Tenor
Über folgende Rechtsfrage soll eine Entscheidung des gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes herbeigeführt werden (§§ 2 und 11 des Gesetzes zur Wahrung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung der obersten Gerichtshöfe des Bundes vom 19. Juni 1968, BGBl. I 661):
Kann eine Prozeßpartei ihr Einverständnis mit dem Erlaß einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung (§ 128 Abs. 2 ZPO) frei widerrufen?
Tatbestand
I.
1. Die beklagten Eheleute haben auf Grund eines im Jahr 1961 mit dem Kläger geschlossenen notariellen Vertrages eine Miteigentumswohnung in einem vom Kläger errichteten Haus und einen entsprechenden Miteigentumsanteil am Grundstück erworben. Die Klage ist im Kern auf Rückübertragung dessen gerichtet, was die Beklagten durch den Vertrag erlangt haben. Sie ist in beiden Vorinstanzen erfolglos geblieben.
2. In der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht am 1. März 1966 haben die Prozeßbevollmächtigten beider Parteien sich mit dem Erlaß einer „schriftlichen Entscheidung” (§ 128 Abs. 2 ZPO) einverstanden erklärt. Das Berufungsgericht hat daraufhin den Beschluß verkündet, es solle schriftlich entschieden werden, jedoch nicht vor Ablauf von 5 Wochen. Diese Zeitspanne war für Vergleichsverhandlungen der Parteien vorgesehen.
Durch Schriftsatz vom 15. April 1966 hat der Kläger sein Einverständnis mit dem Erlaß einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung widerrufen. Das Berufungsgericht hat ungeachtet dieses Widerruf, den es als unwirksam angesehen hat, das angefochtene, am 27. April 1966 den Parteien an Verkündungs Statt zugestellte Urteil nach § 128 Abs. 2 ZPO im schriftlichen Verfahren erlassen. Der Kläger hat die gegen dieses Urteil eingelegte Revision u.a. damit begründet, daß die Voraussetzungen einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren nicht vorgelegen hätten.
Entscheidungsgründe
II.
Der vorlegende Senat ist der Ansicht, daß die Entscheidung über die Revision eine Stellungnahme zu der Frage voraussetzt, ob eine Prozeßpartei die Erklärung ihres Einverständnisses mit dem Erlaß einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung frei widerrufen kann.
1. Die Antwort auf diese Frage könnte allerdings dahingestellt bleiben, wenn hier die Erklärung mit einer Bedingung verbunden worden wäre und deshalb bei Zugrundelegung der herrschenden, auch vom vorlegenden Senat vertretenen Auffassung unwirksam wäre. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts waren jedoch die Einverständniserklärungen entgegen dem Vorbringen des Klägers nicht durch eine Bedingung eingeschränkt.
2. Die eingangs bezeichnete Frage könnte auch dann offen bleiben, wenn, was der Kläger weiter geltend macht, nach Abgabe der Einverständniserklärungen eine wesentliche Änderung der Prozeßlage eingetreten wäre und dies die Voraussetzungen für einen wirksamen Widerruf begründet hätte. Der Senat ist jedoch mit dem Berufungsgericht der Ansicht, daß es an einer entsprechenden Änderung der Proseßlage fehlt. Ob anderenfalls ein Widerruf zulässig gewesen wäre, kann daher offenbleiben.
III.
1. Der vorlegende Senat hat bereits in seinem Urteil vom 29. Oktober 1958, V ZR 158/57, BGHZ 28, 278 den Standpunkt vertreten, daß das Einverständnis der Parteien mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung nicht frei widerruflich sei. An dieser Auffassung, der sich auch der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs in seinem Urteil vom 12. Juli 1962, VII ZR 22/61, NJW 1962, 1819 angeschlossen hat, möchte er festhalten. Da jedoch das Bundesarbeitsgericht in seinem Urteil vom 23. November 1961, 2 AZR 95/61, BAG 12, 56 (=NJW 1962, 509) insoweit unter Ablehnung des Urteils BGHZ 28, 278 den entgegengesetzten Standpunkt eingenommen hat – und zwar in Übereinstimmung mit seinem vorangegangenen, insoweit nicht näher begründeten Urteil vom 21. September 1961, 2 AZR 392/60, AP Nr. 11 zu § 72 ArbGG 1953 – Streitwertrevision –, ist für die Entscheidung der gemeinsame Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes zuständig (§ 2 des Gesetzes zur Wahrung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung der obersten Gerichtshöfe des Bundes vom 19. Juni 1968, BGBl. I 661).
