Verfahrensgang
LG Meiningen (Urteil vom 21.03.2005) |
Tenor
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Meiningen vom 21. März 2005 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine Strafkammer des Landgerichts Erfurt zurückverwiesen.
Gründe
Das Landgericht hatte den Angeklagten mit Urteil vom 6. März 2003 wegen gemeinschaftlichen Betrugs in zehn Fällen jeweils in Tateinheit mit gemeinschaftlicher Fälschung technischer Aufzeichnungen, gemeinschaftlicher Fälschung technischer Aufzeichnungen in zwei Fällen jeweils in Tateinheit mit versuchtem gemeinschaftlichen Betrug und wegen Beihilfe zum Betrug in neunzehn Fällen jeweils in Tateinheit mit Beihilfe zur Fälschung technischer Aufzeichnungen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt. Auf die Revision des Angeklagten hat der Senat mit Beschluss vom 26. November 2003 – 2 StR 302/03 – dieses Urteil wegen Mängeln in der Beweiswürdigung und wegen der rechtsfehlerhaften Anwendung des § 268 StGB auf die dem Angeklagten vorgeworfenen Tachomanipulationen aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen. Das Landgericht hat den Angeklagten nunmehr wegen Betrugs in neun Fällen, davon in einem Fall versucht, sowie wegen Beihilfe zum Betrug in neunzehn Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und acht Monaten verurteilt und ihn im Übrigen freigesprochen.
Die auf mehrere Verfahrensrügen und die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten hat mit der Verfahrensrüge, ein Hilfsbeweisantrag der Verteidigung sei rechtsfehlerhaft zurückgewiesen worden, Erfolg.
1. a) Nach den Feststellungen des Landgerichts betrieb der Angeklagte einen Gebrauchtwagenhandel zunächst in S., später in B. …. In den Jahren 1998 und 1999 verkaufte er in neunzehn Fällen gebrauchte Leasingfahrzeuge mit einer durchschnittlichen Laufleistung von 150.000 km zu einem angemessenen Preis unter Angabe des wahren Kilometerstandes an den bereits verurteilten Gebrauchtwagenhändler St.. Vor Übergabe der Fahrzeuge hatte der Angeklagte im Einvernehmen mit St. mittels eines Tachojustiergerätes die Kilometerstände um durchschnittlich 100.000 km reduziert. St. verkaufte die Fahrzeuge zu – angesichts der tatsächlichen Laufleistung – weit überhöhten Preisen überwiegend an Autohäuser weiter.
Nach Beendigung der Zusammenarbeit mit St. kauften der Angeklagte und der gesondert verurteilte Sch. Pkw's mit einem Kilometerstand von meist mehr als 150.000 km an, manipulierten den Kilometerstand und verkauften die Fahrzeuge mit von ihnen gefälschten Serviceheften unter falschem Namen in neun Fällen zu überhöhten Preisen vorwiegend an Privatpersonen weiter, wobei es in zwei Fällen beim Versuch blieb.
b) Ihre Überzeugung von der Tatbeteiligung des Angeklagten stützt die Strafkammer ganz wesentlich auf die Aussage der damaligen Freundin des Sch., … M., zu den Geschehnissen nach der vorläufigen Festnahme Sch.s und der sich anschließenden Durchsuchungsmaßnahme auf dem Betriebsgelände des Angeklagten:
„Die gegenseitige Kontaktaufnahme wegen des Nichtmeldens des Sch. führte letztlich dazu, dass man sich dahingehend absprach, dass die Zeugin M. zum Angeklagten auf dessen Verkaufsplatz wegen des weiteren Vorgehens kommen würde, was diese dann auch getan hätte. Kurz nach ihrem Zusammentreffen mit dem Angeklagten in dessen Verkaufsbüro sei ein schwarzer Jeep mit S. er Kennzeichen auf den Verkaufsplatz gefahren, wobei der Angeklagte ihr gegenüber geäußert hätte, dass dies die ‚Kripo’ sei und ihr die Pkw-Schlüssel für seine dunkle Audi A6 Limousine mit der Aufforderung, schnell wegzufahren, übergeben hätte. Sie sei damals sehr aufgeregt gewesen; sie sei aber vom Platz heruntergefahren, ohne dass sie angehalten worden sei. Sie sei dann Richtung L. und sodann nach I. unmittelbar zu den Eltern des anderweitig verfolgten Sch. gefahren. An dem Fahrzeug des Angeklagten habe sich damals nach ihrer Erinnerung ein rotes Kennzeichen befunden. … Sch. hätte damals einen älteren dunkelblauen Audi A6 TDI Kombi, Baujahr vermutlich 1995, gefahren. Im Auto des Angeklagten hätte sie dann Gegenstände, u.a. einen Rucksack mit Scheckheften, Stempeln, Kraftfahrzeugbriefen und Kraftfahrzeugschlüsseln und auch im Kofferraum das Gerät in dem schwarzen Koffer zur Tachomanipulation vorgefunden. Das Fahrzeug sei dann zur Schwester des Sch. in I. verbracht worden” (UA 41).
