Verfahrensgang
Bayerischer AGH (Urteil vom 11.12.2023; Aktenzeichen BayAGH I - 1 - 4/23) |
Tenor
Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des 1. Senats des Bayerischen Anwaltsgerichtshofs vom 11. Dezember 2023 wird abgelehnt.
Der Kläger hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.
Der Wert des Zulassungsverfahrens wird auf 50.000 € festgesetzt.
Gründe
I.
Rz. 1
Der am 30. November 1961 geborene Kläger wurde am 18. August 1997 zur Rechtsanwaltschaft zugelassen. Mit Bescheid der Hanseatischen Rechtsanwaltskammer Hamburg vom 5. Mai 2010 wurde seine Zulassung das erste Mal wegen Vermögensverfalls widerrufen. Nach Aufhebung dieses Widerrufs wegen Konsolidierung seiner Vermögenslage am 11. November 2010 erfolgte ein zweiter Widerruf wegen Vermögensverfalls mit Bescheid der Hanseatischen Rechtsanwaltskammer Hamburg vom 24. August 2011.
Rz. 2
Am 27. September 2017 wurde der Kläger durch Bescheid der Beklagten nach zwischenzeitlichem Umzug in deren Bezirk wieder zur Rechtsanwaltschaft zugelassen. Die Zulassung wurde mit am 4. Juli 2018 bestandskräftig gewordenem Bescheid der Beklagten vom 30. Mai 2018 erneut wegen Vermögensverfalls wiederrufen. Die am 27. Juli 2018 (nach Ablauf der Klagefrist) gegen den Widerruf erhobene Klage, mit der der Kläger auch einstweiligen Rechtsschutz begehrte, endete mit seiner Klagerücknahme in der mündlichen Verhandlung am 10. Oktober 2018.
Rz. 3
Parallel dazu beantragte der Kläger am 19. September 2018 seine Wiederzulassung zur Rechtsanwaltschaft.
Rz. 4
Während des laufenden Wiederzulassungsverfahrens wurde der Kläger durch Urteil des Amtsgerichts H. vom 10. Juli 2019, rechtskräftig seit 18. Juli 2019, wegen Missbrauchs einer Berufsbezeichnung schuldig gesprochen und gegen ihn eine Verwarnung mit Strafvorbehalt einer Geldstrafe von25 Tagessätzen zu je 30 € mit einer Bewährungszeit von einem Jahr verhängt. Dem lag die Feststellung zugrunde, dass der Kläger trotz eines Hinweises der Beklagten vom 18. Juli 2018 auf sein Ausscheiden aus der Rechtsanwaltschaft mit Ablauf des 4. Juli 2018 in der Zeit vom 25. Juli bis 20. August 2018 noch in einem landgerichtlichen Verfahren gegenüber dem Gericht und einem Rechtsanwalt mehrfach unter der Berufsbezeichnung "Rechtsanwalt" aufgetreten war. Die gegen den Kläger verhängte Strafe ist inzwischen erlassen.
Rz. 5
Mit Bescheid vom 28. Januar 2020 lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers auf Wiederzulassung zur Rechtsanwaltschaft gemäß § 7 Nr. 5 und § 7 Nr. 9 BRAO ab. Die dagegen gerichtete Klage des Klägers hatte keinen Erfolg.
Rz. 6
Im Februar 2022 beantragte der Kläger erneut seine Widerzulassung zur Rechtsanwaltschaft. In dem "Fragebogen zum Antrag auf Zulassung zur Rechtsanwaltschaft" beantwortete er die Frage 8, ob gegen ihn Strafverfahren, Disziplinarverfahren, anwaltsgerichtliche Verfahren oder Ermittlungsverfahren (zu diesen Verfahrensarten) anhängig seien oder waren, und die Frage 12 a), ob er sich in Vermögensverfall befinde, jeweils mit "nein" und erklärte abschließend, die vorstehenden Fragen vollständig und wahrheitsgemäß beantwortet zu haben.
