Entscheidungsstichwort (Thema)

Kleiner Schadensersatz im Dieselskandal

 

Leitsatz (redaktionell)

Steuernachforderungen, Stilllegungskosten, Kosten im Zusammenhang mit etwaigen schädlichen Auswirkungen des Softwareupdates können jedenfalls nicht als Schaden ersetzt verlangt werden, wenn der sogenannte kleine Schadensersatz (Ersatz des Minderwerts) geltend gemacht werden soll. Die drohende Gefahr der Unsicherheit rührt demnach daher, dass bewusst nicht eine Form der Berechnung des Schadensersatzes gewählt wurde und ist vom Geschädigten selbst zu verantworten. Eine solche Unsicherheit vermag das Feststellungsinteresse nicht zu begründen.

 

Normenkette

ZPO § 256 Abs. 1; BGB § 826

 

Verfahrensgang

OLG Oldenburg (Oldenburg) (Entscheidung vom 25.03.2021; Aktenzeichen 1 U 165/19)

LG Aurich (Entscheidung vom 03.12.2019; Aktenzeichen 3 O 484/19)

 

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird unter Zurückweisung der Revision im Übrigen das Urteil des 1. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Oldenburg vom 25. März 2021 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als der hilfsweise gestellte Antrag zu 5 abgewiesen worden ist.

Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger Schadensersatz zu bezahlen für weitere Schäden, die daraus resultieren, dass die Beklagtenpartei in den Motor, Typ EA 189, des Fahrzeugs VW Golf mit der FIN WVZZZ1KZCM637208, mindestens eine unzulässige Abschalteinrichtung in der Form einer Software eingebaut hat, die bei Erkennung des Neuen Europäischen Fahrzyklus das Abgasrückführungssystem in einen Modus schaltet, der zu einer höheren Abgasrückführungsrate und zur Reduktion des Stickstoffemissionsmesswertes führt, und die im Normalbetrieb das Abgasrückführungssystem in einen anderen Modus schaltet, der zu einem höheren Schadstoffausstoß führt, bzw. in Gestalt einer Funktion, die durch Bestimmung der Außentemperatur die Parameter der Abgasbehandlung so verändert, dass die Abgasnachbehandlung außerhalb eines Thermofensters von 17 ˚C bis 33 ˚C reduziert wird (sog. Thermofenster).

Die Kosten des Rechtsstreits der I. und II. Instanz tragen der Kläger zu 40 %, die Beklagte zu 60 %. Die Kosten des Revisionsverfahrens tragen der Kläger zu 90 %, die Beklagte zu 10 %.

Der Streitwert für die Revisionsinstanz wird auf 5.330,64 € festgesetzt.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Rz. 1

Der Kläger nimmt die Beklagte, eine Kraftfahrzeugherstellerin, wegen der Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung auf Schadensersatz in Anspruch.

Rz. 2

Der Kläger erwarb am 7. Januar 2015 ein von der Beklagten hergestelltes Kraftfahrzeug des Typs VW Golf 1,6 TDI Variant als Gebrauchtwagen zum Preis von 11.636 €. Das Fahrzeug ist mit einem ebenfalls von der Beklagten hergestellten Dieselmotor der Baureihe EA 189 ausgestattet. Dieser enthielt eine Software, die bewirkte, dass auf dem Prüfstand ein besonderer Betriebsmodus mit deutlich geringeren Stickoxidemissionen als im Normalbetrieb aktiv war.

Rz. 3

Mit Schreiben vom 27. Februar 2019 machte der spätere Prozessbevollmächtigte Ansprüche des Klägers gegenüber der Beklagten geltend, die diese mit Schreiben vom 8. März 2019 zurückwies.

Rz. 4

Der Kläger hat beantragt festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihm Schadensersatz zu leisten für Schäden, die aus der Manipulation des Fahrzeugs resultieren. Hilfsweise hat der Kläger beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an ihn 11.636 € nebst Deliktszinsen seit dem 1. Januar 2015 zu bezahlen Zug um Zug gegen Übereignung und Herausgabe des Fahrzeugs, sowie zusätzlich festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger Schadensersatz zu leisten für weitere Schäden, die aus dem Einbau der den Prüfstand erkennenden Software resultieren. Daneben hat der Kläger die Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 922,25 € verlangt.

