Entscheidungsstichwort (Thema)
Gewerberaummiete: Beweislastverteilung bei Mietmangel trotz Reparaturversuchs
Orientierungssatz
1. Die Darlegungs- und Beweislast für einen Mangel der Mietsache und das Verschulden des Vermieters ist nach den beiderseitigen Verantwortungsbereichen verteilt. Der Vermieter muß darlegen und beweisen, daß die Ursache des Mangels nicht aus seinem Pflichten- und Verantwortungsbereich stammt, sondern aus dem Herrschafts- und Obhutsbereich des Mieters. Hat er diesen Beweis geführt, muß der Mieter nachweisen, daß er den Mangel nicht zu vertreten hat.
2. Behauptet der Mieter, die Mietsache sei nach Reparaturversuchen des Vermieters immer noch mangelhaft, so trägt der Vermieter die Beweislast für den Erfolg seiner Mängelbeseitigungsmaßnahmen.
Tenor
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 4. Zivilsenats des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig vom 1. Oktober 1997 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Oberlandesgericht zurückverwiesen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Kläger verlangen vom Beklagten rückständige Miete sowie Räumung und Herausgabe von gewerblich genutzten Räumen, die sie dem Beklagten mit Mietvertrag vom 27. Juli 1982 zu einem monatlichen Mietzins von 1.000 DM vermietet haben und in denen die Immobilien-GmbH, deren Geschäftsführer der Beklagte ist, ein Maklerbüro betreibt. Mit vermietet waren der sogenannte Ladengang im Eingangsbereich, den der Beklagte 1982 aufgrund der ihm mietvertraglich erteilten Genehmigung der Kläger hatte überdachen lassen, sowie Schaukästen, die im Ladengang an der Wand hingen und die der Beklagte zu Werbezwecken nutzte. Wegen auftretender Feuchtigkeitsschäden im Bereich dieser Schaukästen, deretwegen der Beklagte die Miete minderte, kam es 1988 zu einem Rechtsstreit zwischen den Parteien, in dem das Landgericht mit Urteil vom 12. Januar 1990 (4 O 519/88) dem Beklagten ein Minderungsrecht von 20 % (200 DM) zubilligte und ihn im übrigen zur Zahlung des restlich einbehaltenen Mietzinses verurteilte. Seine Berufung blieb erfolglos.
Eine Räumungsklage, die die Kläger zwischenzeitlich vor dem Amtsgericht angestrengt hatten, wurde mit Urteil vom 26. Juni 1991 mit der Begründung abgewiesen, daß sich der Beklagte, der mittlerweile den Mietzins unter Berücksichtigung der vom Landgericht angenommenen Minderungsquote bezahlt hatte, nicht in Verzug befunden habe. In der Folgezeit zahlte der Beklagte die verminderte Miete von 800 DM.
Mit Anwaltsschreiben vom 25. September 1995 mahnten die Kläger unter Androhung fristloser Kündigung die Differenzbeträge als rückständigen Mietzins an und kündigten schließlich mit Schreiben vom 5. Dezember 1995. Sie beriefen sich darauf, daß dem Beklagten kein Minderungsrecht mehr zugestanden habe, nachdem auf ihre Veranlassung hin Undichtigkeiten im Dachrinnen- und Fallrohrbereich im Januar 1990 behoben worden seien und weitere Feuchtigkeitsschäden allein auf die vom Beklagten errichtete unzureichende Überdachungskonstruktion zurückzuführen seien. Der Beklagte hielt dem entgegen, daß die Feuchtigkeitsschäden nach wie vor aufgetreten seien und in den Verantwortungsbereich der Kläger fielen, weil er die Glasüberdachung im Herbst 1991 habe abdichten und im Herbst 1993 auf eigene Kosten die wiederum verstopften Fallrohre habe richten lassen.
