Leitsatz (amtlich)

a) Grundsätzlich findet eine Prüfung der örtlichen Zuständigkeit des Erstgerichts in der Beschwerdeinstanz auch dann nicht statt, wenn die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte vom Rechtsmittelgericht zu prüfen ist (im Anschluss an BGH Beschl. v. 20.9.2010 - - juris).

b) Hängt die Frage der örtlichen Zuständigkeit nicht von denselben Voraussetzungen ab, die für die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte maßgebend sind, ist das Beschwerdegericht nach § 571 Abs. 2 Satz 2 ZPO an der Prüfung der örtlichen Zuständigkeit des Erstgerichts gehindert (im Anschluss an BGH, Urt. v. 17.3.2015 - VI ZR 11/14 NJW-RR 2015, 941).

 

Normenkette

ZPO § 571 Abs. 2 S. 2

 

Verfahrensgang

OLG Karlsruhe (Beschluss vom 09.10.2020; Aktenzeichen 10 W 8/19)

LG Baden-Baden (Entscheidung vom 17.06.2019; Aktenzeichen 4 O 156/19)

 

Tenor

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 10. Zivilsenats des OLG Karlsruhe vom 9.10.2020 wird auf Kosten des Antragsgegners verworfen.

Wert: bis 350.000 EUR

 

Gründe

I.

Rz. 1

Die Antragstellerin begehrt die Vollstreckbarerklärung eines Urteils des Schweizer Bezirksgerichts S., mit dem der Antragsgegner verurteilt wurde, an sie einen güterrechtlichen Restanspruch i.H.v. 492.651,85 CHF nebst Zinsen zu zahlen.

Rz. 2

Das LG B. hat auf der Grundlage der Bestimmungen des Luganer Übereinkommens über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 30.10.2007 (ABl. 2009 L 147 S. 5; im Folgenden: Luganer Übereinkommen, LugÜ 2007) das Urteil unter Abweisung des Antrags der Antragstellerin im Übrigen teilweise für vollstreckbar erklärt. Auf die Beschwerde des Antragsgegners hat das OLG die angefochtene Entscheidung teilweise abgeändert und im Hinblick auf eine ebenfalls in dem Urteil des Bezirksgerichts S. titulierte Gegenforderung des Antragsgegners i.H.v. 118.962 CHF das Urteil i.H.v. 373.689,85 CHF für vollstreckbar erklärt. Die weitergehende Beschwerde des Antragsgegners hat es zurückgewiesen. Dagegen richtet sich seine Rechtsbeschwerde.

II.

Rz. 3

Die gem. § 574 Abs. 1 ZPO i.V.m. Art. 2 Abs. 4 der Verordnung zur Ausführung des deutsch-schweizerischen Abkommens über die gegenseitige Anerkennung und Vollstreckung von gerichtlichen Entscheidungen und Schiedssprüchen vom 28.8.1930 (RGBl. II S. 1209; nachfolgend: Ausführungsverordnung) statthafte Rechtsbeschwerde ist nicht zulässig, weil die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO nicht erfüllt sind. Eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts ist weder wegen grundsätzlicher Bedeutung noch zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich.

Rz. 4

1. Das Beschwerdegericht hat seine Entscheidung wie folgt begründet:

Rz. 5

Prüfungsmaßstab sei im vorliegenden Fall nicht das Luganer Übereinkommen, da die in Art. 1 Abs. 2 lit. a LugÜ 2007 normierte Bereichsausnahme für Verfahren mit Bezug zu den ehelichen Güterständen greife, die auch die Auseinandersetzung des Güterstands nach Beendigung der Ehe erfasse. Zur Anwendung komme vielmehr das am 1.12.1930 in Kraft getretene und nach wie vor geltende Abkommen zwischen der schweizerischen Eidgenossenschaft und dem Deutschen Reich über die gegenseitige Anerkennung und Vollstreckung von gerichtlichen Entscheidungen und Schiedssprüchen vom 2.11.1929 (RGBl. 1930 II S. 1065; im Folgenden: deutsch-schweizerisches Abkommen) sowie die Verordnung zur Ausführung des deutsch-schweizerischen Abkommens über die gegenseitige Anerkennung und Vollstreckung von gerichtlichen Entscheidungen und Schiedssprüchen (RGBl. 1930 II S. 1209; im Folgenden: Ausführungsverordnung).

