Entscheidungsstichwort (Thema)
Doppeltarifzähler
Leitsatz (amtlich)
Dem Gerichtshof der Europäischen Union wird zur Auslegung von Art. 7 Abs. 1 und 4 Buchst. c der Richtlinie 2005/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Mai 2005 über unlautere Geschäftspraktiken von Unternehmen gegenüber Verbrauchern im Binnenmarkt und zur Änderung der Richtlinie 84/450/EWG des Rates, der Richtlinien 97/7/EG, 98/27/EG und 2002/65/EG des Europäischen Parlaments und des Rates sowie der Verordnung (EG) Nr. 2006/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates (ABl. L 149 vom 11. Juni 2005, S. 22; Berichtigung ABl. L 253 vom 25. September 2009, S. 18) folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:
Muss die vom Gewerbetreibenden nach Art. 7 Abs. 1 und 4 Buchst. c der Richtlinie 2005/29/EG zu erteilende Information über die Art der Preisberechnung bei einer vom Verbrauch abhängigen Preisgestaltung so beschaffen sein, dass der Verbraucher auf Grundlage der Information selbständig eine Preisberechnung vornehmen kann, wenn er den ihn betreffenden Verbrauch kennt?
Normenkette
EGRL 29/2005 Art. 7 Abs. 1, 4 Buchst. c; UWG § 5a Abs. 1, § 5b Abs. 1 Nr. 3; EGRL 29/2005
Verfahrensgang
OLG Düsseldorf (Entscheidung vom 07.04.2022; Aktenzeichen I-20 U 116/21) |
LG Mönchengladbach (Entscheidung vom 30.07.2021; Aktenzeichen 8 O 25/20) |
Tenor
I. Das Verfahren wird ausgesetzt.
II. Dem Gerichtshof der Europäischen Union wird zur Auslegung von Art. 7 Abs. 1 und 4 Buchst. c der Richtlinie 2005/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Mai 2005 über unlautere Geschäftspraktiken von Unternehmen gegenüber Verbrauchern im Binnenmarkt und zur Änderung der Richtlinie 84/450/EWG des Rates, der Richtlinien 97/7/EG, 98/27/EG und 2002/65/EG des Europäischen Parlaments und des Rates sowie der Verordnung (EG) Nr. 2006/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates (ABl. L 149 vom 11. Juni 2005, S. 22; Berichtigung ABl. L 253 vom 25. September 2009, S. 18) folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:
Muss die vom Gewerbetreibenden nach Art. 7 Abs. 1 und 4 Buchst. c der Richtlinie 2005/29/EG zu erteilende Information über die Art der Preisberechnung bei einer vom Verbrauch abhängigen Preisgestaltung so beschaffen sein, dass der Verbraucher auf Grundlage der Information selbständig eine Preisberechnung vornehmen kann, wenn er den ihn betreffenden Verbrauch kennt?
Gründe
Rz. 1
A. Der Kläger ist der Dachverband der 16 Verbraucherzentralen.
Rz. 2
Die Beklagte ist ein bundesweit tätiges Energieversorgungsunternehmen, das private Haushalte mit Strom beliefert, darunter auch Kunden, die Heizstrom für eine Nachtstromspeicherheizung beziehen. Während in der Nacht liegender Freigabestunden bietet die Beklagte ihren Strom für diese Kunden zu einem Niedertarif (NT) an. Dieser ist günstiger als der in den sonstigen Stunden geltende Hochtarif (HT). Kunden mit Nachtstromspeicherheizungen nutzen Strom im Niedertarif, um ihre Heizungen aufzuladen.
Rz. 3
Abhängig von den örtlichen Gegebenheiten wird bei diesen Kunden der Verbrauch von Heizstrom und Allgemeinstrom getrennt oder gemeinsam erfasst. Bei gemeinsamer Erfassung kommt ein Doppeltarifzähler zum Einsatz, der über zwei Laufwerke verfügt. Mit einem Laufwerk wird der Stromverbrauch während der Freigabestunden zum Niedertarif, mit dem anderen der Stromverbrauch während der sonstigen Stunden zum Hochtarif erfasst. Allerdings fällt während der Geltung des Niedertarifs neben Heizstrom auch Allgemeinstrom an, der nicht separat erfasst werden kann. Einige Verteilernetzbetreiber geben Stromlieferanten daher eine sogenannte Ausgleichsmenge vor, mit der pauschaliert ein Teil des zum Niedertarif gemessenen Stromverbrauchs nach dem Hochtarif abgerechnet wird. Die Beklagte gibt die von den Netzbetreibern festgelegte Ausgleichsmenge an ihre Kunden weiter. Der örtliche Netzbetreiber am Sitz der Beklagten gibt ihr eine Ausgleichsmenge von 25 % vor.
Rz. 4
Die Beklagte weist in den Ziffern 3.4 und 3.5 ihrer Allgemeinen Geschäftsbedingungen, deren Kenntnisnahme der Kunde im Bestellvorgang durch Anklicken bestätigen muss, darauf hin, dass der örtliche Netzbetreiber die Freigabestunden und die Ausgleichsmenge bestimmt. Sie teilt ferner mit, welche Freigabestunden und welchen Zeitraum für die Geltung des Niedertarifs der örtliche Netzbetreiber an ihrem Sitz festgelegt hat, und benennt die von diesem festgelegte Ausgleichsmenge mit 25 %.
