Leitsatz (amtlich)
Bei einem auf § 326 BGB gestützten Schadensersatzbegehren können Fälligkeitszinsen nicht mehr geltend gemacht werden. Wohl aber kann dem Gläubiger durch die Nichtzahlung vereinbarter Fälligkeitszinsen ein ersatzfähiger Nichterfüllungsschaden entstanden sein.
Normenkette
BGB § 326 Abs. 1
Verfahrensgang
OLG Dresden (Aktenzeichen 3 U 2465/97) |
LG Chemnitz (Aktenzeichen 12 O 3877/96) |
Tenor
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 3. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Dresden vom 27. Februar 1998 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als dem Zahlungsanspruch stattgegeben wurde.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Mit notariellem Vertrag vom 13. Juni 1994 verkaufte die Klägerin dem Beklagten drei Grundstücke in O. zum Preis von 2,1 Mio. DM. In Abschnitt IV des Vertrages heißt es u.a.:
„…
Der Kaufpreis ist mit Ablauf von 21 Tagen nach Absendung einer schriftlichen Mitteilung des Notars an den Käufer über das Vorliegen der folgenden Voraussetzungen zur Zahlung fällig:
…
Bis zur Fälligkeit ist der Kaufpreis unverzinslich.
Bleibt der Käufer mit der Kaufpreiszahlung im Rückstand, ist der rückständige Betrag mit jährlich 10 % zu verzinsen.
…
Der Käufer unterwirft sich wegen der vorstehenden Zahlungsverpflichtungen der sofortigen Zwangsvollstreckung aus dieser Urkunde in sein gesamtes Vermögen.”
Den am 11. November 1994 fällig gewordenen Kaufpreis bezahlte der Beklagte nicht, wohl aber Zinsen von monatlich 17.500 DM für Januar bis Juli 1995.
Mit anwaltlichem Schreiben vom 11. Januar 1996 mahnte die Klägerin die Bezahlung des Kaufpreises beim Beklagten an; dem Schreiben war eine Kostenrechnung des Rechtsanwalts über 8.261,37 DM beigefügt, in welcher eine 7,5/10 Gebühr gemäß § 118 Abs. 1 BRAGO nach einem Gegenstandswert von 2,1 Mio. DM berechnet war.
Mit weiterem Schreiben ihres Rechtsanwalts vom 27. März 1996 setzte die Klägerin dem Beklagten fruchtlos eine Frist für die Zahlung des Kaufpreises zuzüglich der zwischenzeitlich aufgelaufenen Zinsen bis zum 30. April 1996 mit der Ankündigung, ihn danach auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung in Anspruch zu nehmen.
Die Klägerin hat beantragt, den Beklagten zur Zahlung von 10 % Zinsen jährlich für die Monate August 1995 bis April 1996 in Höhe von 157.500 DM zuzüglich Rechtsanwaltskosten von 8.261,37 DM sowie dahin zu verurteilen, die Löschung der eingetragenen Auflassungsvormerkung zu bewilligen. Land- und Oberlandesgericht haben der Klage im wesentlichen stattgegeben. Mit der auf die Verurteilung zur Zahlung von 157.642,45 DM beschränkten Revision verfolgt der Beklagte seinen Klageabweisungsantrag weiter. Die Klägerin beantragt die Zurückweisung des Rechtsmittels.
Entscheidungsgründe
I.
Das Berufungsgericht hält den Schadensersatzanspruch wegen Nichterfüllung nach § 326 Abs. 1 BGB für gerechtfertigt. Es wertet die vertragliche Zinsklausel als Pauschalierung des Verzugsschadens. Das AGBG sei nicht anwendbar. Die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten hält es in voller Höhe für erstattungsfähig.
II.
Die Ausführungen des Berufungsgerichts halten einer rechtlichen Überprüfung nicht in allen Punkten stand.
