Entscheidungsstichwort (Thema)

Werkvertragsrecht: Keine isolierte Teilbezugnahme auf die Gewährleistung der VOB/B im einzelnen Bau- oder Bauträgervertrag

 

Leitsatz (amtlich)

Auch die in einemeinzelnen Bau- oder Bauträgervertrag enthaltene „isolierte” Vereinbarung der Gewährleistungsregelung der Verdingungsordnung für Bauleistungen Teil B ist unwirksam, wenn sie auf eine vom Unternehmer/Auftragnehmer/Bauträger gestellte Vertragsbedingung zurückgeht (Ergänzung zu BGHZ 96, 129; BGH NJW 1986, 713; 1987, 837 zum Abdruck in BGHZ bestimmt).

 

Normenkette

AGBG § 11 Nr. 10 Buchst. f., § 23; BGB § 638; VOB/B § 13

 

Verfahrensgang

OLG Frankfurt am Main (Urteil vom 06.03.1996; Aktenzeichen 3 U 201/84)

LG Wiesbaden (Urteil vom 07.08.1994; Aktenzeichen 3 O 85/84)

 

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 3. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 06. März 1986 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Klage gegen die Beklagten zu 4 und 5 in Höhe von 100.000,– DM nebst Zinsen abgewiesen worden ist.

Auf die Berufungen des Klägers sowie der Beklagten zu 4 und 5 wird – unter Zurückweisung der weitergehenden Rechtsmittel – das Grund- und Teilurteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Wiesbaden vom 7. August 1984 teilweise abgeändert und neu gefaßt wie folgt:

Die Klage ist gegenüber den Beklagten zu 4 und 5 dem Grunde nach bis zu einem Betrag von 100.000,– DM nebst Zinsen (positives Interesse) gerechtfertigt.

Die Klage gegen die Beklagten zu 2 und 3 und die weitergehende Klage gegen die Beklagten zu 4 und 5 wird abgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits haben zu tragen:

  • der Kläger

    • die außergerichtlichen Auslagen der Beklagten zu 2 und 3 in den beiden ersten Rechtszügen,
    • 9/10 der Gerichtskosten, 9/10 seiner eigenen und 2/3 der Auslagen der Beklagten zu 4 und 5 im Berufungsverfahren
    • sowie 2/3 der bisherigen Gerichtskosten und 2/3 seiner bisherigen eigenen Auslagen im Revisionsverfahren;
  • die Beklagten zu 4 und 5

    • 1/10 der Gerichtskosten, 1/10 der Auslagen des Klägers und 1/3 ihrer eigenen Auslagen im Berufungsverfahren
    • sowie 1/3 der bisherigen Gerichtskosten, 1/3 der bisherigen Auslagen des Klägers und ihre gesamten bisherigen eigenen Auslagen im Revisionsverfahren;
  • die Entscheidung über die restlichen Kosten des ersten Rechtszuges – mit Ausnahme der Auslagen der Beklagten zu 1 – bleibt dem Schlußurteil des Landgerichts vorbehalten.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Entscheidung über die Revision, soweit diese gegen die Beklagte zu 1 gerichtet ist, bleibt – nebst sich darauf beziehender Kosten – dem Schlußurteil des Senats vorbehalten.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Gemäß notariellem Vertrag vom 18. März 1981 erwarben der Kläger und seine Ehefrau von der Beklagten zu 1 ein „Grundstück einschließlich Einfamilienhaus mit einkommensteuerrechtlich relevanter Einliegerwohnung sowie Doppelgarage”. Nach § 10 des Vertrages richtet sich die Gewährleistung „nach den Bestimmungen der VOB/B” und nachfolgenden Vertragsbedingungen, die u. a. die bloß subsidiäre Haftung der Beklagten zu 1 vorsehen. Das Haus, das bei Vertragsschluß im Rohbau annähernd fertig war, wurde am 15. April 1981 abgenommen, nachdem mit Bauschein vom 24. März 1981 die Genehmigung für den Einbau von Wänden und Installationen im Kellergeschoß (Einliegerwohnung) erteilt worden war. Unter dem 5. Mai 1981 bescheinigte das Bauamt die Besichtigung des Hauses mit Einliegerwohnung ohne Beanstandung. Als der Kläger später die Einliegerwohnung steuerlich geltend machte, wurde auf Veranlassung des Finanzamtes vom Bauamt am 14. März 1983 festgestellt, daß die lichte Höhe der Kellerräume zu gering war. Daher lehnte das Finanzamt mit Schreiben vom 19. Mai 1983 die Artfortschreibung vom Einfamilienhaus in ein Zweifamilienhaus ab. Auch ein Antrag des Klägers auf Ausnahmegenehmigung hatte keinen Erfolg.

