Leitsatz (amtlich)

Die Berufsgenossenschaft, die als Rehabilitationsträger gemäß §§ 1227 Abs. 1 Nr. 8 a Buchst. c, Abs. 1 a, 1385 Abs. 4 g RVO, § 2 Abs. 1 Nr. 10 a, Abs. 1 b AVG für den Unfallverletzten Rehabilitanden Beiträge zur Rentenversicherung erbringt, kann hierfür bei den für den Unfall verantwortlichen Schädiger dann keinen Rückgriff nehmen, wenn der Rehabilitand im Unfallzeitpunkt nicht in der gesetzlichen Rentenversicherung versichert war, sondern ein anderes System der Vorsorge aufgebaut und in der Zeit seiner unfallbedingten Behinderung fortgesetzt hat.

 

Verfahrensgang

OLG Hamm (Entscheidung vom 20.11.1978)

 

Tenor

  • Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des 13. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 20. November 1978 wird zurückgewiesen.

    Die Kosten der Revision fallen der Klägerin zur Last.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Am 19. April 1973 wurde der Kaufmann Sch. bei einem Verkehrsunfall, für dessen Folgen die beklagte Haftpflichtversicherung einzustehen hat, schwer verletzt. Die Klägerin hat als gesetzliche Unfallversicherung den Unfall als Arbeitsunfall anerkannt und dem Verletzten demgemäß Verletzten- bzw. Übergangsgeld gezahlt. Ab 1. Oktober 1974 hat sie außerdem aufgrund des an diesem Tag in Kraft getretenen Gesetzes über die Angleichung der Leistungen zur Rehabilitation (RehaAnglG) vom 7. August 1974 - BGBl. I 1881 - für ihn Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung geleistet, deren Erstattung sie von der Beklagten verlangt.

Die Klägerin hat für die Zeit vom 1. Oktober 1974 bis 31. Dezember 1975 Zahlung von 2.406,37 DM sowie die Feststellung der Verpflichtung der Beklagten zum Ersatz künftiger Rentenversicherungsbeiträge begehrt.

Das Landgericht hat der Klage im wesentlichen stattgegeben. Das Oberlandesgericht hat sie abgewiesen. Mit der (zugelassenen) Revision begehrt die Klägerin die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.

 

Entscheidungsgründe

I.

Nach den unangegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts hat Sch. im Unfallzeitpunkt weder eine versicherungspflichtige Beschäftigung ausgeübt, noch freiwillig Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung gezahlt, für die er Beitragszeiten nur bis 1951 erfüllt hat. Seit dieser Zeit hat Sch. für sein Alter durch Lebensversicherungen vorgesorgt, in die er auch nach dem Unfall Beiträge fortentrichtet hat.

Deshalb könne, so meint das Berufungsgericht, die Klägerin wegen der Beiträge, sofern sie diese als Rehabilitationsträgerin gemäß § 1227 Abs. 1 Nr. 8 a Buchst. c, § 1385 Abs. 4 g RVO für Sch. in die gesetzliche Rentenversicherung zu leisten haben sollte, keinen Rückgriff nach § 1542 RVO bei der Beklagten nehmen. Denn insoweit fehle es an einem von der Beklagten zu ersetzenden Schaden des Sch., der durch die Beiträge der Klägerin ausgeglichen werde.

II.

Das hat gegenüber der Revision Bestand.

1.

Die Klägerin kann bei der Beklagten nach § 1542 RVO Rückgriff wegen ihrer Versicherungsleistung nur insoweit nehmen, als Sch. durch den Unfall einen Schaden erlitten hat, für den sie die Beklagte als Haftpflichtversicherer des für den Unfall unstreitig allein verantwortlichen Schädigers aufgrund des § 3 Nr. 1 PflVG in Anspruch nehmen kann. Dagegen begründet § 1542 RVO für den Ersatzpflichtigen keine erweiterte Einstandspflicht für die Belastungen des Sozialversicherungs- oder Rehabilitationsträgers durch dessen vom Gesetz angeordnete Leistungsverpflichtungen. Die Vorschrift verhindert nur, daß solche Leistungen im Ergebnis dem Schädiger zugute kommen (st. Rspr.; vgl. zuletzt Senatsurteil vom 4. Juli 1978 - VI ZR 11/77 - VersR 1978, 861, 862 m.Nachw.).

2.

Im Streitfall steht der Beitragszahlung in die gesetzliche Rentenversicherung kein, jedenfalls kein kongruenter ausgleichspflichtiger Schaden des Sch. gegenüber.

a)

Der Rehabilitand wird als Pflichtversicherter in die gesetzliche Rentenversicherung nach näherer Maßgabe von § 1227 Abs. 1 Nr. 8 a und Abs. 1 a RVO, § 2 Abs. 1 Nr. 10 a und Abs. 1 b AVG eingegliedert ohne Rücksicht darauf, ob er ohne seine Behinderung eine versicherungspflichtige Beschäftigung ausgeübt oder der gesetzlichen Rentenversicherung wenigstens als freiwilliges Mitglied angehört haben würde.