Rz. 7
Die Beklagte wies den Kläger mit Schreiben vom 27. April 2022 darauf hin, dass er zu Frage 8 das ihr bekannte Urteil des Amtsgerichts H. vom 10. Juli 2019 nicht angegeben habe, das bei Prüfung des Versagungsgrunds § 7 Nr. 5 BRAO zu berücksichtigen sei, und im Rahmen der dabei gebotenen Gesamtabwägung eine Zulassung vor Ablauf einer Wohlverhaltensphase von mindestens fünf Jahren ab dem - ihr nicht bekannten - Straferlass nicht in Betracht kommen werde. Außerdem forderte sie den Kläger zur Substantiierung seiner Angaben und Nachreichung von Belegen zu seiner Vermögenssituation auf, weil die vorgelegten Unterlagen zur Darlegung wieder geordneter Vermögensverhältnisse zum Ausschluss des Versagungsgrunds des § 7 Nr. 9 BRAO nicht ausreichten.
Rz. 8
Im Laufe des weiteren Schriftwechsels teilte der Kläger mit, dass seine finanziellen Verhältnisse geordnet seien und er Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts des Jobcenters H. beziehe, legte mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 26. August 2022 ein Schreiben des Caritasverbands für den Landkreis H. e.V. vor, nach dem mit den meisten Gläubigern eine Lösung gefunden worden sei und eine Lösung mit dem Finanzamt kurz bevorstehe, und übersandte weitere Nachweise zu seinen Vermögensverhältnissen. Außerdem machte er geltend, dass ein Versagungsgrund nach § 7 Nr. 5 BRAO nicht bestehe, weil gegen ihn lediglich eine Verwarnung mit Strafvorbehalt ausgesprochen worden sei, der eindeutig eine Wohlverhaltensprognose zugrunde liege.
Rz. 9
Mit Bescheid vom 15. März 2023 wies die Beklagte den Wiederzulassungsantrag wegen Unwürdigkeit gemäß § 7 Nr. 5 BRAO zurück. Der Anwaltsgerichtshof hat die gegen diesen Bescheid und auf Wiederzulassung des Klägers zur Rechtsanwaltschaft gerichtete Klage abgewiesen. Der Kläger beantragt nunmehr die Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Anwaltsgerichtshofs.
II.
Rz. 10
Der nach § 112e Satz 2 BRAO, § 124a Abs. 4 VwGO statthafte und auch im Übrigen zulässige Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Ein Zulassungsgrund nach § 112e Satz 2 BRAO, § 124a Abs. 5 Satz 2, § 124 Abs. 2 VwGO ist nicht gegeben.
Rz. 11
1. Ernstliche Zweifel an der Zulässigkeit des angefochtenen Urteils bestehen nicht (§ 112e Satz 2 BRAO, § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Dieser Zulassungsgrund setzt voraus, dass ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Argumenten in Frage gestellt wird (st. Rspr.; vgl. etwa Senat, Beschluss vom 20. August 2020 - AnwZ (Brfg) 12/20, juris Rn. 7 mwN).
Rz. 12
Entsprechende Zweifel hat der Kläger mit seinem Zulassungsantrag nicht dargetan. Die Entscheidung des Anwaltsgerichtshofs steht im Einklang mit der Rechtsprechung des Senats.