Der Kläger, der sich von den Beklagten arglistig getäuscht fühlt, hat Ende Dezember 1983 323.635,34 DM Schadensersatz nebst Zinsen gegen die Beklagte zu 1 als Bauträgerin, die Beklagten zu 2 und 3 als Architekten und die Beklagten zu 4 und 5 als persönlich haftende Gesellschafterinnen der Beklagten zu 1 eingeklagt. Die Beklagten haben die Einrede der Verjährung erhoben und den Vorwurf arglistiger Täuschung zurückgewiesen. Außerdem haben die Beklagten zu 2 und 3 bestritten, überhaupt an dem Vertrag beteiligt zu sein.

Das Landgericht hat durch Grund- und Teilurteil die Klage gegen den Beklagten zu 3 insgesamt und gegen die anderen Beklagten in Höhe von 61.748,– DM (angeblicher Steuernachteil) abgewiesen. Im übrigen hat es die Klage gegen die Beklagten zu 1, 2, 4 und 5 dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt. Diese sowie der Kläger haben Berufung eingelegt. Während des zweiten Rechtszuges haben der Kläger und seine Ehefrau das Haus weiterveräußert. Der Kläger, an den die Ansprüche seiner Ehefrau abgetreten worden sind, hat daraufhin die Klagesumme in erster Linie als Ersatz des positiven Interesses, hilfsweise des negativen Interesses verlangt.

Das Oberlandesgericht hat die Klage wegen Verjährung ganz abgewiesen. Mit der Revision hat der Kläger das Berufungsurteil zunächst in vollem Umfang angefochten, das Rechtsmittel später aber auf 100.000,– DM nebst Zinsen (positives Interesse) beschränkt. Durch Beschluß vom 4. Dezember 1986 hat der Senat die Revision im Kostenpunkt und nur insoweit angenommen, als sie sich gegen die Beklagten zu 1, 4 und 5 richtet. In diesem Umfang verfolgt der Kläger das Rechtsmittel weiter.

Am 14. August 1986 ist über das Vermögen der Beklagten zu 1 das Konkursverfahren eröffnet worden. Im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat waren die Beklagten zu 4 und 5 trotz ordnungsgemäßer Ladung nicht vertreten. Der Kläger beantragt deshalb, gegen sie Teil-Versäumnisurteil zu erlassen.

 

Entscheidungsgründe

Da das Verfahren gegen die Beklagte zu 1 gemäß § 240 ZPO unterbrochen ist, kann allein gegenüber den Beklagten zu 4 und 5 entschieden werden, und auch das lediglich durch Versäumnisurteil.

Das Berufungsgericht läßt offen, ob hier Kauf- oder Werkvertrags recht anzuwenden sei. Auch im letzteren Fall sei die Gewährleistungsfrist nach § 13 Nr. 4 VOB/B am 15. April 1983 abgelaufen, also weit vor Klageerhebung. Dem Haus habe zwar eine zugesicherte Eigenschaft gefehlt, jedoch könne nicht festgestellt werden, daß dieser Mangel den Erwerbern arglistig verschwiegen worden sei. Der Schadensersatzanspruch sei daher verjährt.

Dagegen wendet sich die Revision des Klägers mit Erfolg.

1. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs richten sich Ansprüche des Erwerbers wegen Sachmängeln an neuerrichteten Häusern oder Eigentumswohnungen grundsätzlich nach Werkvertragsrecht, mag auch das Bauwerk bei Vertragsschluß bereits fertiggestellt sein (BGHZ 74, 204, 206; 74, 258, 268 f; 87, 112, 117; 92, 123, 126; NJW 1981, 2344, 2345; 1982, 2243; 1985, 1551; zuletzt Urteil vom 20. Februar 1986 – VII ZR 318/94 = BauR 1986, 345, jeweils m.w.N.). Dabei ist es ohne Bedeutung, daß die Parteien den Vertrag als Kaufvertrag und sich selbst als Käufer und Verkäufer bezeichnen (BGHZ 74, 204, 207; 74, 258, 269; 87, 112, 117, jeweils m.w.N.). Da es sich hier um einen Sachmangel (unzureichende Raumhöhe für eine Kellerwohnung) handelt, ist auf die Gewährleistung nach dem Erwerbsvertrag Werkvertragsrecht anzuwenden.

