Leitsatz (amtlich)
Zur Frage, ob eine - formularmäßige - Vertragsklausel, durch die ein Einzelhändler mit Presseerzeugnissen dem Dispositionsrecht des Gebietsgroßhändlers unterworfen wird, eine unbedingte Behinderung i. S. des § 26 II GWB und/oder eine unangemessene Benachteiligung i. S. des § 9 AGBG enthält, wenn dem Einzelhändler das Remissionsrecht zusteht.
Verfahrensgang
OLG Karlsruhe (Entscheidung vom 21.05.1980) |
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 21. Mai 1980 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Revisionsverfahrens einschließlich der Kosten der Nebenintervention.
Tatbestand
Die Beklagte vertreibt als alleiniger Gebietsgroßhändler im Raum Mannheim die Zeitungen und Zeitschriften der meisten in- und ausländischen Verlage - außer einigen örtlichen Tageszeitungen -, unter anderem die im Verlag ihrer Streithelferin erscheinenden Presseerzeugnisse. In den Lieferungs- und Zahlungsbedingungen der Beklagten findet sich unter A 2 folgende Bestimmung:
"Der Einzelhändler erklärt sich bereit, ständig im Rahmen seiner Möglichkeiten das volle Sortiment zu führen. Dabei ist insbesondere die sich aus Art. 5 des Grundgesetzes ergebende Forderung des freien Zugangs zum Markt für jedes Presseerzeugnis zu beachten.
Bei der Ausübung des Dispositionsrechts für Presseerzeugnisse unterliegt der Grossist folgenden Einschränkungen:
Die Branchenüblichkeit sowie die Richtlinien der Verlage und die von ihnen vorgegebenen Remissionsquoten sind zu beachten; allerdings sind dem Einzelhändler nur so viele Exemplare zu liefern, daß die Gesamtremission aller Objekte im Jahresdurchschnitt nicht unangemessen hoch ist. Die Angemessenheit der Remissionshöhe bestimmt sich aus der Umsatzgruppe des Kunden und der Schwankungsbreite des Verkaufs beim jeweiligen Objekt."
Der Kläger, der in Mannheim als Zeitungs- und Zeitschriften-Einzelhändler tätig ist, erkennt diese Klausel nicht an. Die Beklagte hält sich für berechtigt, die Belieferung des Klägers von der Anerkennung abhängig zu machen. Mit der Klage hat der Kläger die Feststellung der Unwirksamkeit der Klausel begehrt. Das Landgericht hat die Unwirksamkeit "im Verhältnis unter den Parteien" festgestellt. Hiergegen hat die Beklagte Berufung eingelegt. Der Kläger hat den Klagantrag geändert und beantragt festzustellen, daß die Beklagte nicht berechtigt sei, seine Weiterbelieferung von der Anerkennung ihrer Liefer- und Zahlungsbedingungen einschließlich der Klausel A 2 abhängig zu machen. Das Berufungsgericht hat die Klage abgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Die Beklagte und ihre Streithelferin möchten die Revision zurückgewiesen haben.
Entscheidungsgründe
Die Revision bleibt erfolglos.
I.
Das Berufungsgericht hat der Feststellungsklage das Rechtsschutzinteresse zuerkannt. § 13 des Gesetzes zur Regelung des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGBG) stehe der Klage nicht entgegen. Der Kläger könne nicht auf eine Leistungsklage verwiesen werden, da der Streit der Parteien ausschließlich um die Frage gehe, ob sich der Kläger der angeführten Klausel unterwerfen müsse, und die Feststellungsklage daher geeignet sei, den Streit der Parteien endgültig beizulegen, ohne ihn auf zwischen den Parteien nicht streitige Punkte auszudehnen.
Die Revision zieht die Richtigkeit dieser Ansicht als ihr günstig nicht in Zweifel. Die Beklagte und ihre Streithelferin vertreten demgegenüber die Auffassung, die Feststellungsklage sei unzulässig, da der Kläger durch eine Leistungsklage sein Ziel, die Weiterbelieferung unter Ausschluß der streitigen Klausel zu sichern, ebenfalls habe erreichen können.