Rz. 5
Auf ihrer Internetseite www..de bietet die Beklagte einen Tarifrechner für ihre Stromtarife an, der auch von Kunden genutzt werden kann, die Heizstrom beziehen und über einen Doppeltarifzähler verfügen. In den Tarifrechner müssen sie ihre Postleitzahl sowie ihre Verbrauchsmengen im Hoch- und Niedertarif eingeben. Die Kunden erhalten am Ende des Vorgangs ein Tarifangebot, das sie annehmen können.
Rz. 6
Der Kläger beanstandet die von der Beklagten mit ihrem Tarifrechner generierten Tarifvorschläge gemäß den nachstehend auszugsweise wiedergegebenen Anlagen K2 und K3. Der ausgewiesene Gesamtpreis sei zu niedrig, weil er die Ausgleichsmenge nicht berücksichtige. Das gelte auch für den Fall, dass der örtliche Netzbetreiber für das in den Tarifrechner eingegebene Postleitzahlengebiet 10969 eine geringere Ausgleichsmenge als 25 % vorgeben sollte.
Auszug aus der Anlage K2 (Teil 1):
Auszug aus der Anlage K2 (Teil 2):
Auszug aus der Anlage K3:
Rz. 7
Der Kläger hat beantragt, die Beklagte unter Androhung näher bezeichneter Ordnungsmittel zu verurteilen, es zu unterlassen,
1. gegenüber Verbrauchern im Rahmen geschäftlicher Handlungen auf der Internetseite www..de in Bezug auf Heizstromlieferverträge mit Preisen für Heizstrom zu werben bzw. werben zu lassen, die bei gemeinsamer Messung von Heiz- und Haushaltsstrom mit einem Doppeltarifzähler nicht die aktuelle Ausgleichsmenge für die beabsichtigte Verbrauchsumlagerung im dargestellten Preisbeispiel berücksichtigen,
und/oder
2. mit einem Angebot für Heizstrom zu werben bzw. werben zu lassen und dabei im gesamten Bestellvorgang den Verbraucher nicht ausdrücklich bei der Abrechnungsweise für Heizstrom auf die konkrete Ausgleichsmenge bei gemeinsamer Messung von Heiz- und Haushaltsstrom mit einem Doppeltarifzähler hinzuweisen bzw. hinweisen zu lassen,
wenn dies geschieht wie in den Anlagen K2 und K3 wiedergegeben.
Rz. 8
Zudem hat er Ersatz seiner Abmahnkosten nebst Zinsen verlangt.
Rz. 9
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat die hiergegen gerichtete Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit seiner vom Senat zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Beklagte beantragt, verfolgt der Kläger seine Klageanträge weiter.
Rz. 10
B. Der Erfolg der Revision hängt mit Blick auf den vom Berufungsgericht abgewiesenen Unterlassungsantrag zu 2 von der Auslegung des Art. 7 Abs. 1 und 4 Buchst. c der Richtlinie 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken von Unternehmen gegenüber Verbrauchern im Binnenmarkt ab. Vor einer Entscheidung über die Revision ist deshalb das Verfahren auszusetzen und gemäß Art. 267 Abs. 1 Buchst. b und Abs. 3 AEUV eine Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union einzuholen.
Rz. 11
I. Das Berufungsgericht hat die Klage für zulässig, aber unbegründet erachtet. Die Abweisung des für das Vorlageverfahren relevanten Unterlassungsantrags zu 2 hat es im Wesentlichen wie folgt begründet:
Rz. 12
Dem Kläger stehe gegen die Beklagte kein Anspruch auf Unterlassung zu, mit einem Angebot für Heizstrom zu werben und dabei im gesamten Bestellvorgang den Verbraucher nicht ausdrücklich bei der Abrechnungsweise für Heizstrom auf die konkrete Ausgleichsmenge bei gemeinsamer Messung von Heiz- und Haushaltsstrom mit einem Doppeltarifzähler hinzuweisen. Ein Teil der Verbraucher gebe die Verbrauchsmengen aus einer früheren Abrechnung, die um die Ausgleichsmenge bereinigt sei, in den Tarifrechner ein; ein anderer Teil könne die Verbrauchsmengen mangels Vorliegens einer früheren Abrechnung ohnehin nur schätzen. Diese Verbraucher würden nicht in die Irre geführt. Gleiches gelte aber auch für die Verbraucher, die ihrer früheren Abrechnung nicht die korrekten Verbrauchsmengen entnähmen. Die Gefahr der Eingabe falscher Verbrauchswerte sei kein Problem der Angabe eines falschen Preises, sondern der Menge. Auch ein Hinweis auf die korrekte konkrete Ausgleichsmenge sei nicht geboten. Abgesehen davon, dass eine solche Angabe der Beklagten nach ihrem unwidersprochen gebliebenen Vortrag nicht möglich sei, reiche es zur Vermeidung einer Täuschung aus, den Verbraucher auf die begrenzte Aussagekraft der eingegebenen Verbrauchsmenge (gegebenenfalls unter Hinweis auf die verbreitete Praxis der Berechnung einer Ausgleichsmenge) allgemein hinzuweisen. Die Klageanträge erfassten eine Unterlassung der Werbung mit einem Angebot für Heizstrom ohne einen solchen allgemeinen Hinweis jedoch nicht.
