Verfahrensgang
LG Saarbrücken (Urteil vom 19.03.2014) |
Tenor
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Saarbrücken vom 19. März 2014 nach § 349 Abs. 4 StPO mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Gründe
Rz. 1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Raubes in Tateinheit mit (vorsätzlicher) Körperverletzung und wegen (vorsätzlicher) Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt und dessen Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Die hiergegen gerichtete Revision des Angeklagten dringt entsprechend dem Antrag des Generalbundesanwalts mit der Sachrüge durch, weswegen es eines näheren Eingehens auf die erhobenen Verfahrensrügen nicht bedarf.
Rz. 2
1. Der Generalbundesanwalt hat wie folgt Stellung genommen:
Sowohl der Ausschluss des § 20 StGB als auch die Annahme des § 21 StGB begegnen durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
1. Die Strafkammer hat sich bei der Beurteilung der Frage der Schuldfähigkeit der Sachverständigen angeschlossen, ohne deren wesentliche Anknüpfungs- und Befundtatsachen im Urteil so wiederzugeben, wie es zum Verständnis des Gutachtens und zur Beurteilung seiner Schlüssigkeit erforderlich wäre (vgl. Senat, Beschluss vom 14. September 2010 – 5 StR 229/10; Beschluss vom 2. Dezember 2011 – 5 StR 419/11). Insbesondere lässt sich nicht nachvollziehen, aufgrund welcher Symptome die Sachverständige zu ihrer Entscheidung gelangt ist, die durch den Angeklagten begangenen Taten seien von ihm im Zustand einer erheblich eingeschränkten Steuerungsfähigkeit begangen worden. Die Taten selbst sind angesichts seines sozialen Hintergrundes und in Bezug auf seine finanziellen Verhältnisse nicht in einem Maße auffällig, dass ihre symptomatische Bedeutung im Rahmen der diagnostizierten hebephrenen Schizophrenie auf der Hand lag. Angesichts dessen mangelt es auch an einer nachvollziehbaren Darlegung und Begründung, in welcher Weise sich das angenommene Störungsbild auf den Angeklagten und seine Handlungsmöglichkeiten in den konkreten Tatsituationen ausgewirkt hat. Die Argumentation, dass die Schizophrenie eine so schwere Erkrankung sei, dass sich jede weitere Begründung im Hinblick auf die Frage nach ihren tatauslösenden Wirkungen generell erübrigt, ist mit der heutigen Auffassung über dieses Störungsbild keinesfalls mehr vereinbar (vgl. Nedopil in Forensische Psychiatrie, 3. Aufl., S. 151). Die Fähigkeit eines von der Schizophrenie Betroffenen zu einsichtsgemäßem Handeln und/oder der Steuerbarkeit seiner Handlungen ist vielmehr jeweils in Abhängigkeit vom Stadium der Erkrankung für jeden Einzelfall gesondert zu bewerten (Nedopil, aaO). Es muss deshalb für jede einzelne Tat festgestellt werden, ob sich der zum Tatzeitpunkt bestehende psycho-pathologische Zustand ursächlich auf die Einsichts- oder Steuerungsfähigkeit ausgewirkt hat (vgl. BGH NStZ 1991, 527 f.; StV 1986, 14; Senat, Beschluss vom 2. Dezember 2011 – 5 StR 419/11). Daran fehlt es hier.
Auf die vorgenannte Begründung konnte hier auch nicht unter Hinweis auf die Angaben der Bewährungshelferin des Angeklagten verzichtet werden. Diese schildert lediglich für den 6. Dezember 2012 ein Verhalten, das auf einen Zustand akuter Schizophrenie zu diesem Zeitpunkt hindeuten könnte. Die Raubtat geschah jedoch bereits einen Monat zuvor am 7. November 2012. Zu den unmittelbar vor und nach diesem Zeitpunkt am 2., 6. und 9. November 2012 geführten Telefonaten bekundete die Zeugin keine Auffälligkeiten (UA S. 12). Bekundungen über das Verhalten des Angeklagten unmittelbar vor oder nach der zweiten Tat am 3. März 2013 konnte die Bewährungshelferin mangels Kontakts nicht treffen. Das Opfer der zweiten Tat und dessen Ehefrau bekundeten zwar, es habe kein Anlass für die Tat vorgelegen. Feststellungen zum Zustand des Angeklagten lassen sich ihren Angaben aber ebenfalls nicht entnehmen. Der Eindruck des Geschädigten, der Angeklagte habe die Tat möglicherweise „gar nicht gewollt” (UA S. 10), lässt sich mangels näherer Begründungen nicht einordnen.
Das in der Hauptverhandlung gezeigte Verhalten des Angeklagten und seine Erklärungsversuche zu den Taten vermögen allenfalls einen Beleg für seinen aktuellen Zustand, nicht jedoch für die Frage des symptomatischen Zusammenhangs der Erkrankung zu seinen Taten zu liefern. Darüber hinaus hat die Sachverständige explizit, wenngleich ohne nähere Begründung, festgestellt, dass die Taten gerade auch in der dissozialen Persönlichkeitsstruktur des Angeklagten begründet seien (UA S. 22) und nicht der Erkrankung der hebephrenen Schizophrenie entspringen würden. Zur Art dieser diagnostizierten dissozialen Persönlichkeitsstruktur, die die hebephrene Schizophrenie akzentuieren soll, fehlt es an tatsachenfundierten Feststellungen, auch und gerade im Hinblick auf deren Wechselspiel mit der hebephrenen Schizophrenie.
Mangels hinreichender Tatsachengrundlagen und nachvollziehbarer Begründung zu den Voraussetzungen der §§ 20, 21 StGB sowie des erforderlichen Zusammenhangs im Sinne des § 63 StGB kann hier nicht mit der notwendigen Sicherheit ausgeschlossen werden, dass die Steuerungsfähigkeit des Angeklagten bei Begehung der Taten aufgehoben war, auch wenn dies unwahrscheinlich anmutet. Deshalb kann auch der Schuldspruch keinen Bestand haben.
Rz. 3
Dem schließt sich der Senat an. Er hebt über den Antrag des Generalbundesanwalts hinaus auch die Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen auf. Zwar hat sich die Strafkammer in Einklang mit dessen Ausführungen, auf die wegen der Einzelheiten verwiesen wird, auch in Bezug auf Tat 2 (Raubtat zum Nachteil der Zeugin H.) rechtsfehlerfrei von der Täterschaft des Angeklagten überzeugt. Dem neuen Tatgericht soll jedoch ermöglicht werden, in sich stimmige Feststellungen zu den jeweiligen Tatbildern zu treffen und sie im Blick auf deren Auswirkungen auf die Schuldfähigkeit des Angeklagten zu beurteilen.
Rz. 4
2. Ergänzend weist der Senat darauf hin, dass auch die nach der Zuschrift des Generalbundesanwalts eingegangene Revision des Rechtsanwalts L. voraussichtlich zur Aufhebung des Urteils geführt hätte. Einer ergänzenden Stellungnahme des Generalbundesanwalts zu der von ihm erhobenen Rüge einer Verletzung des § 218 StPO wegen unterlassener Ladung zur Hauptverhandlung trotz fortbestehender Stellung als Pflichtverteidiger bedurfte es im Blick auf die umfassend erfolgreiche Sachrüge indessen nicht mehr.
Unterschriften
Basdorf, Dölp, König, Berger, Bellay
Fundstellen
Haufe-Index 7199196 |
NStZ-RR 2015, 162 |