Rz. 6

Die formellen Voraussetzungen für die von der Antragstellerin begehrte Vollstreckbarerklärung lägen vor. Nach Art. 7 Abs. 1 des deutsch-schweizerischen Abkommens habe die Partei, die für eine Entscheidung um die Vollstreckbarerklärung nachsuche, eine vollständige Ausfertigung der Entscheidung beizubringen; die Rechtskraft der Entscheidung sei, soweit sie sich nicht schon aus der Ausfertigung ergebe, durch öffentliche Urkunden nachzuweisen. Das sei hier geschehen.

Rz. 7

Nach Art. 1 der Ausführungsverordnung sei für die Vollstreckbarerklärung der in Art. 1 des deutsch-schweizerischen Abkommens bezeichneten gerichtlichen Entscheidungen das AG zuständig, bei dem der Verpflichtete seinen allgemeinen Gerichtsstand habe. Nur in Ermangelung eines solchen sei das AG, in dessen Bezirk sich Vermögen des Verpflichteten befinde oder die Vollstreckungshandlung vorzunehmen sei, zuständig. Deshalb sei im vorliegenden Fall das AG E. für die Vollstreckbarerklärung zuständig gewesen, da der Antragsgegner ausweislich der von ihm vorgelegten Meldebescheinigungen in E. seinen Wohnsitz habe. Doch könne die Unzuständigkeit des LG B. nach § 571 Abs. 2 Satz 2 ZPO mit der Beschwerde nicht angegriffen werden.

Rz. 8

Im Übrigen richte sich die Vollstreckbarerklärung nach Art. 6 Abs. 1 des deutsch-schweizerischen Abkommens. Ein Verstoß gegen die Zuständigkeitsordnung des deutsch-schweizerischen Abkommens liege nicht vor. Zum Zeitpunkt der Entscheidung des Bezirksgerichts S. habe der Antragsgegner bereits in Deutschland gelebt. Zudem habe er sich vorbehaltlos auf den Rechtsstreit in der Schweiz eingelassen. Auch eine Verletzung einer nach deutschem Recht bestehenden ausschließlichen Zuständigkeit, die nach Art. 1 des deutsch-schweizerischen Abkommens eine Anerkennung verhindere, sei nicht ersichtlich. Ebenso bestehe auch kein nach Art. 4 des deutsch-schweizerischen Abkommens relevantes Anerkennungshindernis, insb. liege kein Verstoß gegen den deutschen ordre public vor.

Rz. 9

Zu berücksichtigen sei aber die in demselben Titel rechtskräftig festgestellte Gegenforderung des Antragsgegners i.H.v. 118.962 CHF, die nach Art. 4 der Ausführungsverordnung im Wege der Beschwerde als Einwendung gegen Anspruch geltend gemacht werden könne, soweit dies nach schweizerischem Recht zulässig sei. Wegen der erklärten Aufrechnung sei die Vollstreckbarerklärung daher auf den noch offenen Teilbetrag zu beschränken.

Rz. 10

2. Diese Ausführungen halten sich im Rahmen der Rechtsprechung des BGH.

Rz. 11

a) Soweit die Rechtsbeschwerde meint, die Auffassung des Beschwerdegerichts, die Unzuständigkeit des LG B. für den Antrag auf Vollstreckbarerklärung könne nach § 571 Abs. 2 Satz 2 ZPO mit der Beschwerde nicht angegriffen werden, verlange eine korrigierende Entscheidung durch das Rechtsbeschwerdegericht zur Sicherung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 ZPO) und wegen grundsätzlicher Bedeutung (§ 574 Abs. 2 Nr. 1 ZPO), kann dem nicht gefolgt werden. Die entsprechenden Ausführungen des Beschwerdegerichts stehen im Einklang mit der Rechtsprechung des BGH.