2. Von den anderen obersten Gerichtshöfen des Bundes hat das Bundessozialgericht in einer Entscheidung zu § 124 Abs. 2 SGG, der „mit Einverständnis der Beteiligten” eine Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung zuläßt, die in dem Urteil BGHZ 28, 278 vertretene Auffassung ausdrücklich gebilligt (NJW 1966, 904). Ferner hat das Bundesverwaltungsgericht sich wiederholt mit der dem § 128 Abs. 2 ZPO fast wörtlich entsprechenden Vorschrift des § 101 Abs. 2 VerwGO befaßt („Mit Einverständnis der Parteien kann das Gericht ohne mündliche Verhandlung entscheiden”). In zwei Entscheidungen (DÖV 1956, 411 und DÖV 1957, 461) hat es die Einverständniserklärung als jedenfalls dann unwiderruflich angesehen, wenn auch der Proseßgegner eine solche Erklärung abgegeben hatte, während in einer weiteren Entscheidung (Sammel- und Nachschlagewerk der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts § 101 VerwGO Nr. 1) die Frage zwar angeschnitten, aber nicht abschließend beantwortet wird. Entscheidungen des Bundesfinanzhofs zur Frage der Widerruflichkeit des Einverständnisses der Parteien mit Erlaß einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung (§ 90 Abs. 2 FGO) sind dem Senat nicht bekannt.
Der Senat glaubt von einer Erörterung der Frage absehen zu sollen, ob die Auslegung der in anderen Verfahrensordnungen enthaltenen, dem § 128 Abs. 2 ZPO entsprechenden Vorschriften hinsichtlich der Widerruflichkeit der Einverständniserklärungen zu berücksichtigen hat, daß der Grundsatz der Mündlichkeit des Verfahrens für die dort geregelten Verfahren eine geringere Rolle spielen mag als für den Zivilprozeß.
IV.
§ 128 Abs. 2 ZPO ermöglicht eine Entscheidung ohne mündliche Verhandlung „mit Einverständnis der Parteien”. Die Formulierung dieser Voraussetzung entspricht in der Wahl der Wörter „mit Einverständnis …” den Vorgängern der Vorschrift (§ 23 der Bekanntmachung zur Entlastung der Berichte vom 9. September 1915, RGBl. 562; geändert und als neuer § 23 a in die heutige Fassung des § 128 Abs. 2 ZPO gebracht durch Art. I A Nr. 2 der Verordnung zur Beschleunigung des Verfahrens in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten vom 22. Dezember 1923, RGBl. I 1239; in die Neufassung der Bekanntmachung zur Entlastung der Gerichte vom 13. Mai 1924, RGBl. I 552, als § 7 Satz 1 aufgenomnen; von dort durch Art. 2 Nr. 14 des Vereinheitlichungsgesetzes vom 12. September 1950, BGBl. 455, als § 128 Abs. 2 in die Zivilprozeßordnung aufgenommen; vgl. hierzu BGHZ 28, 278).
