Leitsatz
In Abkehr von seiner bisherigen Rechtsprechung hält es der BGH nun grundsätzlich für möglich, Streitigkeiten über Beschlussmängel bei Einhaltung bestimmter Mindestvoraussetzungen an die Schiedsklausel durch ein Schiedsgericht klären zu lassen.
In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Fall hatte die Gesellschafterversammlung einer GmbH beschlossen, den Geschäftsanteil eines Gesellschafters aus wichtigem Grund wegen tief greifender, seit Jahren anhaltender Differenzen einzuziehen und den Gesellschafter damit aus der Gesellschaft auszuschließen. Der Gesellschafter erhob daraufhin Anfechtungs- bzw. Nichtigkeitsklage gegen den Beschluss vor dem staatlichen Gericht. Da in dem Gesellschaftsvertrag vorgesehen war, dass Beschlussmängelstreitigkeiten im Wege eines Schiedsverfahrens zu klären sind, berief sich die Gesellschaft auf die Unzuständigkeit des vom klagenden Gesellschafter angerufenen Gerichts (sog. Einrede der Schiedsvereinbarung, § 1032 ZPO).
In einem Grundsatzurteil aus dem Jahr 1996 (BGH, NJW 1996, 1753 ff.) hatte der BGH die Schiedsfähigkeit von sog. Beschlussmängelstreitigkeiten (Anfechtungs- und Nichtigkeitsklagen gegen Gesellschafterbeschlüsse) noch abgelehnt, solange der Gesetzgeber die Ausgestaltung und Wirkung des Schiedsverfahrens nicht in zentralen Punkten dem staatlichen Gerichtsverfahren gleichstellt.
Der Gesetzgeber sah sich indessen nicht zur Klärung der Schiedsfähigkeit von Beschlussmängelstreitigkeiten berufen: Anlässlich der 1998 in Kraft getretenen Reform des Schiedsverfahrensrechts verwarf er ausdrücklich eine gesetzliche Regelung und verwies die Frage wieder an die Rechtsprechung zurück.
Der BGH nahm den ihm zurückgespielten Ball nun schließlich auf und formulierte folgende Mindestanforderungen an eine Schiedsklausel, damit auch Beschlussmängelstreitigkeiten vor dem Schiedsgericht verhandelt und entschieden werden können:
- • Aufnahme der Schiedsklausel in die Satzung mit Zustimmung aller Gesellschafter; alternativ soll auch eine außerhalb der Satzung unter Mitwirkung sämtlicher Gesellschafter und der Gesellschaft getroffene Absprache möglich sein.
- • Information jedes Gesellschafters über die Einleitung und den Verlauf des Schiedsverfahrens (um jedem Gesellschafter die Möglichkeit offenzuhalten, sich zumindest als Nebenintervenient am Verfahren zu beteiligen).
- • Mitwirkung aller Gesellschafter an der Auswahl und Bestellung der Schiedsrichter oder deren Auswahl durch eine neutrale Stelle.
- • Sicherstellung, dass alle denselben Streitgegenstand betreffenden Streitigkeiten bei einem Schiedsgericht konzentriert werden.
Hinweis
Die Aufnahme einer Schiedsklausel in die Satzung, die auch Beschlussmängelstreitigkeiten umfasst, ist durchaus eine überlegenswerte Alternative. Im Gegensatz zu den üblichen Anfechtungs- und Nichtigkeitsklagen vor den staatlichen Gerichten wird so eine öffentliche Verhandlung und damit unerwünschte Publizität von Gesellschafterstreitigkeiten vermieden. Auch ist ein Schiedsverfahren häufig stärker auf die einvernehmliche Beilegung des Streits ausgerichtet. Ob die häufig genannten weiteren Vorteile des Schiedsgerichts gegenüber staatlichen Gerichten - insbesondere Kostenersparnis und Zeitgewinn - tatsächlich eintreten, ist hingegen zweifelhaft und von verschiedenen Faktoren (Schiedsordnung, Anzahl der Schiedsrichter etc.) abhängig. Gut überlegt sein sollte auch, ob man tatsächlich eine endgültige und unangreifbare Entscheidung eines einzigen Gerichts akzeptieren mag - weitere Instanzen sind in den Schiedsordnungen nämlich regelmäßig nicht vorgesehen.
Der BGH hat - vorbehaltlich detaillierterer Vorgaben im bisher noch unveröffentlichten Urteil -abstrakte und generalisierende Mindestvoraussetzungen aufgeführt. Bis zur Herausarbeitung konkreterer Vorgaben durch die Rechtsprechung und einer allgemein akzeptierten Standard-Schiedsvereinbarung ist daher große Sorgfalt bei der Formulierung der Schiedsklausel geboten. Grundsätzlich wird es ratsam sein, sich weitgehend an den Verfahrensregelungen eines staatlichen Gerichtsverfahrens bei Anfechtungs- und Nichtigkeitsklagen (etwa §§ 246, 248 und 249 AktG) zu orientieren. Die bisher verwendeten pauschalen Schiedsklauseln werden auch weiterhin die Beschlussmängelstreitigkeiten nicht erfassen und sollten - soweit gewünscht -an die Vorgaben der Rechtsprechung angepasst werden.
Link zur Entscheidung
BGH, Urteil vom 06.04.2009, II ZR 255/08