Leitsatz (amtlich)
Eine Vertragsstrafe kann durch Allgemeine Geschäftsbedingungen, die Bestandteil eines Bauvertrages sind und durch die VOB/B ergänzt werden, wirksam ausbedungen und der Höhe nach durch einen Teilbetrag der Auftragssumme (hier: bis 0,3% pro Arbeitstag) bestimmt werden.
Normenkette
VOB/B § 11
Verfahrensgang
OLG Nürnberg (Urteil vom 25.01.1974) |
Tenor
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 1. Zivilsenats des Oberlandesgerichts in Nürnberg vom 25. Januar 1974 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Klage wegen einer Mehrforderung von 38.632,11 DM nebst Zinsen sowie wegen höherer als der der Klägerin zuerkannten Zinsen aus 70.741,23 DM abgewiesen worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Im übrigen wird die Revision der Klägerin zurückgewiesen.
Von den Kosten des Revisionsverfahrens haben die Beklagte 7/12, die Klägerin 1/12 zu tragen. Die Entscheidung über das restliche Drittel wird dem Berufungsgericht übertragen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
In den Jahren 1969/70 übertrug die Beklagte der Klägerin die Erd-, Maurer-, Beton- und Putzarbeiten an drei Wohnhausblöcken in Nürnberg. Den Bauverträgen liegen u.a. die Vertragsbedingungen der Beklagten, eine besondere Anlage zum Vertrag vom 24. Oktober 1969 sowie (mit ausdrücklichen Einschränkungen) die VOB zugrunde.
Im Laufe der im Oktober 1969 begonnenen Rohbauarbeiten traten Verzögerungen gegenüber dem vereinbarten Terminplan ein. Die Erd-, Maurer- und Betonarbeiten waren nicht wie vorgesehen am 20. Dezember 1969, sondern erst am 8. April 1970 fertiggestellt. Die zum 22. Juni 1970 abgerufenen Putzarbeiten, die die Klägerin ohne Zustimmung der Beklagten einem Nachunternehmer übertragen hatte, waren erst am 7. November 1970 vollendet. Zu einer Abnahme der Leistungen und zu einer Anerkennung der Schlußrechnung kam es nicht, nachdem die Beklagte wegen der Verzögerungen die Zahlung des restlichen Werklohns verweigerte.
Die Klägerin hat 134.546,44 DM nebst Bankkreditzinsen eingeklagt. Die Beklagte hat die Forderung zum Teil bestritten und im übrigen mit einem Vertragsstrafenanspruch aufgerechnet.
Das Landgericht hat der Klägerin 24.258,72 DM nebst Zinsen zugesprochen und die weitergehende Klage abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen und auf die Berufung der Klägerin ihr insgesamt 70.741,23 DM nebst 4% Zinsen zugesprochen.
Mit der Revision fordert die Klägerin weitere 51.338,52 DM sowie höhere Zinsen aus der von ihr jetzt noch erhobenen Gesamtforderung von 122.079,75 DM. Die Revision der Beklagten ist durch Beschluß vom 25. März 1976 zurückgewiesen worden. Die Beklagte beantragt, auch die Revision der Klägerin zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
I.
Wie das Berufungsgericht feststellt, beträgt der restliche Werklohnanspruch der Klägerin 122.079,75 DM. Er ist seit dem 20. Oktober 1971 fällig.
Diese Feststellungen lassen Rechtsfehler nicht erkennen. Soweit die Beklagte hiergegen Einwendungen erhoben hat, ist ihre Revision zurückgewiesen worden.
II.
Das Berufungsgericht erkennt der Beklagten von den zur Aufrechnung gestellten Vertragsstrafen nur 38.632,11 DM wegen verspäteter Rohbauarbeiten und 12.706,41 DM wegen verspäteter Putzarbeiten zu. Der weitergehende Anspruch der Beklagten ist durch die Zurückweisung ihrer Revision erledigt.
