Entscheidungsstichwort (Thema)
Anspruch auf Barabfindung/Abfindung. Anspruch auf bare Zuzahlung
Normenkette
LwAnpG a.F. § 34 Abs. 1; LwAnpG n.F. § 28 Abs. 2; LwAnpG § 44 Abs. 1
Tenor
Auf die Rechtsmittel des Antragstellers werden der Beschluß des Landwirtschaftssenats des Oberlandesgerichts Dresden vom 19. März 1996 aufgehoben und der Beschluß des Landwirtschaftsgerichts vom 7. November 1995 abgeändert.
Die Antragsgegnerin wird verpflichtet, an den Antragsteller 41.871,27 DM nebst 4 % Zinsen seit 19. Juli 1995 zu zahlen. Im übrigen werden der Antrag und die Rechtsmittel zurückgewiesen.
Die Kosten des gesamten Verfahrens, einschließlich der außergerichtlichen Kosten des jeweiligen Gegners, fallen zu 83 % der Antragsgegnerin und zu 17 % dem Antragsteller zur Last.
Der Geschäftswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren beträgt 50.273,77 DM.
Gründe
I.
Der Antragsteller war Mitglied der Rechtsvorgängerin der Antragsgegnerin. Diese beschloß am 5. Juli 1990 ihre Umwandlung. Die Antragsgegnerin wurde am 26. Februar 1991 in das Genossenschaftsregister eingetragen. Der Antragsteller erhielt einen Genossenschaftsanteil zugeteilt in Höhe von 3.340,50 DM. Mit Schreiben vom 14. Januar 1992 kündigte er seine Mitgliedschaft bei der Antragsgegnerin. Nachdem er bereits am 14. Mai 1990 auf den Pflichtinventarbeitrag eine Rückzahlung in Höhe von 5.108 Mark/DDR erhalten hatte, wurden ihm am 28. Dezember 1992 weitere 2.153,50 DM und am 27. Mai 1993 1.277 DM als Abfindungsleistung ausbezahlt. Mit einem bei Gericht eingereichten Antrag verlangte er Feststellung sowie Zahlung eines angemessenen Barabfindungsanspruchs in Höhe von 48.853,27 DM zuzüglich eines angemessenen Betrags für geleistete Arbeitsjahre. Der Antrag wurde durch Senatsbeschluß vom 4. November 1994 (BLw 33/94, WM 1995, 349 = AgrarR 1995, 28 mit Anm. Neixler) zurückgewiesen. Der Antragsteller verlangt nunmehr eine bare Zuzahlung gemäß § 34 Abs. 1 LwAnpG a.F. bzw. § 28 Abs. 2 LwAnpG n.F. in Höhe von 50.273,77 DM nebst 4 % Rechtshängigkeitszinsen. Der Antrag hatte in beiden Vorinstanzen keinen Erfolg.
II.
Das Beschwerdegericht hält den Antrag für zulässig. Ihm stehe insbesondere nicht die Rechtskraft des Senatsbeschlusses vom 4. November 1994 entgegen. Der Antrag sei jedoch nicht begründet, weil der Anspruch auf bare Zuzahlung nur den Mitgliedern des neuen Unternehmens zustünde und der Antragsteller aus der Antragsgegnerin ausgeschieden sei, ohne vorher den Anspruch geltend gemacht zu haben.
Dies hält der Rechtsbeschwerde nicht stand.
III.
1.
Zutreffend nimmt das Beschwerdegericht allerdings an, daß dem gestellten Antrag auf Leistung einer baren Zuzahlung die Rechtskraft des Senatsbeschlusses vom 4. November 1994 nicht entgegensteht. Streitgegenstand des früheren Verfahrens war ein Anspruch auf angemessene Barabfindung, hilfsweise auf Abfindung nach § 44 Abs. 1 LwAnpG. Vorliegend geht es dagegen um einen Anspruch auf bare Zuzahlung nach § 34 Abs. 1 LwAnpG a.F. bzw. § 28 Abs. 2 LwAnpG n.F. Beide Streitgegenstände unterscheiden sich sowohl dem prozessualen Anspruch als auch dem ihm zugrundeliegenden Sachverhalt nach, so daß der Senatsbeschluß vom 4. November 1994 für das vorliegende Verfahren keinerlei Bindungswirkung erzeugt.
2.
Der Antragsteller hat nach § 34 Abs. 1 LwAnpG a.F. einen Anspruch auf bare Zuzahlung.
