Leitsatz (amtlich)
›a) Zum mehrfachen Wechsel zwischen Wandlungs- und Minderungsklage.
b) Ein Mangel der Kaufsache berechtigt nicht zur Minderung, soweit die Werteinbuße bereits durch Umstände herbeigeführt wird, die keinen Sachmangel darstellen oder die der Verkäufer wegen Kenntnis des Käufers nicht zu vertreten hat.‹
Verfahrensgang
Tatbestand
Der Beklagte kaufte am 4. Juli 1983 vom Kläger (Widerbeklagten zu 1) und der Widerbeklagten zu 2 zwei Grundstücke, von denen eines mit einem älteren Wohnhaus bebaut ist. Die Zahlung des Kaufpreises erfolgte über das Treuhandkonto des beurkundenden Notars. Dort befindet sich noch ein Betrag von 35.000 DM, dessen Auszahlung an die Verkäufer der Beklagte mit der Begründung verweigerte, das Gebäude weise Mängel auf.
Der Kläger hat aufgrund eigenen und abgetretenen Rechts der Widerbeklagten den Beklagten auf Einwilligung in die Auszahlung des Treuhandbetrags in Anspruch genommen. Der Beklagte hat sich mit Wandlung verteidigt und hierauf eine Widerklage gestützt, mit der er u.a. Rückgewähr des gezahlten Kaufpreisteils von 150.000 DM und Erstattung von Vertragskosten in Höhe von 6.110,08 DM begehrte. Das Landgericht hat mit Teilurteil die Klage abgewiesen und der Widerklage im dargestellten Umfang stattgegeben.
Im Berufungsrechtszug hat der Beklagte zunächst an der Wandlung festgehalten. Er ist der Berufung des Klägers und der Widerbeklagten, mit der diese den erstinstanzlichen Klageanspruch weiterverfolgten und sich gegen die Widerklage verteidigten, entgegengetreten, und hat zusätzlich u.a. deren Einwilligung in die Auszahlung des Treuhandbetrags an sich verlangt. Mit Schriftsatz vom 3. April 1986 hat er von der Wandlung Abstand genommen und statt dessen Minderung des Kaufpreises um 60.000 DM gefordert. Er hat die Rechtsverteidigung gegen die Klage fortgesetzt und mit der Widerklage den Kläger und die Widerbeklagte auf Auskehrung der Treuhandsumme und gesamtschuldnerische Zahlung weiterer 25.000 DM in Anspruch genommen. Die weitergehende Widerklage hat er in der Hauptsache für erledigt erklärt. Der Kläger und die Widerbeklagte haben einer Änderung der Widerklage widersprochen. Das Berufungsgericht hat zur Höhe der Minderung Sachverständigenbeweis erhoben. Daraufhin hat der Beklagte den Wandlungsanspruch wieder aufgegriffen und Minderung nur noch hilfsweise geltend gemacht. Entsprechende Anträge hat er in der Schlußverhandlung vom 29. November 1988 gestellt. Der Kläger und die Widerbeklagte haben an ihren bisherigen Anträgen festgehalten.
Das Berufungsgericht hat "unter Zurückweisung der weitergehenden Rechtsmittel" der Parteien aufgrund der Minderung den Kläger und die Widerbeklagte zur Einwilligung in die Auszahlung eines Betrags von 32.325 DM an den Beklagten, den Beklagten zur Einwilligung der Auszahlung der restlichen 2.675 DM an den Kläger verurteilt.
Mit der Revision wendet sich der Beklagte weiterhin gegen die Klage und verfolgt auch die Widerklageansprüche auf Rückgewähr des Kaufpreises, Erstattung der Vertragskosten und Auszahlung des gesamten Treuhandbetrages. Hilfsweise hält er an den Ansprüchen auf die Treuhandsumme und zusätzliche Geldzahlung fest. Der Kläger und die Widerbeklagte beantragen Zurückweisung der Revision.
Entscheidungsgründe
Die Revision hat Erfolg.
1. Das Berufungsgericht hat den mit der Widerklage in erster Linie geltend gemachten Wandlungsanspruch nicht zugelassen, da der Kläger und die Widerbeklagte der erneuten Klageänderung, der "Rückkehr zur Wandlung", nicht zugestimmt hätten und diese auch nicht sachdienlich sei. Hierbei hat es in dem Umfang, in dem eine Klageänderung vorlag, § 267 ZPO in Verbindung mit § 523 ZPO unbeachtet gelassen. Soweit dies nicht der Fall war, hatte das Berufungsgericht keine rechtliche Möglichkeit, die sachliche Prüfung des Wandlungsanspruchs von der Einwilligung der Widerbeklagten oder der Sachdienlichkeit des Begehrens abhängig zu machen. Dies rügt die Revision zu Recht.