1. Zu Recht geht das Berufungsgericht davon aus, daß durch Allgemeine Geschäftsbedingungen, die Bestandteil eines Bauvertrages sind und durch die VOB/B ergänzt werden, wirksam eine Vertragsstrafe ausbedungen und der Höhe nach durch einen Teilbetrag der Auftragssumme (hier: bis 0,3% pro Arbeitstag) bestimmt werden kann (zu Vertragsstrafenklauseln und Schadensersatzpauschalierungen in AGB im allgemeinen vgl. BGHZ 60, 377, 384/385; 63, 256, 258 ff.; BGH NJW 1970, 29, 31/32; Urteil vom 14. Januar 1976 – VIII ZR 203/73 = WM 1976, 210; Schmidt-Salzer, Allgemeine Geschäftsbedingungen 1971, Rn. 194; Lindacher, Phänomenologie der Vertragsstrafe 1972, § 51 I).
a) Die Vereinbarung einer Vertragsstrafe für den Fall einer Bauverzögerung ist, wie schon die Bestimmungen des § 11 VOB/B zeigen, im Bauvertragsrecht nichts Außergewöhnliches. Es bestehen auch keine grundsätzlichen Bedenken dagegen, eine solche Vereinbarung in den Vertragsbedingungen des Auftraggebers zu treffen, wenn sie zum Bestandteil der Ausschreibung und des Bauvertrages gemacht worden sind.
Dieser Grundsatz schließt allerdings nicht aus, einer Vertragsstrafenklausel wie anderen Klauseln in Allgemeinen Geschäftsbedingungen die Verbindlichkeit deshalb abzusprechen, weil sie unter den Umständen des Einzelfalls zu einer unvertretbaren Benachteiligung dessen führt, der sich den Bedingungen – auch als Kaufmann – unterworfen hat. Solche besonderen Umstände liegen aber hier nicht vor. Auch die Revision der Klägerin wendet sich nicht mehr gegen die Wirksamkeit der Vereinbarung.
b) Soweit sich die Revision der Klägerin auf das Fehlen eines Vorbehalts bei der Abnahme (§ 11 Nr. 2 Satz 2 VOB/B (1952)) beruft, läßt sie außer acht, daß ihre Leistung nicht förmlich abgenommen worden ist und die Bestimmungen des § 12 Nr. 5 VOB/B über die fiktive Abnahme in den Vertragsbedingungen der Beklagten (L 3) abbedungen sind. Die Anerkennung und Bezahlung der Rechnungen für die Rohbauarbeiten im April 1970 stellt keine Abnahme dar (L 2). Im übrigen ist der Beklagten die Schlußrechnung der Klägerin erst am 19. Oktober 1970 zugegangen. Die erstmalige Geltendmachung des Vertragsstrafenanspruchs durch Schreiben vom 20. November 1970 kann unter diesen Umständen nicht als verspätet angesehen werden. Die Beklagte hat den Anspruch nicht verwirkt.
2. Das Berufungsgericht geht auf Grund des Gutachtens des Wetteramtes Nürnberg davon aus, daß die Klägerin durch den sehr frühen Einbruch des Winters am 26. November 1969 daran gehindert worden sei, die Rohbauarbeiten entsprechend dem vereinbarten Terminplan (Nr. 4 der Anlage zum Vertrag vom 24. Oktober 1969) bis zum 20. Dezember 1969 fertigzustellen, und daß sie deswegen einen Anspruch auf Fristverlängerung gehabt habe, wenn sie dies schriftlich mitteilte. Das Berufungsgericht stützt sich dabei auf die Bestimmung G 1 Satz 4 und 5 der Vertragsbedingungen, die ausweislich des Tatbestands des angefochtenen Urteils lautet:
„Fühlt sich der Auftragnehmer wegen höherer Gewalt, schlechter Witterung oder aus einem anderen nicht von ihm zu vertretenden Grunde an der Einhaltung der Termine behindert, so hat er unverzüglich mit Eintritt seines Verzuges der Bevollmächtigten des Auftraggebers schriftlich Mitteilung zu machen. Ein Anspruch auf Terminsverschiebung steht ihm auch dann zu, wenn seitens der Bevollmächtigten eine Anerkennung vorliegt oder diese den Verzögerungsgrund zu vertreten hat. …”
Das Berufungsgericht ist der Ansicht, daß der Klägerin demnach ein Anspruch auf Fristverlängerung nur von dem Zeitpunkt an zustand, in dem sie ihn durch schriftliche Mitteilung geltend machte, und für den Zeitraum, den sie im Schreiben vom 12. Februar 1970 erbat, nämlich bis zum 31. März 1970. Es billigt der Klägerin deshalb als von ihr nicht zu vertretende Ausfallzeit nur die Zeit vom 14. Februar bis 31. März 1970 zu und erkennt der Beklagten eine Vertragsstrafe für 49 Arbeitstage (5 im Dezember, 25 im Januar, 12 im Februar, 7 im April) zu.
