Leitsatz (amtlich)
Zu den Anforderungen an einen Überzeugungsversuch vor der Durchführung einer Zwangsbehandlung im Rahmen einer einstweiligen Unterbringung nach § 126a StPO.
Normenkette
SächsPsychKG § 22 Abs. 3 S. 1 Nr. 2; StPO § 126a
Verfahrensgang
LG Görlitz (Beschluss vom 16.08.2016; Aktenzeichen 5 T 260/16) |
AG Kamenz (Entscheidung vom 13.07.2016; Aktenzeichen 5 XVII 814/15) |
Tenor
Der Antrag des Betroffenen auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird abgelehnt.
Die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen den Beschluss der 5. Zivilkammer des LG Görlitz vom 16.8.2016 wird zurückgewiesen.
Das Verfahren der Rechtsbeschwerde ist gerichtskostenfrei.
Gründe
I.
Rz. 1
Die Rechtsbeschwerde wendet sich gegen die durch Zeitablauf erledigte Genehmigung einer zwangsweisen Heilbehandlung.
Rz. 2
Der Betroffene ist nach § 126a StPO in einem psychiatrischen Krankenhaus einstweilig untergebracht. Mit Beschluss vom 13.7.2016 hat das AG die Fortführung der zwangsweisen Behandlung des Betroffenen mit im Beschlusstenor im Einzelnen bezeichneten Medikamenten bis längstens zum 24.8.2016 sowie die zwangsweise Erhebung von Kontrollbefunden (Blutabnahme, EKG) im Mindestabstand von vier Wochen genehmigt.
Rz. 3
Auf die Beschwerde des Betroffenen hat das LG die amtsgerichtliche Genehmigung der zwangsweisen Erhebung von Kontrollbefunden aufgehoben. Im Übrigen hat es die Beschwerde zurückgewiesen. Mit der Rechtsbeschwerde begehrt der Betroffene die Feststellung, durch die Beschlüsse des AG und des LG in seinen Rechten verletzt worden zu sein.
II.
Rz. 4
Die zulässige Rechtsbeschwerde ist nicht begründet.
Rz. 5
1. Die Statthaftigkeit der Rechtsbeschwerde ergibt sich auch im Fall der - hier vorliegenden - Erledigung der Unterbringungsmaßnahme aus § 70 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FamFG (BGH, Beschl. v. 29.1.2014 - XII ZB 330/13, FamRZ 2014, 649 Rz. 7 m.w.N.).
Rz. 6
2. Die Entscheidungen von AG und LG haben den Betroffenen jedoch nicht in seinen Rechten verletzt. Die von der Rechtsbeschwerde erhobene Rüge, die Ausführungen des Beschwerdegerichts zu einem den Anforderungen des § 22 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 SächsPsychKG genügenden Überzeugungsversuch seien unzureichend, greift nicht durch.
Rz. 7
a) Nach § 22 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 SächsPsychKG, der im vorliegenden Fall der einstweiligen Unterbringung nach § 126a StPO anwendbar ist (§ 38 Abs. 1 Satz 5 SächsPsychKG), setzt die Durchführung einer ärztlichen Zwangsmaßnahme voraus, dass der Patient über die Behandlung und ihre beabsichtigten Wirkungen sowie Nebenwirkungen in einer ihm möglichst verständlichen Weise umfassend aufgeklärt worden ist mit dem Ziel, seine auf Vertrauen gegründete Zustimmung zu erreichen. Die Aufklärung muss gem. § 22 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 SächsPsychKG von dem nach § 33 SächsPsychKG zuständigen Arzt vorgenommen werden, der die Entscheidung über die Behandlung trifft. Nach § 33 Satz 1 SächsPsychKG sind belastende Vollzugsmaßnahmen nur auf Anordnung der ärztlichen Leitung des Krankenhauses oder deren Vertreter zulässig. Diese Vorschriften regeln den von Verfassungs wegen erforderlichen Überzeugungsversuch (vgl. BVerfG FamRZ 2013, 767 Rz. 69; v. 19.7.2017 - 2 BvR 2003/14 - juris Rz. 34 ff.).
Rz. 8
b) Nach den vom Beschwerdegericht getroffenen und von der Rechtsbeschwerde nicht angegriffenen Feststellungen ist diese Voraussetzung für eine Behandlung des Betroffenen gegen seinen Willen erfüllt.
Rz. 9
Nach den Feststellungen des AG, auf die das Beschwerdegericht Bezug genommen hat, wurde der Betroffene bereits im Juni 2016 umfassend über die Vor- und Nachteile der beabsichtigten Medikamenteneinnahme aufgeklärt. Aus den im Rahmen des erstinstanzlichen Anhörungstermins übergebenen Unterlagen zu den therapeutischen Verlaufsdaten hat das AG entnommen, dass der Betroffene regelmäßig auf die Medikamenteneinnahme angesprochen wurde, aber ein eingehendes Gespräch hierzu ablehnte. Schließlich hat der stellvertretende Chefarzt der Unterbringungseinrichtung bei seiner Anhörung durch das Beschwerdegericht angegeben, dass während der Zeit der Unterbringung des Betroffenen "andauernd" versucht worden sei, den Betroffenen von einer freiwilligen Medikamenteneinnahme zu überzeugen.
Rz. 10
Damit sind die Anforderungen erfüllt, die § 22 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 SächsPsychKG als Voraussetzung für die gerichtliche Genehmigung einer ärztlichen Zwangsbehandlung aufstellt.
Rz. 11
c) Die weitere Verfahrensrüge hat der Senat geprüft und für nicht durchgreifend erachtet (§ 74 Abs. 3 Satz 4 FamFG i.V.m. § 564 Satz 1 ZPO). Auch im Übrigen ist die vom LG eingehend begründete Genehmigung der ärztlichen Zwangsmaßnahme rechtlich nicht zu beanstanden.
Rz. 12
3. Da die Rechtsbeschwerde des Betroffenen keinen Erfolg hat, war sein Antrag auf Gewährung von Verfahrenskostenhilfe für das Rechtsbeschwerdeverfahren abzulehnen.
Rz. 13
4. Von einer weiteren Begründung der Entscheidung wird abgesehen, weil sie nicht geeignet wäre, zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung, zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung beizutragen (§ 74 Abs. 7 FamFG).
Fundstellen
Haufe-Index 11261855 |
FamRZ 2017, 1869 |
FuR 2017, 691 |
JZ 2018, 17 |
FF 2017, 465 |
RPsych (R&P) 2018, 32 |