Rz. 12

aa) Nach § 571 Abs. 2 Satz 2 ZPO kann die Beschwerde nicht darauf gestützt werden, dass das Gericht des ersten Rechtszugs seine Zuständigkeit zu Unrecht angenommen hat. Diese Regelung untersagt dem Beschwerdegericht die Prüfung der örtlichen, sachlichen und funktionellen Zuständigkeit des Erstgerichts (vgl. in MünchKomm/ZPO, 6. Aufl., § 513 Rz. 18; BeckOK/ZPO/ [Stand: 1.7.2021] § 513 Rz. 8; ZPO, 23. Aufl., § 513 Rz. 12). Durch die Vorschrift und die vergleichbaren Bestimmungen in den §§ 513 Abs. 2, 545 Abs. 2 und 576 Abs. 2 ZPO sollen im Interesse der Verfahrensbeschleunigung und der Entlastung der Rechtsmittelgerichte Rechtsmittelstreitigkeiten vermieden werden, die allein auf die Frage der Zuständigkeit des Gerichts gestützt werden. Zugleich soll vermieden werden, dass die von den Vorinstanzen geleistete Sacharbeit wegen fehlender Zuständigkeit hinfällig wird (vgl. BT-Drucks. 14/4722, 106). Nicht erfasst von § 571 Abs. 2 Satz 2 ZPO wird dagegen das Vorliegen der internationalen Zuständigkeit. Diese ist in jeder Lage des Verfahrens und damit auch im Beschwerdeverfahren von Amts wegen zu prüfen (vgl. BGHZ 157, 224 = NJW 2004, 1456 f. zu § 513 Abs. 2 ZPO und BGHZ 184, 313 NJW 2010, 1752 Rz. 7 zu § 545 Abs. 2 ZPO; vgl. auch BGH BGHZ 184, 269 FamRZ 2010, 720 Rz. 7 f. m.w.N.). Grundsätzlich findet aber eine Prüfung der örtlichen Zuständigkeit des Erstgerichts in der Beschwerdeinstanz auch dann nicht statt, wenn die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte vom Rechtsmittelgericht zu prüfen ist (vgl. BGH Beschl. v. 17.3.2015 - VI ZR 11/14 NJW-RR 2015, 941 Rz. 17 m.w.N.).

Rz. 13

Zu der vergleichbaren Regelung in § 549 Abs. 2 ZPO a.F. hat der BGH allerdings entschieden, dass die Vorschrift dann einschränkend auszulegen ist, wenn das Gericht mit denselben Erwägungen zugleich über die örtliche und die internationale Zuständigkeit zu entscheiden hat. Der Zweck dieser Vorschrift, im Interesse der Prozessökonomie und -beschleunigung die Prüfung der örtlichen (und sachlichen) Zuständigkeit des Gerichts des ersten Rechtszuges auszuschließen, sei in diesem Fall in Bezug auf die örtliche Zuständigkeit nicht erreichbar, da sich das Rechtsmittelgericht im Rahmen einer Überprüfung der internationalen Zuständigkeit ohnehin mit den Erwägungen der Vorinstanz befassen müsse. Deshalb gelte § 549 Abs. 2 ZPO a.F. in Bezug auf die örtliche Zuständigkeit ausnahmsweise nicht, soweit daneben die internationale Zuständigkeit im Streit steht und beide Zuständigkeiten von denselben Voraussetzungen abhängen (vgl. BGHZ 134, 127 = NJW 1997, 397).