Hiergegen wendet sich die Revision der Klägerin mit Erfolg.
a) Die Bestimmung G 1 Satz 4 entspricht ihrem Inhalt nach im wesentlichen dem § 6 Nr. 1 Satz 1 VOB/B (1952) und beschwert den Auftragnehmer nicht unzumutbar. Sie enthält keine Regelung über die Rechtsfolgen einer Unterlassung der unverzüglichen Mitteilung. Das Berufungsgericht verstößt damit, daß es die Entstehung des Anspruchs auf Terminsverschiebung von der schriftlichen Mitteilung abhängig macht und auch für die Fristverlängerung allein auf die Bitte der Klägerin im Schreiben vom 12. Februar 1970 abstellt, gegen den Grundsatz, daß Allgemeine Geschäftsbedingungen eng auszulegen sind und Unklarheiten zu Lasten dessen gehen, der sie aufgestellt hat (BGHZ 62, 83, 89 m.w.N.). Für eine ergänzende Vertragsauslegung zu Lasten des Auftragnehmers ist insofern kein Raum (BGHZ a.a.O.).
b) Mangels abweichender Vereinbarung gilt daher § 6 Nr. 1 Satz 2 VOB/B (1952). Danach hat der Auftragnehmer auch ohne schriftliche Anzeige Anspruch auf Berücksichtigung der hindernden Umstände, wenn dem Auftraggeber die Tatsache und deren hindernde Wirkung „offenkundig bekannt” waren.
Dazu hat die Klägerin in der Berufungsinstanz vorgetragen: Von Ende November 1969 an hätten mehrfach auf der Baustelle Besprechungen der Parteien über die Folgen des unerwartet frühen und harten Wintereinbruchs stattgefunden. Insbesondere habe sich der Prokurist Kahlert für die Beklagte nicht nur wiederholt von den Behinderungen überzeugt, sondern auch der Klägerin eine entsprechende Verlängerung der Fertigstellungsfrist zugesichert. Das vom Berufungsgericht für allein maßgeblich erachtete Schreiben der Klägerin vom 12. Februar 1970 habe nur der Vorbereitung einer Vereinbarung gedient.
Diesen Vortrag hätte das Berufungsgericht nicht übergehen dürfen.
c) Der Anspruch der Klägerin auf Verlängerung der Bauzeit ist nicht davon abhängig, daß die Beklagte ihn anerkannt hat.
Geht man von dem im Tatbestand des Berufungsurteils mitgeteilten Text der Bestimmung G 1 Satz 5 aus, so enthält diese weitere Anspruchsgründe (neben den in Satz 4 genannten), nämlich die Anerkennung durch den Auftraggeber und die Verursachung der Behinderung durch ihn. Auf die Anerkennung kommt es dann nicht an, wenn ein objektiv hindernder Umstand vorlag und dem Auftraggeber offenkundig bekannt war.
Geht man aber von dem in der Vertragsurkunde enthaltenen Text des Satzes 5 aus, wonach dem Auftragnehmer ein Anspruch auf Terminsverschiebung nur dann zusteht, wenn seitens des Bevollmächtigten eine Anerkennung vorliegt oder diese den Verzögerungsgrund zu vertreten hat, so muß dem Erfordernis der Anerkennung durch den Auftraggeber die Verbindlichkeit nach Treu und Glauben versagt werden. Der Verfall einer Vertragsstrafe kann nicht in das Belieben des Berechtigten gestellt werden. Liegt eine vom Auftragnehmer nicht zu vertretende Behinderung der Ausführung durch höhere Gewalt vor, so darf die entsprechende Verlängerung der Bauzeit nicht davon abhängig gemacht werden, ob dem Auftraggeber dies einleuchtet oder genehm ist.
d) Der Beklagten steht somit eine Vertragsstrafe wegen Verzögerung der Rohbauarbeiten nur dann und insoweit zu, als die Klägerin nicht durch den unerwartet frühen Einbruch und die außergewöhnliche Dauer des harten Winters an der Einhaltung des Fertigstellungstermins gehindert worden ist.
Nach dem Vortrag der Beklagten wäre sie auch bei mildem Wetter nicht bis zum 20. Dezember 1969 fertig geworden und hätte sie trotz des bis Mitte März 1970 andauernden Frostes früher als am 8. April 1970 fertig werden können. Dem wird das Berufungsgericht ebenfalls nachgehen müssen.