Das Landgericht hat den Beklagten zur Räumung und Herausgabe und zur Zahlung rückständiger Miete in Höhe von 11.800 DM für die Zeit von Januar 1991 bis November 1995 verurteilt, weil ihm ein Mietminderungsrecht nicht mehr zugestanden habe. Denn nachdem die Kläger den Mangel beseitigt hätten, habe er einen erneuten Mangel nicht angezeigt. Die weitergehende Zahlungsklage hat das Landgericht wegen Verjährung abgewiesen.
Das Oberlandesgericht hat die Berufung des Beklagten zurückgewiesen und auf die Anschlußberufung der Kläger ihn zusätzlich zur Räumung und Herausgabe von unberechtigt genutzten Kellerräumen verurteilt. Dagegen richtet sich die Revision des Beklagten.
Entscheidungsgründe
I.
Da die Kläger und Revisionsbeklagten in der mündlichen Verhandlung trotz rechtzeitiger Bekanntmachung des Termins nicht vertreten waren, ist über die Revision antragsgemäß durch Versäumnisurteil zu entscheiden, §§ 557, 331 ZPO (vgl. BGHZ 37, 79, 81 ff.). Das Urteil beruht jedoch inhaltlich nicht auf einer Säumnisfolge, sondern auf einer Sachprüfung.
II.
Die Revision führt zur Aufhebung des Urteils und Zurückverweisung der Sache an das Oberlandesgericht.
1. Das Oberlandesgericht hat den Zahlungsanspruch für begründet gehalten, weil dem Beklagten kein Minderungsrecht mehr zugestanden habe. Es ist mit dem Landgericht davon ausgegangen, daß die Kläger mit der im Januar 1990 veranlaßten Reparatur der Dachrinnen und Fallrohre die in ihrem Verantwortungsbereich liegenden Ursachen für die Feuchtigkeit beseitigt hätten. Der Beklagte habe nicht substantiiert vorgetragen, daß diese Reparatur nicht ordnungsgemäß ausgeführt worden sei. Die danach aufgetretenen Feuchtigkeitseinbrüche hätten, wie im Gutachten des Sachverständigen vom 30. August 1989 im Vorprozeß dargelegt worden sei, ihre Ursache in der „fachlich gewagten” Dachkonstruktion des Ladenganges und lägen im Verantwortungsbereich des Beklagten. Jedenfalls aber habe der Beklagte entgegen seiner Anzeigepflicht nach § 545 BGB die Feuchtigkeitsmängel im Bereich der Schaukästen gegenüber den Klägern nicht mehr gerügt, so daß er keine Minderungsrechte mehr geltend machen könne. Die behauptete Mängelanzeige gegenüber dem Makler K. entlaste ihn nicht, da dieser von den Klägern nur mit dem Verkauf des Hauses, nicht aber mit der Wahrnehmung von Vermieterrechten und -pflichten beauftragt worden sei.
2. Das hält einer rechtlichen Überprüfung nicht Stand. Die Revision weist zutreffend darauf hin, daß das Oberlandesgericht wesentlichen Parteivortrag und Beweisangebote des Beklagten übergangen habe.
a) Grundsätzlich hat zwar der Mieter, der sich auf einen Mangel beruft, die Darlegungs- und Beweislast für den Mangel und das Verschulden des Vermieters. Dabei hat die Rechtsprechung die Beweislast aber nach den beiderseitigen Verantwortungsbereichen verteilt: Der Vermieter muß darlegen und beweisen, daß die Ursache des Mangels nicht aus seinem Pflichten- und Verantwortungsbereich stammt, sondern aus dem Herrschafts- und Obhutsbereich des Mieters (vgl. Senatsurteil BGHZ 126, 124, 128; Baumgärtel, Handbuch der Beweislast im Privatrecht, 2. Aufl., Bd. 1, § 537 BGB, Rdn. 1; Kraemer in Bub/Treier Handbuch der Geschäftsraummiete 3. Aufl. III A Rdn. 960 a; III B Rdn. 1385 a; Schmidt-Futterer/Eisenschmidt Mietrecht 7. Aufl. § 537 Rdn. 318 m.w.N.). Hat er diesen Beweis geführt, muß der Mieter nachweisen, daß er den Mangel nicht zu vertreten hat.