Rz. 14

bb) Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde weicht das Beschwerdegericht von dieser Rechtsprechung des BGH jedoch nicht ab, weil ein solcher Ausnahmefall vorliegend nicht gegeben ist. Während sich die örtliche Zuständigkeit des erstinstanzlichen Gerichts danach bestimmt, ob der Wohnort des Antragsgegners in dessen Bezirk liegt, kommt es für die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte im vorliegenden Fall nur darauf an, ob der Antragsgegner seinen Wohnsitz an irgendeinem Ort in Deutschland hat. Für die internationale Zuständigkeit war es deshalb ohne Bedeutung, ob der Antragsgegner seinen Wohnsitz in B., wie vom Erstgericht angenommen, oder in E. hat, da beide Orte in Deutschland liegen. Die Verfahrensbeteiligten haben die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte im Verfahren auch zu keiner Zeit in Frage gestellt. Die Frage der örtlichen Zuständigkeit hängt vorliegend mithin nicht von denselben Voraussetzungen ab, die für die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte maßgebend sind (vgl. BGH, Urt. v. 17.3.2015 - VI ZR 11/14 NJW-RR 2015, 941 Rz. 17), so dass sich das Beschwerdegericht zu Recht nach § 571 Abs. 2 Satz 2 ZPO an der Prüfung der örtlichen Zuständigkeit des Erstgerichts gehindert gesehen hat.

Rz. 15

cc) Eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts ist auch nicht im Hinblick auf die umstrittene Frage erforderlich, ob die Zuständigkeit des Erstgerichts im Rechtsmittelverfahren ausnahmsweise dann der Nachprüfung unterliegt, wenn das erstinstanzliche Gericht oder das Berufungs- bzw. das Beschwerdegericht seine Zuständigkeit willkürlich angenommen und damit einem Verfahrensbeteiligten den gesetzlichen Richter entzogen hat (bejahend: OLG Oldenburg NJW-RR 1999, 865 f.; in MünchKomm/ZPO, 6. Aufl., § 513 Rz. 22; MünchKomm/ZPO/ 6. Aufl., § 571 Rz. 10; in Stein/Jonas, ZPO, 23. Aufl., § 513 Rz. 11; verneinend: ZPO, 7. Aufl., § 513 Rz. 16; BeckOK/ZPO/ [Stand: 1.7.2021] § 513 Rz. 11; in Zöller ZPO, 33. Aufl., § 513 Rz. 10). Obgleich diese Frage in der Rechtsprechung des BGH bislang offen gelassen worden ist (vgl. BGH, Urt. v. 17.3.2015 - VI ZR 11/14 NJW-RR 2015, 941 Rz. 19 zu §§ 513 Abs. 2, 545 Abs. 2 ZPO; Beschlüsse v. 5.3.2015 - IX ZB 27/14 - NZI 2015, 390 Rz. 12 zu § 571 Abs. 2 Satz 2 ZPO; v. 7.11.2006 - VIII ZR 73/06, WuM 2006, 697), bedarf sie auch im vorliegenden Fall keiner Entscheidung. Denn eine willkürliche Annahme seiner Zuständigkeit durch das LG liegt jedenfalls nicht vor.

Rz. 16

(1) Objektiv willkürlich ist ein Richterspruch nach der ständigen Rechtsprechung des BVerfG dann, wenn er unter keinem denkbaren Aspekt rechtlich vertretbar ist und sich daher der Schluss aufdrängt, dass er auf sachfremden Erwägungen beruht. Fehlerhafte Rechtsanwendung allein macht eine Gerichtsentscheidung jedoch nicht willkürlich. Willkür liegt vielmehr erst dann vor, wenn eine offensichtlich einschlägige Norm nicht berücksichtigt, der Inhalt einer Norm in krasser Weise missverstanden oder sonst in nicht mehr nachvollziehbarer Weise angewendet wird (BVerfG FamRZ 2010, 25 Rz. 10 m.w.N. und NJW 2014, 3147 Rz. 13 m.w.N.; BGH, Urt. v. 17.3.2015 - VI ZR 11/14 NJW-RR 2015, 941 Rz. 20).