Rz. 13
II. Die Klage ist zulässig.
Rz. 14
1. Der in die Liste des § 4 UKlaG eingetragene Kläger ist nach § 8 Abs. 3 Nr. 3 UWG klagebefugt.
Rz. 15
2. Die Klageanträge sind hinreichend bestimmt im Sinne des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Der Kläger greift die konkrete Verletzungsform unter verschiedenen Gesichtspunkten an und hat diese zu eigenständigen Streitgegenständen erhoben (vgl. BGH, Urteil vom 13. September 2012 - I ZR 230/11, BGHZ 194, 314 [juris Rn. 24 f.] - Biomineralwasser; Urteil vom 11. Oktober 2017 - I ZR 78/16, GRUR 2018, 431 [juris Rn. 16] = WRP 2018, 413 - Tiegelgröße; Urteil vom 25. Juni 2020 - I ZR 96/16, GRUR 2020, 1226 [juris Rn. 25 und 29 f.] = WRP 2020, 1426 - LTE-Geschwindigkeit; Urteil vom 19. Mai 2022 - I ZR 69/21, GRUR 2022, 1163 [juris Rn. 21] = WRP 2022, 977 - Grundpreisangabe im Internet).
Rz. 16
a) Mit dem für das Vorlageverfahren nicht relevanten Unterlassungsantrag zu 1 wendet sich der Kläger gegen die Werbung der Beklagten mit Preisen für Heizstrom ohne Berücksichtigung der "aktuelle[n] Ausgleichsmenge für die beabsichtigte Verbrauchsumlagerung im dargestellten Preisbeispiel". In der Klagebegründung, die für die Auslegung des Klageantrags heranzuziehen ist (vgl. BGHZ 194, 314 [juris Rn. 27] - Biomineralwasser; BGH, Urteil vom 9. November 2017 - I ZR 134/16, GRUR 2018, 417 [juris Rn. 26] = WRP 2018, 466 - Resistograph), hat der Kläger geltend gemacht, der bei Verwendung des Tarifrechners angezeigte Preis sei unrichtig, weil die Ausgleichsmenge bei der Berechnung nicht berücksichtigt werde. Der Verbraucher erfahre erstmals mit der ersten Jahresabrechnung, dass der tatsächliche Gesamtpreis höher sei. Danach geht es dem Kläger um die unzutreffende Angabe des Preises als Ergebnis der mit dem Tarifrechner vorgenommenen Berechnung. Die Beklagte soll den Tarifrechner nicht wie geschehen zur Verfügung stellen, ohne die Ausgleichsmenge in die Berechnung einzubeziehen, die der Netzbetreiber an der vom Kunden eingegebenen Postleitzahl vorgibt und die Beklagte an ihre Kunden weitergibt.
Rz. 17
b) Mit dem für das Vorlageverfahren relevanten Unterlassungsantrag zu 2 wendet sich der Kläger gegen die Werbung der Beklagten mit einem Angebot für Heizstrom ohne ausdrücklichen Hinweis "bei der Abrechnungsweise für Heizstrom auf die konkrete Ausgleichsmenge". Er hat insoweit in seiner Klageschrift gerügt, der Kunde erfahre die Höhe der "jeweiligen pauschalen Ausgleichsmenge/Verbrauchsumlagerung gemäß der Ziffer 3.5 der AGB der Beklagten […] für sein jeweiliges Netzgebiet" nicht. An keiner Stelle im Bestellvorgang werde ein Hinweis auf die anzuwendende prozentuale Ausgleichsmenge erteilt. Lediglich in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten finde sich ein Hinweis auf den "pauschalen prozentualen Ausgleich zwischen NT und HT mit 25 %". Danach rügt der Kläger, dass die Beklagte den Verbraucher im Rahmen des Bestellvorgangs, der die Nutzung des Tarifrechners einschließt, nicht über den vom Netzbetreiber vorgegebenen und von ihr weitergegebenen Prozentsatz der Ausgleichsmenge für die konkret vom Kunden eingegebene Postleitzahl informiert.
Rz. 18
Wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat, umfasst der Unterlassungsantrag zu 2 nicht die Unterlassung der Werbung mit einem Angebot für Heizstrom ohne einen allgemeinen Hinweis auf eine zu berücksichtigende Ausgleichsmenge, weil der Kläger dies nicht zum Gegenstand seines Klagebegehrens gemacht hat.
Rz. 19
III. Während mit Blick auf den Unterlassungsantrag zu 1 (auch) eine Irreführung nach § 8 Abs. 1, §§ 3, 5 Abs. 1 und 2 UWG in der ab 28. Mai 2022 geltenden Fassung (nachfolgend: nF) in Betracht kommt, liegt der Schwerpunkt des mit dem Unterlassungsantrag zu 2 gerügten Verhaltens auf dem Vorenthalten einer Information gemäß § 8 Abs. 1, §§ 3, 5a, 5b UWG nF. Das Berufungsgericht hat diesen Tatbestand nicht geprüft. Dem Unterlassungsantrag zu 2 ist stattzugeben, wenn die von der Beklagten nach § 5a Abs. 1, § 5b Abs. 1 Nr. 3 UWG nF (Art. 7 Abs. 1 und 4 Buchst. c der Richtlinie 2005/29/EG) zu erteilende Information über die Art der Preisberechnung den für den jeweiligen Kunden geltenden Prozentsatz der Ausgleichsmenge einschließen muss. Dies soll mit der Vorlagefrage geklärt werden.