Rz. 13
a) Nach § 7 Nr. 5 BRAO ist die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft zu versagen, wenn sich der Bewerber eines Verhaltens schuldig gemacht hat, das ihn unwürdig erscheinen lässt, den Beruf des Rechtsanwalts auszuüben. Die mit der Versagung der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft verbundene Einschränkung der freien Berufswahl ist nur zum Schutz besonders wichtiger Gemeinschaftsgüter und unter strikter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit statthaft (BVerfG, NJW 2017, 3704 Rn. 25; Senat, Urteil vom 10. Oktober 2011 - AnwZ (Brfg) 10/10, juris Rn. 13 f.; Beschluss vom10. Februar 2015, AnwZ (Brfg) 55/14, juris Rn. 5; Urteil vom 2. Juli 2018 - AnwZ (Brfg) 54/17, juris Rn. 7). Diese Voraussetzungen sind erfüllt, wenn der Bewerber ein Verhalten gezeigt hat, das ihn bei Abwägung dieses Verhaltens und aller erheblichen Umstände - wie Zeitablauf und zwischenzeitliche Führung - nach seiner Gesamtpersönlichkeit für den Anwaltsberuf nicht tragbar erscheinen lässt (vgl. BVerfG, NJW 2017, 3704 Rn. 25; Senat, Beschluss vom10. Februar 2015, AnwZ (Brfg) 55/14, juris Rn. 5; Urteil vom 2. Juli 2018 - AnwZ (Brfg) 54/17, juris Rn. 7). Dabei sind das berechtigte Interesse des Bewerbers nach beruflicher und sozialer Eingliederung und das durch das Berufsrecht geschützte Interesse der Öffentlichkeit, insbesondere der Rechtsuchenden an der Integrität des Anwaltsstandes, das in der Regel nur im Interesse einer funktionierenden Rechtspflege von Belang sein kann, einzelfallbezogen gegeneinander abzuwägen (BVerfG, NJW 2017, 3704 Rn. 25).
Rz. 14
b) Diese Grundsätze hat der Anwaltsgerichtshof bei seiner Entscheidung zugrunde gelegt und - entgegen der Ansicht des Klägers - auch zutreffend angewandt. Der Vorwurf des Klägers, der Anwaltsgerichtshof habe keine Gesamtbeurteilung seiner Persönlichkeit und Prognoseentscheidung unter einzelfallbezogener Gewichtung sämtlicher Umstände vorgenommen, sondern "praktisch ausschließlich" darauf abgestellt, welche Frist seit der Verwarnung des Klägers mit Strafvorbehalt für eine Wiederzulassung verstrichen sein müsse, und der Verwarnung damit ein unangemessenes, "überbordendes" Gewicht zugemessen, trifft nicht zu.
Rz. 15
aa) Die Entscheidung des Anwaltsgerichtshofs beruht auf einer umfassenden Abwägung der nach den obigen Maßstäben erheblichen Umstände.
Rz. 16
(1) Der Anwaltsgerichtshof ist zutreffend davon ausgegangen, dass sich der Kläger mit der im Jahr 2018 begangenen Straftat grundsätzlich eines Verhaltens schuldig gemacht hat, dass ihn für die Ausübung des Berufs des Rechtsanwalts unwürdig erscheinen lässt. Dabei hat der Anwaltsgerichtshof der Verurteilung entgegen der Ansicht des Klägers kein ihr nach ihrem Gehalt und ihren Voraussetzungen unangemessenes Gewicht beigemessen.
Rz. 17
Ausweislich der im angefochtenen Urteil eingangs zu Gunsten des Klägers aufgeführten Umstände hat der Anwaltsgerichtshof vielmehr ausdrücklich berücksichtigt, dass dieser sich keiner schweren Straftat schuldig gemacht habe, die Tat zudem nur milde geahndet und die Strafe zwischenzeitlich erlassen worden sei. Weiter hat er zu Gunsten des Klägers eingestellt, dass er sich seitdem straffrei geführt habe und nun als Assessor in einer Anwaltskanzlei angestellt sei. Damit hat der Anwaltsgerichtshof nicht außer Acht gelassen, dass bereits die Verhängung einer Verwarnung mit Strafvorbehalt nach § 59 Abs. 1 StGB eine günstige Sozialprognose und besondere Umstände, wie etwa eine Tathandlung von besonders geringem Gewicht, voraussetzt, die eine Verhängung von Strafe entbehrlich machen (vgl. von Heintschel-Heinegg, BeckOK StGB, § 59 Vor Rn. 1 [Stand: 1. Mai 2024]), sondern hat dem strafrechtlich geringen Gewicht der geahndeten Tat ebenso Rechnung getragen wie dem Umstand, dass der Kläger - entsprechend der nach § 59 Abs. 1 Nr. 1 StGB erforderlichen Sozialprognose - seit der Verwarnung keine weiteren Straftaten mehr begangen hat.