Das Oberlandesgericht ist hier auf der Grundlage des im Vorprozeß (4 O 519/88 Landgericht Lübeck) erstatteten Gutachtens des Sachverständigen P. vom 30. August 1989 davon ausgegangen, daß die Ursache für die Feuchtigkeitsschäden im Bereich der vom Beklagten errichteten Überdachung liege und damit allein seinem Verantwortungsbereich zuzuschreiben sei, nachdem die Kläger die ihrem Verantwortungsbereich unterliegenden Regenrinnen und Fallrohre ordnungsgemäß repariert hätten. Bereits die erste Annahme ist durch das Vorbringen des Beklagten und die Angaben des Sachverständigen in Frage gestellt. Der Beklagte hat in seiner Berufungsbegründung vorgetragen und unter Zeugen- und Sachverständigenbeweis gestellt, daß die Feuchtigkeit nicht von der fehlerhaften Überdachung herrühren könne, weil er diese im Herbst 1991 durch eine Bitumenschweißbahn fachmännisch habe abdichten lassen und das Dach seitdem kein Wasser mehr durchlasse. Vielmehr liege die Ursache nach wie vor im Bereich der Regenrinnen und des Fallrohres, was den Klägern zuzurechnen sei. Der Sachverständige P. hat bei seiner Vernehmung durch das Landgericht am 15. Mai 1996 außerdem bestätigt, daß die Abdichtung der Überdachung, insbesondere durch die Bitumenschweißbahn, jetzt völlig anders sei als seinerzeit anläßlich seiner Begutachtung 1989 im Vorprozeß. Damit durfte sich das Oberlandesgericht bei seiner Beurteilung nicht mehr auf die früheren Angaben des Gutachters im Vorprozeß stützen.
Der Beklagte hat in der Berufungsbegründung ferner vorgetragen und unter Beweis gestellt, daß die von den Klägern im Januar 1990 vorgenommene Reparatur zu keinem dauerhaften Erfolg geführt habe. Bei seiner Anhörung vor dem Landgericht am 15. Mai 1996 hat er angegeben, daß er, nachdem der Vorprozeß beendet gewesen sei, die Rückwand der Schaukästen mit einer Korkfläche versehen habe. Auch danach seien sie jedoch wegen wieder austretender Feuchtigkeit nur wenige Wochen nutzbar gewesen. Behauptet der Mieter, die Mietsache sei nach Reparaturversuchen des Vermieters immer noch mangelhaft, so trägt der Vermieter die Beweislast für den Erfolg seiner Mängelbeseitigungsmaßnahmen (OLG Hamm NJW-RR 1995, 525; Schmidt-Futterer/Eisenschmidt aaO Rdn. 314).
Nach allem hätte das Oberlandesgericht den Vortrag und die Beweisangebote des Beklagten nicht als unsubstantiiert zurückweisen dürfen. Es ist nicht ausgeschlossen, daß dem Beklagten weiterhin ein Minderungsrecht gemäß § 537 BGB – ggf. in der vom Vorprozeß angenommenen Höhe – zusteht, so daß die Rückstandsforderung der Kläger unberechtigt und – mangels Zahlungsverzugs des Beklagten – auch ihre darauf gestützte fristlose Kündigung unwirksam ist.