Rz. 5

Das Landgericht hat die Klage wegen Verjährung abgewiesen. Mit seiner Berufung hat der Kläger den Haupt-Feststellungsantrag sowie den Antrag auf Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten unverändert weiterverfolgt. Beim Hilfs-Leistungsantrag zu 4 hat er nur die Deliktszinsen fallen lassen. Den Hilfs-Feststellungsantrag zu 5 hat der Kläger dahin gefasst festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger Schadensersatz zu bezahlen für weitere Schäden, die daraus resultieren, dass "die Beklagtenpartei in den Motor, Typ EA 189, des Fahrzeugs VW Golf mit der FIN WVZZZ1KZCM637208 mindestens eine unzulässige Abschalteinrichtung in der Form einer Software eingebaut hat, die bei Erkennung des NEFZ das Abgasrückführungssystem in einen Modus schaltet, der zu einer höheren Abgasrückführungsrate und zur Reduktion des Stickstoffemissionsmesswertes führt, und die im Normalbetrieb das Abgasrückführungssystem in einen anderen Modus schaltet, der zu einem höheren Schadstoffausstoß führt, bzw. in Gestalt einer Funktion, die durch Bestimmung der Außentemperatur die Parameter der Abgasbehandlung so verändert, dass die Abgasnachbehandlung außerhalb eines Thermofensters von 17 ˚C bis 33 ˚C reduziert wird (sog. Thermofenster)".

Rz. 6

Das Berufungsgericht hat unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen die Beklagte auf den Hilfs-Leistungsantrag zu 4 hin zur Zahlung von 6.805,36 € nebst Zinsen Zug um Zug gegen Übereignung und Herausgabe des Fahrzeugs verurteilt.

Rz. 7

Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seine zuletzt gestellten Anträge weiter.

 

Entscheidungsgründe

Rz. 8

Die Revision des Klägers hat nur im tenorierten Umfang Erfolg.

I.

Rz. 9

Das Berufungsgericht hat, soweit für die Revision von Bedeutung, im Wesentlichen ausgeführt:

Rz. 10

Ob das gemäß § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse bei der Geltendmachung von Schadensersatz gemäß §§ 826, 31 BGB gegen den Hersteller eines Kraftfahrzeugs wegen einer weder den Zulassungsbehörden noch den Kunden gegenüber bekannt gegebenen versteckten Prüfstands-Abschalteinrichtung im Wege der isolierten Feststellungsklage bestehe, sei in der obergerichtlichen Rechtsprechung umstritten. Das Gericht schließe sich der Auffassung an, wonach es dem Kläger in den Fällen wie dem hiesigen ohne weiteres möglich sei, seine Klage zu beziffern, wie er es mit dem Hilfsantrag auch getan habe. Dem Kläger stehe auch kein Anspruch auf Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten zu, weil bei der Beauftragung seines späteren Prozessbevollmächtigten im Jahr 2019 allgemein bekannt gewesen sei, dass die Beklagte nicht bereit gewesen sei, außergerichtlich Schadensersatz zu leisten. Der Hilfs-Feststellungsantrag zu 5 sei mangels Feststellungsinteresses unzulässig. Der Kläger habe es versäumt, Tatsachen darzulegen, aus denen sich insoweit nicht nur die Möglichkeit, sondern die erforderliche Wahrscheinlichkeit eines auf die Verletzungshandlung zurückzuführenden Schadens ergebe.

Rz. 11

Dem Kläger stehe aber auf den Hilfs-Leistungsantrag zu 4 hin ein Anspruch auf Zahlung von 6.805,36 € Zug um Zug gegen Übereignung und Herausgabe des Fahrzeugs zu. Der Kläger habe gemäß der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs einen Anspruch auf Schadensersatz aus §§ 826, 31 BGB gegen die Beklagte wegen des Einbaus der versteckten prüfstandsbezogenen Abschalteinrichtung in sein Fahrzeug. Die von der Beklagten erhobene Einrede der Verjährung greife nicht durch. Der zuerkannte Betrag errechne sich aus der Differenz von Kaufpreis und Nutzungsentschädigung. Letztere schätze das Gericht gemäß § 287 ZPO auf 4.830,64 €. Beim Zinsanspruch gemäß §§ 291, 288 Abs. 1 Satz 2 BGB sei zu berücksichtigen, dass der Kläger die Nutzungsvorteile teilweise erst zwischen der am 19. November 2019 eingetretenen Rechtshängigkeit des Hilfs-Leistungsantrags und dem Schluss der mündlichen Berufungsverhandlung erlangt habe.

II.