Rz. 18
Zu Recht hat der Anwaltsgerichtshof aber im Weiteren auch eine berufsrechtliche Bewertung der Tat vorgenommen und dabei zu Lasten des Klägers berücksichtigt, dass es sich bei der begangenen Straftat des Missbrauchs der Berufsbezeichnung "Rechtsanwalt" (§ 132a Abs. 1 Nr. 2 StGB) um ein berufsbezogenes Täuschungsdelikt handelte, bei dem der Kläger in einem gerichtlichen Verfahren wissentlich eine ihm nicht mehr zukommende Stellung mit den entsprechenden Befugnissen eingenommen hat.
Rz. 19
(2) Diesbezüglich hat der Anwaltsgerichtshof außerdem zu Recht erschwerend gewertet, dass nicht nur das damalige Handeln des Klägers, sondern auch sein Auftreten und seine Ausführungen im vorliegenden Verfahren von fehlender Einsicht in die Strafbarkeit seines Tuns geprägt gewesen seien. So habe der Kläger noch in der mündlichen Verhandlung des Anwaltsgerichtshofs am 11. November 2023 die Auffassung vertreten, er habe keine Straftat begangen und habe sich damals in einer "Notlage" befunden, weil er seinen Mandanten nicht ohne Rechtsanwalt vor Gericht habe stehen lassen wollen. Dieser Umgang mit seinem Fehlverhalten und die darin zum Ausdruck kommende Uneinsichtigkeit stehen einer günstigen Prognose über sein zukünftiges rechtstreues Verhalten insbesondere auch hinsichtlich der berufsrechtlichen Pflichten (§ 43 Satz 1 und 2 BRAO) entgegen (vgl. Senat, Beschlüsse vom 4. April 2005 - AnwZ (B) 21/04, juris Rn. 9 und vom 10. Februar 2015 - AnwZ (Brfg) 55/14, juris Rn. 6).
Rz. 20
(3) Weiter erschwerend hat der Anwaltsgerichtshof zu Recht berücksichtigt, dass der Kläger gegen seine Wahrheitspflicht im Zulassungsverfahren verstoßen hat, indem er seine Verurteilung durch das Amtsgericht H. in dem Fragebogen zu seinem Zulassungsantrag nicht angegeben, sondern die dortige Frage 8 nach derzeit oder in der Vergangenheit gegen ihn anhängigen Strafverfahren mit "nein" beantwortet und abschließend erklärt hat, die vorstehenden Fragen vollständig und wahrheitsgemäß beantwortet zu haben. Die Einlassung des Klägers, er sei davon ausgegangen, nur der Beklagten unbekannte Verfahren angeben zu müssen, hat der Anwaltsgerichtshof zu Recht als unglaubhafte Schutzbehauptung angesehen. Die eindeutige Formulierung der Frage 8 im Antragsformular gibt für eine solche Annahme nicht den geringsten Anhalt. Der hierin liegende Verstoß gegen die Wahrheitspflicht im Zulassungsverfahren stellt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs eine schwerwiegende Pflichtverletzung dar (vgl. nur BGH, Beschlüsse vom 17. Juni 1996 - AnwZ (B) 54/95, BRAK-Mitt. 1996, 258, 258 f. [= juris Rn. 10]; vom 5. März 2012 - NotZ (Brfg) 13/11, NJW-RR 2012, 632 Rn. 8 und vom 10. Februar 2015 - AnwZ (Brfg) 55/14, juris Rn. 7; jeweils mwN).
Rz. 21
(4) Nicht zu beanstanden ist auch, dass der Anwaltsgerichtshof außerdem zu Lasten des Klägers angeführt hat, dass seine Zulassung in der Vergangenheit wiederholt widerrufen werden musste und die jeweils kurzen Zulassungszeiten "von Problemen verschiedener Art geprägt" gewesen seien.
Rz. 22
Entgegen der Darstellung des Klägers hat der Anwaltsgerichtshof diese "Probleme verschiedener Art" durchaus näher erläutert, und zwar dahingehend, dass der Kläger insbesondere seine Vermögensverhältnisse nur langsam und mit Unterstützung habe wieder ordnen können.