Rz. 17

(2) Gemessen hieran hat das LG seine örtliche Zuständigkeit nicht willkürlich bejaht.

Rz. 18

Zwar ist das LG rechtsfehlerhaft davon ausgegangen, dass sich die Vollstreckbarerklärung des Urteils des schweizerischen Bezirksgerichts S. nach den Bestimmungen des Luganer Übereinkommens richtet. Dabei hat es nicht erkannt, dass dieses Urteil einen Anspruch aus einem ehelichen Güterstand betrifft und daher aufgrund der Bereichsausnahme nach Art. 1 Abs. 2 lit. a LugÜ 2007, die auch die Auseinandersetzung des Güterstands nach Beendigung der Ehe erfasst (vgl. EuGH Urt. v. 27.3.1979 - Rs 143/78 - Slg. 1979, 1055 Rz. 7), die Regelungen des Luganer Abkommens im vorliegenden Fall keine Anwendung finden, sondern sich die Vollstreckbarerklärung nach Art. 6 Abs. 1 des deutsch-schweizerischen Abkommens i.V.m. Art. 1 Satz 1 der Ausführungsverordnung richtet. Auf der Grundlage seiner (fehlerhaften) Rechtsauffassung hat das LG jedoch folgerichtig seine örtliche Zuständigkeit nach Art. 39 Abs. 2 LugÜ 2007 bejaht. Danach wird die örtliche Zuständigkeit für die Vollstreckbarerklärung einer in einem durch das Luganer Abkommen gebundenen Staates ergangenen Entscheidung durch den Wohnsitz des Schuldners oder durch den Ort, an dem die Zwangsvollstreckung durchgeführt werden soll, bestimmt. Zum Zeitpunkt des Erlasses der erstinstanzlichen Entscheidung konnte das LG auch noch davon ausgehen, dass der Antragsgegner seinen Wohnsitz in R. und damit im Zuständigkeitsbezirk des LG hat. Denn in der Antragsschrift hatte die Antragstellerin die Adresse des Antragsgegners entsprechend angegeben. Erst aufgrund der vom Antragsgegner eingelegten Erinnerung gegen die erteilte Vollstreckungsklausel und die damit verbundene Vorlage einer Meldebescheinigung erhielt das LG Kenntnis davon, dass der Antragsgegner in E. wohnhaft ist. Aufgrund der Annahme, dass sich die Vollstreckbarerklärung des schweizerischen Urteils nach dem Luganer Übereinkommen richtet, hat das LG dann im Erinnerungsverfahren aus seiner Sicht wiederum folgerichtig darauf hingewiesen, dass sich die örtliche Zuständigkeit nach Art. 39 Abs. 2 Alt. 2 LugÜ 2007 auch nach dem Ort bestimmt, an dem die Zwangsvollstreckung durchgeführt werden soll. Dies hätte nach der hierfür ausreichenden Behauptung der Antragstellerin (vgl. BGH Beschl. v. 15.10.2020 - IX ZB 55/19 - juris Rz. 15), im Bezirk des angerufenen Gerichts die Zwangsvollstreckung durchführen zu wollen, ebenfalls zur örtlichen Zuständigkeit des LG geführt.

Rz. 19

Unter diesen Umständen hat das LG seine Zuständigkeit zwar rechtsfehlerhaft bejaht. Unter keinem denkbaren Aspekt rechtlich vertretbar war die Entscheidung jedoch nicht, so dass der Antragsgegner nicht in seinem Recht aus Art. 3 Abs. 1 GG in seiner Ausprägung als Willkürverbot verletzt wurde.

Rz. 20

b) Schließlich ist eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts auch nicht zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 ZPO) erforderlich. Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde wird der Antragsgegner durch die angefochtene Entscheidung nicht in seinem Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) verletzt.