Die Rechtsauffassung des Berufungsgerichts ist zu billigen. § 13 AGBG steht der Klage schon deshalb nicht entgegen, weil sie nicht auf Feststellung der generellen Unwirksamkeit der Klausel geht, sondern auf Feststellung der Belieferungspflicht ohne Anerkennung der Verbindlichkeit der Klausel durch den Kläger. Daß es im übrigen mit den Grundsätzen der Prozeßwirtschaftlichkeit in Einklang steht, in einem Falle, in dem die gegenwärtige und künftige Lieferpflicht unter bestimmten Modalitäten streitig ist, deren Bestehen durch eine Feststellungsklage geltend zu machen, hat das Berufungsgericht in Übereinstimmung mit der Rechtsauffassung des Senats (urteile vom 17. Januar 1979 - KZR 1/78 - Fernsehgeräte I, GRUR 1979, 560, und vom 24. März 1981 - KZR 2/80 - SB-Verbrauchermarkt, GRUR 1981, 610) dargelegt.
II.
1.
Das Berufungsgericht hat die streitige Klausel als eine allgemeine Geschäftsbedingung angesehen, die der Überprüfung nach § 9 AGBG unterliege, weil sie durch die Übertragung des Dispositionsrechts auf den Verkäufer von einem wesentlichen Grundgedanken des Vertragsrechts abweiche, wonach es im Belieben des Käufers stehe, welche Ware er erwerben wolle.
Das Berufungsgericht meint, die Klausel benachteilige den Kläger nicht unangemessen. In dem Geschäftsverkehr mit Zeitungen und Zeitschriften zwischen Groß- und Einzelhändler sei das Remissionsrecht des Einzelhändlers Handelsbrauch im Sinne des § 346 HGB. Dieses Recht garantiere die Pressevielfalt, die eine wesentliche Voraussetzung der verfassungsrechtlich geschützten Informationsfreiheit darstelle. Das Remissionsrecht finde in dem Dispositionsrecht des Großhändlers den wirtschaftlich gebotenen Ausgleich. Läge das Dispositionsrecht beim Einzelhändler, dann sei zu befürchten, daß dieser sich auf den Bezug der sogenannten Brotobjekte beschränke; der Großhändler, der als Inhaber des Gebietsmonopols dem Abschlußzwang unterliege, habe keine Möglichkeit, dem entgegenzutreten und weniger gewinnbringenden Presseerzeugnissen den Weg zum Endverbraucher zu bahnen. Eine unangemessene Benachteiligung liege auch nicht darin, daß der Einzelhändler die gelieferte Ware zunächst bezahlen müsse und die Gutschrift erst nach erfolgter Remission erhalte. Bei den auflagestarken Objekten erziele er den Erlös überwiegend unmittelbar nach dem Erscheinen, während er mit dem Rechnungsbetrag später belastet werde. Dies gleiche den behaupteten "laufenden zinslosen Betriebskredit" im wesentlichen aus.
Auch die in der Klausel getroffenen Einzelregelungen benachteiligten den Kläger nicht unangemessen. Diese schränkten vielmehr den Spielraum des Großhändlers bei der Handhabung des Dispositionsrechts soweit wie möglich ein. Wenn eine Mißbrauchsgefahr nicht ausgeschlossen sei, so unterscheide dies die Klausel nicht von anderen Vertragsbestimmungen; einem Mißbrauch könne jedoch aufgrund der Klausel wirksam entgegengetreten werden.
2.
Die Revision macht hiergegen geltend: Der Handelsbrauch der Remission erfordere nicht die Übertragung der Disposition auf den Großhändler. Mit der Feststellung, daß diese der wirtschaftlich gebotene Ausgleich für das Remissionsrecht des Einzelhändlers darstelle, habe das Berufungsgericht die Grenzen seiner Sachkunde überschritten. Die Einräumung des Remissionsrechts diene ausschließlich den Interessen der Verleger, die anders ihre erheblichen Umsätze nicht würden erzielen können, da die nachgeordneten Handelsstufen sonst wesentlich vorsichtiger disponieren würden. Das Dispositionsrecht lasse sich auch nicht damit rechtfertigen, daß die Beklagte ihrerseits dem Dispositionsrecht der Verlagsseite unterworfen sei. Unrichtig sei auch die Annahme, das Remissionsrecht sichere die Pressevielfalt. Die Remission diene der Aufrechterhaltung der marktbeherrschenden Stellung der Großverlage. Daß auch Titel mit kleinen Auflagen der Remission unterlägen, sei nur eine Nebenwirkung, die die Großverlage nicht ausschließen könnten. Indem das Berufungsgericht darauf verweise, daß die Großhändler als Gebietsmonopolisten die Einzelhändler nur über das Dispositionsrecht zur Abnahme von Titeln mit kleiner Auflage veranlassen könnten, setze es ungeprüft voraus, daß die bestehenden Gebietsmonopole kartellrechtlich zulässig seien. Die Gebietsmonopole dienten lediglich den Interessen der Großverlage; den mittleren und kleinen Verlegern sei mit Wettbewerb auf der Großhandelsstufe eher gedient. Das Dispositionsrecht lasse sich auch nicht mit dem Grundrecht der Informationsfreiheit rechtfertigen. Dieses gehe nicht so weit, den Händler zur Abnahme unerwünschter Ware zu zwingen.