Die Argumente, mit denen schon bei Auslegung jener früheren Vorschriften die freie Widerruflichkeit der Erklärung des Einverständnisses von einem Teil des Schrifttums und der Rechtsprechung bejaht, von einem anderen verneint wurde, entsprechen in ihrem Kern denen, die auch zur Auslegung des § 128 Abs. 2 ZPO von den Vertretern der einander entgegenstehenden Meinungen ins Feld geführt werden. (Für grundsätzliche Bejahung der freien Widerruflichkeit außer den eingangs bezeichneten Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts: KG JW 1932, 1981; OLG München HRR 1938, 696; anscheinend auch RGZ 151, 193, 196; Stein/Jonas, ZPO 18, Aufl. § 128 Anm. IX 3, anders jetzt die 19., von Pohle bearbeitete Auflage § 128 Anm. IX 3; Rosenberg, Zivilprozeßrecht 7. Aufl. § 108 II 1 c S. 507, anders jetzt die 9. Aufl. § 108 II 1 c S. 526; Zöller, ZPO 7. Aufl. § 128 Anm. 2, anders jetzt die 10. Aufl. § 128 Anm. B II; Wieczorek, ZPO § 128 Anm. J II c 5; Sydow/Busch, ZPO 22. Aufl. § 7 EntlVO Anm. 2; Seuffert/Walsmann, ZPO 12. Aufl. § 7 EntlVO Anm. 2 in Anhang zu § 128 ZPO; Heinsheimer, JW 1915, 1384; Volkmar JW 1924, 17; de Boor ZZP 51, 80; für grundsätzliche Verneinung der freien Widerruflichkeit – abgesehen von den oben in III 1 und 2 bezeichneten höchstrichterlichen Entscheidungen und den schon erwähnten neueren Auflagen von Stein/Jonas, ZPO; Zöller, ZPO und Rosenberg, Zivilprozeßrecht –: OLG Hamburg NJW 1954, 516; Baumbach/Lauterbach, ZPO 29. Aufl. § 128 Anm. 5 C; Schönke/Schröder/Niese, Zivilprozeßrecht 8. Aufl. § 81 III 2 S. 366: Nikisch, Zivilprozeßrecht 2. Aufl. § 78 II 4 S. 308 i.V. mit § 54 V 3 S. 216; Goldschmidt, Die neue Zivilprozeßordnung vom 13. Mai 1924 § 7 EntlVO Anm. 2 S. 277, 278; Reinberger Recht 1924, 69, 76, 77; Bötticher Anm. zu dem genannten Urteil des Senats vom 29. Oktober 1958 MDR 1959, 566 und Anm. zu dem genannten Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 23. November 1961 AP Nr. 2 zu § 128 ZPO; Müller Anm. zu dem genannten Urteil des Senats DVBl. 1960, 100 mit zahlreichen Nachweisen zu entsprechenden verwaltungsprozessualen Vorschriften; Johannsen Anm, zu diesem Urteil LM ZPO § 128 Nr. 12; es mag ferner darauf hingewiesen werden, daß nach der Entscheidung BVerfGE 9, 73, 76 der nach § 25 Abs. 1 BVerfGG erklärte Verzicht auf mündliche Verhandldung eine nicht frei widerrufliche Prozeßhandlung ist). Die Befürworter der freien Widerruflichkeit versagen allerdings eine Widerrufsmöglichkeit unter bestimmten unterschiedlich umschriebenen Voraussetzungen, während ihre Gegner insbesondere bei einer wesentlichen Änderung der Prozeßlage einen Widerruf überwiegend zulassen.
V.
1. Wie der Senat bereits in der wiederholt genannten Entscheidung BGHZ 28, 278 näher ausgeführt hat, ist dem Wortlaut der Formulierung „mit Einverständnis” nicht zu entnehmen, daß damit der – noch bei Erlaß der Entscheidung vorhandene – Zustand des Einverstandenseins der Parteien gemeint sei.
Dieser innere Zustand entzieht sich der unmittelbaren Wahrnehmung durch das Gericht. Er kann nur berücksichtigt werden, soweit die Parteien dem Gericht entsprechende Erklärungen abgeben. Endet das Einverständnis einer Partei vor Erlaß einer gerichtlichen Entscheidung, geht aber der Widerruf der Einverständniserklärung dem Gericht erst nach der Entscheidung zu, so wären – stellt man auf den Zustand des Einverstandenseins ab – die Voraussetzungen einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung schon vor Erlaß der Entscheidung weggefallen, ohne daß dies dem Gericht bis dahin zur Kenntnis gelangt wäre. Würde in einem solchen Falle wegen dieser Schwierigkeiten der Widerruf als unwirksam erachtet, so wäre damit der Grundsatz, daß das Einverständnis noch zur Zeit der Entscheidung vorliegen müsse, für eine praktisch wichtige Fallgruppe aufgegeben.