Rz. 23
Wirtschaftliche Schwierigkeiten als solche rechtfertigen zwar die Versagung der Rechtsanwaltszulassung nur, wenn der Tatbestand des Vermögensverfalls nach § 7 Nr. 9 BRAO vorliegt, worauf sich hier jedoch weder die Beklagte noch der Anwaltsgerichtshof in ihren Entscheidungen gestützt haben. Bei der hier nach § 7 Nr. 5 BRAO vorzunehmenden Beurteilung der Gesamtpersönlichkeit des Klägers im Hinblick auf seine persönliche Eignung für den Beruf des Rechtsanwalts und die Integrität des Anwaltsstands ist aber sein Umgang mit diesen Schwierigkeiten zu berücksichtigen. Hierbei spricht zu seinen Lasten nicht nur, dass er Schwierigkeiten hatte, seine finanzielle Situation eigenständig wieder zu ordnen, sondern auch, dass er im Fragebogen zu seinem Zulassungsantrag die Frage 12 nach einem Vermögensverfall verneint hat, obwohl ihm dessen Voraussetzungen aufgrund seiner früheren wiederholten Widerrufsverfahren bekannt waren und es ihm ausweislich des mit Schriftsatz vom 26. August 2022 vorgelegten Schreibens des Caritasverbands erst nachfolgend, d.h. im Laufe des Zulassungsverfahrens gelungen ist, "mit den meisten" seiner Gläubiger "eine Lösung" zu finden und eine Lösung mit dem Finanzamt auch zu diesem Zeitpunkt noch ausstand. Auch wenn ihm inzwischen eine Ordnung und Konsolidierung seiner Vermögensverhältnisse gelungen sein mag und diesbezügliche Bedenken damit seiner Wiederzulassung im - insoweit maßgeblichen - heutigen Beurteilungszeitpunkt nicht (mehr) entgegenstehen, begründet dieses Verhalten des Klägers doch Zweifel an seiner Eignung hinsichtlich der von einem Rechtsanwalt zu erwartenden Wahrhaftigkeit bei der Erteilung von Auskünften und verfahrensrelevanten Angaben (vgl. zum Notar BGH, Beschluss vom 5. März 2012 - NotZ (Brfg) 13/11, NJW-RR 2012, 632 Rn. 11 f.).
Rz. 24
(5) Keinen ernstlichen Richtigkeitszweifeln begegnet schließlich im Ergebnis auch, dass der Anwaltsgerichtshof den seit der Verfehlung des Klägers im Jahr 2018 verstrichenen Zeitraum und seine straffreie Führung während dieser Zeit für nicht ausreichend erachtet hat, um einen Fortfall der aus der damaligen Straftat folgenden Unwürdigkeit im Sinne von § 7 Nr. 5 BRAO anzunehmen.
Rz. 25
Der Anwaltsgerichtshof ist zutreffend davon ausgegangen, dass es keine bindenden festen Fristen dafür gibt, wie viele Jahre zwischen einer die Unwürdigkeit begründenden Straftat und dem Zeitpunkt liegen müssen, in dem eine Wiederzulassung rechtlich möglich ist, sondern eine einzelfallbezogene Gewichtung aller Umstände geboten ist (vgl. nur Senat, Urteile vom 14. Januar 2019 - AnwZ (Brfg) 70/17, BRAK-Mitt. 2019, 90 Rn. 11 und AnwZ (Brfg) 50/17, juris Rn. 12; jeweils mwN). Dass der Anwaltsgerichtshof unter Verweis auf entsprechende Rechtsprechung und Literatur (Weyland/Vossebürger, BRAO, 11. Aufl., § 7 BRAO Rn. 41 mwN) angenommen hat, bei leichteren Straftaten sei ein Zeitraum von vier bis fünf Jahren zu veranschlagen, ist nicht zu beanstanden. Zutreffend ist auch, dass nach ständiger Rechtsprechung des Senats die bloße straffreie Führung nach einer Verurteilung nicht entscheidend zu Gunsten eines Bewerbers berücksichtigt werden kann, wenn dieser noch unter dem Druck einer zur Bewährung ausgesetzten Freiheitsstrafe steht (vgl. nur Senat, Beschluss vom 26. Januar 2009 - AnwZ (B) 24/08, juris Rn. 7 mwN).
