Entscheidungsstichwort (Thema)
Versagungsgrund der Verletzung von Auskunfts- und Mitwirkungspflichten. Nichtabführen des pfändbaren Betrags des Arbeitseinkommens
Leitsatz (amtlich)
Führt der Schuldner den an ihn ausgekehrten pfändbaren Betrag seines Arbeitseinkommens während des Insolvenzverfahrens nicht an den Insolvenzverwalter ab, kann der Versagungsgrund der Verletzung von Auskunfts- und Mitwirkungspflichten vorliegen.
Normenkette
InsO § 290 Abs. 1 Nr. 5
Verfahrensgang
LG Wiesbaden (Beschluss vom 02.10.2012; Aktenzeichen 4 T 292/12) |
AG Wiesbaden (Entscheidung vom 18.06.2012; Aktenzeichen 10 IN 236/09) |
Tenor
Der Antrag des Schuldners auf Gewährung von Prozesskostenhilfe für die Einlegung und Durchführung der Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 4. Zivilkammer des LG Wiesbaden vom 2.10.2012 wird abgelehnt.
Gründe
I.
Rz. 1
Am 28.7.2009 wurde über das Vermögen des Schuldners das Insolvenzverfahren eröffnet und der weitere Beteiligte zu 2) zum Insolvenzverwalter bestellt. Der Schuldner schloss am 24.8.2010 einen Arbeitsvertrag als angestellter Zahnarzt ab und nahm vertragsgemäß am 1.9.2010 seine Tätigkeit auf. Hierüber unterrichtete er den weiteren Beteiligten zu 2) mit Telefax vom 20.9.2010. Am 4.10.2010 übersandte er diesem eine Ablichtung des Arbeitsvertrages und eine Gehaltsbescheinigung für den Monat September 2010. Der Aufforderung des Insolvenzverwalters, den pfändbaren Betrag für den Monat September 2010i.H.v. 337,05 EUR an ihn abzuführen, kam der Schuldner trotz mehrfacher Aufforderung nicht nach.
Rz. 2
Das Insolvenzgericht hat dem Schuldner auf Antrag der weiteren Beteiligten zu 1) die Restschuldbefreiung versagt, weil er mit der Nichtabführung des pfändbaren Betrag für den Monat September 2010 gegen seine insolvenzrechtlichen Mitwirkungspflichten i.S.d. § 290 Abs. 1 Nr. 5 InsO verstoßen habe. Die sofortige Beschwerde des Schuldners ist ohne Erfolg geblieben. Das Beschwerdegericht hat die Rechtsbeschwerde zugelassen, weil der Frage, ob die Nichtabführung des pfändbaren Teils des Arbeitseinkommens an den Insolvenzverwalter im Laufe des Insolvenzverfahrens die Verletzung einer Mitwirkungspflicht i.S.v. § 290 Abs. 1 Nr. 5 InsO darstelle, grundsätzliche Bedeutung zukomme. Der Schuldner beantragt nunmehr Prozesskostenhilfe für das Verfahren der Rechtsbeschwerde.
II.
Rz. 3
Die Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe liegen nicht vor. Die beabsichtigte Rechtsverfolgung bietet keine hinreichende Aussicht auf Erfolg (§ 114 Satz 1 ZPO), denn eine Rechtsbeschwerde wäre unbegründet (§ 576 Abs. 1 ZPO).
Rz. 4
1. Die Versagung der Restschuldbefreiung erfolgte auf einen zulässigen, von der weiteren Beteiligten zu 1) während des im schriftlichen Verfahren abgehaltenen Schlusstermins unter Glaubhaftmachung des Versagungsgrundes gestellten Antrag (§ 290 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 InsO). In ihrem Versagungsantrag vom 5.4.2012 hat sich die weitere Beteiligte zu 1) für Ihren Vortrag, der Schuldner habe trotz Aufforderung den Betrag von 337,05 EUR nicht an den Insolvenzverwalter abgeführt, auf die diesbezüglichen Ausführungen im Schlussbericht des Insolvenzverwalters gestützt, was ausreicht (vgl. BGH, Beschl. v. 8.1.2009 - IX ZB 73/08, WM 2009, 515 Rz. 6; v. 19.5.2011 - IX ZB 94/09, ZInsO 2011, 1412 Rz. 2). Die objektiven Voraussetzungen des geltend gemachten Versagungsgrundes sind zudem, was die tatsächlichen Umstände angeht, unstreitig, so dass insoweit eine Glaubhaftmachung ohnehin entbehrlich war (vgl. BGH, Beschl. v. 8.1.2009, a.a.O.; vom 19.5.2011 - IX ZB 94/09, a.a.O.).