2. In einem Bau- oder Bauträgervertrag kann die Gewährleistungsregelung der VOB/B formularmäßig „isoliert” zumindest insoweit nicht wirksam vereinbart werden, als damit die Gewährleistungsfrist des § 638 BGB verkürzt wird (BGHZ 96, 129; BGH NJW 1986, 713, 714 – in BGHZ 96, 146 nicht mitabgedruckt). Das gilt nicht nur, wenn die Regelung des § 13 VOB/B „isoliert” in einem vom Unternehmer/Bauträger verwendeten Formularvertrag, der Allgemeinen Geschäftsbedingungen zuzuordnen ist, vereinbart wird (wie es in den beiden angeführten Fällen war), sondern auch, wenn es in einem einzelnen, vom Unternehmer/Bauträger (bzw. für ihn) abgefaßten Vertrag geschieht. Denn die Bestimmungen des § 13 VOB/B stellen schon für sich Allgemeine Geschäftsbedingungen dar, die durch bloße Inbezugnahme oder Wiedergabe ihres Wortlauts, also ohne „ausgehandelt” worden zu sein (vgl. dazu Senatsurteil vom 9. Oktober 1986 – VII ZR 245/86 = BauR 1987, 113 = ZfBR 1987, 40), Vertragsinhalt werden können – wie sie es hier auch geworden sind – und dann der Kontrolle nach dem AGBG unterliegen. Eine vom Unternehmer/Auftragnehmer/Bauträger gestellte Vertragsbedingung, in der lediglich auf § 13 VOB/B verwiesen wird, verstößt jedoch gegen § 11 Nr. 10 f AGBG und ist damit unwirksam (Senatsurteil NJW 1986, 713, 714). Anders ist es nur, wenn die VOB/B ohne ins Gewicht fallende Einschränkungenim ganzen zur Vertragsgrundlage gemacht wird und werden kann (§ 23 Abs. 2 Nr. 5 AGBG; BGHZ 86, 135, 142; 96, 129, 133) oder wenn die „isolierte” Vereinbarung des § 13 VOB/B auf eine vom Besteller/Auftraggeber gestellte Vertragsbedingung zurückgeht (Senatsurteil NJW 1987, 837).

Die Gewährleistungsfrist beträgt daher hier nicht zwei, sondern gemäß § 638 BGB fünf Jahre. Der – im Revisionsrechtszug zu unterstellende – Schadensersatzanspruch der Hauserwerber ist nicht verjährt, ohne daß es darauf ankommt, ob der Beklagte zu 2, der bei Abschluß des Vertrages für die Beklagte zu 1 auf getreten ist, arglistig gehandelt hat.

3. Das Berufungsgericht hat rechtsirrtumsfrei festgestellt, daß dem vom Kläger und seiner Ehefrau erworbenen Haus eine zugesicherte Eigenschaft gefehlt hat, nämlich die „einkommensteuerrechtlich relevante Einliegerwohnung”, wie sie in dem notariellen Erwerbsvertrag ausdrücklich aufgeführt worden ist. Damit war das von der Beklagten zu 1 hergestellte Werk mangelhaft.

Der Mangel beruht auch auf einem Umstand, den die Beklagte zu 1 zu vertreten hat (§ 635 BGB). Dabei müßte die Beklagte zu 1 beweisen, daß sie kein Verschulden trifft (BGHZ 48, 310; BGH NJW 1983, 1731, 1732 jeweils m.w.N.). Diesen Beweis hat sie nicht geführt und kann sie auch nicht führen. Es ist ihre Sache, wenn sie eine solche Zusicherung gibt, sich nach den nötigen Voraussetzungen für etwaige Ausnahmegenehmigungen zu erkundigen und diese dann auch zu schaffen. Gelingt ihr das nicht, so muß sie für den Mangel einstehen. Dabei gehen etwaige Risiken, die hinsichtlich der Genehmigung und der steuerrechtlichen Anerkennung der Kellerwohnung von Anfang an bestanden haben mögen, nach Lage des Falles zu Lasten der Beklagten zu 1, die diese Risiken am ehesten überblicken und bewerten konnte. Damit steht die Schadensersatzpflicht der Beklagten zu 1 gemäß § 635 BGB dem Grunde nach fest. Für diese Verbindlichkeit haften die Beklagten zu 4 und 5 nach § 128 HGB.

4. Da mit hoher Wahrscheinlichkeit der Klageanspruch in irgendeiner Höhe besteht, hat das Landgericht zu Recht gemäß § 304 ZPO ein Grundurteil erlassen (vgl. BGHZ 53, 17, 23). Seine Entscheidung beruht allerdings darauf, daß der Kläger – damals noch – Ersatz des negativen Interesses verlangt hat, während er jetzt nach Veräußerung des Gebäudegrundstücks Ersatz des positiven Interesses begehrt und das beschränkt auf 100.000,– DM. Es begegnet aber keinen durchgreifenden Bedenken, das erstinstanzliche Urteil lediglich der veränderten Sachlage anzupassen und dem Landgericht weiterhin die Ermittlung der Schadenshöhe zu überlassen.

5. Das angefochtene Urteil ist nach alledem im Umfang des letzten Revisionsantrags, soweit er sich gegen die Beklagten zu 4 und 5 richtet, aufzuheben. Auf die Berufungen des Klägers sowie der Beklagten zu 4 und 5 ist das Urteil des Landgerichts unter Zurückweisung der Rechtsmittel im übrigen teilweise aufrecht zu erhalten und – wie geschehen – neu zu fassen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 91, 92, 97 ZPO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 708 Nr. 2 ZPO.

 

Unterschriften

G, R, D, O, W

 

Veröffentlichung

Veröffentlicht am 07.05.1987 durch W, Justizamtsinspektor als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle

 

Fundstellen

Nachschlagewerk BGH

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