Rz. 20
1. Der auf Wiederholungsgefahr gestützte Unterlassungsanspruch ist nur begründet, wenn das beanstandete Verhalten sowohl nach dem zum Zeitpunkt seiner Vornahme geltenden Recht wettbewerbswidrig war als auch nach dem zur Zeit der Revisionsentscheidung geltenden Recht wettbewerbswidrig ist (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 26. Januar 2023 - I ZR 27/22, GRUR 2023, 343 [juris Rn. 15] = WRP 2023, 343 - Haftung für Affiliates). Mit Wirkung zum 28. Mai 2022 ist § 5a UWG aF durch die §§ 5a bis 5c UWG nF ersetzt worden (vgl. Art. 1 Nr. 2 und 3 des Gesetzes zur Stärkung des Verbraucherschutzes im Wettbewerbs- und Gewerberecht vom 10. August 2021, BGBl. I S. 3504). Eine für den Streitfall maßgebliche Änderung der Rechtslage folgt daraus nicht. Die Regelung des § 5a Abs. 2 und 5 UWG aF findet sich um den Fall einer Irreführung sonstiger Marktteilnehmer ergänzt und ansonsten inhaltsgleich in § 5a Abs. 1 bis 3 UWG nF. § 5a Abs. 3 UWG aF ist mit einer für den Streitfall nicht relevanten Ergänzung in § 5b Abs. 1 UWG nF übernommen worden. § 2 Abs. 1 Nr. 9 UWG aF stimmt mit § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG nF wörtlich überein.
Rz. 21
2. Nach § 5a Abs. 1 UWG nF handelt unlauter, wer einen Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer irreführt, indem er ihm eine wesentliche Information vorenthält, (Nr. 1) die der Verbraucher oder der sonstige Marktteilnehmer nach den jeweiligen Umständen benötigt, um eine informierte geschäftliche Entscheidung zu treffen, und (Nr. 2) deren Vorenthalten dazu geeignet ist, den Verbraucher oder den sonstigen Marktteilnehmer zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte. Nach § 5a Abs. 3 UWG nF sind bei der Beurteilung, ob wesentliche Informationen vorenthalten wurden, zu berücksichtigen (Nr. 1) räumliche oder zeitliche Beschränkungen durch das für die geschäftliche Handlung gewählte Kommunikationsmittel sowie (Nr. 2) alle Maßnahmen des Unternehmers, um dem Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer die Informationen auf andere Weise als durch das für die geschäftliche Handlung gewählte Kommunikationsmittel zur Verfügung zu stellen. Eine geschäftliche Entscheidung ist nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG nF jedes Verhalten einer Person zugunsten des eigenen oder eines fremden Unternehmens vor, bei oder nach einem Geschäftsabschluss, das mit der Förderung des Absatzes oder des Bezugs von Waren oder Dienstleistungen oder mit dem Abschluss oder der Durchführung eines Vertrags über Waren oder Dienstleistungen objektiv zusammenhängt; als Waren gelten auch Grundstücke, als Dienstleistungen auch Rechte und Verpflichtungen. Mit Blick auf Verbraucher stellen diese Regelungen eine Umsetzung von Art. 7 Abs. 1 bis 3 in Verbindung mit Art. 2 Buchst. k der Richtlinie 2005/29/EG dar (vgl. BGH, Urteil vom 10. November 2022 - I ZR 241/19, GRUR 2022, 1832 [juris Rn. 22] = WRP 2023, 57 - Herstellergarantie IV, mwN; Köhler in Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 41. Aufl., § 5a Rn. 1.10, 1.19, 1.21, 2.29 und 3.2).
Rz. 22
Werden Waren oder Dienstleistungen unter Hinweis auf deren Merkmale und Preis in einer dem verwendeten Kommunikationsmittel angemessenen Weise so angeboten, dass ein durchschnittlicher Verbraucher das Geschäft abschließen kann, so gelten gemäß § 5b Abs. 1 UWG nF die nachfolgend genannten Informationen als wesentlich im Sinne des § 5a Abs. 1 UWG nF, sofern sie sich nicht unmittelbar aus den Umständen ergeben. Diese Vorschrift setzt Art. 7 Abs. 4 in Verbindung mit Art. 2 Buchst. i der Richtlinie 2005/29/EG um. Nach Art. 7 Abs. 4 der Richtlinie 2005/29/EG gelten im Falle der Aufforderung zum Kauf die nachfolgend aufgezählten Informationen als wesentlich, sofern sie sich nicht unmittelbar aus den Umständen ergeben. Eine Aufforderung zum Kauf ist nach Art. 2 Buchst. i der Richtlinie 2005/29/EG jede kommerzielle Kommunikation, die die Merkmale des Produkts und den Preis in einer Weise angibt, die den Mitteln der verwendeten kommerziellen Kommunikation angemessen ist und den Verbraucher dadurch in die Lage versetzt, einen Kauf zu tätigen.
