Entscheidungsstichwort (Thema)
rechtliches Gehör. Anspruch. Verletzung. Anknüpfungstatsachen. Beweiserhebung. Zeugenbeweis
Leitsatz (amtlich)
Zur Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör wenn trotz ausreichend vorgetragener Anknüpfungstatsachen zur Höhe eines entgangenen Gewinns eine Beweiserhebung unterbleibt.
Normenkette
BGB § 252; ZPO §§ 287, 544 Abs. 7
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers wird die Revision gegen das Urteil des 8. Zivilsenats des KG in Berlin v. 17.2.2003 zugelassen.
Auf die Revision des Klägers wird das vorgenannte Urteil aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Streitwert: 26.326 EUR
Gründe
I.
Der Kläger begehrt entgangenen Gewinn für den v. 15.10.1996 bis 17.3.1997 vorenthaltenen Gebrauch des mit Vertrag v. 19.7.1996 angemieteten Geschäftslokals D.straße ... in B. Er hat vorgetragen, durch den Verkauf von Damen-, Herrenbekleidung und Textilwaren hätte er in dieser Zeit einen Gewinn von 26.326,59 EUR erwirtschaften können.
Zum Nachweis seiner Forderung hat der Kläger den Wareneinsatz und die Betriebskosten des Folgejahres (15.10.1997 bis 17.3.1998) dargelegt und sich zur Richtigkeit seiner Schadensberechnung auf die Einholung eines Sachverständigengutachtens berufen. Er hat Umsatzbögen, betriebswirtschaftliche Auswertungen sowie Gewinn- und Verlustrechnungen vorgelegt und entsprechend einer Auflage des LG Angaben zu seinen weiteren Geschäftslokalen gemacht und die angeforderten Umsatzaufstellungen, Steuererklärungen und -bescheide vorgelegt.
LG und Berufungsgericht haben die Klage ohne Beweisaufnahme abgewiesen. Sie haben die Klage dem Grunde nach für berechtigt, jedoch der Höhe nach mit unterschiedlicher Begründung für nicht schlüssig gehalten.
Die Revision hat das Berufungsgericht nicht zugelassen. Dagegen richtet sich die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers. Er begehrt die Zulassung der Revision und im Ergebnis weiterhin die Verurteilung des Beklagten.
II.
Das angefochtene Urteil ist nach § 544 Abs. 7 ZPO aufzuheben.
Die statthafte und auch im Übrigen zulässige Nichtzulassungsbeschwerde ist begründet, denn das Berufungsgericht hat, wie der Beschwerdeführer zu Recht rügt, entscheidungserheblichen Sachvortrag des Klägers übergangen und damit dessen Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) verletzt.
Art. 103 Abs. 1 GG verpflichtet das Gericht, die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen (BVerfG v. 19.5.1992 - 1 BvR 986/91, BVerfGE 86, 133 [145]; BVerfG v. 31.3.1998 - 1 BvR 2008/97, NJW 1998, 2583 [2584]; BVerfG v. 4.8.2004 - 1 BvR 698/03, ZIP 2004, 1762 [1763]). Geht das Gericht auf den wesentlichen Kern des Tatsachenvortrags einer Partei zu einer Frage, die für das Verfahren von zentraler Bedeutung ist, in den Entscheidungsgründen nicht ein, so lässt dies auf die Nichtberücksichtigung des Vortrags schließen.
Diese Voraussetzungen liegen hier vor.
a) Das Berufungsgericht ist der Ansicht, aus den von dem Kläger für den Vergleichszeitraum (15.10.1997 bis 17.3.1998) vorgelegten Unterlagen lasse sich nicht schlüssig nachvollziehen, ob die behaupteten Warenverkäufe getätigt worden seien. Die vorgelegten Kassenunterlagen und Umsatzbögen enthielten lediglich Warengruppenberichte bzw. deren Zusammenfassung. Aus diesen könnten die behaupteten Warenverkäufe nicht nachvollzogen werden. Es fehle deshalb an hinreichenden Anknüpfungstatsachen zur Ermittlung des von dem Kläger behaupteten entgangenen Gewinns.
b) Bei dieser Annahme hat das Berufungsgericht die vom Kläger vorgelegten Umsatzbögen, aus denen sich - nach seinem Vortrag - die erzielten Tageseinnahmen ergeben, und den für deren Richtigkeit angetretenen Zeugenbeweis übergangen. Es hat weiter die von dem Kläger vorgelegten Steuererklärungen, Steuerbescheide, Gewinn- und Verlustrechnungen, betriebswirtschaftlichen Auswertungen und Wareneingangsbücher unberücksichtigt gelassen. Diese von dem Kläger vorgelegten Unterlagen, deren Richtigkeit er unter Beweis gestellt hat, enthalten ausreichend Anknüpfungstatsachen zur Ermittlung des entgangenen Gewinns, ggf. durch Einholung des beantragten Sachverständigengutachtens.
Das Berufungsgericht hat damit wesentlichen Tatsachenvortrag des Klägers übergangen und dadurch dessen Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) verletzt.
Fundstellen
Haufe-Index 1434369 |
BB 2005, 2378 |