2. Muß das Einverständnis der Parteien dem Gericht erklärt werden, so stellt sich die Frage, ob schon aus der Natur einer solchen Erklärung als Prozeßhandlung ihre Unwiderruflichkeit folgt. Ein Teil des Schrifttums sieht als in der Regel unwiderruflich jedenfalls solche Prozeßhandlungen an, die als sogenannte Bewirkungshandlungen das Verfahren gestalten (vgl. Schönke/Schröder/Niese, a.a.O. § 31 II 1 S. 147; Rosenberg, Zivilprozeßrecht 9. Aufl. § 60 II 4 S. 279; Baumbach/Lauterbach, a.a.O. Grrundzüge 5 G vor § 128; Nikisch a.a.O. S. 216). Zu den in diesem Sinne verfahrensgestaltenden Prozeßhandlungen wird von den Vertretern dieser Auffassung im Gegensatz zu dem vom Bundesarbeitsgericht eingenommenen Standpunkt durchweg auch die Einverständniserklärung nach § 128 Abs. 2 ZPO gerechnet. Indessen bedarf es des Rückgriffs auf einen etwaigen Grundsatz des bezeichneten Inhalts, dessen allgemeine Geltung im Hinblick auf die gesetzlich geregelte Möglichkeit der Klägerücknahme (§ 271 ZPO) und der Zurücknahme von Rechtsmitteln (§§ 515, 566 ZPO) nicht zweifelsfrei erscheint, für die Begründung der grundsätzlichen Unwiderruflichkeit der Einverständniserklärung nach § 128 Abs. 2 ZPO aus den im folgenden unter 4 ff dargelegten Gründen nicht.
3. Der Senat hat in der genannten Entscheidung weiter geprüft, ob aus vergleichbaren Vorschriften der Zivilprozeßordnung – wie etwa § 349 Abs. 3 und 447 ZPO sowie §§ 450 u. 461 ZPO in der bis 1933 geltenden Fassung – Anhaltspunkte für die Frage der Widerruflichkeit zu gewinnen sind. Er hat diese Frage im Ergebnis verneint. Auf diese Ausführungen BGHZ 28, 278, 281 wird verwiesen.
4. Als entscheidend für die Frage der Widerruflichkeit sieht der Senat entsprechend dem schon in seiner wiederholt genannten Entscheidung eingenommenen Standpunkt Sinn und Zweck der Einführung des schriftlichen Verfahrens an.
Schon die Überschriften der eingangs bezeichneten Vorgang er des § 128 Abs. 2 ZPO ergeben, daß es um die Entlastung der Gerichte und die Beschleunigung des Verfahrens geht. Zu diesem Zweck soll das Gericht in dafür geeigneten Fällen von einer mündlichen Verhandlung absehen können, wenn die Parteien sich damit einverstanden erklärt haben. Könnte eine Partei noch nach Eingang der entsprechenden Erklärung auch der anderen Partei ihr Einverständnis nach freiem Belieben wirksam widerrufen, so könnte dies die inzwischen vom Gericht für eine Entscheidung im schriftlichen Verfahren getroffenen Vorbereitungen einschließlich des Ergebnisses einer etwa schon durchgeführten Beratung zunichte machen. Die durch die Einverständniserklärungen der Parteien geschaffene Grundlage für eine Entscheidung im schriftlichen Verfahren würde sich als höchst unsicher erweisen. Die mit § 128 Abs. 2 ZPO angestrebte Entlastungswirkung würde in ihr Gegenteil verkehrt; die weitere Folge könnte eine unter Umständen beträchtliche Verzögerung des Verfahrens sein, da sich erst nach dem Widerruf die Notwendigkeit der Anberaumung eines bis dahin nicht eingeplanten (weiteren) Termins zur mündlichen Verhandlung ergäbe. Daß sich im Falle einer Änderung der Besetzung des Gerichts andere Richter in die Sache neu einarbeiten müßten, könnte bei schwierigeren Sachen zur Folge haben, daß der Termin entsprechend weit hinausgerückt werden müßte. Die damit verbundene Verzögerung des Verfahrens könnte insbesondere auch der anderen Partei nicht zugemutet werden.