Das soziale Anliegen dieser Regelung, den Rehabilitanden hinsichtlich seines Versicherungsschutzes einem pflichtversicherten Beschäftigten gleichzustellen, teilt sich der schadensrechtlichen Betrachtung nicht in dem Sinn mit, daß auch der zum Schadensersatz Verpflichtete dem Rehabilitanden unter den Voraussetzungen der vorgenannten Vorschriften diesen versicherungsmäßigen Status verschaffen müßte. Haftungsrechtlich ist der für den Schaden Verantwortliche hierzu vielmehr nur insoweit verpflichtet, als der Rehabilitand auch ohne den Unfall Versicherungsschutz in der gesetzlichen Rentenversicherung - sei es als Pflichtmitglied, sei es als freiwillig Versicherter - gehabt haben würde und dieser infolge des Beschäftigungsausfalls ohne das Eintreten des Rehabilitationsträgers entzogen oder verkürzt oder durch Unterbrechung der Beitragszahlungen gestört worden wäre (zur Ersatzpflicht des Schädigers bei unfallbedingter Störung des Versicherungsverhältnisses vgl. Senatsurteile vom 18. Oktober 1977 in BGHZ 69, 347 und vom 25. Oktober 1977 - VI ZR 150/75 - VersR 1977, 1158 jeweils m.Nachw.). In jenen Fällen ist es gerechtfertigt, wenn der Rehabilitationsträger nach § 1542 RVO seine für den Rehabilitanden geleisteten Versicherungsbeiträge von dem Schädiger erstattet verlangen kann, um zu verhindern, daß diese sozialen Leistungen dem Schädiger zugute kommen (vgl. Schlegelmilch in Geigel, Haftpflichtprozeß, 17. Aufl. Kap. 30 N., 4 c).

b)

An solcher sachlichen Grundlage für den Rückgriff des Rehabilitationsträgers fehlt es jedoch, wenn wie im Streitfall von einer unfallbedingten Beeinträchtigung des Versicherungsschutzes in der gesetzlichen Rentenversicherung keine Rede sein kann, weil der Rehabilitand in dem maßgebenden Zeitraum ohne den Unfall gar nicht Mitglied in der gesetzlichen Rentenversicherung gewesen wäre. Dann stellt die Beitragszahlung des Rehabilitationsträgers in die gesetzliche Rentenversicherung für die schadensrechtliche Betrachtung eine "zusätzliche" Vorsorgeleistung dar, die nicht zugleich einen vom Ersatzpflichtigen zu verantwortenden Schaden abdeckt; der Versuch von Schloen/Steinfeltz in BG 1976, 29 ff, in diesen Fällen einen "normativen Schaden" des Verletzten zu konstruieren, geht fehl. Das gilt jedenfalls, wenn der Rehabilitand wie hier ein anderes System der Vorsorge aufgebaut und in der Zeit seiner unfallbedingten Behinderung fortgesetzt hat. Hier hat der Ersatzpflichtige im Blick auf den Versicherungsschutz das Seine getan, wenn er dem Rehabilitanden den entgangenen Arbeitsverdienst ersetzt, aus dem jene Vorsorge finanziert wird. In solchem Fall wird weder der Schädiger zusätzlich mit Beiträgen in der gesetzlichen Rentenversicherung deshalb belastet, weil das Gesetz den Rehabilitanden diesen (zusätzlichen) Versicherungsschutz gewährt, noch wird durch § 1542 RVO von den Ersatzansprüchen des Geschädigten für seinen Verdienstausfallschaden (§§ 842, 843 BGB) ein Teilbetrag einer Rückerstattung jener Beiträge an den Rehabilitationsträger zugeführt und damit der anderweiten Disposition des Geschädigten für die Zukunft entzogen. Anderenfalls würde hier entgegen dem vorerwähnten Grundsatz die Vorschrift des § 1542 RVO im Ergebnis den Schadensausgleich mit Aufwendungen belasten, die den Schädiger ohne den Eintritt des Sozialversicherungsträgers nicht beschweren würden.

Das ist der von der Revision zu Unrecht vermißte Sachgrund, bei solcher Fallgestaltung dem Rehabilitationsträger Erstattung der Beiträge durch den Ersatzpflichtigen zu versagen.

c)

Eine andere rechtliche Beurteilung ist schließlich auch nicht etwa deshalb veranlaßt, weil die durch das Rehabilitationsangleichungsgesetz eingeführte Versicherungspflicht des Rehabilitanden in der gesetzlichen Rentenversicherung als eine Schadensfolge aus der Unfallverletzung angesehen werden müßte.

Weder wirtschaftlich noch von ihrem gesetzgeberischen Zweck her wird der Rehabilitand durch die Beiträge zur Pflichtversicherung belastet; diese Last trifft allein und endgültig den beitragspflichtigen Rehabilitationsträger (§ 1385 Abs. 4 g RVO, § 112 Abs. 4 h AVG). Die Eingliederung des Rehabilitanden als Pflichtmitglied in die gesetzliche Rentenversicherung hat der Gesetzgeber nur aus gesetzessystematischen und versicherungstechnischen Gründen insbesondere deshalb gewählt, um zugunsten des Rehabilitanden die Behandlung der Rehabilitationszeit als Beitragszeiten (und nicht nur als beitragslose Ausfallzeiten) zu gewährleisten (vgl. Giehler, Betriebskrankenkasse 1976, 98 ff; Hungenberg, Die Ortskrankenkasse 1974, 855 ff; BT-Drucks. 7/1237 zu § 12 RehaAnglG; zu Nr. 1 (S. 62) und Nr. 55 (S. 69); vgl. dazu auch für die berufliche Rehabilitation Wille VersR 1979, 985).

Eine wirtschaftliche Belastung des Rehabilitanden hat der Gesetzgeber mit der Regelung nicht beabsichtigt. Hat der Rehabilitand daher insoweit selbst keinen Schaden, so hat er auch keinen Ersatzanspruch gegen den Schädiger, der nach § 1542 RVO hätte übergehen können.

 

Fundstellen

Haufe-Index 3018789

NJW 1980, 2755

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