Rz. 12

1. Soweit sich der Kläger dagegen wendet, dass das Berufungsgericht seine Berufung gegen die Abweisung des Antrags auf Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten zurückgewiesen hat, ist die Revision unzulässig (§ 552 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Das Rechtsmittel ist nicht statthaft, weil das Berufungsgericht die Revision insoweit nicht gemäß § 543 Abs. 1 Nr. 1 ZPO zugelassen hat. Das Berufungsgericht hat zwar die Zulassung der Revision im Tenor seines Urteils ohne Einschränkungen ausgesprochen. Eine Zulassungsbeschränkung, die einer Anfechtung der Entscheidung über die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten entgegensteht, folgt aber aus den Entscheidungsgründen des Berufungsurteils.

Rz. 13

a) Eine Zulassungsbeschränkung kann sich nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs aus den Entscheidungsgründen ergeben, sofern die Beschränkung klar und eindeutig ist. Das ist regelmäßig dann anzunehmen, wenn sich die vom Berufungsgericht als zulassungsrelevant angesehene Frage nur für einen eindeutig abgrenzbaren selbständigen Teil des Streitstoffs stellt, der Gegenstand eines Teilurteils oder eines eingeschränkt eingelegten Rechtsmittels sein kann. Hingegen genügt die bloße Angabe des Grundes für die Zulassung der Revision nicht, um von einer Zulassungsbeschränkung auszugehen (vgl. BGH, Urteil vom 8. Januar 2019 - II ZR 139/17 Rn. 17 f., WM 2019, 495; Urteil vom 29. September 2020 - VI ZR 449/19 Rn. 12, GRUR 2021, 106; Urteil vom 16. September 2021 - VII ZR 192/20 Rn. 16, NJW 2022, 321; jeweils m.w.N.).

Rz. 14

b) Die Rechtsfrage der Zulässigkeit des Feststellungsantrags, wegen derer das Berufungsgericht die Revision zugelassen hat, stellt einen rechtlich selbstständigen und abtrennbaren Teil des Streitstoffs dar, auf den die Zulassung der Revision beschränkt werden kann. Eine Absicht des Berufungsgerichts, die Revisionszulassung auf die genannte Rechtsfrage zu beschränken, lässt sich der angegriffenen Entscheidung hinreichend entnehmen. Das Berufungsgericht hat ausgeführt, die - von ihm verneinte - Frage, ob Schadensersatzansprüche aus §§ 826, 31 BGB wegen einer unzulässigen Abschalteinrichtung gegen den Hersteller eines Kraftfahrzeugs im Wege der Feststellungsklage geltend gemacht werden könnten, werde in der obergerichtlichen Rechtsprechung unterschiedlich beurteilt, und hat die Revision zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zugelassen. Die vom Berufungsgericht als zulassungsrelevant angesehene Frage des Feststellungsinteresses gemäß § 256 Abs. 1 ZPO ist unter keinem Gesichtspunkt für die Abweisung des Anspruchs auf Freistellung von den vorprozessualen Anwaltskosten von Bedeutung. Insoweit hat das Berufungsgericht einen Schadensersatzanspruch des Klägers aus §§ 826, 31 BGB explizit angenommen und die Abweisung des Anspruchs damit begründet, dass angesichts der bekannten Weigerung der Beklagten, außergerichtlich Schadensersatz zu leisten, die außergerichtliche Rechtsverfolgung unzweckmäßig gewesen sei.

Rz. 15

2. Soweit die Revision zulässig ist, hat sie nur hinsichtlich des Hilfs-Feststellungsantrags zu 5 Erfolg.

Rz. 16

a) Entgegen der Auffassung der Revision hat das Berufungsgericht den Haupt-Feststellungsantrag mangels Feststellungsinteresses gemäß § 256 Abs. 1 ZPO zutreffend als unzulässig angesehen.