Auch die einzelnen Regelungen der Klausel A 2 benachteiligten den Kläger unangemessen. Die Verpflichtung zur Führung des ganzen Sortiments greife in die Vertragsfreiheit ein. Daß die Verpflichtung nur im Rahmen der Möglichkeiten des Einzelhändlers bestehe, sei keine hinreichende Konkretisierung; dadurch könnten gerichtliche Auseinandersetzungen nicht verhindert werden. Dasselbe gelte für die Bestimmung, daß das Dispositionsrecht nur im Rahmen des Branchenüblichen ausgeübt werden dürfe, wobei hinzutrete, daß die Branchenüblichkeit der Disposition der jeweils vorgeordneten Wirtschaftsstufe durch die Verlage erzwungen worden sei. Der Hinweis auf die Richtlinien der Verlage liefere den Einzelhändler der Willkür der Verlage und der von ihnen abhängigen Großhändler aus. Schließlich gebe die Regelung der Remissionsquoten den Großhändlern das Recht, diese und damit ihren zinslosen Betriebskredit willkürlich zu erhöhen. Unbillig sei schließlich die Befugnis des Großhändlers, nach Belieben die Zuteilung bestimmter Titel zu kürzen. Eine willkürliche Handhabung werde auch nicht durch die Berücksichtigung der Umsatzgruppe und der Schwankungsbreite des Verkaufs ausgeschlossen.
3.
Diese Angriffe der Revision bleiben ohne Erfolg.
a)
Das Berufungsgericht geht zutreffend davon aus, daß die Übertragung des Dispositionsrechts auf den Verkäufer von wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung im Sinne des § 9 Abs. 2 Nr. 1 AGBG abweicht und mit diesen nicht zu vereinbaren ist. Zwar gibt es keine ausdrückliche Gesetzesbestimmung, nach der das Recht, über Art und Menge der zu liefernden Ware zu bestimmen, beim Käufer liegt. Es handelt sich dabei aber um einen Grundsatz, der sich aus der Rechtsordnung in ihrer Gesamtheit ergibt. Auch auf solche Rechtssätze bezieht sich die in der genannten Vorschrift enthaltene Wendung "gesetzliche Regelung" (vgl. Begründung zum Regierungsentwurf des AGB-Gesetzes - BT-Drucks. 7/3919, zu § 7 Abs. 2 S. 23). Danach spricht eine Vermutung dafür, daß die Klausel den Vertragspartner des Verwenders in einer gegen Treu und Glauben verstoßenden Weise unangemessen benachteiligt. Daß die Klausel allgemein im Geschäftsverkehr zwischen Groß- und Einzelhändlern auf dem Pressemarkt üblich ist, würde einen Verstoß gegen Treu und Glauben nicht ausräumen (vgl. BGH NJW 1973, 991).
