Leitsatz (amtlich)

Die Überwachung des vollständigen Kaufpreiseingangs auf dem Anderkonto des Notars ist durch die Hebegebühr gem. § 149 KostO abgegolten.

 

Normenkette

KostO §§ 149, 147 Abs. 2

 

Verfahrensgang

OLG Rostock (Entscheidung vom 20.06.2011; Aktenzeichen 5 W 125/10)

LG Schwerin (Beschluss vom 01.10.2010; Aktenzeichen 4 T 1/09)

 

Tenor

Die weitere Beschwerde gegen den Beschluss der 4. Zivilkammer des LG Schwerin vom 1.10.2010 wird zurückgewiesen.

Der Beteiligte zu 1) hat der Beteiligten zu 2) die im Verfahren der weiteren Beschwerde entstandenen notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Der Geschäftswert für das Verfahren der weiteren Beschwerde beträgt 132,09 EUR.

 

Gründe

I.

Rz. 1

Der Beteiligte zu 1) (Notar) beurkundete am 31.3.2008 einen Vertrag, durch den der Beteiligte zu 3) ein Grundstück an die Beteiligte zu 2) verkaufte. Der Kaufpreis i.H.v. 219.000 EUR sollte über ein Anderkonto des Beteiligten zu 1) abgewickelt werden. In Ziff. 6 des Vertrages wiesen die Kaufvertragsparteien den Notar an, den Antrag auf Eigentumsumschreibung beim Grundbuchamt erst einzureichen, wenn der Kaufpreis auf dessen Anderkonto eingegangen war und alle zur vertragsgerechten Eigentumsumschreibung erforderlichen Unterlagen vorlagen. Nach Ziff. 9 sollte der Kaufpreis an den Verkäufer ausgezahlt werden, wenn eine Vormerkung zugunsten des Käufers eingetragen war und der Eigentumsumschreibung keine Hindernisse entgegenstanden. Nachdem der Notar gegenüber der Beteiligten zu 2) die Beurkundungs- und Vollzugsgebühr sowie die Hebegebühr gem. § 149 KostO abgerechnet hatte, brachte er in seiner Kostenrechnung - neben anderen Kosten - für die Überwachung der Eigentumsumschreibungsreife eine 5/10 Gebühr nach § 147 Abs. 2 KostO aus einem Geschäftswert von 109.500 EUR in Ansatz.

Rz. 2

Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 2) hat das LG, soweit hier von Interesse, die Kostenrechnung dahin geändert, dass die für die Überwachung der Eigentumsumschreibungsreife angesetzte Gebühr von 111 EUR nebst Umsatzsteuer entfällt. Dagegen richtet sich die weitere Beschwerde des Notars, die das OLG zurückweisen möchte. Es sieht sich hieran durch die Beschlüsse des OLG Frankfurt vom 26.1.2006 (MittbayNot 2007, 76), des OLG Düsseldorf vom 6.7.1995 (JurBüro 1996, 101) und vom 7.5.1992 (JurBüro 1992, 823), des OLG Köln vom 6.2.1991 (MittRhNotK 1991, 89) und des KG vom 4.2.1986 (JurBüro 1986, 903) und vom 12.11.1974 (DNotZ 1975, 752) gehindert und hat deshalb die Sache dem BGH vorgelegt.

II.

Rz. 3

Die Vorlage ist gem. § 156 Abs. 4 Satz 4 KostO a.F., § 28 Abs. 2 FGG a.F. i.V.m. Art. 111 Abs. 1 Satz 1 FGG-RG (vgl. BGH, Beschl. v. 3.11.2010 - XII ZB 197/10, NJW 2011, 386, 387 Rz. 10) statthaft. Das vorlegende OLG ist der Ansicht, dass für die Überwachung der Umschreibungsreife neben der Hebegebühr gem. § 149 KostO keine Betreuungsgebühr nach § 147 Abs. 2 KostO entstehen kann. Demgegenüber vertreten jedenfalls das OLG Düsseldorf, das OLG Köln und das KG in den Vergleichsentscheidungen die Auffassung, dass die Prüfung der Umschreibungsreife durch die Hebegebühr nicht abgegolten wird, sondern nach § 147 Abs. 2 KostO gesondert zu vergüten ist. Diese Divergenz rechtfertigt die Vorlage.

III.

Rz. 4

Die weitere Beschwerde ist zulässig (§ 156 Abs. 2 Sätze 1 u. 2, Abs. 4 KostO a.F.), bleibt aber in der Sache ohne Erfolg. Die Annahme des Beschwerdegerichts, der Kostengläubiger könne im vorliegenden Fall für die Überwachung der Umschreibungsreife keine Gebühr nach § 147 Abs. 2 KostO in Ansatz bringen, ist zutreffend und beruht damit nicht auf einer Verletzung des Rechts (§ 156 Abs. 2 Satz 3 KostO a.F.).

