Entscheidungsstichwort (Thema)
Nichtzulassungsbeschwerde gegen ein die Berufung verwerfendes Urteil. Wertgrenze. Mindestbeschwer. Differenzierung zwischen Nichtzulassungsbeschwerde gegen Berufungsurteile und Rechtsbeschwerde gegen Beschluss
Leitsatz (amtlich)
Die Nichtzulassungsbeschwerde setzt auch dann, wenn sie sich gegen ein die Berufung verwerfendes Urteil richtet, einen Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer von mehr als 20.000 EUR voraus.
Normenkette
EGZPO § 26 Nr. 8
Verfahrensgang
Tenor
Die Beschwerde der Beklagten zu 1) und 2) gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des 3. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 26. Juni 2002 wird als unzulässig verworfen.
Nach Rücknahme der Beschwerde ist die Beklagte zu 3) des Rechtsmittels verlustig gegangen.
Die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens tragen die Beklagten zu 1) und 2) je zur Hälfte. Von den außergerichtlichen Kosten der Kläger im Beschwerdeverfahren tragen die Beklagten zu 1) – 3) je ein Drittel; die eigenen außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens tragen die Beklagten selbst.
Streitwert: für die Beklagte zu 3): 127 EUR
für die Beklagte zu 1) und 2): je 255,65 EUR
Gründe
Das Landgericht hat die drei Beklagten zur Vorbereitung eines Pflichtteilsergänzungsanspruchs aus § 2329 BGB zur Auskunft und (auf Kosten der Kläger) zur Wertermittlung verurteilt, die Klage aber bezüglich der Beklagten zu 1) und 2) teilweise abgewiesen. Dagegen haben beide Seiten Berufung eingelegt. Das Oberlandesgericht hat mit seinem Urteil der Berufung der Kläger auf deren Hilfsantrag stattgegeben, die Berufung der Beklagten aber als unzulässig verworfen, weil der Aufwand an Zeit und Kosten für die Erteilung der Auskunft die Berufungssumme des § 511a Abs. 1 Satz 1 ZPO a.F. nicht erreiche.
Gegen dieses Urteil haben die Beklagten Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt, die nach Rücknahme durch die Beklagte zu 3) von den Beklagten zu 1) und 2) weiterverfolgt wird. Sie beantragen, die Revision gegen das Berufungsurteil zuzulassen, soweit die Berufung der Beklagten als unzulässig verworfen worden ist. Die Beschwerdeführer gehen zwar davon aus, daß die Wertgrenze des § 26 Nr. 8 EGZPO nicht erreicht werde. Sie meinen aber, für die Anfechtung eines die Berufung verwerfenden Urteils könne nichts anderes gelten als für die Beschwerde gegen einen die Berufung verwerfenden Beschluß, für die der Gesetzgeber eine dem § 26 Nr. 8 EGZPO entsprechende Wertgrenze nicht vorgeschrieben hat.
Dem folgt der Senat nicht.
1. Zwar ist geklärt, daß § 26 Nr. 8 EGZPO nicht entsprechend angewandt werden kann auf Rechtsbeschwerden gegen Beschlüsse, mit denen die Berufung als unzulässig verworfen wird (BGH, Beschluß vom 4. September 2002 – VIII ZB 23/02 – NJW 2002, 3783; Beschluß vom 19. September 2002 – V ZB 31/02 – NJW-RR 2003, 132). Denn dadurch würde der Zugang zur Rechtsbeschwerde in verfassungsrechtlich nicht gerechtfertigter Weise eingeschränkt. Darüber hinaus beruht die Ungleichbehandlung von Rechtsmitteln gegen Entscheidungen, durch die eine Berufung als unzulässig verworfen wird, je nach dem, ob es sich um eine Rechtsbeschwerde gegen einen Beschluß (§ 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO) einerseits oder eine Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in einem Berufungsurteil (§§ 542 ff. ZPO) andererseits handelt, nicht auf einer planwidrigen Regelungslücke des Gesetzes. Denn beim Zugang zur dritten Instanz gibt es auch unabhängig von der Wertgrenze keinen völligen Gleichklang zwischen der Anfechtung von Beschlüssen einerseits und Urteilen andererseits: Während die Zulassung der Revision in einem Berufungsurteil das Revisionsgericht bindet (§ 543 Abs. 2 Satz 2 ZPO), ist die Rechtsbeschwerde, soweit sie – wie bei einem die Berufung verwerfenden Beschluß (§ 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO) – schon nach dem Gesetz statthaft ist, nur zulässig, wenn die besonderen, vom Rechtsbeschwerdegericht zu prüfenden Zulassungsgründe des § 574 Abs. 2 ZPO vorliegen. Wird die Berufung durch einstimmigen Beschluß nach § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO zurückgewiesen, weil sie keine Aussicht auf Erfolg hat und Zulassungsgründe nicht gegeben sind, ist eine Anfechtung durch § 522 Abs. 3 ZPO ausgeschlossen; gegen ein Berufungsurteil, das die Revision nicht zuläßt, ist dagegen die Beschwerde nach § 544 Abs. 1 Satz 1 ZPO eröffnet, mit der das Vorliegen von Zulassungsgründen vom Revisionsgericht überprüft werden kann.
