Leitsatz (amtlich)
Zur Beschränkung der Revision durch die Revisionsanträge.
Normenkette
ZPO § 551 Abs. 2, 3 S. 1 Nr. 1; GKG § 47 Abs. 1 S. 1
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Rechtsmittel der Beklagten werden das Urteil des 7. Zivilsenats des OLG Köln vom 19.3.2020 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben sowie das Urteil der 10. Zivilkammer des LG Aachen vom 9.7.2019 insoweit abgeändert, als festgestellt worden ist, dass sich die Beklagte mit der Rücknahme des Fahrzeugs VW Passat mit der FIN WVWZZZ3CZCE033115 seit dem 21.12.2018 in Annahmeverzug befinde. Die Klage wird insoweit abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Revisionsverfahrens nach einem Streitwert von bis 500 EUR.
Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen der Kläger zu 20 % und die Beklagte zu 80 % aus einem Streitwert von 24.418,93 EUR.
Die Kosten des landgerichtlichen Verfahrens tragen der Kläger zu 33 % und die Beklagte zu 67 % aus einem Streitwert von 35.278,97 EUR.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Rz. 1
Der Kläger erwarb im August 2011 einen VW Passat mit einem Dieselmotor EA189, der mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung für die Abgasreinigung versehen war. Den Kaufpreis (32.278,97 EUR zzgl. 500 EUR "Selbstabholerpaket") überwies der Kläger am 31.8.2011. Mit seiner Klage hat er von dem beklagten Fahrzeughersteller Schadensersatz in Höhe des für das Fahrzeug gezahlten Kaufpreises abzgl. einer in das Ermessen des Gerichts gestellten Nutzungsentschädigung nebst Verzugszinsen seit dem 21.12.2018 Zug um Zug gegen Herausgabe und Übereignung des Fahrzeugs sowie Deliktszinsen auf den vollen Kaufpreis seit dem 1.9.2011 bis zum 20.12.2018 verlangt und Feststellung des Annahmeverzugs ebenfalls seit dem 21.12.2018 beantragt.
Rz. 2
Das LG hat der Klage bei Anrechnung einer Nutzungsentschädigung bis auf das sog. Selbstabholungspaket und zusätzlich geltend gemachte Rechtsanwaltskosten stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das OLG die Höhe des anzurechnenden Nutzungsersatzes um die während des zweitinstanzlichen Verfahrens gefahrenen weiteren Kilometer angepasst; die weitergehende Berufung der Beklagten hat es zurückgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision wendet sich die Beklagte, nachdem der Kläger seine Klage hinsichtlich der Deliktszinsen zwischenzeitlich mit Zustimmung der Beklagten zurückgenommen hat, allein gegen die Feststellung des Annahmeverzugs.
Entscheidungsgründe
I.
Rz. 3
Nach Auffassung des Berufungsgerichts, das die Hauptforderung des Klägers aus §§ 826, 31 BGB zugesprochen hat, befindet sich die Beklagte infolge der nicht erfolgten Rücknahme des streitgegenständlichen Fahrzeugs gem. §§ 298, 293 BGB seit dem 21.12.2018 in Annahmeverzug. Der Kläger habe die Beklagte mit Schreiben vom 6.12.2018 erfolglos unter Fristsetzung bis zum 20.12.2018 zur Rückzahlung des Kaufpreises abzgl. einer Nutzungsentschädigung Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeugs aufgefordert.
II.
Rz. 4
Die Revision der Beklagten ist zulässig und begründet.
