Verfahrensgang
LG Kleve (Urteil vom 29.04.2019) |
Tenor
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Kleve vom 29. April 2019 im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte der Beihilfe zur Zuhälterei und schweren Zwangsprostitution schuldig ist.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
3. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels und die der Nebenklägerin im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
Gründe
Rz. 1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen „Beihilfe zur Zuhälterei in Tateinheit mit Beihilfe zum schweren Menschenhandel zum Zwecke der sexuellen Ausbeutung in Tateinheit mit Beihilfe zum schweren Menschenhandel in Tateinheit mit Beihilfe zur schweren Zwangsprostitution” zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und neun Monaten unter Aussetzung der Strafvollstreckung zur Bewährung verurteilt. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Sachrüge gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat zum Schuldspruch den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen geringen Teilerfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
Rz. 2
1. Der Senat ändert in analoger Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO den Schuldspruch wie aus Ziffer 1 der Beschlussformel ersichtlich ab. § 265 StPO steht nicht entgegen, weil sich der geständige Angeklagte nicht wirksamer als geschehen hätte verteidigen können.
Rz. 3
Das Landgericht hat das rechtsfehlerfrei festgestellte Tatgeschehen im Tatzeitraum August 2016 bis Dezember 2017 als tateinheitlich begangene Zuhälterei (§ 181a Abs. 1 Nr. 1 StGB), schweren Menschenhandel zum Zwecke der sexuellen Ausbeutung (§ 232 Abs. 1 Sätze 1 und 2, Abs. 3 Nr. 3 StGB aF), schweren Menschenhandel (§ 232 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a, Abs. 3 StGB nF) und schwere Zwangsprostitution (§ 232a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 4 i.V.m. § 232 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 StGB nF) der bereits rechtskräftig verurteilten Haupttäter sowie die Beiträge des Angeklagten als Beihilfehandlung hierzu gewertet. Dabei hat es in seine Erwägungen eingestellt, dass mit Wirkung zum 15. Oktober 2016 Neufassungen der §§ 232, 232a StGB in Kraft getreten sind. Hieraus folgt jedoch gemäß § 2 Abs. 2 StGB, dass der Angeklagte wegen Beihilfe zur Zuhälterei (§ 181a Abs. 1 Nr. 1 StGB) und schweren Zwangsprostitution (§ 232a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 4 i.V.m. § 232 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 StGB nF) schuldig zu sprechen ist.
Rz. 4
a) Aufgrund der während des Tatzeitraums eingetretenen Novellierung der §§ 232 bis 233b StGB durch das Gesetz zur Verbesserung der Bekämpfung des Menschenhandels und zur Änderung des Bundeszentralregistergesetzes sowie des Achten Buches Sozialgesetzbuch vom 11. Oktober 2016 (BGBl. I 2016, 2226) sind an die Stelle der zum Beginn der Tatbegehung geltenden Fassungen des schweren Menschenhandels zum Zwecke der sexuellen Ausbeutung (§ 232 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 3 StGB aF) die Regelungen der schweren Zwangsprostitution getreten (§ 232a Abs. 1, Abs. 4 i.V.m. § 232 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 StGB nF; vgl. SK-StGB/Noltenius/Wolters, 9. Aufl., Vor § 232 Rn. 1 ff.). Relevante Änderungen im Regelungsgehalt der Straftatbestände waren hierdurch weder bezweckt (vgl. BT-Drucks. 18/9095, S. 32) noch sind sie eingetreten (vgl. BGH, Beschluss vom 23. März 2017 – 1 StR 607/16, BGHR StGB § 2 Abs. 3 Gesetzesänderung 18), allerdings wurde für den auch hier verwirklichten Fall gewerbsmäßigen Handelns durch die Einführung des § 232a Abs. 5 StGB nF die Strafdrohung für minder schwere Fälle gegenüber § 232 Abs. 5 StGB aF geändert. Da die Tatbeendigung erst nach Inkrafttreten der Neuregelungen eintrat, bestimmt sich die Strafbarkeit gemäß § 2 Abs. 2 StGB einheitlich nach der neuen Gesetzesfassung. Demgemäß sind das Tatgeschehen insoweit insgesamt als schwere Zwangsprostitution sowie die Beiträge des Angeklagten als einheitliche Beihilfehandlung hierzu zu werten und im Urteilstenor entsprechend zu bezeichnen.