1. Zu Recht hält das Berufungsgericht allerdings die Zahlungsklage für zulässig. Der im notariellen Vertrag vom 13. Juni 1994 titulierte Zinsanspruch der Klägerin läßt das Rechtsschutzbedürfnis für die Zahlungsklage nicht entfallen.
Zur Zwangsvollstreckung gemäß § 794 Abs. 1 Nr. 5 ZPO ist eine Urkunde geeignet, wenn sie auf Zahlung einer bestimmten Geldsumme (oder auf Leistung einer bestimmten Menge anderer vertretbarer Sachen oder Wertpapiere) gerichtet ist und der Schuldner sich in der Urkunde der sofortigen Zwangsvollstreckung unterworfen hat. Ein Zahlungsanspruch ist in diesem Sinne bestimmt, wenn er betragsmäßig festgelegt ist oder sich aus der Urkunde ohne weiteres errechnen läßt (Senat BGHZ 88, 62, 64 f; BGH, Urt. v. 15. Dezember 1994, IX ZR 255/93, NJW 1995, 1162). Unter dieser Voraussetzung ist auch eine künftige oder bedingte Forderung unterwerfungsfähig. Der Bestimmtheitsgrundsatz erfordert aber, daß die Höhe des künftigen oder bedingten Anspruchs in der Urkunde festgestellt ist. Daran fehlt es, wenn die Urkunde nur auf eine mögliche, nicht schon im Betrag feststehende Forderung lautet (Senat BGHZ aaO, 65 m.w.N.).
Hier bezieht sich die Unterwerfungserklärung nach ihrem Wortlaut und nach ihrem Sinnzusammenhang mit den in demselben Abschnitt der Urkunde genannten Ansprüchen der Klägerin auch auf den Zinsanspruch. Er ist in der Urkunde jedoch nicht hinreichend bestimmt im Sinne des § 794 Abs. 1 Nr. 5 ZPO. Die Anspruchshöhe läßt sich der Urkunde nicht entnehmen, weil der Zinsbeginn sich nicht aus ihr ergibt und sich auch nicht aus ihr bestimmen läßt. Erst anhand einer nach Errichtung der Urkunde erfolgten Mitteilung des Notars kann der Beginn der Zinspflicht errechnet werden.
2. Mit Erfolg wendet sich die Revision aber gegen die – nicht näher begründete – Auffassung des Berufungsgerichts, der Anspruch der Klägerin auf Zahlung von Zinsen ab Fälligkeit des Kaufpreises sei eine Pauschalierung des Verzugsschadens. Denn das Berufungsgericht hat es verfahrensfehlerhaft unterlassen, die rechtliche Bedeutung der Klausel im Wege der Auslegung zu ermitteln.
Da weitere tatsächliche Feststellungen nicht mehr in Betracht kommen, ist das Revisionsgericht zur eigenen Auslegung befugt (Senatsurt. v. 24. April 1992, V ZR 13/91, NJW 1992, 2625; BGHZ 121, 284, 289).
a) Die Zinsklausel beinhaltet keine Pauschalierung des Verzugsschadens. Dies ergibt sich aus dem Wortlaut, wonach die Zinspflicht nicht an einen Verzug, sondern an einen „Rückstand” des Beklagten mit der Kaufpreiszahlung geknüpft ist. Da der Vertragstext von einem Notar formuliert wurde, wäre zu erwarten gewesen, daß anderenfalls das Erfordernis des Verzuges des Käufers in den Vertrag aufgenommen worden wäre (vgl. Senatsurt. v. 24. April 1992, aaO, 2626).
b) Da Besitz, Nutzungen und Gefahr nach Abschnitt III des notariellen Vertrages erst mit Zahlung des Kaufpreises übergehen sollten, kann die Zinsklausel auch nicht als Pauschalierung des Anspruches aus § 452 BGB ausgelegt werden.