Rz. 5
1. Die Beklagte wendet sich mit ihrer Revision in zulässiger Weise allein gegen die Feststellung des Annahmeverzugs.
Rz. 6
a) Der Ausspruch über die Feststellung des Annahmeverzugs ist von der Zulassung der Revision durch das Berufungsgericht nicht ausgenommen. Zwar hat das Berufungsgericht die Revision im Tenor der angegriffenen Entscheidung lediglich "in dem in den Entscheidungsgründen näher dargelegten Umfang zugelassen" und dort ausgeführt, dass die Revision zugelassen werde, weil angesichts der divergierenden Rechtsprechung zum Anspruchsgrund und der in der obergerichtlichen Rechtsprechung kontrovers erörterten Frage der Zinspflicht aus § 849 BGB "insoweit" die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO vorlägen. Da die Entscheidung über den Annahmeverzug aber nur ein rechtlich unselbständiges Element der Hauptleistungsverpflichtung (vgl. zuletzt BGH, Beschl. v. 13.10.2020 - VIII ZR 290/19, juris Rz. 7 zur Streitwertrelevanz) und damit - auch - von dieser abhängig ist, ist sie von der insoweit ausgesprochenen Zulassung der Revision erfasst (vgl. BGH, Urt. v. 7.6.2011 - VI ZR 225/10, ZUM 2012, 35 Rz. 4; BGH, Urt. v. 8.3.2006 - IV ZR 263/04 NJW-RR 2006, 877 Rz. 14).
Rz. 7
b) Entgegen der Auffassung des Klägers hat die Beklagte ihre Revision nicht willkürlich auf die Frage des Annahmeverzugs beschränkt, nachdem der Kläger die Klage hinsichtlich der Deliktszinsen während der noch laufenden Revisionsbegründungsfrist zurückgenommen hatte. Die Beklagte hat vielmehr lediglich die ihr gem. § 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. Abs. 2 ZPO für die Erklärung, inwieweit das Berufungsurteil angefochten wird, zustehende Überlegungsfrist (vgl. BGH, Großer BGH für Zivilsachen, Beschluss vom 14.2.1978 - GSZ 1/77, BGHZ 70, 365, 370, juris Rz. 16) genutzt.
Rz. 8
2. Der Angriff der Revision hat auch in der Sache Erfolg.
Rz. 9
Das Berufungsgericht hätte den Annahmeverzug nicht feststellen dürfen. Der Kläger hat sein Angebot auf Rückgabe des Fahrzeugs von dem vorgerichtlichen Schreiben vom 6.12.2018 bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz als dem für die Entscheidung maßgeblichen Zeitpunkt an eine unberechtigte Bedingung geknüpft, nämlich an die Zahlung von Deliktszinsen (§ 849 BGB) seit Kaufpreiszahlung. Dies schließt einen Annahmeverzug der Beklagten aus (vgl. BGH, Urt. v. 14.12.2020 - VI ZR 573/20, juris Rz. 4; v. 30.7.2020 - VI ZR 397/19 NJW 2020, 2806 Rz. 30; v. 25.5.2020 - VI ZR 252/19 ZIP 2020, 1179 Rz. 85 m.w.N.). Dass der Kläger die Deliktszinsen unter einer gesonderten Ziffer seines Klageantrags aufgeführt hat, ändert an der Zuvielforderung nichts.
III.
Rz. 10
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs. 1, 92 Abs. 1 ZPO.
Rz. 11
Der Streitwert des Revisionsverfahrens bestimmt sich nach den Anträgen des Rechtsmittelführers, § 47 Abs. 1 Satz 1 GKG. Entgegen der Auffassung des Klägers ist die Beschränkung des Revisionsverfahrens auf die Frage des Annahmeverzuges für die Streitwertberechnung nicht außer Betracht zu lassen. Die Beklagte hat ihre Überlegungsfrist (§ 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. Abs. 2 ZPO) im Hinblick auf die zwischenzeitlich ergangene Rechtsprechung des Senats (vgl. nur BGH, Urt. v. 25.5.2020 - VI ZR 252/19 ZIP 2020, 1179) sinnvoll genutzt, die Revision auf die Frage des Annahmeverzugs beschränkt und das Revisionsverfahren erfolgreich zu Ende geführt. Ein Ausnahmefall der willkürlichen Beschränkung des Rechtsmittels allein aus Kostengründen ohne Interesse an dessen Durchführung (vgl. hierzu BGH, Großer BGH für Zivilsachen, Beschl. v. 14.2.1978 - GSZ 1/77, BGHZ 70, 365, 372, juris Rz. 21) ist offensichtlich nicht gegeben.
Rz. 12
Die Kostenverteilung für das Berufungsverfahren erfolgt unter Berücksichtigung des Umstandes, dass die Deliktszinsen, bezüglich derer der Kläger seine Klage zurückgenommen hat, im Berufungsverfahren teilweise - nämlich soweit keine entsprechende Hauptforderung mehr im Streit stand, sie also keine Nebenforderung gewesen sind - streitwertrelevant waren.
Fundstellen