Rz. 23
Als wesentliche Informationen gelten nach § 5b Abs. 1 Nr. 3 UWG nF der Gesamtpreis oder in Fällen, in denen ein solcher Preis auf Grund der Beschaffenheit der Ware oder Dienstleistung nicht im Voraus berechnet werden kann, die Art der Preisberechnung sowie gegebenenfalls alle zusätzlichen Fracht-, Liefer- und Zustellkosten oder in Fällen, in denen diese Kosten nicht im Voraus berechnet werden können, die Tatsache, dass solche zusätzlichen Kosten anfallen können. Diese Vorschrift geht auf Art. 7 Abs. 4 Buchst. c der Richtlinie 2005/29/EG zurück. Danach gelten als wesentliche Informationen der Preis einschließlich aller Steuern und Abgaben oder in den Fällen, in denen der Preis aufgrund der Beschaffenheit des Produkts vernünftigerweise nicht im Voraus berechnet werden kann, die Art der Preisberechnung sowie gegebenenfalls alle zusätzlichen Fracht-, Liefer- oder Zustellkosten oder in den Fällen, in denen diese Kosten vernünftigerweise nicht im Voraus berechnet werden können, die Tatsache, dass solche zusätzlichen Kosten anfallen können.
Rz. 24
3. Die von der Beklagten gegenüber Verbrauchern beworbene Lieferung von Strom wird gemäß § 5b Abs. 1 UWG so angeboten, dass ein durchschnittlicher Verbraucher das Geschäft abschließen kann.
Rz. 25
a) Der deutsche Gesetzgeber hat bei der Umsetzung von Art. 7 Abs. 4 der Richtlinie 2005/29/EG statt des in der Richtlinie verwendeten Begriffs "Aufforderung zum Kauf" die Umschreibung gewählt, dass Waren oder Dienstleistungen so angeboten werden, dass ein Durchschnittsverbraucher in die Lage versetzt wird, das Geschäft abzuschließen (vgl. Begründung zum Regierungsentwurf des Ersten Gesetzes zur Änderung des UWG, BT-Drucks. 16/10145, S. 25). Nach der danach erforderlichen richtlinienkonformen Auslegung des § 5b Abs. 1 UWG reicht es für ein Angebot im Sinne dieser Vorschrift aus, dass eine Aufforderung zum Kauf im Sinne von Art. 7 Abs. 4 der Richtlinie 2005/29/EG vorliegt. Gemäß der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union ist das der Fall, wenn der Verbraucher hinreichend über das beworbene Produkt und dessen Preis informiert ist, um eine geschäftliche Entscheidung treffen zu können, ohne dass die kommerzielle Kommunikation auch eine tatsächliche Möglichkeit bieten muss, das Produkt zu kaufen, oder aber, dass sie im Zusammenhang mit einer solchen Möglichkeit steht (vgl. EuGH, Urteil vom 12. Mai 2011 - C-122/10, GRUR 2011, 930 [juris Rn. 33] = WRP 2012, 189 - Ving Sverige; zu § 5a Abs. 3 UWG aF BGH, Urteil vom 14. September 2017 - I ZR 231/14, GRUR 2017, 1269 [juris Rn. 16] = WRP 2018, 65 - MeinPaket.de II, mwN). Eine geschäftliche Entscheidung umfasst nach Art. 2 Buchst. k der Richtlinie 2005/29/EG (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG nF) jede Entscheidung eines Verbrauchers darüber, ob, wie und unter welchen Bedingungen er einen Kauf tätigen will; dies schließt nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union und des Senats auch damit unmittelbar zusammenhängende Entscheidungen wie insbesondere das Betreten eines Geschäfts (vgl. EuGH, Urteil vom 19. Dezember 2013 - C-281/12, GRUR 2014, 196 = WRP 2014, 161 [juris Rn. 36] - Trento Sviluppo und Centrale Adriatica) und das Aufrufen eines Verkaufsportals im Internet (vgl. BGH, GRUR 2017, 1269 [juris Rn. 19] - MeinPaket.de II) ein.
Rz. 26
b) Die angegriffene Werbung der Beklagten stellt eine Aufforderung zum Kauf und damit ein Angebot im Sinne von § 5b Abs. 1 UWG dar. Der Verbraucher erhält bei der Nutzung des Tarifrechners der Beklagten die wesentlichen Angaben, die er benötigt, um die geschäftliche Entscheidung treffen zu können, einen Stromlieferungsvertrag mit der Beklagten abzuschließen. Die Internetseite der Beklagten ermöglicht dem Verbraucher sogar, auf Grundlage des Ergebnisses der Tarifberechnung unmittelbar einen Stromlieferungsvertrag mit ihr abzuschließen. Da die maßgebliche geschäftliche Entscheidung bereits in der Einleitung des Bestellvorgangs liegt, ist der Hinweis auf die Ausgleichsmenge in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten, die sie dem Verbraucher innerhalb dieses Bestellvorgangs zur Kenntnis bringt, schon aus zeitlichen Gründen nicht geeignet, ihre Informationspflicht zu erfüllen.
