Entscheidungsstichwort (Thema)
Widerruf der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft wegen Vermögensverfall aufgrund Gesamtforderungen i.H.v. knapp 65.000 EUR gegen den Rechtsanwalt. Berücksichtigung einer nachträglichen Konsolidierung der Vermögensverhältnisse im gerichtlichen Verfahren
Normenkette
BRAO § 14 Abs. 2 Nr. 7; InsO § 26 Abs. 2
Verfahrensgang
AGH Baden-Württemberg (Entscheidung vom 21.03.2009; Aktenzeichen AGH 42/08 (I)) |
Tenor
Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des I. Senats des Anwaltsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 21. März 2009 wird zurückgewiesen.
Der Antragsteller hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen und der Antragsgegnerin die ihr im Beschwerdeverfahren entstandenen notwendigen außergerichtlichen Auslagen zu erstatten.
Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 50.000 EUR festgesetzt.
Tatbestand
I.
Rz. 1
Der 57-jährige Antragsteller ist als Rechtsanwalt zugelassen. Mit Bescheid vom 5. August 2008 widerrief die Antragsgegnerin die Zulassung des Antragstellers zur Rechtsanwaltschaft wegen Vermögensverfalls. Den hiergegen gerichteten Antrag auf gerichtliche Entscheidung hat der Anwaltsgerichtshof mit Beschluss vom 21. März 2009 zurückgewiesen. Dagegen wendet sich der Antragsteller mit seiner sofortigen Beschwerde. Mit Verfügung vom 28. April 2009 hat die Antragsgegnerin den sofortigen Vollzug des Widerrufs angeordnet.
Entscheidungsgründe
II.
Rz. 2
Das Rechtsmittel ist zulässig (§ 215 Abs. 3 BRAO, § 42 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 4 BRAO a.F.), hat in der Sache jedoch keinen Erfolg. Die Zulassung des Antragstellers ist mit Recht widerrufen worden.
Rz. 3
Nach § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO ist die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft zu widerrufen, wenn der Rechtsanwalt in Vermögensverfall geraten ist, es sei denn, die Interessen der Rechtsuchenden sind hierdurch nicht gefährdet. Diese Voraussetzungen für den Widerruf waren bei Erlass des angefochtenen Bescheids der Antragsgegnerin gegeben und bestehen fort.
Rz. 4
1. Ein Vermögensverfall liegt vor, wenn der Rechtsanwalt in ungeordnete, schlechte finanzielle Verhältnisse geraten ist, die er in absehbarer Zeit nicht ordnen kann, und außerstande ist, seinen Verpflichtungen nachzukommen. Beweisanzeichen hierfür sind das Erwirken von Schuldtiteln und Vollstreckungsmaßnahmen gegen den Rechtsanwalt (st. Rspr.; vgl. etwa Senatsbeschluss vom 5. Dezember 2005 – AnwZ (B) 13/05, NJW-RR 2006, 559, Tz. 5 m.w.N.). Zudem besteht nach § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO eine gesetzliche Vermutung für den Eintritt eines Vermögensverfalls, wenn der Rechtsanwalt in das vom Insolvenzgericht oder vom Vollstreckungsgericht zu führende Verzeichnis (§ 26 Abs. 2 InsO, § 915 ZPO) eingetragen ist.