Zutreffend ist der Ausgangspunkt des Berufungsgerichts, wonach der Übergang vom Minderungs- zum Wandlungsanspruch eine Klageänderung darstellt (RG JW 1907, 46; Baumbach/Lauterbach/Hartmann, ZPO, 48. Aufl., § 264 Anm. 3; Zöller/Stephan, ZPO, 15. Aufl., § 263 Rdn. 7). Eine Klageänderung ist im vorliegenden Falle insgesamt auch nicht deshalb zu verneinen, weil der Beklagte die Widerklage bereits ursprünglich auf die Wandlung gestützt hatte.
a) Der Übergang von der Wandlung zum Minderungsanspruch war mit einer Beschränkung des Klageantrags verbunden, da der Beklagte neben dem weiterverfolgten Anspruch auf Einwilligung in die Auszahlung der Treuhandsumme Zahlung lediglich noch in Höhe von 25.000 DM begehrte. Die Beschränkung des Antrags stellte eine Klageänderung dar, denn das restliche Begehren wurde auf einen neuen Anspruchsgrund, Minderung statt Wandlung, gestützt (vgl. § 264 Nr. 2 ZPO). Im Umfang der weiterverfolgten Anträge endete die Rechtshängigkeit des ursprünglichen Wandlungsanspruchs mit Rechtshängigwerden der Minderungsklage (Stein/Jonas/Schumann, ZPO, 20. Aufl., § 264 Rdn. 37; Thomas/Putzo, ZPO 15. Aufl., § 263 Anm. 3), hier mit Zustellung des Schriftsatzes vom 3. April 1986 an die Gegenseite (§ 261 Abs. 2 ZPO), oder, wegen des Widerspruchs der Gegner, mit rechtskräftiger Zulassung der Klageänderung (Baumbach/Lauterbach/Hartmann aaO § 263 Rdn. 3; Zöller/Stephan aaO § 263 Anm. 16). Diese erfolgte, nach § 268 ZPO unanfechtbar, in den Entscheidungsgründen des Berufungsurteils, da dort die Minderung sachlich beschieden worden ist. Im Umfang des mit der Minderung verfolgten Anspruchs auf die Treuhandsumme und weitere Zahlung war somit die Rechtshängigkeit des Wandlungsanspruchs spätestens mit der positiven Entscheidung des Berufungsgerichts über die Zulassung der Minderung beendet. Das Wiederaufgreifen der Wandlung stellte insoweit eine Klageänderung dar.
b) Der bislang auf Wandlung gestützte weitergehende Zahlungsanspruch büßte nach vorwiegender Meinung seine Rechtshängigkeit mit dem Übergang zur Minderung nicht von selbst ein. Für die Beschränkung des Klageanspruchs sind nach dieser Auffassung nicht allein die Regeln über die Klageänderung maßgeblich. Der Teil des Anspruchs, der nicht mehr in der bisherigen Weise weiterverfolgt werden soll, muß vielmehr nach den sonst geltenden Verfahrensvorschriften dem Streit der Parteien entzogen werden (RG Gruchot 41 (1897) 699, 702; Baumbach/Lauterbach/Hartmann aaO § 264 Anm. 2 C; Stein/Jonas/Schumann aaO § 246 Rdn. 67; Thomas/Putzo aaO; Gross, ZZP 75, 93, 97 ff; Henckel, Festschrift für Bötticher, S. 173, 181 ff; a.A. Rosenberg/Schwab, Zivilprozeßrecht, 14. Aufl., S. 617 f; Schellhammer, Zivilprozeß, 2. Aufl., Rdn. 1409). Hierfür kommt, je nach der Willensrichtung des Klägers, die Klagerücknahme (§ 269 ZPO), der Klageverzicht (§ 306 ZPO) oder die Erklärung der Erledigung der Hauptsache in Frage. Die einseitige Erledigungserklärung beendet indessen nicht die Rechtshängigkeit des für erledigt erklärten Anspruchs; dieser bleibt vielmehr weiterhin verfahrensrechtlich die Hauptsache (BGH, Beschl. v. 21. April 1961, V ZR 155/60, NJW 1961, 1210; Urt. v. 4. Oktober 1962, III ZR 104/61, LM ZPO § 91 a Nr. 16); in der Literatur wird zum Teil die Auffassung vertreten, der Anspruch könne jederzeit durch Verzicht auf die Erledigungserklärung wieder aufgegriffen werden (Zimmermann, ZPO, 1990, § 91 a Rdn. 21; Zöller/Vollkommer aaO § 91 a Rdn. 35; a.A. Baumbach/Lauterbach/Hartmann aaO § 91 a Anm. 6 j; Stein/Jonas/Leipold aaO § 91 a Rdn. 19). Folgt man dem, so konnte der Beklagte die Widerklage in dem Umfang, in dem er sie zunächst für erledigt erklärt hatte, wiederum auf Wandlung stützen, ohne daß die Voraussetzungen erfüllt waren, unter denen das Gesetz eine Klageänderung erlaubt. Die Frage kann indessen für die hier zu treffende Entscheidung offenbleiben.