5. Den mit der Möglichkeit des freien Widerrufe verbundenen Gefahren für die reibungslose, prozeßwirtschaftliche Durchführung des Verfahrens könnte durch die Verneinung der Wirksamkeit des Widerrufs nur im Falle eines Verstoßes gegen Treu und Glauben (Johannsen LM ZPO § 128 Nr. 2; Burkhardt MDR 1957, 388, 389) nicht hinreichend begegnet werden. Dies gilt auch für die dem Gericht offenstehende Möglichkeit, für die Einreichung von Schriftsätzen Fristen zu setzen und dadurch zu erkennen zu geben, daß es das Verfahren mit Ablauf der Frist als abgeschlossen ansehen werde (vgl. BAG a.a.O. S. 59). Denn sind auch nach Ablauf der Frist eingehende Schriftsätze zu berücksichtigen (BGHZ 11, 27, 31; 28, 278, 284; Stein/Jonas, ZPO 19. Aufl. § 128 X 4 und Fußnote 92), so muß dies auch für einen darin enthaltenen Widerruf der Einverständniserklärung gelten, wenn man deren freien Widerruf zulaßt. Davon abgesehen erscheint es nicht folgerichtig, einerseits auf den Zustand des Einverstandenseins der Parteien noch bei Erlaß der Entscheidung abzustellen, andererseits aber die Widerruflichkeit in dieser Weise zeitlich zu beschränken.
6. Liegen die Einverständniserklärungen der Parteien vor, so entbindet dies das Gericht nicht von der nach pflichtmäßigem Ermessen anzustellenden Prüfung, ob der Fall sich für eine Entscheidung im schriftlichen Verfahren eignet. Es wird unter diesem Gesichtspunkt insbesondere auch das Vorbringen zu würdigen haben, auf das eine Partei den Widerruf ihrer Einverständniserklärung stützt. Ergibt dieses Vorbringen die Voraussetzungen einer Restitutionsklage nach § 580 ZPO, so mag das Gericht zur Anberaumung eines-Termins zur mündlichen Verhandlung auch verpflichtet sein (vgl. dazu Schönke/Schröder/Niese, a.a.O. § 31 II 1 S. 148; Rosenberg, Zivilprozoßrecht 9. Aufl. § 60 II 4 S. 279; Nikisch, a.a.O. § 31 II 1 S. 148). Ob dies darüber hinaus ganz allgemein bei jeder wesentlichen Änderung der Prozeßlage gilt, wie dies die Entscheidung BGHZ 11, 27, 31 und das die freie Widerruflichkeit der Einverständniserklärungen im übrigen verneinde Schrifttum überwiegend annehmen, ist in den BGH-Entscheidungen BGHZ 28, 278, 285 und NJW 1962, 1819 offen geblieben und braucht auch hier nicht im einzelnen erörtert zu werden. Denn jedenfalls kann nach Auffassung des Senats aus den Schwierigkeiten der Definition dessen, was als eine in diesem Sinne wesentliche Änderung der Prozeßlage anzusehen ist, nicht hergeleitet werden, daß deshalb nichts anderes als die Zulassung des freien Widerrufs übrig bliebe. Das Gleiche gilt für den Hinweis darauf, daß das Gericht von den durch § 128 Abs. 2 ZPO eröffneten Möglichkeiten einen unsachgemäßen Gebrauch machen könne, indem es den Erlaß der Entscheidungen unnötig verzögere (vgl. dazu BGHZ 28, 278, 284).
7. Als nicht durchschlagend sieht der Senat auch den Hinweis des Bundesarbeitsgerichts darauf an, daß § 128 Abs. 2 SPO als Ausnahme von dem den Zivilprozeß beherrschenden Grundsatz der Mündlichkeit des Verfahrens streng auszulegen sei.
Auch bei Ausnahmevorschriften ist der Gesetzeszweck auszuschöpfen (vgl. Enneccerus/Nipperdey, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts 15. Bearbeitung § 48 Fußnote 6 S. 297 mit weiteren Nachweisen) – Sinn und Zweck des § 128 Abs. 2 ZPO, wie sie vorstehend dargelegt worden sind, können daher nicht wegen der vom Senat nicht verkannten besonderen Bedeutung des Grundsatzes der Mündlichkeit unberücksichtigt bleiben. Ebensowenig rechtfertigt dieser Grundsatz, den weiteren Grundsatz der Prozeßwirtschaftlichkeit (vgl. Baumbach/Lauterbach a.a.O. Grundzüge 2 F vor § 128) außer acht zu lassen, der ebenfalls der freien Widerruflichkeit der Einverständniserklärung entgegensteht.
Unterschriften
Dr. Augustin, Rothe, Dr. Freitag, Hill, Offterdinger
Fundstellen