Nach der Rechtsprechung des Senats muß bei der Umwandlung der LPG in eine eingetragene Genossenschaft jeder Genosse proportional zu dem Wert seiner Beteiligung an der LPG auch an der Genossenschaft beteiligt sein. Leitbild des Gesetzes ist insoweit - wie in §§ 15, 196 UmwG - die wirtschaftliche Identität der Anteilsinhaberschaft/Mitgliedschaft bei der LPG und dem neuen Unternehmen. Die umgewandelten Anteile oder Mitgliedschaftsrechte müssen deswegen quotal dem Anteil am Eigenkapital der LPG entsprechen (Senatsbeschl. v. 8. Dezember 1995, BLw 28/95, WM 1996, 740, 742). Ist das nicht der Fall, so kann jedes Mitglied von dem Unternehmen gemäß § 34 Abs. 1 LwAnpG a.F. und § 28 Abs. 2 LwAnpG n.F. einen Ausgleich durch bare Zuzahlung verlangen. Die Vorschriften stehen in einem unauflöslichen Zusammenhang mit der Personifizierung des Vermögens der LPG. So wie einem aus dem alten Unternehmen ausgeschiedenen Mitglied sein Anteil am Eigenkapital der LPG als Abfindung nach § 44 Abs. 1 LwAnpG zusteht und ein aus Anlaß der Umwandlung aus dem neuen Unternehmen ausscheidendes Mitglied den Wert seiner Beteiligung an der LPG als angemessene Barabfindung (Senatsbeschl. v. 8. Dezember 1995, BLw 28/95, WM 1996, 740) beanspruchen darf, so kann das im neuen Unternehmen verbliebene Mitglied verlangen, daß eine Verkürzung seines Eigenkapitalanteils durch bare Zuzahlung ausgeglichen wird. Ziel der Vorschrift ist also der Schutz des Beteiligungswerts an der LPG in der Umwandlung. Die Grundlage für den Ausgleich ist dieselbe wie für die Barabfindung und die Abfindung.
Der Vermögenswert der Mitgliedschaft in der Genossenschaft wird nicht durch den Geschäftsanteil, sondern das Geschäftsguthaben dargestellt. Das Geschäftsguthaben ist der Betrag, der tatsächlich auf den oder die Geschäftsanteile eingezahlt worden ist (Paulick, Das Recht der eingetragenen Genossenschaft, 1956, S. 181; Müller, GenG, 2. Aufl., § 7 Rdn. 8; Lutter, UmwG, § 256 Rdn. 5; Dehmer, UmwG, 2. Aufl., § 256 Rdn. 4). Dieser Betrag entspricht bei dem identitätswahrenden Formwechsel dem Eigenkapitalanteil an der LPG. Ob und inwieweit dieser in die Genossenschaft eingebrachte Anteil durch den oder die zugewiesenen Geschäftsanteile erfaßt wird, richtet sich nach dem Umwandlungsbeschluß und dem Statut der Genossenschaft. Enthalten sie keine andere Regelung, so ist davon auszugehen, daß der Vermögenswert des Mitgliedschaftsrechts in der Genossenschaft durch den Nominalbetrag der dem Genossen zugeteilten Geschäftsanteile begrenzt wird. Denn der Geschäftsanteil stellt den Höchstbetrag der statthaften Mitgliedereinlagen dar (Paulick, aaO, S. 174; Müller, aaO, Rdn. 1). Wird aber die Höhe des Geschäftsguthabens durch den Gesamtbetrag der Geschäftsanteile begrenzt, mit denen das Mitglied an der Genossenschaft beteiligt ist, so stellt der diesen Gesamtbetrag übersteigende Anteil am Eigenkapital der LPG kein Geschäftsguthaben mehr dar, sondern - wie im Falle der Umwandlung einer Kapitalgesellschaft in eine Genossenschaft nach § 256 Abs. 2 UmwG (Lutter, aaO, § 256 Rdn. 6) - eine Forderung des Mitglieds gegen die Genossenschaft und eine Verbindlichkeit der Genossenschaft gegenüber dem Mitglied. Der Anspruch setzt damit zwar das Fortbestehen der - ungekündigten - Mitgliedschaft in dem neuen Unternehmen bei dessen Eintragung in das Register voraus, nicht aber auch, daß die Mitgliedschaft im Zeitpunkt der Geltendmachung des Anspruchs noch andauert. Ist ein Mitglied der LPG Mitglied des neuen Unternehmens geworden und scheidet es später aus dem neuen Unternehmen aus, verliert es hierdurch nicht den bis dahin nicht geltend gemachten Anspruch auf bare Zuzahlung. Vielmehr steht ihm, bzw. seinen Erben, dieser Anspruch uneingeschränkt zusätzlich zu dem Anspruch auf Auszahlung des ihm infolge seines Ausscheidens aus dem neuen Unternehmen zustehenden Guthabens zu. Beide Ansprüche betreffen unterschiedliche Sachverhalte; sie sind getrennt voneinander zu beurteilen, sie ergänzen sich und schließen einander nicht aus.
