002 wird zurückgewiesen.
Der Antragsteller hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen und der Antragsgegnerin die ihr im Beschwerdeverfahren entstandenen notwendigen außergerichtlichen Auslagen zu erstatten.
Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 50.000 Euro festgesetzt.
Gründe
I.
Der Antragsteller ist seit 1992 zur Rechtsanwaltschaft und als Rechtsanwalt beim Amts- und LG D. zugelassen.
Durch Verfügung v. 13.12.2001 hat die Antragsgegnerin die Zulassung des Antragstellers zur Rechtsanwaltschaft wegen Vermögensverfalls (§ 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO) widerrufen. Den Antrag auf gerichtliche Entscheidung hat der AGH zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die sofortige Beschwerde des Antragstellers.
II.
Das Rechtsmittel ist zulässig (§ 42 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 4 BRAO), bleibt jedoch in der Sache ohne Erfolg.
1. Die Widerrufsverfügung ist zu Recht ergangen.
a) Nach § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO ist die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft zu widerrufen, wenn der Rechtsanwalt in Vermögensverfall geraten ist, es sei denn, dass dadurch die Interessen der Rechtsuchenden nicht gefährdet sind. Vermögensverfall ist gegeben, wenn der Rechtsanwalt in ungeordnete, schlechte finanzielle Verhältnisse geraten ist, diese in absehbarer Zeit nicht ordnen kann und außerstande ist, seinen Zahlungsverpflichtungen nachzukommen. Ein Vermögensverfall wird vermutet, wenn ein Insolvenzverfahren über das Vermögen des Rechtsanwalts eröffnet oder dieser in das vom Vollstreckungsgericht zu führende Verzeichnis (§ 915 ZPO) eingetragen ist.
b) Diese Voraussetzungen waren zum maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses der Widerrufsverfügung erfüllt. Im Schuldnerverzeichnis des AG D. waren fünf Haftbefehle zur Erzwingung der Abgabe der eidesstattlichen Versicherung eingetragen. Nach dem eigenen Vorbringen des Antragstellers waren jedenfalls in drei Fällen (Haftbefehle Nr. 2, 4 und 5 in der der Widerrufsverfügung beigefügten Forderungsaufstellung der Antragsgegnerin; vgl. zu den Forderungen des Versorgungswerks der Rechtsanwälte ... die nachfolgenden Ausführungen unter 2. b, aa) die Forderungen der die Eintragung herbeiführenden Gläubiger nicht vollständig getilgt, so dass die gesetzliche Vermutungswirkung nicht widerlegt war.
c) Anhaltspunkte für einen Ausnahmefall, in dem trotz des Vermögensverfalls Interessen der Rechtsuchenden nicht gefährdet wären, lagen nicht vor.
2. Wenn der Widerrufsgrund nach Erlass der Widerrufsverfügung zweifelsfrei weggefallen ist, ist das im gerichtlichen Verfahren noch zu berücksichtigen. Ein derartiger Wegfall lässt sich nicht feststellen.
a) Der Antragsteller ist nach wie vor im Schuldnerverzeichnis eingetragen. Zwar sind mittlerweile, wie der jüngsten Forderungsaufstellung der Antragsgegnerin (Stand 13.6.2003) zu entnehmen ist, zwei Haftbefehlseintragungen gelöscht worden, jedoch sind unter dem Datum 17.7.2002 und 28.2.2003 zwei weitere Eintragungen vorgenommen worden.
b) aa) Aus den Forderungsaufstellungen der Antragsgegnerin ergibt sich, dass der Hauptgläubiger des Antragstellers das Versorgungswerk der Rechtsanwälte ... ist. Nach den Angaben des Antragstellers in der Beschwerdeschrift macht das Versorgungswerk offene Beitragsforderungen i. H. v. fast 58.000 Euro geltend. Nach dem Vortrag der Antragsgegnerin ist der Beitragsrückstand des Antragstellers mittlerweile auf mehr auf 73.000 Euro angewachsen. Wegen eines Betrags von über 9.700 Euro (Stichtag: Erlass der Widerrufsverfügung) bzw. 10.700 Euro (Stichtag: 11.7.2002) betreibt das Versorgungswerk die Zwangsvollstreckung.
Der Antragsteller beruft sich darauf, dass auf Grund seiner Einkommens- und Vermögensverhältnisse bei der Bemessung seiner Beiträge nicht der vom Versorgungswerk veranschlagte volle S. (10/10), sondern nur ein weit geringerer S. (3/10) hätte zugrunde gelegt werden dürfen; ein wegen dieser Frage anhängiges Verfahren vor dem VGH D. sei noch nicht abgeschlossen. Aber selbst wenn das Vorbringen des Antragstellers insoweit als richtig unterstellt wird, ergeben sich immer noch Beitragsrückstände gegenüber dem Versorgungswerk von mehr als 15.000 Im Übrigen macht der Antragsteller selbst nicht geltend, dass die Zwangsvollstreckung (vorläufig) eingestellt worden ist oder sonst unzulässig sein könnte.
bb) Bezüglich der "Forderung L." behauptet der Antragsteller, dass ein (vollstreckbarer) Vergleich geschlossen worden sei, so dass der in den (früheren) Aufstellungen der Antragsgegnerin enthaltene Betrag von 21.105,21 DM nicht mehr den Gegebenheiten entspreche. Der Antragsteller legt aber nicht dar, welche Summe insoweit noch offen steht; eine angeblich mit der Gläubigerin L. geschlossene Tilgungsabrede ist nicht belegt.
Der jüngsten Forderungsaufstellung der Antragsgegnerin (Stand 13.6.2003) ist zu entnehmen, dass die Gläubigerin L. derzeit wegen eines Betrages von 27.908,51 Euro die Zwangsvollstreckung betreibt.
cc) Betreffend den "Komplex H." ist im Laufe des Beschwerdeverfahrens von der Antragsgegnerin mit Schreiben v. 8.7.2003 eine Abschrift des Urteils des LG D. v. 9.5.2003 zu den Akten gereicht worden, woraus sich ergibt, dass der Antragsteller an den Gläubiger H. mehr als 16.000 Euro nebst Zinsen zu zahlen hat.
dd) Neben den genannten Forderungen sind in der jüngsten Aufstellung der Antragsgegnerin noch fünf weitere Vollstreckungstitel gegen den Antragsteller i. H. v. insgesamt mehr als 3.000 Euro aufgeführt, zu denen sich der Antragsteller bisher nicht erklärt hat.
c) Darüber hinaus hat es der Antragsteller trotz entsprechender Ankündigung in der Beschwerdeschrift an der grundsätzlich unerlässlichen umfassenden Darlegung seiner Einkommens- und Vermögensverhältnisse fehlen lassen, insbesondere an der Vorlage einer vollständigen Übersicht über die bestehenden Verbindlichkeiten, über - zu belegende - erfolgte und für die Zukunft vereinbarte Tilgungen und über laufende Einkünfte.
Fundstellen