Dr. iur. Sabine Riegger, Dr. iur. Barbara Mayer
Leitsatz
Gegenstand der am 15.01.2007 ergangenen Entscheidung waren mehrheitlich gefasste Gesellschafterbeschlüsse auf Feststellung des Jahresabschlusses und zur Gewinnverwendung einer GmbH & Co. KG. Der Kläger, ein Minderheitsgesellschafter der GmbH & Co. KG, hatte gegen die Wirksamkeit dieser Beschlüsse u.a. vorgebracht, dass die Feststellung des Jahresabschlusses als Grundlagengeschäft nur einstimmig erfolgen dürfe, da der Gesellschaftsvertrag keine tragfähige, ausdrückliche Grundlage für eine Mehrheitsentscheidung enthalte.
Hinweis
Gemäß §§ 119, 161 Abs. 2 HGB, § 709 BGB erfolgt die Beschlussfassung in Personengesellschaften grundsätzlich einstimmig. Nur dann, wenn der Gesellschaftsvertrag hiervon abweichend ausdrücklich die Beschlussfassung durch die Mehrheit der Gesellschafter vorsieht (Mehrheitsklausel), entfällt das Einstimmigkeitsprinzip. Die formalen Anforderungen an die Wirksamkeit einer solchen Mehrheitsklausel werden durch den sogenannten Bestimmtheitsgrundsatz festgelegt. Nach der früheren Rechtsprechung zum Bestimmtheitsgrundsatz konnten Änderungen des Gesellschaftsvertrags und sonstige Grundlagengeschäfte nur dann mehrheitlich beschlossen werden, wenn der Gegenstand der zu beschließenden Vertragsänderung eindeutig aus dem Gesellschaftsvertrag ersichtlich war. Hierzu stellt der BGH nun klar, dass dem Bestimmtheitsgrundsatz auch dann genügt wird, wenn sich Grund und Tragweite der Legitimation für Mehrheitsentscheidungen durch Auslegung des Gesellschaftsvertrags ermitteln lassen. Eine Auflistung sämtlicher Beschlussgegenstände in der Mehrheitsklausel ist nach Auffassung des BGH nicht erforderlich. Allerdings betont der BGH, dass auch diejenigen Mehrheitsbeschlüsse, die auf der Grundlage einer formal wirksamen Mehrheitsklausel gefasst werden, einer materiellen Prüfung unterzogen werden können. Denn die Mehrheitsherrschaft in Personengesellschaften findet ihre Grenzen in den subjektiven Rechten der Gesellschafter. Mehrheitsbeschlüsse können deshalb - auch bei formal wirksamer Mehrheitsklausel - z.B. wegen der Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes oder der gesellschafterlichen Treupflicht oder wegen des Eingriffs in ein unentziehbares subjektives Recht eines Gesellschafters (Kernbereichslehre) unwirksam sein. Dabei liegt die Beweislast hinsichtlich der materiellen Unwirksamkeit des Mehrheitsbeschlusses bei der die Unwirksamkeit reklamierenden Minderheit.
Unter Aufgabe seiner bisherigen Rechtsprechung stellte der BGH fest, dass die Beschlussfassung über die Feststellung des Jahresabschlusses als eine den Gesellschaftern obliegende Angelegenheit der laufenden Verwaltung in aller Regel von der allgemeinen Mehrheitsklausel im Gesellschaftsvertrag gedeckt ist. Eine gesellschaftsvertragliche Festlegung von Ansatz- und Bewertungsmaßstäben als Grundlage dieser Mehrheitsentscheidung ist nicht erforderlich. Denn alle möglichen Ansatz- und Bewertungsmaßstäbe können sich je nach Sachlage zu Gunsten oder zu Lasten der Gesellschaft und der Gesellschafter auswirken; ihre vertragliche Festlegung verhinderte damit eine flexible Handhabung im Interesse von Gesellschaftern und Gesellschaft. Offen ließ der BGH, ob eine allgemeine Mehrheitsklausel auch die Beschlussfassung über eine vorweggenommene Ergebnisverwendung (Bildung offener Rücklagen) trägt. Insoweit ist also weiterhin zu einer sorgfältigen gesellschaftsvertraglichen Formulierung der Mehrheitsklausel zu raten.
Link zur Entscheidung
BGH, Urteil vom 15.01.2007, II ZR 245/05