Aus § 73 GenG ergibt sich entgegen der von dem Beschwerdegericht vertretenen Auffassung nichts anderes. Die Vorschrift regelt ausschließlich die finanzielle Abwicklung der Mitgliedschaft in der Genossenschaft, nicht dagegen den Ausgleich einer fehlenden Identität der Beteiligungswerte an der LPG und an der Genossenschaft. Sie läßt daher den Anspruch auf bare Zuzahlung unberührt. Der Anspruch kann sich zwar auf die Bemessung des Auseinandersetzungsguthabens auswirken, ist deswegen aber nicht ausgeschlossen, sondern besteht als "Altlast" aus der Umwandlung fort. Der Antragsteller kann diesen Anspruch daher unabhängig von seinem Anspruch aus § 73 GenG geltend machen. Der Anspruch unterliegt keiner Ausschlußfrist, sondern nur der Verjährungsfrist des § 3 b LwAnpG. Eine entsprechende Anwendung von § 305 UmwG scheidet aus, weil das Landwirtschaftsanpassungsgesetz ein Spruchstellenverfahren nicht kennt und der Gesetzgeber den Anspruch nur einer Verjährungsfrist unterworfen hat. Ihre Dauer trägt dem Umstand Rechnung, daß einerseits ein falsches Umtauschverhältnis der Anteile sich oft erst anläßlich des Ausscheidens aus dem Nachfolgeunternehmen herausstellt, andererseits ein zeitlich unbefristeter Anspruch die neuen Unternehmen unzumutbar belastet.
Der Anspruch auf bare Zuzahlung hat für das neue Unternehmen unter Umständen weitreichende wirtschaftliche Konsequenzen. Er führt zu einer Vermögensminderung, die nicht nur eine Schmälerung der bisherigen Kapitalbasis des Unternehmens bewirkt, sondern auch Ertragseinbußen nach sich ziehen kann, wenn sich die Gesellschaft die für die Erfüllung des Anspruchs notwendige Liquidität nur durch Fremdfinanzierung beschaffen kann. Dieses Ergebnis ist jedoch die Folge der von dem Unternehmen zu verantwortenden Kürzung des Werts der Beteiligung an dem Unternehmen. Ob das Mitglied den dafür geschuldeten Ausgleich allerdings auch dann verlangen kann, wenn das Unternehmen zwischenzeitlich wirtschaftlich in eine Krise geraten ist, oder in diesem Fall die Grundsätze über das kapitalersetzende Darlehen (vgl. u.a. BGH, Urt. v. 24. September 1990, II ZR 174/89, WM 1990, 2041, 2042) entsprechend zur Anwendung kommen müssen, bedarf hier keiner Entscheidung.
Nach alledem hat der angefochtene Beschluß keinen Bestand und ist aufzuheben. Da die Sache nach dem unstreitigen Parteivorbringen jedoch entscheidungsreif ist, kann der Senat selbst entscheiden. Die für die bare Zuzahlung maßgebliche Differenz zwischen Eigenkapitalanteil und Vermögenswert der früheren Mitgliedschaft in der Antragsgegnerin errechnet sich nach den in der Antragsschrift aufgeschlüsselten Angaben unter Bereinigung von Rechenfehlern wie folgt:
a) |
Eigenkapitalanteil |
Inventarbeitrag und gleichstehende Leistungen |
17.977,00 DM |
Kapitalverzinsung |
9.168,27 DM |
Bodennutzung |
21.709,00 DM |
17 Arbeitsjahre à 288 DM (statt 4.760,00 DM =) |
4.896,00 DM |
53.750,27 DM |
ausgezahlt |
5.108,00 DM |
Eigenkapitalanteil |
48.642,27 DM |
b) |
zugewiesener Geschäftsanteil |
3.340,50 DM |
c) |
Differenz |
45.301,77 DM |
ausgezahlt am 28. Dezember 1992 |
2.153,50 DM |
am 27. Mai 1993 |
1.277,00 DM |
verbleibender Rest |
41.871,27 DM |
Diesen Angaben ist die Antragsgegnerin nicht entgegengetreten. Sie hat insbesondere nicht geltend gemacht, daß der zugewiesen Geschäftsanteil eine den Nominalbetrag übersteigende finanzielle Beteiligung abdeckt. Andererseits hat der Antragsteller die Rückzahlungen nicht bestritten. Deswegen ist im Rechtsbeschwerdeverfahren davon auszugehen, daß das Vorbringen insoweit den Tatsachen entspricht (Senatsbeschl. v. 9. Juni 1993, BLw 44/92, WM 1993, 1644 = AgrarR 1993, 260). Folglich ist der Antrag im zuerkannten Umfang begründet.
Der Zinsausspruch beruht auf § 291 BGB, die Kostenentscheidung auf §§ 44, 45 LwVG, die Festsetzung des Geschäftswerts auf §§ 33, 34 Abs. 2 LwVG, § 30 Abs. 1, 2 KostO.
Unterschriften
Hagen
Vogt
Wenzel
Fundstellen