b)
Zu Recht hat das Berufungsgericht jedoch bei der Prüfung der Frage, ob die Klausel, trotz der durch § 9 Abs. 2 Nr. 1 AGBG indizierten Unbilligkeit, gleichwohl mit den Grundsätzen dieses Gesetzes zu vereinbaren ist, den Umstand herangezogen, daß die Beklagte dem Kläger auf der anderen Seite, entsprechend einem Handelsbrauch, der gemäß § 24 Abs. 2 2. Halbsatz AGBG zu berücksichtigen ist, das Recht der Remission einräumt, das heißt das Recht, innerhalb des Verkaufszeitraums nicht abgesetzte Zeitungen und Zeitschriften gegen Gutschrift des Einkaufspreises an sie zurückzugeben. Denn die Frage, ob eine einzelne Vertragsbestimmung den Vertragspartner des Verwenders unangemessen benachteiligt, kann zuverlässig nur aufgrund einer Beurteilung des gesamten Vertragsgefüges und einer Abwägung der dadurch begründeten beiderseitigen Rechte und Pflichten beantwortet werden. Das vom Berufungsgericht gewonnene Ergebnis, daß die dem Kläger nachteilige Übertragung des Dispositionsrechts auf die Beklagte einen angemessenen wirtschaftlichen Ausgleich in Gestalt der Einräumung des Remissionsrechts findet und daß sich deshalb die Übertragung des Dispositionsrechts nicht als eine gegen Treu und Glauben verstoßende unangemessene Benachteiligung des Klägers darstellt, ist zu billigen. Ohne das Dispositionsrecht des Großhändlers und das Remissionsrecht des Einzelhändlers stünde es zwar im Belieben des Einzelhändlers, welche Zeitungen und Zeitschriften er erwerben will und in welcher Anzahl; er würde jedoch auch das volle Absatzrisiko tragen, denn eine Befugnis, nicht absetzbare Ware an den Verkäufer gegen Gutschrift des Kaufpreises zurückzugeben, ist der Rechtsordnung gleichfalls fremd. Das Dispositionsrecht des Großhändlers entzieht dem Einzelhändler in einem wesentlichen Bereich die freie unternehmerische Entscheidung; auf der anderen Seite befreit ihn aber das Remissionsrecht von dem Risiko der Fehldisposition und verlagert dieses auf den Großhändler, der es seinerseits, was aber nicht Gegenstand der hier zur Beurteilung stehenden vertraglichen Regelung ist, auf den Verleger abwälzt. Die dem Einzelhändler schädlichen Wirkungen der Übertragung des Dispositionsrechts auf den Großhändler werden durch diese komplementäre Bestimmung so weit wie möglich wieder beseitigt. Die vertragliche Regelung insgesamt erscheint daher ausgewogen und verdient nicht den vom Kläger erhobenen Vorwurf einer gegen Treu und Glauben verstoßenden unangemessenen Benachteiligung.
c)
Die Auffassung der Revision, das Remissionsrecht diene ausschließlich den Interessen der Verleger, die anders geringere Umsätze erzielen und ihre Stellung am Markt einbüßen würden, ist unrichtig. Es mag sein, daß die Verleger auch ein eigenes Interessse daran haben, daß in die Vertragsgestaltung zwischen Groß- und Einzelhändlern deren Remissionsbefugnis einbezogen wird. Das Bestehen eines solchen Interesses schließt aber nicht aus, daß das Remissionsrecht zugleich den Belangen der Einzelhändler dient und die nachteiligen Auswirkungen des Dispositionsrechts der Großhändler ausgleicht.
Die Ansicht der Revision, das Dispositionsrecht der Großhändler bedürfe einer Rechtfertigung aus sich selbst, übersieht, daß es für die Frage der Rechtfertigung dieser Schlechterstellung des Einzelhändlers auf das gesamte Vertragsgefüge einschließlich der Regelung des Remissionsrechts ankommt. Die von der Revision aufgeworfene Frage, ob auch eine vertragliche Regelung funktionsfähig sei, die zwar das Remissionsrecht des Einzelhändlers, nicht aber das Dispositionsrecht des Großhändlers kenne, geht deshalb an der hier zu entscheidenden Frage, ob die Nachteile des Dispositionsrechts durch Vorteile des Remissionsrechts ausgeglichen werden, vorbei. Aus demselben Grunde ist es ohne Bedeutung, ob das Dispositionsrecht der Großhändler sich etwa daraus rechtfertigen läßt, daß diese ihrerseits der Disposition der Verlage unterworfen sind, und ob sich der Marktzugang der kleinen und mittleren Verlage und der Marktzugang für auflageschwache Verlagsobjekte auch ohne das System der Gebietsmonopolisten mit Dispositionsrecht auf der Großhandelsstufe erzielen ließe. Schließlich bedarf es nicht der Heranziehung der angeblich günstigen Auswirkungen dieses Vertragswerks im Hinblick auf die Gewährleistung des Grundrechts der Presse- und Informationsfreiheit nach Art. 5 Abs. 1 GG, so daß nicht entschieden zu werden braucht, ob eine etwaige Verpflichtung der Einzelhändler, im Interesse der Durchsetzung dieses Grundrechts Rechtseinbußen in ihren vertraglichen Beziehungen zu den Großhändlern hinzunehmen, geeignet sein kann, solche Rechtsnachteile im Rahmen der Inhaltskontrolle nach § 9 AGBG zu rechtfertigen.