Rz. 21

aa) Richtig ist zwar, dass der Antragsgegner bei zutreffender Anwendung der Bestimmungen des deutsch-schweizerischen Abkommens nach Art. 2 Abs. 4 der Ausführungsverordnung i.V.m. § 1063 Abs. 1 Satz 2 ZPO vor der Entscheidung über die Vollstreckbarerklärung - anders als nach Art. 41 Satz 2 LugÜ 2007 - anzuhören gewesen wäre und er damit schon vor der instanzabschließenden Entscheidung hätte vortragen können, dass er seinen Wohnsitz nicht in R., sondern in E. hat. Dies hätte sich auf die Entscheidung des LG jedoch nicht ausgewirkt, weil hiervon die örtliche Zuständigkeit nach Art. 39 Abs. 2 Alt. 2 LugÜ 2007 unberührt geblieben wäre. Dass der Antragsgegner bei einer Anhörung im erstinstanzlichen Verfahren die örtliche Unzuständigkeit des LG mit der fehlenden Anwendbarkeit des Luganer Übereinkommens gerügt hätte, trägt die Rechtsbeschwerde nicht vor. Im Übrigen hatte der Antragsgegner im Erinnerungsverfahren die Möglichkeit, die örtliche Unzuständigkeit des LG zu rügen. Aber auch hier hat er nur vorgetragen, dass er seinen Wohnsitz in E. habe. Ausführungen zu der fehlenden Anwendbarkeit des Luganer Übereinkommens finden sich dort nicht.

Rz. 22

bb) Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde liegt auch keine Verletzung der richterlichen Hinweispflicht nach § 139 ZPO vor. Das Beschwerdegericht hat bereits in seinem Beschluss vom 16.9.2020 darauf hingewiesen, dass im vorliegenden Fall das Luganer Übereinkommen aufgrund der Bereichsausnahme nach Art. 1 Abs. 2 lit. 1 LugÜ 2007 nicht zur Anwendung hätte kommen dürfen. Dieser auch dem Antragsgegner bekanntgegebene Beschluss betraf zwar die Frage, ob das Verfahren vom Familiensenat des OLG übernommen werden kann. Er erhielt dadurch jedoch Kenntnis davon, dass die Anwendbarkeit des Luganer Übereinkommens im vorliegenden Fall zweifelhaft ist. Daher musste er auch ohne einen weiteren gerichtlichen Hinweis damit rechnen, dass das Beschwerdegericht in diesem rechtlichen Punkt eine andere Auffassung als das LG vertreten könnte. Da die Beschwerdeentscheidung erst am 9.10.2020 erging, hatte der Antragsgegner auch ohne einen weiteren gerichtlichen Hinweis ausreichend Zeit, zu dieser Problematik weiter vorzutragen.

Rz. 23

c) Ob das OLG im Beschwerdeverfahren mit dem deutsch-schweizerischen Abkommen eine andere rechtliche Grundlage als das LG für die Vollstreckbarerklärung heranziehen durfte, bedarf keiner Entscheidung, weil die Rechtsbeschwerde insoweit keinen substantiierten Vortrag zu den Voraussetzungen eines Zulassungsgrunds hält (vgl. BGH, Beschl. v. 11.11.2020 - XII ZB 318/20 FamRZ 2021, 300 Rz. 8 m.w.N.).

Rz. 24

d) Von einer weiteren Begründung der Entscheidung wird abgesehen, weil sie nicht geeignet wäre, zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung, zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung beizutragen (§ 577 Abs. 6 Satz 3 ZPO).

 

Fundstellen

Haufe-Index 14844474

NJW 2021, 9

FuR 2022, 54

NJW-RR 2021, 1501

JZ 2022, 434

MDR 2022, 190

ErbR 2022, 100

FF 2021, 511

FamRB 2021, 7

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