Rz. 5
Der gesetzliche Vermutungstatbestand war bei Erlass des Widerrufsbescheids erfüllt. Der Antragsteller war zum Zeitpunkt des Widerrufs seiner Zulassung mit vier Haftbefehlen in das Schuldnerverzeichnis beim Amtsgericht M. eingetragen. Die dadurch begründete Vermutung für den Vermögensverfall des Antragstellers hat dieser nicht widerlegt. Auch die unabhängig von der gesetzlichen Vermutung für seinen Vermögensverfall sprechenden Beweisanzeichen hat er nicht entkräftet. Zum Zeitpunkt des Widerrufs waren der Antragsgegnerin auf Grund der Mitteilung der Obergerichtsvollzieherin K. vom 9. Juli 2008 siebenundvierzig im Zeitraum vom 1. Januar 2006 bis 9. Juli 2008 gegen den Antragsteller eingeleitete Vollstreckungsaufträge bekannt geworden. Die titulierten Gesamtforderungen gegen den Antragsteller beliefen sich ursprünglich auf knapp 65.000 EUR. Die Antragsgegnerin und der Anwaltsgerichtshof sind deshalb mit Recht davon ausgegangen, dass der Antragsteller bei Erlass der Widerrufsverfügung in Vermögensverfall geraten war.
Rz. 6
2. Der Vermögensverfall ist auch nicht nach Erlass der Widerrufsverfügung weggefallen. Eine nachträgliche Konsolidierung der Vermögensverhältnisse des Antragstellers wäre zwar im gerichtlichen Verfahren zu berücksichtigen (BGHZ 75, 356, 357; 84, 149, 150), ist aber nicht festzustellen. Die gesetzliche Vermutung für den Vermögensverfall des Antragstellers besteht fort. Die gegen den Antragsteller ergangenen Haftbefehle sind zwischenzeitlich vollzogen worden (§ 909 ZPO). Er hat am 4. Dezember 2008 die eidesstattliche Versicherung abgegeben und am 9. September 2009 ergänzt, so dass er nach wie vor in das Schuldnerverzeichnis (§ 915 Abs. 1 Satz 1 ZPO) eingetragen ist. Außerdem wurde ein von ihm gestellter Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens mit Beschluss des Amtsgerichts F. vom 13. März 2009 – 58 IN mangels Masse abgewiesen. Damit besteht zusätzlich eine Eintragung nach § 26 Abs. 2 InsO. Der Antragsteller hat auch die unabhängig von der fortbestehenden gesetzlichen Vermutung für seinen Vermögensverfall sprechenden Beweisanzeichen nicht entkräftet. Vielmehr sind nach Mitteilung der Obergerichtsvollzieherin K. bis zur Entscheidung des Anwaltsgerichtshofs sieben weitere und im Zeitraum vom 27. März 2009 bis 12. Oktober 2009 nochmals dreizehn gegen ihn gerichtete Vollstreckungsaufträge eingegangen.
Rz. 7
Dem Antragsteller ist es damit entgegen seiner im Widerrufsverfahren erfolgten Ankündigung nicht gelungen, seine Vermögensverhältnisse zu ordnen. Zu keiner Zeit ist er seiner Verpflichtung nachgekommen, seine Einkommensund Vermögensverhältnisse umfassend offen zu legen und im Einzelnen darzutun, ob Forderungen zwischenzeitlich getilgt worden sind oder in welcher Weise er die bestehenden Verbindlichkeiten zu tilgen gedenkt (vgl. Senatsbeschlüsse vom 2. Dezember 1991 – AnwZ (B) 40/91, […], Tz. 6; vom 17. September 2007 – AnwZ (B) 75/06, AnwBl. 2008, 66, Tz. 4). Im Widerrufsverfahren hat er keinen Tilgungsplan vorgelegt, sondern sich in seinen an die Antragsgegnerin gerichteten Schriftsätzen vom 27. August 2008 und 5. September 2008 damit begnügt, eine – nicht näher belegte – Befriedigung sämtlicher Vollstreckungsgläubiger in Aussicht zu stellen. Dabei hat er weder aufgeschlüsselt, welche Vollstreckungsaufträge zu diesem Zeitpunkt offen waren, noch angegeben, auf welche Weise und in welchem zeitlichen Rahmen er seine Schulden zurückzuführen beabsichtigt. Hinreichende Angaben zu seinem Aktivvermögen ließ der Antragsteller ebenfalls vermissen. Zur Dokumentation seiner Einkünfte hat er lediglich eine Aufstellung offener Forderungen und eine Einnahmenüberschussrechnung für den Zeitraum vom 1. Januar 2008 bis 20. August 2008 eingereicht. Die Aufstellung lässt aber nicht erkennen, ob die darin genannten Forderungen von rund 117.000 EUR gegenüber den Mandanten tatsächlich bestehen und realisierbar sind. Auch die vorgelegte Einnahmenüberschussrechnung, die zum 20. August 2008 Bruttoeinnahmen von 76.908,35 EUR, Ausgaben von 19.700,49 EUR und eine Umsatzsteuerschuld von 10.550,75 EUR ausweist, lässt keine tragfähigen Rückschlüsse auf das ihm zur Schuldentilgung zur Verfügung stehende Einkommen zu.