Rz. 26
Hier waren seit der Tathandlung des Klägers bei der Entscheidung des Anwaltsgerichtshofs zwar mehr als fünf Jahre und sind inzwischen bereits sechs Jahre vergangen. Auch handelte es sich im Fall des Klägers bei der zur Bewährung ausgesetzten Strafe um keine Freiheits-, sondern eine Geldstrafe. Gleichwohl stand der Kläger damit aber ein Jahr unter dem Druck einer strafrechtlichen Bewährungszeit, so dass sein Wohlverhalten während dieses Zeitraums nicht für eine zuverlässige Beurteilung des Fortfalls seiner Unwürdigkeit herangezogen werden kann. Vor allem aber ist auch hier zu berücksichtigen, dass der Kläger sich - wie oben ausgeführt - im Wiederzulassungsverfahren nicht rechtlich verhalten, sondern relevant unvollständige Angaben gemacht hat und hinsichtlich seiner damaligen Verurteilung weiterhin uneinsichtig zeigt, so dass allein seine straffreie Führung keine ausreichende Gewähr für sein künftig redliches und rechtmäßiges Verhalten insbesondere auch hinsichtlich seiner berufsrechtlichen Stellung und Pflichten als Rechtsanwalt geben kann.
Rz. 27
bb) Dass der Anwaltsgerichtshof nach Gesamtabwägung dieser Gesichtspunkte abschließend eine negative Prognose getroffen und angenommen hat, dass der Kläger nach seiner Gesamtpersönlichkeit für den Anwaltsberuf weiterhin (noch) nicht tragbar erscheint, ist auch nach Auffassung des Senats zutreffend.
Rz. 28
Auch wenn es sich bei der Verfehlung im Jahr 2018 nur um eine einmalige, leichtere, nur mit einer Verwarnung mit Strafvorbehalt strafrechtlich geahndete und bereits sechs Jahre zurückliegende Tat handelte, kann in Anbetracht der weiterhin fehlenden Einsicht des Klägers in die Strafbarkeit seines damaligen Tuns und seines Verstoßes gegen die Wahrheitspflicht im Zulassungsverfahren nicht davon ausgegangen werden, dass er nach seiner Gesamtpersönlichkeit geeignet ist, berufener und unabhängiger Vertreter des Mandanten in allen Rechtsangelegenheiten zu sein, und damit für den Anwaltsberuf wieder tragbar ist.
Rz. 29
Soweit der Kläger in diesem Zusammenhang beanstandet, der Anwaltsgerichtshof habe in seiner zusammenfassenden Würdigung zu seinen Lasten "nebulös" auf den "persönlichen Eindruck verwiesen, den der Kläger im Rahmen seiner Anhörung vor dem Senat hinterlassen hat", ohne diese "Blankettformulierung" sachlich zu unterlegen, trifft auch das nicht zu. Die beanstandete Formulierung bezieht sich ersichtlich auf die Ausführungen des Anwaltsgerichtshofs dazu, dass der Kläger auch mit seinem Auftreten und seiner Argumentation in der mündlichen Verhandlung des Anwaltsgerichtshofs seine fehlende Einsicht in die Strafbarkeit seines damaligen Tuns gezeigt habe.
Rz. 30
2. Weitere Zulassungsgründe gemäß § 112e Satz 2 BRAO, § 124a Abs. 5 Satz 2, § 124 Abs. 2 VwGO werden vom Kläger nicht geltend gemacht und liegen auch nicht vor.
III.
Rz. 31
Die Kostenentscheidung folgt aus § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung aus § 194 Abs. 2 Satz 1 BRAO.
Limperg Remmert Grüneberg
Kau Geßner
Fundstellen
Dokument-Index HI16652867 |