Die Auffassung der Revision, die Einzelregelungen des Remissionsrechts seien nicht hinreichend konkret und lieferten die Einzelhändler völlig der Willkür der Verlage und der von ihnen beherrschten Großhändler aus, übersieht, daß generalisierende Regelungen wie die hier von der Beklagten verwendete allgemeine Geschäftsbedingung nicht einen solchen Grad der Konkretisierung erhalten können, daß ihre Anwendung in jedem Einzelfall von vornherein keine Zweifelsfragen aufkommen lassen kann; sie müssen vielmehr, sofern sie auf eine Vielzahl von Einzelfällen mit untereinander unterschiedlichen tatsächlichen Merkmalen anwendbar sein sollen, ausreichend flexibel sein. Daß dies bei der hier streitigen Klausel nicht der Fall wäre, behauptet die Revision selbst nicht. Daß die Großhändler infolge des Spielraums, den die Klausel bietet, nicht das Recht haben, diese entgegen den Interessen der Einzelhändler und nach eigener Willkür zu handhaben, folgt aus allgemeinen Rechtsgrundsätzen. Daß im Einzelfall Zweifelsfragen über die Tragweite des Dispositions- und des Remissionsrechts auftreten können, hat die beanstandete Klausel, worauf das Berufungsgericht zutreffend hingewiesen hat, mit zahlreichen, wenn nicht der Mehrzahl generalisierender Regelungen gemeinsam, ohne daß diese allein deshalb dem Vorwurf der unangemessenen Benachteiligung ausgesetzt wären.
III.
1.
Zur Frage der Überprüfung der streitigen Klausel unter dem Gesichtspunkt der unbilligen Behinderung im Sinne des § 26 Abs. 2 GWB hat das Berufungsgericht ausgeführt: Der Heranziehung dieser Vorschrift bedürfe es nicht, da die Parteien nicht über das Bestehen, sondern nur über die Modalitäten der Lieferpflicht stritten. § 9 AGBG und § 26 Abs. 2 GWB wiesen hinsichtlich ihrer Voraussetzungen und Wirkungen Überschneidungen auf. Eine unangemessene Benachteiligung könne zugleich eine unbillige Behinderung sein; jedoch seien die Vorausetzungen für die Anwendung der beiden Vorschriften unterschiedlich. Diese seien nach § 26 Abs. 2 GWB enger; dagegen seien die Rechtsfolgen nach § 9 AGBG spezieller. Sei die begehrte Rechtsfolge aus § 9 AGBG herleitbar, dann erübrige sich eine Prüfung nach § 26 GWB.
2.
Die Revision macht hiergegen geltend: Da die Klausel nach Auffassung des Berufungsgerichts nicht gegen § 9 AGBG verstoße, hätte es von seinem Standpunkt aus in eine Prüfung nach § 26 Abs. 2 GWB eintreten müssen. Die Tatbestandsmerkmale dieser Norm seien erfüllt. Insbesondere komme die Vorschrift auch zur Anwendung, wenn sich lediglich aus den Modalitäten der angebotenen Belieferung eine unbillige Behinderung ergebe.
3.
a)
Der Revision ist zuzugeben, daß sich eine Erörterung der Klausel unter dem Gesichtspunkt der unbilligen Behinderung im Sinne des § 26 Abs. 2 GWB nicht auf der Grundlage der Ausführungen des Berufungsgerichts erübrigt; denn das Berufungsgericht hat eine solche nur für unnötig erachtet für den Fall, daß sich die Unwirksamkeit der Klausel bereits aus § 9 AGBG ergibt. Da dies - auch nach Ansicht des Berufungsgerichts - nicht der Fall ist, hätte es die Prüfung unter dem rechtlichen Gesichtspunkt der unbilligen Behinderung im Sinne des § 26 Abs. 2 GWB nur unterlassen dürfen, wenn die Anwendbarkeit dieser Vorschrift voraussetzen würde, daß eine unangemessene Benachteiligung im Sinne des § 9 AGBG zu bejahen wäre. Dieser Frage ist das Berufungsgericht nicht abschließend nachgegangen; auch hat es nicht überprüft, ob die Abhängigmachung der Belieferung von der Anerkennung der streitigen Klausel den Tatbestand der unbilligen Behinderung nach § 26 Abs. 2 GWB erfüllt. Dieser Prüfung war das Berufungsgericht nicht etwa deshalb enthoben, weil die Parteien nur um die Modalitäten der Lieferpflicht streiten. Daß die Bereitschaft zur Belieferung unter einer diskriminierenden Bedingung eine unbillige Behinderung im Sinne des § 26 sein kann, kann nicht zweifelhaft sein und entspricht auch der Rechtsprechung des erkennenden Senats (vgl. Entscheidungen vom 24. Februar 1976 - KVR 3/75, WuW/E BGH 1429 - Asbach - und vom 7. Oktober 1980 - KZR 25/75, BGHZ 78, 190, 197, 198 - Rote Liste).