Rz. 17

aa) Nach § 256 Abs. 1 ZPO kann auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses Klage erhoben werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, dass das Rechtsverhältnis alsbald festgestellt werde. Ein solches Interesse ist gegeben, wenn dem konkreten vom Feststellungsantrag betroffenen Recht des Klägers eine gegenwärtige Gefahr der Unsicherheit droht und der erstrebte Feststellungsausspruch geeignet ist, diese Gefahr zu beseitigen. Allerdings fehlt grundsätzlich das Feststellungsinteresse, wenn der Kläger dasselbe Ziel mit einer Klage auf Leistung erreichen kann. Ist dem Kläger eine Klage auf Leistung möglich und zumutbar und erschöpft sie das Rechtsschutzziel, fehlt ihm das Feststellungsinteresse, weil er im Sinne einer besseren Rechtsschutzmöglichkeit den Streitstoff in einem einzigen Prozess klären kann. Es besteht jedoch keine allgemeine Subsidiarität der Feststellungsklage gegenüber der Leistungsklage. Vielmehr ist eine Feststellungsklage trotz der Möglichkeit, Leistungsklage zu erheben, zulässig, wenn die Durchführung des Feststellungsverfahrens unter dem Gesichtspunkt der Prozesswirtschaftlichkeit zu einer sinnvollen und sachgemäßen Erledigung der aufgetretenen Streitpunkte führt (BGH, Urteil vom 5. Oktober 2021 - VI ZR 136/20 Rn. 15, WM 2021, 2208; Urteil vom 2. Juni 2022 - VII ZR 340/20 Rn. 11, juris; jeweils m.w.N.). Wenn eine Schadensentwicklung noch nicht abgeschlossen, ein Teil des Schadens bei Klageerhebung also schon entstanden, die Entstehung weiterer Schäden aber noch zu erwarten ist, kann der Kläger in vollem Umfange Feststellung der Ersatzpflicht begehren. Der Kläger kann in einem solchen Falle nicht hinsichtlich des bereits entstandenen Schadens auf eine Leistungsklage verwiesen werden. Er ist also nicht gehalten, sein Klagebegehren in einen Leistungs- und einen Feststellungsantrag aufzuspalten. Der Kläger muss dann auch nicht nachträglich seinen Feststellungsantrag in einen Leistungsantrag abändern, wenn dies aufgrund der Schadensentwicklung im Laufe des Rechtsstreits möglich würde, weil sich der Anspruch beziffern ließe (BGH, Urteil vom 5. Oktober 2021 - VI ZR 136/20 Rn. 25 m.w.N., WM 2021, 2208; Urteil vom 2. Juni 2022 - VII ZR 340/20 Rn. 11, juris).

Rz. 18

bb) Die vom Berufungsgericht zur Begründung der Revisionszulassung angeführte Rechtsfrage hat der Bundesgerichtshof zwischenzeitlich - im Ergebnis im Einklang mit der Ansicht des Berufungsgerichts - geklärt (vgl. BGH, Urteil vom 5. Oktober 2021 - VI ZR 136/20 Rn. 14 ff., WM 2021, 2208). Danach kann ein Feststellungsinteresse gemäß § 256 Abs. 1 ZPO nicht damit begründet werden, dass der Kläger sich weiterhin die Wahl offenhalten möchte, ob er von der Beklagten den Ersatz des großen oder - stattdessen - des kleinen Schadens verlangt. Die vom Kläger angeführten Aufwendungen (Steuernachforderungen, Stilllegungskosten, Kosten im Zusammenhang mit etwaigen schädlichen Auswirkungen des Updates) könnte der Kläger jedenfalls nicht als Schaden ersetzt verlangen, wenn er den sogenannten kleinen Schadensersatz (Ersatz des Minderwerts) geltend machen sollte. Die drohende Gefahr der Unsicherheit rührt demnach daher, dass sich der Kläger bewusst nicht für eine Form der Berechnung des Schadensersatzes entschieden hat, und ist von diesem selbst zu verantworten. Eine solche Unsicherheit vermag das Feststellungsinteresse nicht zu begründen (vgl. BGH, Urteil vom 5. Oktober 2021 - VI ZR 136/20 Rn. 33, WM 2021, 2208).

Rz. 19

cc) Dem Vorrang der Leistungsklage steht weiter nicht entgegen, dass - wie der Kläger vorgetragen hat - die Beklagte auf ein Feststellungsurteil hin leisten werde. Dabei kann offenbleiben, ob grundsätzlich davon auszugehen ist, dass die Beklagte bereits auf ein rechtskräftiges Feststellungsurteil hin ihren rechtlichen Verpflichtungen nachkommen wird. Denn dies würde neben der grundsätzlichen Leistungsbereitschaft voraussetzen, dass ein dem Feststellungsantrag entsprechendes Urteil voraussichtlich zu einer endgültigen Erledigung führen wird. Davon ist im vorliegenden Fall nicht auszugehen, da lediglich die Haftung dem Grunde nach festgestellt wäre und die Schadenshöhe jedenfalls nicht auf der Hand läge. Die unbestimmte Erwartung aber, ein Feststellungsurteil könnte einen Vergleich über die Schadenshöhe erleichtern, reicht zur Begründung des Feststellungsinteresses nicht aus (BGH, Urteil vom 5. Oktober 2021 - VI ZR 136/20 Rn. 23 m.w.N., WM 2021, 2208; Urteil vom 2. Juni 2022 - VII ZR 160/21 Rn. 21, juris).