Rz. 5
2. Das Beschwerdegericht ist auch zutreffend davon ausgegangen, dass der Schuldner verpflichtet gewesen ist, den pfändbaren Teil des Monatsgehalts für September 2010 an den weiteren Beteiligten zu 2) abzuführen.
Rz. 6
a) Nach § 97 InsO ist der Schuldner verpflichtet, seine aktuellen Einkünfte dem Insolvenzverwalter unverzüglich mitzuteilen. Ein Zuwiderhandeln hiergegen kann den Versagungsgrund des § 290 Abs. 1 Nr. 5 InsO begründen (BGH, Beschl. v. 3.7.2008 - IX ZB 181/07, ZInsO 2008, 975 Rz. 8; v. 19.4.2012 - IX ZB 192/11, Rz. 3, nv; v. 26.4.2012 - IX ZB 274/11, Rz. 2, nv; Ahrens in FK/InsO, 6. Aufl., § 290 Rz. 59; D. Fischer in Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier, InsO, § 290 Rz. 72). Wäre der Schuldner dieser Verpflichtung ordnungsgemäß nachgekommen, hätte der Verwalter, wovon das Insolvenzgericht mit Recht ausgegangen ist, auch für die rechtzeitige Abführung des hier in Rede stehenden Betrages gegenüber dem Arbeitgeber des Schuldners Sorge tragen können.
Rz. 7
b) Der angeführte Betrag aus dem Arbeitseinkommen des Schuldners gehörte, weil pfändbar, zur Masse (vgl. BGH, Beschl. v. 15.11.2007 - IX ZB 99/05, WM 2008, 256 Rz. 7). Der Schuldner hat seinen Neuerwerb, soweit er pfändbar ist, an den Insolvenzverwalter abzuführen (vgl. Pape/Uhländer, InsO, § 287 Rz. 22). Auch dieser Verpflichtung ist der Schuldner nicht nachgekommen. Hierbei handelt es sich um eine Mitwirkungsverpflichtung i.S.d. § 290 Abs. 1 Nr. 5 InsO (AG Bonn, ZInsO 2006, 49; Ahrens in FK/InsO, a.a.O., Rz. 59). In der Rechtsprechung des BGH ist anerkannt, dass die Verletzung einer Abführungspflicht des Schuldners im Insolvenzverfahren eine Mitwirkungsverletzung nach § 290 Abs. 1 Nr. 5 InsO begründen kann (BGH, Beschl. v. 13.6.2013 - IX ZB 38/10, zVb, Rz. 20 zu § 35 Abs. 2 Satz 2 InsO; ferner FK-InsO/Bornemann, a.a.O., § 35 Rz. 24a; HmbKomm-InsO/Lüdtke, 4. Aufl., § 35 Rz. 4; Uhlenbruck/Hirte, InsO, 13. Aufl., § 35 Rz. 105; D. Fischer, a.a.O., Rz. 62). Eine entsprechende Anwendung des andersartigen Versagungsverfahrens nach § 296 InsO kommt bereits aus systematischen Gründen nicht in Betracht (BGH, Beschl. v. 13.6.2013, a.a.O.; Ahrens, NJW-Spezial 2013, 85, 86; a.A. Grote, ZInsO 2011, 1489, 1493 f.). Für die hier in Rede stehende Abführungspflicht kann daher nichts anderes gelten.
