Leitsatz
Ein Sondernutzungsrecht kann nur durch Vereinbarung, nicht auch durch bestandskräftig gewordenen Mehrheitsbeschluss begründet werden. Der Wohnungseigentümerversammlung fehlt hierzu die absolute Beschlusskompetenz.
Durch Beschlussfassung können nur solche Angelegenheiten geordnet werden, über die nach dem Wohnungseigentumsgesetz oder nach einer Vereinbarung die Wohnungseigentümer durch Beschluss entscheiden dürfen, anderenfalls bedarf es einer Vereinbarung. Ein trotz absoluter Beschlussunzuständigkeit gefasster Beschluss ist nichtig.
Fakten:
Mit dieser Entscheidung hat sich der BGH aufgrund entsprechender Vorlage der Auffassung u.a. des Kammergerichts Berlin angeschlossen, wonach durch einen nicht angefochtenen und somit bestandskräftig gewordenen Mehrheitsbeschluss ein Sondernutzungsrecht an Gemeinschaftsflächen nicht begründet werden kann. Der u.a. vom OLG Düsseldorf vertretenen gegenteiligen Ansicht ist demnach eine Absage erteilt worden. Eine derartige "Ersatzvereinbarung" ist also nichtig.
Nach dem Grundsatz: "Was zu vereinbaren ist, kann nicht beschlossen werden, solange nicht vereinbart ist, dass dieses auch beschlossen werden darf", fehlt der Wohnungseigentümerversammlung von vornherein die erforderliche Beschlusskompetenz, derartige Sachverhalte in Form eines Mehrheitsbeschlusses zu regeln. Der Bundesgerichtshof hat hier aus Gründen des Vertrauensschutzes und der Publizität des Grundbuchs die Mehrheitsmacht der Eigentümerversammlung eingeschränkt bzw. auf ganz bestimmte Angelegenheiten beschränkt, sodass jeder Wohnungseigentümer und ggf. auch dessen Rechtsnachfolger darauf vertrauen können, dass ihr Eigentum mehrheitsfest ist.
Mit seiner Entscheidung möchte der 5. Zivilsenat einerseits dem seiner Auffassung nach mit zum Teil fatalen Folgen ausufernden Gebrauch der durch den 7. Senat im Jahr 1970 eröffneten Möglichkeit, bestehende Vereinbarungen durch Mehrheitsbeschluss abzuändern, eine Ende bereiten. Zum anderen soll dem Willen des Gesetzgebers Folge geleistet werden, nach dem in den Bestimmungen des Wohnungseigentumsgesetzes bewusst zwischen Angelegenheiten unterschieden wird, die die Wohnungseigentümer durch (Mehrheits-)Beschluss regeln können und solchen, die durch Vereinbarung getroffen werden müssen. Selbstverständlich ist in diesem Zusammenhang unerheblich, dass die Bestimmung des § 10 Abs. 1 Satz 2 WEG abdingbar ist.
Entscheidend ist nämlich, dass dies nur im Wege der Vereinbarung möglich ist. Nach § 23 Abs. 1 WEG jedenfalls können durch Beschlussfassung nur solche Angelegenheiten geregelt werden, über die die Wohnungseigentümer nach dem WEG oder einer Vereinbarung durch Beschluss entscheiden können. Die Mehrheitsherrschaft ist nach dem Willen des Gesetzgebers jedoch die Ausnahme und wird nur dort zugelassen, wo es um das der Gemeinschaftsordnung nachrangige Verhältnis der Wohnungseigentümer untereinander geht - also die Ausgestaltung des ordnungsgemäßen Gebrauchs und die ordnungsgemäße Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums nach §§ 15 Abs. 2, 21 Abs. 1 und 3 WEG.
Link zur Entscheidung
BGH, Beschluss vom 20.09.2000, V ZB 58/99
Fazit:
Diese Entscheidung hat über das Sondernutzungsrechts hinaus weitgehende Bedeutung. Zu nennen sind hier insbesondere die änderung des gesetzlichen bzw. vereinbarten Kostenverteilungsschlüssels oder die Aufhebung der Zustimmungsverpflichtung des Verwalters oder der Eigentümergemeinschaft zur Vermietung bzw. Veräußerung nach § 12 WEG durch Mehrheitsbeschluss. Konsequenz dieser Entscheidung ist jedenfalls, dass entsprechende Mehrheitsbeschlüsse nichtig sind. Wie diese Entscheidung demnach in ihren Konsequenzen für die Praxis umzusetzen ist, muss nach den Grundsätzen der unechten Rückwirkung danach beurteilt werden, ob es sich um Sachverhalte handelt, die in der Vergangenheit liegen und abgeschlossen sind oder aber in der Vergangenheit ihren Ursprung haben, aber noch nicht abgeschlossen sind.
Wurde beispielsweise ein Beschluss über den Kostenverteilungsschlüssel getroffen, so handelt es sich so lange um einen noch nicht abgeschlossenen Sachverhalt, als nicht Beschlüsse über konkrete Abrechnungen getroffen wurden. Im letzteren Fall bleiben die Beschlüsse wirksam, ansonsten wird dahingehend zu unterscheiden sein, ob und inwieweit im Vertrauen auf die bisherige BGH-Rechtsprechung rechtlich schützenswerte Positionen entstanden sind, deren Beseitigung zu unzumutbaren Härten führen würde, so dass die Folgen dieser Entscheidung im Einzelfall unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben ausnahmsweise nur für die Zukunft gelten. Zu beachten ist aber, dass angesichts der uneinheitlichen obergerichtlichen Rechtsprechung hinsichtlich der Einräumung von Sondernutzungsrechten, ein entsprechender Vertrauenstatbestand nicht gegeben ist.