Rz. 5
b) Dem steht nicht entgegen, dass die am 13. Oktober 1995 geborene Nebenklägerin kurz vor Inkrafttreten der Novellierung das 21. Lebensjahr vollendete und mit Blick auf diese Begehungsvariante daher ausschließlich § 232 Abs. 1 Satz 2 StGB aF erfüllt ist. Insoweit bedarf es hier keiner Ergänzung der Entscheidungsformel.
Rz. 6
(1) Hierfür spricht zunächst der Wille des Gesetzgebers:
Rz. 7
(a) Der Angeklagte verwirklichte die Alternative „Ausnutzen einer Zwangslage” (§ 232 Abs. 1 Satz 1 StGB aF) ohne Unterbrechung während des gesamten Tatzeitraums. Dies hat der Gesetzgeber bis zur Gesetzesreform ohne weitere Differenzierungen – wie sich auch bereits aus der amtlichen Überschrift des § 232 StGB aF ergibt – ebenso als „Menschenhandel zum Zwecke der sexuellen Ausbeutung” benannt wie eine Erfüllung des § 232 Abs. 1 Satz 2 StGB aF (vgl. BT-Drucks. 15/3045, S. 6, 8 f.; BT-Drucks. 15/4048, S. 12; BT-Drucks. 18/9095, S. 18, 32; s. zur Tenorierung Matt/Renzikowski/Eidam, StGB, § 232 Rn. 4). Auch im Falle einer wie hier zeitweisen kumulativen Verwirklichung beider Varianten sollte sich nach dem bisherigen gesetzgeberischen Willen an der Deliktsbezeichnung nichts ändern (vgl. BT-Drucks. 15/4048, S. 12 [”Grundtatbestand”]; BT-Drucks. 18/9095, S. 32; zur Frage, ob in diesen Fällen Tateinheit oder eine Tat vorliegt, s. BGH, Beschluss vom 9. Juni 2015 – 2 StR 530/14, juris Rn. 4; LK/Kudlich, StGB, 12. Aufl., § 232 Rn. 61; MüKoStGB/Renzikowski, 3. Aufl., § 232a Rn. 62; NK-StGB/Böse, 5. Aufl., § 232 Rn. 30; Schönke/ Schröder/Eisele, StGB, 30. Aufl., § 232 Rn. 78).
Rz. 8
(b) Die Bezeichnung der hier vorliegenden Fallkonstellation als „Menschenhandel” hat der Gesetzgeber aber bewusst aufgegeben. Mit der Novellierung sollten die bisherigen Fälle des „Menschenhandels zum Zwecke der sexuellen Ausbeutung” unterschiedslos als „Zwangsprostitution” erfasst werden. Die bisherige Behandlung als „Menschenhandel” erschien missverständlich, weil gerade nicht der Handel mit Menschen, sondern Handlungen erfasst wurden, die unmittelbar zu einer Beeinträchtigung der sexuellen Selbstbestimmung führen (vgl. BT-Drucks. 18/9095, S. 32; SK-StGB/Noltenius/Wolters, 9. Aufl., Vor § 232 Rn. 1 ff.; SSW-StGB/Zimmermann, 4. Aufl., § 232a Rn. 1).
Rz. 9
(2) Gestützt wird dies schließlich durch Sinn und Zweck des erst zur Anwendbarkeit der Neufassungen führenden § 2 Abs. 2 StGB. Denn dieser zielt gerade auf eine einheitliche Beurteilung der Tat (vgl. Fischer, StGB, 66. Aufl., § 2 Rn. 3), was konsequenterweise auch für ihre Bezeichnung in der Entscheidungsformel Bedeutung erlangt.
Rz. 10
2. Angesichts des geringen Teilerfolgs der Revision ist es nicht unbillig, den Angeklagten mit den gesamten Kosten seines Rechtsmittels zu belasten (§ 473 Abs. 1 und 4 StPO).
Unterschriften
Schäfer, Tiemann, Berg, Anstötz, Erbguth
Fundstellen
Haufe-Index 13606785 |
StraFo 2020, 127 |