2. Ist der gesetzlichen Regelung mithin ungeachtet der Wertgrenze keine Gleichbehandlung der zur dritten Instanz führenden Rechtsmittel zu entnehmen, und zwar auch, soweit es um die Anfechtung von Entscheidungen geht, durch die eine Berufung als unzulässig verworfen wird, kommt eine Gleichbehandlung auch hinsichtlich der Wertgrenze nicht in Betracht, die nur für die Nichtzulassungsbeschwerde angeordnet ist, aber nicht für die Rechtsbeschwerde. Daß der Gesetzgeber einen „weitgehenden Gleichlauf” beider Rechtsmittel beabsichtigt hatte (vgl. BT-Drucks. 14/4722 S. 96), rechtfertigt nicht den Schluß, § 26 Nr. 8 EGZPO sei auf Nichtzulassungsbeschwerden nicht anzuwenden, die sich gegen ein die Berufung verwerfendes Urteil richten. Abgesehen davon, daß damit ein völliger Gleichlauf nicht erreicht wäre, dient § 26 Nr. 8 EGZPO dem Schutz des Bundesgerichtshofs vor Überlastung (BT-Drucks. 14/4722 S. 126). Dieser Zweck spricht für die Einführung einer Wertgrenze auch für Rechtsbeschwerden. Es muß daher dem Gesetzgeber überlassen bleiben, ob und in welcher Weise er die bestehenden Unterschiede im Zugang zur dritten Instanz vereinheitlichen will.
3. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die vom Gesetzgeber vorgeschriebene Wertgrenze für Nichtzulassungsbeschwerden, insbesondere soweit sie sich gegen die Berufung als unzulässig verwerfende Urteile richten, hat der Senat nicht. Es geht um eine von vornherein im Gesetz vorgegebene Einschränkung des Zugangs zur Revisionsinstanz und nicht etwa um eine Erschwerung eines an sich gesetzlich eingeräumten Zugangs (vgl. BVerfG NJW 1993, 1635). Die Differenzierung zwischen Nichtzulassungsbeschwerden gegen Berufungsurteile und Rechtsbeschwerden gegen Beschlüsse erscheint auch nicht sachfremd oder willkürlich. Bei Urteilen, die aufgrund mündlicher Verhandlung ergehen, konnte der Gesetzgeber von einer größeren Richtigkeitsgewähr ausgehen; der Zugang zu einer weiteren Instanz konnte daher gegenüber der Anfechtung von Beschlüssen noch von zusätzlichen Voraussetzungen abhängig gemacht werden.
Unterschriften
Terno, Dr. Schlichting, Seiffert, Ambrosius, Dr. Kessal-Wulf
Fundstellen
Haufe-Index 939563 |
BGHR 2003, 897 |
EBE/BGH 2003, 190 |
FamRZ 2003, 1178 |
NJW-RR 2003, 1221 |
JurBüro 2003, 487 |
Nachschlagewerk BGH |
EzFamR aktuell 2003, 265 |
MDR 2003, 1007 |
VersR 2004, 218 |
KammerForum 2003, 283 |