Rz. 5

1. Bei dem Gebührentatbestand des § 147 Abs. 2 KostO handelt es sich um eine Auffangregelung, deren Anwendung voraussetzt, dass die Kostenordnung für die betreffende Tätigkeit keine Gebühr bestimmt und auch keine Regelung enthält, aus der sich ergibt, dass dem Notar für diese Tätigkeit keine gesonderte Gebühr erwachsen soll (BGH, Beschluss vom 13.7.2006 - V ZB 87/05, NJW 2006, 3428, 3429 Rz. 8 m.w.N.). Eine derartige, die Anwendung von § 147 Abs. 2 KostO ausschließende Regelung stellt die Vorschrift des § 149 KostO dar (BGH, Beschl. v. 2.4.2009 - V ZB 70/08, NJW-RR 2009, 1434 Rz. 6).

Rz. 6

2. In Rechtsprechung und Literatur ist allerdings umstritten, ob die Kaufpreisüberwachung als Teil des Verwahrungsgeschäfts anzusehen und daher durch die Hebegebühr gem. § 149 KostO abgegolten ist.

Rz. 7

a) Nach herrschender Meinung stellt die Kaufpreisüberwachung eine außerhalb des Hinterlegungsgeschäfts liegende notarielle Tätigkeit dar, die nach § 147 Abs. 2 KostO selbständig zu vergüten ist (OLG Düsseldorf, JurBüro 1996, 101 und JurBüro 1992, 823; OLG Köln, MittRhNotK 1991, 89, 90; KG, JurBüro 1986, 903, 906 und DNotZ 1975, 752, 753; Assenmacher/Mathias, KostO, 16. Aufl., "Hebegebühr" Anm. 9.2.5; Filzek, KostO, 4. Aufl., § 149 Rz. 7; Bay. Notarkasse, Streifzug durch die Kostenordnung, 6. Aufl., Rz. 1199; Wudy, NotBZ 2009, 273, 274; Brosette, MittRhNotK 1993, 134, 136; Mümmler, JurBüro 1992, 823; Bund, DNotZ 1997, 27, 30, ders. differenzierend nach der Prüfungstätigkeit des Notars, JurBüro 2005, 45, 46). Es lägen verschiedene Geschäfte mit unterschiedlicher Zielrichtung vor: Während die mit der Hebegebühr gem. § 149 KostO insb. abgegoltene Feststellung der Auszahlungsreife den Interessen des Käufers diene, solle durch die Überwachung des Eingangs des Kaufpreises das Interesse des Verkäufers gewahrt werden. Daher handle es sich bei der Kaufpreisüberwachung um ein zusätzliches Überwachungsgeschäft des Notars zur Sicherung des Verkäufers. Zudem gehöre zur Prüfung der Umschreibungsreife die weitere selbständige Feststellung, dass der Kaufpreis vollständig auf das Notaranderkonto eingezahlt worden sei. Die Überprüfung der Vollständigkeit der Kaufpreiszahlung sei aber nicht Teil des notariellen Verwahrungsgeschäfts.

Rz. 8

b) Nach anderer Ansicht wird die Überwachung der Kaufpreiszahlung von der Hebegebühr gem. § 149 KostO erfasst (OLG Brandenburg, JurBüro 2011, 143, 144; OLG Celle, JurBüro 2005, 42, 43; OLG Hamm, NJW-RR 1999, 583, 584; OLG Frankfurt, JurBüro 1989, 1142; Rohs/Wedewer, KostenO, § 147 Rz. 13c, Stand: November 2009, und § 149 Rz. 12, Stand: September 2010; Korintenberg/Lappe/Bengel/Reimann, KostenO, 18. Aufl., § 149 Rz. 7b; anders noch die Vorauflage). Diese gelte die gesamte auf das Verwahrungsgeschäft verwendete Tätigkeit ab, die der Notar zur Erfüllung der Anforderungen erbringe, die die Vertragsteile an die Hinterlegung und Auszahlung des auf das Anderkonto zu hinterlegenden Betrages gestellt hätten. Dazu gehöre auch die Überwachung des vollständigen Zahlungseingangs. Denn der Käufer sei gem. § 266 BGB zu Teilzahlungen nicht berechtigt, so dass auch der Notar erst nach vollständigem Zahlungseingang die Beträge auskehren dürfe. Außerdem diene die Einrichtung des notariellen Anderkontos nicht nur der Sicherstellung der vertragsgemäßen Verwendung des Kaufpreises, sondern auch des vollständigen Zug-um-Zug-Austausches der beiderseitigen Leistungen.