Rz. 27
4. Die Beklagte hat im Streitfall daher grundsätzlich bereits mit der Aufforderung zum Kauf eine Information über die Art der Preisberechnung nach Art. 7 Abs. 1 und 4 Buchst. c der Richtlinie 2005/29/EG (§ 5a Abs. 1, § 5b Abs. 1 Nr. 3 UWG nF) zu erteilen.
Rz. 28
a) Der für die Stromlieferung anfallende (Gesamt-)Preis kann aufgrund der Beschaffenheit des Produkts nicht im Voraus berechnet werden, da er von der tatsächlich verbrauchten Strommenge abhängt (zur Verbrauchsabhängigkeit vgl. Dreyer in Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig, UWG, 5. Aufl., § 5a Rn. 162; Großkomm.UWG/Leistner, 3. Aufl., § 5a Rn. 58; Büscher/Büscher, UWG, 2. Aufl., § 5a Rn. 133; MünchKomm.UWG/Alexander, 3. Aufl., § 5a Rn. 380; Obergfell in Fezer/Büscher/Obergfell, UWG, 3. Aufl., § 5a Rn. 151). Die tatsächlich verbrauchte Strommenge kann von der Strommenge abweichen, die der Verbraucher in den Tarifrechner der Beklagten eingibt.
Rz. 29
b) Die danach bestehende Informationspflicht zur Art der Preisberechnung wird nicht von den Informationspflichten auf Grundlage der Richtlinie 98/6/EG über den Schutz der Verbraucher bei der Angabe der Preise der ihnen angebotenen Erzeugnisse verdrängt. Zwar ordnet Art. 3 Abs. 4 der Richtlinie 2005/29/EG einen Vorrang kollidierender Rechtsvorschriften, die besondere Aspekte unlauterer Geschäftspraktiken regeln, für diese besonderen Aspekte an. Allerdings trifft die Richtlinie 98/6/EG keine Regelung für den Fall, dass der Preis aufgrund der Beschaffenheit des Produkts vernünftigerweise nicht im Voraus berechnet werden kann; insbesondere ist die Verpflichtung zur Angabe des Verkaufspreises im Sinne des Endpreises für eine Produkteinheit oder eine bestimmte Erzeugnismenge nach Art. 3 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 2 Buchst. a der Richtlinie 98/6/EG dann nicht einschlägig (vgl. Köhler in Köhler/Bornkamm/Feddersen aaO § 5b Rn. 2.44a; zum Verhältnis der beiden Richtlinien vgl. auch EuGH, Urteil vom 7. Juli 2016 - C-476/14, GRUR 2016, 945 [juris Rn. 44 f.] = WRP 2016, 1096 - Citroën Commerce; BGH, Urteil vom 10. November 2016 - I ZR 29/15, GRUR 2017, 286 [juris Rn. 15] = WRP 2017, 296 - Hörgeräteausstellung; BGH, GRUR 2022, 1163 [juris Rn. 40 und 51 bis 54] - Grundpreisangabe im Internet, mwN).
Rz. 30
5. Im Streitfall stellt sich die nicht zweifelsfrei zu beantwortende Frage, ob die nach Art. 7 Abs. 1 und 4 Buchst. c der Richtlinie 2005/29/EG (§ 5a Abs. 1, § 5b Abs. 1 Nr. 3 UWG nF) zu erteilende Information über die Art der Preisberechnung bei einer vom Verbrauch abhängigen Preisgestaltung so beschaffen sein muss, dass der Kunde auf Grundlage der Information selbständig eine Preisberechnung vornehmen kann, wenn er den ihn betreffenden Verbrauch kennt.
Rz. 31
a) Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union gehören zur Art der Preisberechnung die Einzelheiten der Berechnung des Endpreises und gegebenenfalls die Zusatzkosten oder ein Hinweis darauf, dass zusätzliche Kosten anfallen (vgl. EuGH, GRUR 2011, 930 [juris Rn. 66] - Ving Sverige). Das nationale Gericht hat insoweit zu prüfen, ob die Auslassung der Einzelheiten der Berechnung des Endpreises den Verbraucher nicht daran hindert, eine informierte geschäftliche Entscheidung zu treffen, und ihn folglich nicht zu einer geschäftlichen Entscheidung veranlasst, die er sonst nicht getroffen hätte. Es hat außerdem die Beschränkungen des verwendeten Kommunikationsmediums, die Beschaffenheit und die Merkmale des Produkts sowie die übrigen Maßnahmen zu berücksichtigen, die der Gewerbetreibende tatsächlich getroffen hat, um die Informationen dem Verbraucher zur Verfügung zu stellen (vgl. EuGH, GRUR 2011, 930 [juris Rn. 66 bis 72] - Ving Sverige; EuGH, Urteil vom 26. Oktober 2016 - C-611/14, GRUR 2016, 1307 [juris Rn. 58 und 62 bis 64] = WRP 2017, 31 - Canal Digital Danmark).
Rz. 32
b) Der Verbraucher benötigt die Angabe des konkreten Prozentsatzes der Ausgleichsmenge, um eine informierte Entscheidung zu treffen, und das Vorenthalten dieser Angabe ist geeignet, ihn zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte.
