Verfahrensgang
LG Mönchengladbach (Urteil vom 08.04.2011) |
Tenor
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Mönchengladbach vom 8. April 2011, soweit es ihn betrifft,
- im Schuldspruch dahin neu gefasst, dass der Angeklagte des gewerbsmäßigen Einschleusens von Ausländern in zwölf Fällen schuldig ist,
- aufgehoben im gesamten Strafausspruch und im Ausspruch über den Verfall von Wertersatz; die jeweiligen Feststellungen werden jedoch aufrechterhalten.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
Gründe
Rz. 1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen „Einschleusens von Ausländern” in zwölf Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt und den Verfall von Wertersatz in Höhe von 39.000 EUR angeordnet. Die hiergegen gerichtete, auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist sie unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).
Rz. 2
1. Der Senat fasst den Schuldspruch neu, wie aus der Beschlussformel ersichtlich. Das gewerbsmäßige Einschleusen von Ausländern (§ 96 Abs. 2 Nr. 1 AufenthG) ist ein Qualifikationstatbestand und als solcher im Schuldspruch kenntlich zu machen (BGH, Beschluss vom 6. Juli 2007 – 2 StR 207/07, Rn. 10; vgl. Meyer-Goßner, StPO, 54. Aufl., § 260 Rn. 25a).
Rz. 3
2. Der Strafausspruch hat insgesamt keinen Bestand.
Rz. 4
a) Das Landgericht hat bei der konkreten Strafzumessung in allen Fällen die „gesamten persönlichen Verhältnisse” des Angeklagten, so seine „Lebensgeschichte, Familienverhältnisse und gesundheitlichen Beeinträchtigungen”, nicht „schuldmindernd” berücksichtigt, da „insbesondere” weder eine „wirtschaftliche Notlage noch psychische Defekte” des Angeklagten „tatmitursächlich” gewesen seien. Es hat lediglich „strafmindernd” eine „erhöhte Strafvollzugsempfindlichkeit” in Rechnung gestellt. Zu seinen Lasten hat es gewertet, dass er „ein beträchtliches Gewinnstreben gezeigt” habe.
Rz. 5
b) Dies begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
Rz. 6
aa) Eine an den anerkannten Strafzwecken ausgerichtete Strafzumessung ist jedenfalls bei Straftaten von einigem Gewicht ohne Würdigung der persönlichen Verhältnisse des Täters in der Regel nicht möglich. Es bedeutet daher einen Sachmangel, wenn der Tatrichter bei der Strafzumessung die persönlichen Verhältnisse des Täters außer Acht lässt (vgl. BGH, Beschluss vom 7. Dezember 1990 – 3 StR 289/90, BGHR StPO § 267 Abs. 3 Satz 1 Strafzumessung 10 mwN). Sie sind unabhängig von ihren Auswirkungen auf die Tatbegehung bei der Beurteilung der Frage heranzuziehen, welche Wirkungen die Strafe voraussichtlich haben wird (vgl. Fischer, StGB, 58. Aufl., § 46 Rn. 42). Entsprechend ist es rechtsfehlerhaft, wenn der Tatrichter sie mangels Mitursächlichkeit für die Tatverwirklichung bei der Strafzumessung ausklammert. Der pauschale Verweis auf eine strafmildernde Berücksichtigung einer erhöhten Strafvollzugsempfindlichkeit gleicht diesen Mangel nicht aus.
Rz. 7
bb) Das Streben nach wirtschaftlichen Vorteilen gehört zur Tatbestandsverwirklichung des gewerbsmäßigen Einschleusens von Ausländern. Die strafschärfende Verwertung dieses Umstandes verstößt daher gegen das Verbot der Doppelverwertung von Tatbestandsmerkmalen (§ 46 Abs. 3 StGB). Dass das Gewinnstreben des Angeklagten das bereits tatbestandlich erforderliche Maß deutlich überstieg, daher in besonderer Weise verwerflich war und ausnahmsweise zum Nachteil des Angeklagten gewertet werden konnte (vgl. BGH, Beschluss vom 24. September 2009 – 3 StR 294/09, NStZ-RR 2010, 24, 25 mwN), ist nicht belegt.
Rz. 8
c) Der Senat vermag nicht sicher auszuschließen, dass das Landgericht ohne die rechtsfehlerhaften Erwägungen auf niedrigere Einzelstrafen und eine mildere Gesamtstrafe erkannt hätte, und hebt daher den gesamten Strafausspruch auf.
Rz. 9
3. Die Anordnung des Verfalls von Wertersatz in Höhe von 39.000 EUR unterliegt ebenfalls der Aufhebung, da das Landgericht die Ermessensvorschrift des § 73c Abs. 1 Satz 2 StGB nicht erörtert hat, obwohl dazu Anlass bestanden hätte.
Rz. 10
Der Angeklagte ist nach den getroffenen Feststellungen seit Ende 2006 arbeitslos und lebt von Sozialleistungen und Einkünften aus gelegentlichen Nebenbeschäftigungen. Seine zweite Ehefrau, die mit ihm und einem gemeinsamen Kind zusammenlebt, verdient 160 EUR monatlich. Es liegt daher nicht fern, dass der Angeklagte die für die Taten erlangten Beträge zumindest teilweise verbraucht hat. Das Landgericht hätte deshalb Veranlassung zu der Prüfung gehabt, ob der Wert des Erlangten zur Zeit der Anordnung im Vermögen des Angeklagten nicht mehr vorhanden war und sie deshalb ganz oder teilweise zu unterbleiben hatte (vgl. BGH, Beschluss vom 14. Mai 2008 – 3 StR 136/08, StV 2008, 576, 577).
Rz. 11
4. Die vom Landgericht getroffenen Feststellungen sind von den Gesetzesverletzungen nicht betroffen und können daher bestehen bleiben. Neue Feststellungen dürfen ihnen nicht widersprechen.
Unterschriften
Becker, Pfister, Hubert, Mayer, Menges
Fundstellen
Haufe-Index 2862757 |
wistra 2012, 106 |
NStZ-RR 2012, 124 |
StV 2012, 282 |