Rz. 8
Im Verfahren vor dem Anwaltsgerichtshof hat der Antragsteller keine ergänzenden Angaben zu seiner finanziellen Situation gemacht. Er hat weder seinen Antrag auf gerichtliche Entscheidung begründet noch an der mündlichen Verhandlung teilgenommen. Dass der Antragsteller zwischenzeitlich einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens gestellt hatte, der bereits vor der mündlichen Verhandlung vor dem Anwaltsgerichtshof abschlägig beschieden worden war, ist erst nachträglich aufgrund einer Mitteilung der Oberfinanzdirektion Ka. vom 23. Juni 2009 bekannt geworden. Auch im vorliegenden Beschwerdeverfahren hat der Antragsteller bislang keine Angaben zu seinen Vermögensverhältnissen gemacht; er hat seine sofortige Beschwerde nicht begründet.
Rz. 9
3. Nach der in § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO zum Ausdruck gekommenen Wertung des Gesetzgebers ist mit einem Vermögensverfall eines Rechtsanwalts grundsätzlich eine Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden verbunden. Diese Annahme ist regelmäßig schon im Hinblick auf den Umgang des Rechtsanwalts mit Fremdgeldern und den darauf möglichen Zugriff von Gläubigern gerechtfertigt (st. Rspr.; vgl. etwa Senatsbeschlüsse vom 5. Dezember 2005, aaO, Tz. 8, und vom 25. Juni 2007 – AnwZ (B) 101/05, NJW 2007, 2924, Tz. 8 m.w.N.). Eine Gefährdung der finanziellen Interessen der Mandanten lässt sich nur selten mit hinreichender Sicherheit ausschließen (vgl. Senatsbeschluss vom 12. März 2001 – AnwZ (B) 27/00, […], Tz. 6, BGHReport 2001, 668 [nur Leitsatz]).
Rz. 10
Ein Ausnahmefall, in dem die Interessen der rechtsuchenden Bevölkerung ungeachtet des Vermögensverfalls nicht gefährdet wären (vgl. Senatsbeschlüsse vom 18. Oktober 2004 – AnwZ (B) 43/03, NJW 2005, 511, unter II 2 c; vom 25. Juni 2007, aaO, Tz. 9; vom 15. September 2008 – AnwZ (B) 67/07, AnwBl. 2009, 64, Tz. 5), ist weder vorgetragen noch ersichtlich. Der Annahme eines solchen Ausnahmefalls steht bereits entgegen, dass der Antragsteller in der Vergangenheit den Anwaltsberuf nicht beanstandungsfrei ausgeübt hat. So hat die Staatsanwaltschaft F. gegen den Antragsteller mehrere Ermittlungsverfahren wegen Untreue zum Nachteil von Mandanten geführt, hierbei in einem Fall Anklage erhoben und in zwei weiteren Fällen Strafbefehlsanträge gestellt.
Rz. 11
4. Der Senat konnte in Abwesenheit des Antragstellers verhandeln und entscheiden, da dieser trotz ordnungsgemäßer Ladung der mündlichen Verhandlung unentschuldigt ferngeblieben ist.
Fundstellen