Rz. 33
aa) Nach der Rechtsprechung des Senats stellen die Voraussetzungen des § 5a Abs. 1 Nr. 1 und 2 UWG nF (Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2005/29/EG), dass der Verbraucher die ihm vorenthaltene Information je nach den Umständen benötigt, um eine informierte Entscheidung zu treffen, und deren Vorenthalten geeignet ist, den Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte, zusätzliche Tatbestandsmerkmale dar, die selbständig zu prüfen sind. Jedoch trifft den Unternehmer, der geltend macht, dass - abweichend vom Regelfall - der Verbraucher eine ihm vorenthaltene wesentliche Information für eine Kaufentscheidung nicht benötigt und das Vorenthalten dieser Information den Verbraucher nicht zu einer anderen Kaufentscheidung veranlassen kann, insoweit eine sekundäre Darlegungslast (zu § 5a Abs. 2 UWG aF vgl. BGH, Urteil vom 7. April 2022 - I ZR 143/19, BGHZ 233, 193 [juris Rn. 51] - Knuspermüsli II, mwN).
Rz. 34
bb) Nach den Feststellungen des Landgerichts, auf die das Berufungsgericht nach § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen hat, geben einige Verteilernetzbetreiber den Stromlieferanten eine Ausgleichsmenge vor. Die Höhe des Prozentsatzes der Ausgleichsmenge ist demnach von der Entscheidung des Netzbetreibers abhängig. Zudem ist in der Revisionsinstanz zugunsten des Klägers dessen streitiger Vortrag zugrunde zu legen, nicht alle Stromanbieter gäben die vom Netzbetreiber vorgegebene Ausgleichsmenge an die Kunden weiter. Danach sind die weiteren Voraussetzungen des § 5a Abs. 1 Nr. 1 und 2 UWG im Streitfall erfüllt, weil erst die Höhe des Prozentsatzes der von der Beklagten in die Berechnung des Preises einbezogenen Ausgleichsmenge einen Vergleich des Angebots der Beklagten mit dem anderer Stromanbieter ermöglicht. Das gilt im Übrigen selbst dann, wenn alle Stromanbieter die vom Netzbetreiber vorgegebene Ausgleichsmenge in gleicher Weise an die Kunden weitergeben, weil es zwei konkurrierende Angebote geben kann, von denen eines einen günstigeren Preis im Niedertarif und eines einen günstigeren Preis im Hochtarif aufweist. Es hängt dann (auch) vom Prozentsatz der Ausgleichsmenge ab, welches Angebot für den Verbraucher günstiger ist.
Rz. 35
c) Es ist weder festgestellt noch ersichtlich, dass die Beklagte, die auf ihrer Internetseite unter Einbeziehung eines Tarifrechners wirbt, Beschränkungen wegen des von ihr verwendeten Kommunikationsmediums unterliegt.
Rz. 36
d) Der Streitfall wirft die nicht zweifelsfrei zu beantwortende Frage auf, wie das Merkmal "Art der Preisberechnung" im Sinne von Art. 7 Abs. 1 und 4 Buchst. c der Richtlinie 2005/29/EG (§ 5a Abs. 1, § 5b Abs. 1 Nr. 3 UWG nF) auszulegen ist. Mit der Vorlagefrage soll geklärt werden, ob die vom Gewerbetreibenden zu erteilende Information über die Art der Preisberechnung bei einer vom Verbrauch abhängigen Preisgestaltung so beschaffen sein muss, dass der Kunde auf Grundlage der Information selbständig eine Preisberechnung vornehmen kann, wenn er den ihn betreffenden Verbrauch kennt.
Rz. 37
aa) Der Wortlaut "Art der Preisberechnung" lässt eine Auslegung dahingehend zu, dass es ausreicht, wenn der Gewerbetreibende lediglich allgemein über die für die Preisberechnung relevanten Bestandteile und die Einzelheiten der Berechnung des Preises (zu diesem Begriff vgl. EuGH, GRUR 2011, 930 [juris Rn. 65] - Ving Sverige) informiert. Soweit der Gerichtshof der Europäischen Union entschieden hat, dass sich die Informationspflicht über die Art der Preisberechnung auch auf Einzelheiten der Berechnung des Endpreises bezieht (vgl. EuGH, GRUR 2011, 930 [juris Rn. 65] - Ving Sverige), steht dies einer solchen Auslegung ebenfalls nicht von vornherein entgegen.
Rz. 38
bb) Der Zweck der Richtlinie 2005/29/EG, ein hohes Verbraucherschutzniveau zu gewährleisten (vgl. Erwägungsgründe 5 und 6 sowie Art. 1 der Richtlinie 2005/29/EG; EuGH, GRUR 2016, 1307 [juris Rn. 25 f. und 62] - Canal Digital Danmark), könnte aber dafür sprechen, dass die Information den Verbraucher in die Lage versetzen muss, den Preis zu ermitteln (vgl. BeckOK.UWG/Ritlewski, 20. Edition [Stand 1. April 2023], § 5b Rn. 47). Allerdings lässt sich der Richtlinie 2005/29/EG keine weitere Konkretisierung des Begriffs "Art der Preisberechnung" entnehmen. Dies gilt auch für Art. 6 Abs. 1 Buchst. d der Richtlinie 2005/29/EG sowie für Art. 5 Abs. 1 Buchst. c, Art. 6 Abs. 1 Buchst. e und Art. 7 Abs. 4 Unterabsatz 1 Buchst. a der Richtlinie 2011/83/EU über die Rechte der Verbraucher, in denen dieser Begriff ebenfalls Verwendung findet. Die ähnlichen Begriffe in Art. 22 Abs. 3 Buchst. a der Richtlinie 2006/123/EG über Dienstleistungen im Binnenmarkt und Art. 3 Buchst. b der Richtlinie 2006/114/EG über irreführende vergleichende Werbung sind ebenfalls nicht näher definiert.