c) Die Widerklage ist jedenfalls deshalb in ihrem gesamten Umfang zulässig, weil die Widerbeklagten sich in der Schlußverhandlung vom 29. November 1988, ohne der Änderung zu widersprechen, auf den Wandlungsanspruch eingelassen haben. Nach § 267 ZPO ist damit ihre Einwilligung in eine Klageänderung anzunehmen. Das Berufungsgericht stellt zwar in den Entscheidungsgründen, insoweit mit Tatbestandswirkung (§ 314 ZPO), fest, daß der Kläger und die Widerbeklagte der Klageänderung nicht zugestimmt hätten. Das Unterbleiben der Einwilligung in die Klageänderung genügt aber, wenn sich der Gegner auf die geänderte Klage sachlich einläßt, nicht, den Eintritt der Wirkung des § 267 ZPO zu verhindern. Hierzu ist vielmehr ein positives Handeln erforderlich, in dem der Widerspruchswille (zumindest schlüssig) zum Ausdruck kommt. Daran fehlt es. Der Kläger und die Widerbeklagte haben vielmehr durch ihr Verhandeln mit dem bisherigen Antrag auf Abweisung der Widerklage ihre mit Schriftsatz vom 19. August 1988 angekündigte Einlassung auf das Wiederaufgreifen des Wandlungsanspruchs zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht (§ 137 Abs. 3 ZPO; BGH Urt. v. 29. April 1981, VIII ZR 157/80, LM ZPO § 129 Nr. 1). In dem Schriftsatz, der ihr alleiniges Vorbringen gegenüber der erneuten Änderung der Widerklage enthält, verteidigen sie sich gegen den wiederaufgegriffenen Wandlungsanspruch ausschließlich mit Vortrag zur Sache. Aus ihrem früheren Verhalten endlich läßt sich kein Schluß darauf ziehen, sie hätten der erneuten Geltendmachung der Wandlung widersprochen. Der Widerspruch gegen die vorangegangene Klageänderung, nämlich den Übergang von der Wandlung zur Minderung, läßt zumindest in gleicher Weise die Deutung zu, das Wiederaufgreifen des Anspruchs werde hingenommen, wie diejenige, jeder Änderung der Widerklage werde widersprochen, was für einen Inhalt sie auch immer habe.
2. Soweit das Berufungsgericht der Klage stattgegeben hat, beruht dies darauf, daß es irrigerweise den Wechsel von der Minderungseinrede zur Wandlungseinrede nach den Vorschriften über die Klageänderung behandelt und wegen fehlender Sachdienlichkeit nicht zugelassen hat. Eine Änderung der Rechtsverteidigung durch Wechsel des einredeweise geltend gemachten Rechts konnte das Berufungsgericht aber nur nach den Vorschriften über den Ausschluß verspäteten Vorbringens nicht zulassen oder zurückweisen. Hiervon hat das Berufungsgericht abgesehen. Eine Anwendung der Ausschlußvorschriften wäre im übrigen schon daran gescheitert, daß wegen der Zulässigkeit einer Abänderung der Widerklage das auf den gleichen Rechtsgesichtspunkt gestützte Verteidigungsmittel zu einer Verzögerung des Rechtsstreits nicht hätte führen können.
3. Das Berufungsurteil ist somit aufzuheben und die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
Sollte das Berufungsgericht sich erneut mit der Minderung des Kaufpreises zu befassen haben, wird es diese nicht wie bisher berechnen können. Wenn bereits, wie das Berufungsgericht festgestellt hat, die wertmindernden Umstände des Gebäudes, die keinen Mangel im Sinne des § 459 BGB darstellen, und die Mängel, die der Kläger und die Widerbeklagte nach § 460 BGB nicht zu vertreten haben, den Gebäudewert auf Null senken, bleibt für einen Minderungsanspruch kein Raum. Der Wert des Grundstücks in mangelfreiem Zustand war dann mit dessen wirklichem Wert identisch, beide entsprachen dem Bodenwert. Die Minderungsberechnung nach § 472 BGB ist darauf ausgerichtet, das von den Parteien im Vertrag festgesetzte Verhältnis von Leistung und Gegenleistung, unbeschadet des Störfalles, aufrechtzuerhalten. Der Wert der Sache in mangelfreiem Zustand ist daher derjenige, den die Sache hätte, wenn der Mangel nicht vorläge, auf den die Minderung gestützt wird (Erman/Weitnauer, BGB, 8. Aufl., § 472 Rdn. 1). Eine Entwertung der Kaufsache durch Umstände, die zwar den Verkehrswert, nicht aber ihre vertragliche Beschaffenheit berühren und deshalb kein Mangel im Sinne des Kaufrechtes sind, oder durch Mängel, die das Gesetz dem Verkäuferrisiko entzieht (§ 460 BGB), kann keinen Minderungsanspruch auslösen.
Fundstellen
Haufe-Index 2993042 |
BB 1990, 1925 |
NJW 1990, 2682 |
BGHR BGB § 472 Abs. 1 Hypothetischer Wert 1 |
BGHR ZPO § 263 Antragsbeschränkung 1 |
BGHR ZPO § 264 Nr. 2 Anspruch, neuer 1 |
BGHR ZPO § 264 Nr. 2 Rechtshängigkeit 1 |
BGHR ZPO § 267 Widerspruchswille 1 |
DRsp I(130)319d |
WM 1990, 1674 |
MDR 1991, 137 |