Es muß nunmehr feststellen, in welchem Zeitraum die Klägerin an den Rohbauarbeiten auch bei zumutbaren Winterbaumaßnahmen objektiv gehindert war und ob dies den Bevollmächtigten der Beklagten „offenkundig bekannt”, ja von ihnen sogar anerkannt war.
3. Das Berufungsgericht stellt fest, daß die Putzarbeiten nach dem Vertrag 7 Tage nach Abruf hätten begonnen und innerhalb 48 Tagen hätten beendet werden müssen; die tatsächliche Verspätung habe 71 Arbeitstage betragen. Die Klägerin könne nicht damit gehört werden, die Verzögerung der Rohbauarbeiten habe zu einer unvermeidlichen Terminsverschiebung auch bei den Putzarbeiten geführt.
Die Revision der Klägerin bleibt insoweit ohne Erfolg.
Nach Fertigstellung des Rohbaus am 8. April 1970 mußte die Klägerin jederzeit mit dem Abruf der Putzarbeiten rechnen und sich bereit halten, innerhalb 7 Tagen damit zu beginnen. Die Verzögerung der Rohbauarbeiten enthob sie nicht ihrer terminlichen Zusage für die Putzarbeiten. Die Klägerin hat auch keine hinreichende Erklärung dafür vorbringen können, warum die Putzarbeiten nicht vertrags- und abrufgemäß am 22. Juni 1970 begonnen und am 17. August 1970 beendet worden sind.
Die Ausführungen des Berufungsgerichts lassen in diesem Punkt Rechtsfehler nicht erkennen, so daß der Beklagten zu Recht eine Vertragsstrafe von 12.706,41 DM zugesprochen worden ist.
III.
Das Berufungsgericht versagt der Klägerin über 4% hinausgehende, mit Kreditaufnahme begründete Bankzinsen, weil in den Vertragsbedingungen der Beklagten (H 11) bestimmt sei, daß Guthaben des Auftragnehmers einschließlich Garantiesumme nicht verzinst werden.
Auch hiergegen wendet sich die Revision der Klägerin mit Erfolg.
a) Die Auslegung dieser Bestimmung durch das Berufungsgericht dahin, daß damit § 288 BGB bis zur Anerkennung der Schlußrechnung abbedungen sei, widerspricht dem bereits erwähnten Grundsatz, daß solche Klauseln in Allgemeinen Geschäftsbedingungen eng und im Zweifel zu Lasten des Rufstellers auszulegen sind. Die Klausel erstreckt sich nicht nur ausdrücklich, sondern auch ihrem erkennbaren Sinn (§§ 133, 157 BGB) nach nur auf vor der Schlußrechnung aufgelaufene Guthaben des Auftragnehmers sowie auf den vertraggemäßen Garantieeinbehalt, also auf noch nicht fällige Guthaben. Sie erfaßt ersichtlich nicht den dem Auftragnehmer aus Zahlungsverzug erwachsenden Verzugsschaden, zu dem auch die Verzugszinsen gehören.
b) Die Ansicht des Berufungsgerichts widerspricht aber auch seiner zutreffenden Feststellung, daß der restliche Werklohn einschließlich des Garantieeinbehalts seit dem 20. Oktober 1971 fällig sei und die Beklagte sich nach Treu und Glauben nicht darauf berufen könne, daß sie die ihr am 19. Oktober 1970 zugegangene Schlußrechnung noch nicht anerkannt habe. Sowenig der Klägerin zuzumuten war, zur Herbeiführung der Fälligkeit des Garantieeinbehalts auf Anerkennung der Schlußrechnung zu klagen, sowenig kann ihr dies zur Erlangung von Verzugszinsen zugemutet werden, wie das Berufungsgericht fordert.
c) Das angefochtene Urteil kann daher auch insoweit keinen Bestand haben, als der Klägerin für den bereits zuerkannten Klagebetrag über 4% hinausgehende Zinsen versagt worden sind. Die Klägerin wird Gelegenheit haben, die von ihr angebotene Auskunft der Bayerischen Vereinsbank nachzureichen.
Das angefochtene Urteil ist nach alledem aufzuheben, soweit der Klägerin 38.632,11 DM wegen Verzögerung der Rohbauarbeiten (II, 2) sowie die verlangten Mehrzinsen (III) aberkannt worden sind. Ihre weitergehende Revision ist zurückzuweisen. Im Umfang der Aufhebung ist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über das restliche Drittel der Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
Die Teilkostenentscheidung folgt aus den §§ 97, 92 ZPO.
Fundstellen
Haufe-Index 856988 |
NJW 1976, 2259 |