Rz. 9

c) Die zuletzt genannte Auffassung verdient den Vorzug. Bei dem Hinterlegungsgeschäft und der Überwachung der Kaufpreiszahlung handelt es sich nicht um verschiedene Geschäfte mit unterschiedlicher Zielsetzung. Vielmehr ist die Überwachung des vollständigen Zahlungseingangs Teil des Verwahrungsgeschäfts.

Rz. 10

aa) Die Kaufpreisabwicklung über ein Notaranderkonto dient der Abwicklung des grundsätzlich Zug-um-Zug vorzunehmenden, bei Grundstückskaufverträgen in der praktischen Durchführung aber mit vielfältigen Schwierigkeiten verbundenen Leistungsaustausches. Es muss erreicht werden, dass keine der Vertragsparteien eine ungesicherte Vorleistung erbringt, ohne dass der Leistungsaustausch durch Zurückbehaltungsrechte beider Parteien nach § 320 BGB blockiert wird. Zur Bewältigung der technischen Abwicklungsprobleme stehen den Vertragsparteien unterschiedliche Möglichkeiten zur Verfügung. Ist eine direkte Kaufpreiszahlung vorgesehen, können sie die Kaufpreisfälligkeit und die Umschreibung des Eigentums von bestimmten, ihren jeweiligen Leistungsanspruch sichernden Voraussetzungen abhängig machen und den Notar mit deren Überwachung beauftragen. Sie können, sofern ein berechtigtes Sicherungsinteresse i.S.v. § 54a Abs. 2 BeurkG anzunehmen ist, die Kaufpreisabwicklung aber auch über ein Notaranderkonto vornehmen. In diesem Fall wahrt der Notar ihr beiderseitiges Interesse an dem Zug-um-Zug-Austausch der geschuldeten Leistungen im Rahmen des Hinterlegungsgeschäfts. Auf den Kaufpreis bezogene notarielle Überwachungstätigkeiten sind deshalb immer dann als von der Hebegebühr abgegoltener Teil des Verwahrungsgeschäfts anzusehen, wenn sie der Abwicklung des Leistungsaustausches dienen (BGH, Beschl. v. 2.4.2009 - V ZB 70/08, NJW-RR 2009, 1434, 1435 Rz. 12, 13).

Rz. 11

bb) So liegt es hier. Die Prüfung des Notars vor Stellung des Umschreibungsantrags, ob der Kaufpreis auf dem Notaranderkonto eingegangen ist, dient der Sicherstellung des Zug-um-Zug durchzuführenden Leistungsaustausches. Der Verkäufer soll seine Leistung - die Übertragung des Eigentums an den Käufer - erst erbringen, wenn gesichert ist, dass er die vereinbarte Gegenleistung erhält. Dies ist nur dann gewährleistet, wenn der Notar nicht lediglich den Zahlungseingang als solchen, sondern auch die Vollständigkeit der Kaufpreiszahlung überprüft. Da diese Tätigkeit somit in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Hinterlegungsgeschäft steht, fällt hierfür neben der Gebühr nach § 149 KostO keine weitere Gebühr nach § 147 Abs. 2 KostO an.

Rz. 12

cc) Für eine Gebühr nach § 147 Abs. 2 KostO wäre nur dann Raum, wenn die Prüfung der Umschreibungsreife über die Prüfung des Kaufpreiseingangs auf dem Notaranderkonto hinaus eine gesonderte, nicht bereits durch die Hebegebühr gem. § 149 KostO oder durch andere Gebühren, insb. durch die Vollzugsgebühr nach § 146 Abs. 1 KostO, abgegoltene Tätigkeit des Notars erforderte (OLG Celle, JurBüro 2005, 42, 44; OLG Hamm, JurBüro 1987, 418, 419; Korintenberg/Lappe/Bengel/Reimann, KostenO, 18. Aufl., § 149 Rz. 9). Solche gesondert vergütungspflichtigen Tätigkeiten fielen hier - wie das Beschwerdegericht zutreffend ausführt - indes nicht an.

IV.

Rz. 13

Einer Entscheidung über die gerichtlichen Kosten der weiteren Beschwerde (§§ 156 Abs. 5 Satz 2, 131 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 KostO a.F.) bedarf es nicht. Die Anordnung der Erstattung der der Beteiligten zu 2) im Verfahren der weiteren Beschwerde entstandenen außergerichtlichen Kosten durch den Notar beruht auf § 156 Abs. 4 Satz 4 KostO a.F., § 13a Abs. 1 FGG a.F. Die Festsetzung des Geschäftswerts folgt aus §§ 131 Abs. 2, 30 Abs. 1 KostO aF.

 

Fundstellen

Haufe-Index 2827021

EBE/BGH 2011

NJW-RR 2012, 255

FGPrax 2012, 41

JurBüro 2012, 90

DNotZ 2012, 232

MDR 2011, 1507

NotBZ 2011, 431

ZNotP 2011, 478

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