c) Die Zinsklausel enthält schließlich nicht die Vereinbarung einer Vertragsstrafe. Abgesehen davon, daß der Begriff im Text nicht auftaucht, gibt es keine Anhaltspunkte dafür, daß die Klausel in erster Linie die Erfüllung der vertraglich geschuldeten Leistung sichern und auf den Beklagten einen möglichst wirkungsvollen Druck zur Zahlung ausüben sollte.
d) Die Klausel enthält in Wahrheit eine Vereinbarung von Fälligkeitszinsen. Aus ihrem Wortlaut und dem Zusammenhang mit den übrigen Vertragsbestimmungen ergibt sich, daß sie eine zusätzliche vertragliche Leistung neben der Verpflichtung des Käufers zur Kaufpreiszahlung begründen soll. Die Zinspflicht soll ohne weitere Voraussetzungen, wie z.B. Mahnung, bei einem „Rückstand mit der Kaufpreiszahlung” eintreten. Sie schließt unmittelbar an die Bestimmung über die Unverzinslichkeit des Kaufpreises bis zu seiner Fälligkeit an. Damit wird eine Abhängigkeit zwischen Verzinsungspflicht und Zinsbeginn von der Kaufpreisfälligkeit hergestellt. Dementsprechend hat der Beklagte Zinsen auch ohne Verzug gezahlt.
3. Handelt es sich um die Vereinbarung von Fälligkeitszinsen, kommt es darauf, ob das AGBG Anwendung findet, nicht an, weil die Klage insoweit schon unschlüssig ist. Denn Fälligkeitszinsen können nach einem auf § 326 BGB gestützten Schadensersatzbegehren nicht mehr geltend gemacht werden, weil sie zu den primären Erfüllungsansprüchen gehören, die mit dem fruchtlosen Ablauf der Nachfrist gemäß § 326 Abs. 1 Satz 2 BGB erloschen sind (Senatsurt. v. 17. Januar 1997, V ZR 285/95, NJW 1997, 1231 m.w.N.). Wohl aber kann dem Gläubiger durch die Nichtzahlung vereinbarter Fälligkeitszinsen ein ersatzfähiger Nichterfüllungsschaden entstanden sein. Ein solcher ist jedoch nicht geltend gemacht worden.
Da sowohl das Berufungsgericht als auch die Parteien diesen rechtlichen Gesichtspunkt bisher übersehen haben, sieht sich der Senat an einer eigenen Entscheidung gehindert. Das Berufungsgericht wird außerdem zu bedenken haben, daß ein Nichterfüllungsschaden wie z.B. die geltend gemachten Rechtsanwaltskosten als Schadensposten im Rahmen des notwendigen Gesamtvermögensvergleichs nur verlangt werden können, wenn sie nicht durch Vorteile aufgewogen werden. Hierzu bedarf es weiterer Feststellungen, weil der Beklagte behauptet, die Klägerin habe aus dem Weiterverkauf der Grundstücke einen Mehrerlös von 900.000 DM erzielt (vgl. hierzu Senat, BGHZ 136, 52).
III.
Nach allem hat das Berufungsurteil im angefochtenen Umfang keinen Bestand. Die Sache ist vielmehr zwecks weiterer Feststellungen zum Vermögensschaden der Klägerin, insbesondere zur Frage eines aus dem Weiterverkauf der Grundstücke erzielten Mehrerlöses, an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
Unterschriften
Wenzel, Lambert-Lang, Tropf, Klein, Lemke
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 01.10.1999 durch Kanik, Justizamtsinspektorin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
Fundstellen
BB 1999, 2583 |
DB 2000, 273 |
NJW 2000, 71 |
BGHR |
BauR 2000, 304 |
EWiR 2000, 65 |
JurBüro 2000, 219 |
Nachschlagewerk BGH |
WM 2000, 138 |
WuB 2000, 345 |
ZAP 1999, 1235 |
ZIP 1999, 2024 |
ZfIR 1999, 896 |
JA 2000, 353 |
MDR 2000, 77 |
NJ 2000, 312 |
ZBB 2000, 54 |
ZNotP 2000, 26 |