Leitsatz
Der Kreis der bei den Zivilsenaten des BGH zugelassenen Anwälte ist klein. Das kann, trotz grundgesetzlich geschützter Berufsfreiheit, auch so bleiben und ist rechtens, ja sogar vorbildlich, entschied jetzt erstmalig das BVerfG.
Sachverhalt
Der BGH ist der Exot unter den obersten Bundesgerichten. Er verfügt über eine spezielle Anwaltschaft: Vor den Zivilsenaten des BGH dürfen nur solche Rechtsanwälte erscheinen, die auch beim BGH zugelassen sind. Diese Zulassung ist jedoch selbst für hochqualifizierte, sehr erfahrene Anwälte eine schier unüberwindliche Hürde:
- Zunächst muss ein Anwalt es in die Vorschlagslisten der Bundesrechtsanwaltskammer und der Rechtsanwaltskammer beim BGH schaffen.
- Der Wahlausschuss für Rechtsanwälte beim BGH entscheidet darüber, wie viele neue Rechtsanwälte beim BGH gebraucht werden.
- In geheimer Wahl stimmt er dann über die Kandidaten aus der Liste ab.
- Aus dieser Wahl ergibt sich eine neue Bewerberliste mit Platzierungen, die doppelt so viele Bewerber enthält, wie benötigt werden.
- Das Bundesministerium der Justiz (BMJ) trifft dann seinerseits aus den vorgeschlagenen Anwälten seine Wahl.
Geregelt ist das hochformelle Verfahren in der Bundesrechtsanwaltsordnung (§§ 164 ff. BRAO).
Ein Fachanwalt für Verwaltungsrecht war zwar in die Vorschlagsliste des Ausschusses aufgenommen worden. Im Wahlausschuss erzielte er jedoch zu wenig Stimmen, sodass er es nicht auf die Kandidatenliste für das BMJ schaffte. Mit einer Verfassungsbeschwerde griff er das Wahlverfahren der BRAO an – und scheiterte auch dort. Das BVerfG hatte an den strengen Vorschriften zur Wahl nichts auszusetzen und befand sie für verfassungsgemäß. Zwar greife die erschwerte Zulassung als BGH-Anwalt in die Berufsausübungsfreiheit ein, sie sei aber ausreichend bestimmt geregelt und durch hinreichende Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt. Dieses Ziel wird vom BVerfG in der Förderung und Weiterentwicklung der höchstrichterlichen Rechtsprechung in Zivilsachen gesehen.
Die Regelungen ermöglichen, dass die wenigen Revisionsanwälte mit ihrer Materie bestens vertraut seien und damit einen wichtigen Beitrag zur Fortentwicklung der BGH-Rechtsprechung leisten könnten. Auch sind die Zulassungsbeschränkung und die Auswahl nach Sicht des BVerfG verhältnismäßig. Aus der Tatsache, dass es bei anderen Senaten des BGH keine spezielle Anwaltschaft gebe, könne nicht gefolgert werden, dass sie bei den Zivilsenaten ohne Gemeinwohlschaden verzichtbar sei. Dabei stützt sich das BVerfG auf eine Studie des BMJ. Sie kam 1998 zum Ergebnis, dass eine spezielle Anwaltschaft auch bei den übrigen obersten Bundesgerichten wünschenswert wäre, weil die Qualität der Prozessvertretung dort verbesserungswürdig erscheine.
Link zur Entscheidung
BVerfG, Beschluss v. 27.2.2008, 1 BvR 1295/07.