Diese von der Strafkammer als glaubhaft angesehenen Bekundungen führten zu korrespondierenden Tatsachenfeststellungen im Urteil (UA 12 f.). Der Verbleib des Fahrzeugs nebst Inhalt konnte nicht geklärt werden.
2. Der die Tat bestreitende Angeklagte hat sich hingegen eingelassen, die Zeugin M. habe das Betriebsgelände bereits eine Stunde vor dem Eintreffen der Polizei mit dem Pkw des Sch. verlassen, ein Tachomanipulationsgerät und Fälschungsunterlagen habe er nie besessen und demzufolge auch nicht der Zeugin M. mitgegeben, um sie so dem Zugriff der Polizei zu entziehen.
Im Rahmen seines Schlussvortrages stellte ein Verteidiger des Angeklagten den Hilfsbeweisantrag, die zwei Polizeibeamten, die mit dem Jeep als erste bei der Durchsuchung auf das Betriebsgelände des Angeklagten gefahren waren, zeugenschaftlich zu vernehmen. Gegenstand des Beweisantrags war u.a. die in das Wissen der Zeugen gestellte Behauptung, die durchsuchenden Polizeibeamten hätten bei dem Auffahren auf das Betriebsgelände beide Einfahrten zugleich benutzt, unmittelbar vor dem Firmengebäude gestoppt, dabei den Angeklagten allein angetroffen und könnten deshalb verlässlich ausschließen, dass eine weibliche Person bei Erscheinen der Beamten auf dem Gelände den Verkaufspavillon hätte verlassen, in ein Kraftfahrzeug steigen und das Gelände ohne Überprüfung verlassen können.
Das Landgericht hat diesen Hilfsbeweisantrag in den Urteilsgründen zurückgewiesen, indem es die Beweisbehauptungen als wahr unterstellt und gleichzeitig für bedeutungslos erklärt hat (UA 50).
3. Diese Zurückweisung des Beweisbegehrens hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Abgesehen davon, dass die gleichzeitige Ablehnung eines Beweisantrags durch Wahrunterstellung und wegen Bedeutungslosigkeit nicht möglich ist, weil eine Wahrunterstellung nur bei erheblichen Tatsachen in Betracht kommt (BGH NStZ-RR 2003, 268, 269; NStZ 2004, 51), begegnen beide Ablehnungsgründe durchgreifenden rechtlichen Bedenken:
a) Die als wahr unterstellten Umstände zum Ablauf der Durchsuchung sind mit den im Urteil getroffenen Sachverhaltsfeststellungen offensichtlich nicht in Einklang zu bringen. Die Kammer wäre deshalb gehalten gewesen, in den Urteilsgründen auf die als wahr unterstellten Tatsachen ausdrücklich einzugehen und näher zu erläutern, wie sie trotz der Wahrunterstellung zu den Sachverhaltsfeststellungen gelangt ist (BGHR StPO § 261 Beweiswürdigung, unzureichende, 11; BGH NStZ-RR 2001, 261).
b) Ebenso wenig begründet die Strafkammer in ihrem Urteil, warum es die unter Beweis gestellten Behauptungen für bedeutungslos hält. Dies stellt einen bedeutsamen Rechtsfehler dar, weil es hier keineswegs auf der Hand liegt, dass eine Bestätigung der unter Beweis gestellten Tatumstände für die Sachverhaltsannahme des Landgerichts ohne Bedeutung gewesen wäre. Im Gegenteil wäre die Feststellung des Landgerichts, der Angeklagte sei am Tag der Durchsuchung im Besitz eines Tachomanipulationsgerätes sowie von Fälschungsunterlagen gewesen und habe diese belastenden Gegenstände mit Hilfe der Zeugin M. beim Eintreffen der Polizeibeamten deren Zugriff entzogen, so nicht mehr aufrechtzuerhalten gewesen.
c) Der Senat kann das Beruhen des Urteils auf dem Rechtsfehler nicht ausschließen. Die lückenhafte Beweiswürdigung des Landgerichts tangiert nicht nur die Glaubwürdigkeit der Zeugin M., auf deren Aussagen die Strafkammer ihre Beweiswürdigung maßgeblich stützt, sondern betrifft unmittelbar die
Feststellungen zum Besitz und zur Beseitigung den Angeklagten belastender Beweismittel.
4. Der Senat hat von der Möglichkeit des § 354 Abs. 2 Satz 1 2. Alt. StPO Gebrauch gemacht und die Sache an eine Strafkammer des Landgerichts Erfurt zurückverwiesen. Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat darauf hin, dass im Fall III B Nr. 3 der Urteilsgründe – „Komplex Sch.” – nach den bisher getroffenen Feststellungen eine Verurteilung nur wegen versuchten (statt vollendeten) Betruges in Betracht kommt.
Unterschriften
Rissing-van Saan, Otten, Rothfuß, Roggenbuck, Appl
Fundstellen
Haufe-Index 2554896 |
wistra 2006, 190 |
StV 2007, 18 |