Rz. 39
cc) Auch der Regelungszusammenhang des Art. 7 Abs. 4 Buchst. c der Richtlinie 2005/29/EG könnte gegen die Annahme sprechen, dass ein allgemeiner Hinweis auf eine zu berücksichtigende Ausgleichsmenge ausreicht. Für zusätzliche Fracht-, Liefer- oder Zustellkosten, die vernünftigerweise nicht im Voraus berechnet werden können, reicht danach die Angabe der Tatsache aus, dass solche zusätzlichen Kosten anfallen können. Dieser Teil der Regelung bezieht sich aber nicht auf die Information zur Art der Preisberechnung (vgl. Schlussanträge des Generalanwalts in der Rechtssache C-476/14 vom 16. Dezember 2015, BeckRS 2015, 82065 Rn. 73). Dies könnte darauf hindeuten, dass insoweit weitergehende Informationen erforderlich sind. Im Streitfall stehen nicht zusätzliche Kosten, sondern die Einzelheiten der Berechnung des Endpreises in Rede.
Rz. 40
5. Die Vorlagefrage ist entscheidungserheblich.
Rz. 41
a) Wäre die Angabe des Prozentsatzes der Ausgleichsmenge als wesentliche Information im Sinne des Art. 7 Abs. 1 und 4 Buchst. c der Richtlinie 2005/29/EG (§ 5a Abs. 1, § 5b Abs. 1 Nr. 3 UWG nF) anzusehen, müsste im Revisionsverfahren zugunsten des Klägers unterstellt werden, dass die Beklagte sie dem Verbraucher vorenthalten hat.
Rz. 42
aa) Der Senat hat bereits entschieden, dass das Vorenthalten einer Information voraussetzt, dass die Information zum Geschäfts- und Verantwortungsbereich des Unternehmers gehört oder dieser sie sich mit zumutbarem Aufwand beschaffen kann (zu § 5a Abs. 2 Satz 1 UWG aF vgl. BGH, Urteil vom 21. Juli 2016 - I ZR 26/15, GRUR 2016, 1076 [juris Rn. 27] = WRP 2016, 1221 - LGA tested; Urteil vom 2. März 2017 - I ZR 41/16, GRUR 2017, 922 [juris Rn. 27] = WRP 2017, 1081 - Komplettküchen; Urteil vom 5. Oktober 2017 - I ZR 232/16, GRUR 2018, 438 [juris Rn. 32] = WRP 2018, 420 - Energieausweis). Dies trägt dem Umstand Rechnung, dass Informationspflichten die unternehmerische Freiheit (Art. 16 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union) beschränken und daher verhältnismäßig sein müssen. Zwar trifft die Richtlinie 2005/29/EG in ihrem Art. 7 Abs. 3 allein Regelungen zu räumlichen und zeitlichen Beschränkungen des vom Gewerbetreibenden verwendeten Kommunikationsmediums, nicht aber zur Verfügbarkeit oder Beschaffung der Information. Bliebe dieser Aspekt jedoch gänzlich unberücksichtigt, müsste der Gewerbetreibende in solchen Fällen auf eine solche Werbung in Form einer Aufforderung zum Kauf verzichten und auf andere Formen der Werbung zurückgreifen.
Rz. 43
bb) Ungeachtet der Frage, ob die Information über den Prozentsatz der Ausgleichsmenge zum Geschäfts- und Verantwortungsbereich der Beklagten gehört, hat das Berufungsgericht im Streitfall jedenfalls nicht festgestellt, dass es der Beklagten unmöglich wäre, sich die Information zu beschaffen. Es hat im Berufungsurteil zwar ausgeführt, der Beklagten sei es nicht möglich, eine konkrete Ausgleichsmenge anzugeben. Die Beklagte hat in ihrer Revisionserwiderung insoweit auf ihren vorinstanzlichen Vortrag verwiesen, die - zum Stand 2020 - 874 Verteilernetzbetreiber veröffentlichten den für ihr jeweiliges Netzgebiet geltenden Prozentsatz der Ausgleichsmenge nur selten; sie erfahre diesen Prozentsatz erst mit der Bestätigung der Anmeldung der Lieferstelle durch den örtlichen Verteilnetzbetreiber. Es fehlt allerdings an Feststellungen des Berufungsgerichts dazu, welchen Aufwand es für die Beklagte verursacht, die Prozentsätze der Ausgleichsmenge in einer Datenbank zusammenzuführen, soweit sie ihr bereits bekannt sind, und ihr noch nicht bekannte Prozentsätze durch Nachfrage bei den betreffenden Verteilernetzbetreibern zu ergänzen sowie die Informationen aktuell zu halten.
Rz. 44
b) Die weiteren Voraussetzungen für einen Verletzungsunterlassungsanspruch nach § 8 Abs. 1 Satz 1 UWG liegen vor.
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Wille |
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Fundstellen
Dokument-Index HI15806273 |