Rz. 20

b) Die Abweisung des hilfsweise gestellten Leistungsantrags zu 4 in Höhe von 4.830,64 € beruht auf der vom Kläger bei der Antragstellung nicht berücksichtigten Vorteilsausgleichung in Form des Abzugs der Nutzungsentschädigung. Dagegen wendet sich die Revision nicht; Rechtsfehler sind nicht ersichtlich.

Rz. 21

c) Soweit das Berufungsgericht den Hilfs-Feststellungsantrag zu 5 für unzulässig hält, hält dies der revisionsrechtlichen Nachprüfung allerdings im Ergebnis nicht stand.

Rz. 22

aa) Ist ein (Teil-)Schaden - wie vorliegend in Form des ungewollten Vertragsschlusses, dessen Rückgängigmachung der Kläger im Rahmen des auf Ersatz des großen Schadensersatzes gerichteten Hilfs-Leistungsantrags zu 4 begehrt - bereits entstanden, hängt die Zulässigkeit der Feststellungsklage entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts grundsätzlich nicht von der Wahrscheinlichkeit des Eintritts weiterer Schäden ab, wie die Revision zu Recht beanstandet. Vielmehr genügt in diesen Fällen die Möglichkeit eines künftigen weiteren Schadenseintritts für die Zulässigkeit der Feststellungsklage. Daran fehlt es allerdings, wenn aus Sicht des Klägers bei verständiger Würdigung kein Grund besteht, mit dem Eintritt eines weiteren Schadens wenigstens zu rechnen. Dann ist der Kläger wegen des bereits eingetretenen Schadens auf die vorrangige Leistungsklage beschränkt. Welche weiteren Schäden zu befürchten sind, hat der Kläger darzulegen (vgl. BGH, Urteil vom 5. Oktober 2021 - VI ZR 136/20 Rn. 28 m.w.N., WM 2021, 2208).

Rz. 23

bb) Danach ist hier die Möglichkeit weiterer Schäden nicht auszuschließen. Im Zuge der Beseitigung der zum Schadensersatz verpflichtenden ursprünglichen Manipulationssoftware durch das Software-Update ist ein sogenanntes Thermofenster in das Klägerfahrzeug eingebaut worden. Im Lichte der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union, nach der eine Einrichtung, die die Einhaltung der in der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 vorgesehenen Emissionsgrenzwerte nur gewährleistet, wenn die Außentemperatur zwischen 15 und 33 Grad Celsius liegt und der Fahrbetrieb unterhalb von 1.000 Höhenmetern erfolgt, eine "Abschalteinrichtung" im Sinne des Art. 3 Nr. 10 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 darstellt (vgl. EuGH, Urteil vom 14. Juli 2022 - C-128/20 Rn. 47, juris), erscheinen weitere Schäden, die kausal auf dem haftungsbegründenden ursprünglichen Einbau der "Umschaltlogik" in den Motor des Typs EA 189 beruhen und im Rahmen des vom Kläger mit dem Hilfs-Leistungsantrag zu 4 gewählten "großen" Schadensersatzes ersatzfähig wären, zumindest möglich. Ein behördliches Einschreiten wegen des Thermofensters im Software-Update mit der Folge eines weiteren Vermögensschadens des Klägers, etwa in Form von Stilllegungskosten, ist nicht auszuschließen (vgl. BGH, Urteil vom 25. Mai 2020 - VI ZR 252/19 Rn. 20 f., BGHZ 225, 316).

III.

Rz. 24

Gemäß § 562 Abs. 1 ZPO war das Berufungsurteil daher im tenorierten Umfang aufzuheben. Der Senat kann in der Sache selbst entscheiden, weil die Sache entscheidungsreif ist (§ 563 Abs. 3 ZPO).

IV.

Rz. 25

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 Satz 1 ZPO.

Pamp     

Kartzke     

Jurgeleit

Sacher     

C. Fischer     

 

Fundstellen

Dokument-Index HI15507862

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