b)
Die Frage, ob und in welcher Hinsicht die Tatbestandsmerkmale der unangemessenen Benachteiligung (§ 9 ABGB) und der unbilligen Behinderung (§ 26 Abs. 2 GWB) in ihrem sachlichen Gehalt voneinander abweichen, ob insbesondere die bei der Anwendung der kartellrechtlichen Vorschrift gebotene Beachtung der auf die Sicherung der Freiheit des Wettbewerbs gerichteten Zielsetzung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen dazu führt, daß eine unbillige Behinderung auch vorliegen kann, wenn eine unangemessene Benachteiligung zu verneinen ist, braucht jedoch nicht in dieser Allgemeinheit entschieden zu werden. Denn eine Überprüfung der streitigen Vertragsklausel nach den durch § 26 Abs. 2 GWB aufgestellten Maßstäben ergibt, daß eine unbillige Behinderung im Sinne dieser Vorschrift ebenfalls nicht festgestellt werden kann.
Auch im Rahmen dieser Prüfung ist nicht die beanstandete Klausel für sich zu bewerten; vielmehr ist zu berücksichtigen, wie sie sich in das gesamte Gefüge der Geschäftsbeziehung eingliedert und ob bei einer zusammenfassenden Betrachtung der beiderseitigen Rechte und Pflichten davon die Rede sein kann, daß die Handlungsfreiheit des Klägers in unangemessener Weise eingeschränkt und dadurch eigene Interessen der Beklagten auf Kosten des Klägers durchgesetzt werden sollen (vgl. BGH WuW/E 869 - Rinderbesamung II). Der vom Berufungsgericht festgestellte Sachverhalt gestattet den Schluß, daß dies nicht der Fall ist. Zwar bedeutet die Übertragung des Dispositionsrechts auf die Beklagte, wie schon dargelegt, eine erhebliche Einschränkung der Handlungsfreiheit des Klägers, der sich seiner natürlichen Befugnis, zu bestimmen, welche Ware er einkauft, begeben muß. Dieser Eingriff in seine unternehmerische Entscheidungsbefugnis wird aber, wie im Zusammenhang mit der Prüfung der streitigen Klausel auf ihre Verträglichkeit mit § 9 AGBG ebenfalls schon näher ausgeführt worden ist, dadurch ausgeglichen, daß ihm auch das unternehmerische Risiko für eine Fehldisposition durch sein Remissionsrecht so weit wie möglich abgenommen wird. Die Einschränkung, der er unterworfen ist, wirkt sich nicht wesentlich zu seinem Nachteil aus. Er ist zwar stärker in die Vertriebsorganisation der Beklagten eingebunden als ein Einzelhändler, der in seiner Disposition gegenüber dem Großhändler frei ist; dafür genießt er aber umgekehrt durch das Remissionsrecht einen weitreichenden Schutz gegen die unternehmerischen Risiken, denen der in seiner Disposition nicht eingeschränkte Einzelhändler ausgesetzt ist und die er im Regelfalle nicht auf die vorgeordnete Marktstufe abwälzen kann. Die Einschränkung, der er unterworfen ist, erweist sich danach infolge des Schutzes, der ihm auf der anderen Seite zuteil wird, nicht als unbillig.
IV.
Deshalb ist die Revision mit der Kostenfolge aus den §§ 97, 101 ZPO zurückzuweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 3018809 |
BGHZ, 238 |
NJW 1982, 644 |
NJW 1982, 644-646 (Volltext mit amtl. LS) |
GRUR 1982, 187 |
AfP 1982, 110 |
AfP 1982, 110-113 |
MDR 1982, 295-296 (Volltext mit amtl. LS) |