b) Auch die Hilfserwägung des Oberlandesgerichts, daß dem Beklagten jedenfalls mangels rechtzeitiger Mängelanzeige gegenüber den Klägern gemäß § 545 Abs. 2 BGB kein Minderungsrecht mehr zustehe, trägt die Entscheidung nicht. Denn auch insoweit hat das Oberlandesgericht, wie die Revision zu Recht rügt, wesentlichen Parteivortrag und Beweisangebote des Beklagten nicht berücksichtigt. Der Beklagte hat mit Schriftsätzen vom 5. Juni 1996 und vom 27. Januar 1997 unter Beweisantritt vorgetragen, er habe den Zeugen K. nach der Reparatur im Januar 1990 gebeten, die Kläger zur Beseitigung der auch danach wieder aufgetretenen Feuchtigkeitsschäden aufzufordern, was diese aber laut K. abgelehnt hätten. Da der Zeuge K. nach dem Vortrag des Beklagten dessen Bitte den Klägern tatsächlich übermittelt haben soll und damit jedenfalls als Bote tätig gewesen sein soll, kommt es nicht darauf an, ob der Zeuge K. von den Klägern nur mit dem Verkauf des Hauses beauftragt, aber nicht bevollmächtigt war, Vermieterrechte oder -pflichten wahrzunehmen. Davon abgesehen ist der Beklagte seiner Anzeigepflicht auch noch in anderer Weise nachgekommen. Er hat sich in dem Vorprozeß wegen Räumung, der vor dem Amtsgericht im September 1990 begonnen hatte und zeitweise parallel zu dem im Jahre 1988 angestrengten Vorprozeß vor dem Landgericht wegen der Mietminderung (4 O 519/88) geführt wurde, darauf berufen, daß die Minderungsgründe, die im Mietminderungsverfahren vorgetragen worden seien, nach wie vor beständen (Schriftsatz vom 28. Januar 1991 im Verfahren 2 C 499/90, dort S. 79). Er hat ferner Kopie eines Schreibens seines Rechtsanwalts vom 21. Januar 1991 (aaO S. 80) an den Rechtsanwalt der Kläger vorgelegt, in welchem er ebenfalls Mängel bezüglich defekter Dachrinnen anzeigt und mit Fristsetzung um deren Beseitigung bittet, widrigenfalls er zur Ersatzvornahme schreite. Das ist für die Anzeige nach § 545 BGB ausreichend. Da der Mietrückstand nach der Annahme des Berufungsurteils erst im November 1991 erreicht war, erfolgte diese Mängelanzeige auch rechtzeitig vor Eintritt der Kündigungsvoraussetzungen.
2. Das Oberlandesgericht hat den Beklagten auf die Anschlußberufung der Kläger auch zur Herausgabe von angeblich unberechtigt genutzten Kellerräumen verurteilt. Auch insoweit kann ihm nicht gefolgt werden. Der Beklagte hat mit Schriftsatz vom 8. Februar 1996 in erster Instanz unter Vorlage eines Telefaxschreibens vom 15. April 1993 vorgetragen und unter Beweis gestellt, daß er sich mit dem von den Klägern hierzu bevollmächtigten Zeugen K. über die Nutzung des Kellers gegen Übernahme der Sanierung desselben geeinigt habe und die Kläger hierzu ausdrücklich ihre Zustimmung erteilt hätten. Die in zweiter Instanz erfolgte allgemeine Bezugnahme auf dieses Beweisangebot hätte das Oberlandesgericht zumindest zu einem Hinweis auf weitere Konkretisierung veranlassen müssen, wenn es diesen Vortrag für unsubstantiiert hielt.
3. Da das Urteil des Oberlandesgerichts mit der gegebenen Begründung nicht bestehen bleiben kann, war es aufzuheben und die Sache an das Oberlandesgericht zur Vornahme weiterer Feststellungen zurückzuverweisen.
Unterschriften
Blumenröhr, Hahne, Sprick, Weber-Monecke, Wagenitz
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 01.03.2000 durch Küpferle, Justizamtsinspektorin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
Fundstellen
Haufe-Index 542565 |
NJW 2000, 2344 |
NZM 2000, 549 |