Rz. 8
c) Damit scheidet insoweit eine Grundsatzbedeutung aus. Dies gilt auch unter dem Gesichtspunkt der Gewährung von Prozesskostenhilfe. Eine Bewilligung kommt nicht in Betracht, wenn die entscheidungserhebliche Rechtsfrage zwar noch nicht höchstrichterlich geklärt ist, ihre Beantwortung aber im Hinblick auf die einschlägige gesetzliche Regelung oder durch die in der Rechtsprechung gewährten Auslegungshilfen nicht in dem genannten Sinne als schwierig "erscheint" (vgl. BVerfG NJW 1991, 413, 414; BGH, Beschl. v. 11.9.2002 - VIII ZR 235/02, NJW-RR 2003, 130, 131; v. 16.12.2010 - IX ZA 30/10, NZI 2011, 104 Rz. 5; v. 14.4.2011 - IX ZA 51/10, ZVI 2011, 343 Rz. 5).
Rz. 9
3. Entgegen der in der Antragsschrift vertretenen Auffassung muss die Mitwirkungspflichtverletzung des Schuldners nicht zu einer konkreten Gläubigerbeeinträchtigung geführt haben. Nach der gefestigten Rechtsprechung des Senats genügt, dass die Verletzung der Auskunfts- und Mitwirkungspflichten nach ihrer Art geeignet ist, die Befriedigung der Insolvenzgläubiger zu gefährden (BGH, Beschl. v. 8.1.2009 - IX ZB 73/08, WM 2009, 515 Rz. 10; v. 16.12.2010 - IX ZB 63/09, WM 2011, 176 Rz. 5; v. 19.5.2011 - IX ZB 142/11, ZInsO 2011, 1223 Rz. 7). Bei auf die Masse bezogenen Abführungspflichten, wie sie hier in Rede stehen, ist dies offensichtlich.
Rz. 10
4. Das Beschwerdegericht hat schließlich auch beachtet, dass der verfassungsrechtlich gebotene Verhältnismäßigkeitsgrundsatz (vgl. hierzu BGH, Beschl. v. 8.1.2009, a.a.O., Rz. 21; v. 2.7.2009 - IX ZB 63/08, ZVI 2009, 510 Rz. 15; Ahrens in FK/InsO, a.a.O., Rz. 61; D. Fischer, a.a.O., Rz. 89 ff.) gerade im Streitfall besonderer Beachtung bedarf. Wo die Wesentlichkeitsgrenze verläuft, ist keine Frage von rechtsgrundsätzlicher Bedeutung, sondern vom jeweiligen Einzelfall abhängig (BGH, Beschl. v. 9.12.2004 - IX ZB 132/04, NZI 2005, 233, 234; v. 7.10.2010 - IX ZA 29/10, ZVI 2011, 105 Rz. 7). Es kann nur anhand des Gesamtbildes, das sich aus dem Verhalten des jeweiligen Schuldners ergibt, beurteilt werden, ob er trotz Vorliegens eines der von § 290 Abs. 1 InsO erfassten Verstöße noch als redlich angesehen werden kann (BGH, vom 7.10.2010, a.a.O.). Eine solche Gesamtbetrachtung hat das Beschwerdegericht angestellt. Es hat dabei zu Lasten des Schuldners insb. berücksichtigt, dass er den mehrfachen Aufforderungen des Insolvenzverwalters, den nicht abgeführten Betrag an ihn auszukehren, nicht nachgekommen ist.
Fundstellen
DB 2013, 15 |
EBE/BGH 2013, 298 |
NJW-RR 2013, 1520 |
WM 2013, 1656 |
DZWir 2014, 84 |
JZ 2013, 618 |
MDR 2013, 1313 |
NZI 2013, 5 |
NZI 2013, 904 |
Rpfleger 2013, 703 |
ZInsO 2014, 712 |
InsbürO 2013, 420 |
InsbürO 2013, 460 |
NJW-Spezial 2013, 629 |
StX 2013, 703 |
ZVI 2013, 491 |
FMP 2013, 202 |
VIA 2013, 77 |