Leitsatz (amtlich)
a) Der Umstand allein, dass eine Gemeinde durch einen Vertrag eine Verpflichtung eingeht, die teilweise oder ganz erst in späteren Haushaltsjahren zu erfüllen ist, führt nicht zur Genehmigungsbedürftigkeit nach § 44 Abs. 6 DDR-KommVerf. Dasselbe gilt für eine Stundung, die dem Zweck dient, die Zug-um-Zug-Abwicklung der gegenseitigen Pflichten eines Grundstückskaufvertrages sicher zu stellen.
b) Eine Stundungsabrede liegt nicht vor, wenn die Vertragsparteien den Zahlungszeitpunkt so festlegen, dass eine Zug-um-Zug-Abwicklung der beiderseitigen Pflichten gewährleistet ist.
Normenkette
DDR-KommVerf § 44 Abs. 6; BGB § 271 Abs. 1
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 12. Zivilsenats des KG in Berlin v. 17.2.2003 aufgehoben.
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der Zivilkammer 9 des LG Berlin v. 5.12.2000 wird zurückgewiesen.
Die Kosten der Rechtsmittelverfahren trägt die Beklagte.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Mit notariellem Vertrag v. 24.6.1993 kaufte die Beklagte von der Namensvorgängerin der Klägerin mehrere Grundstücke zu einem Kaufpreis von 492.752 DM. Besitz, Nutzen und Lasten gingen mit Vertragsschluss auf die Beklagte über. Der Kaufpreis sollte binnen zwei Wochen nach Zugang der Mitteilung des Notars gezahlt werden, dass eine Auflassungsvormerkung eingetragen sei und die Voraussetzungen für die Eigentumsumschreibung vorlägen. Bis zur Fälligkeit war der Kaufpreis mit 8 % zu verzinsen.
Die Beklagte verpflichtete sich, auf den Kaufgrundstücken durch eine Wohnbebauung insgesamt 5.386.210 DM zu investieren. Diese Zusage ist durch eine Vertragsstrafe i. H. v. 30 % der nicht aufgewendeten Investitionssumme gesichert.
Mit Schreiben v. 8.6.1995 teilte der Notar mit, dass die Fälligkeitsvoraussetzungen gegeben seien. Die Beklagte zahlte Anfang 1996 lediglich einen Teilbetrag von 29.000 DM und blieb den Restkaufpreis ebenso schuldig wie die versprochenen Investitionen.
Die Klägerin verlangt im Wege der Teilklage 200.000 DM nebst Zinsen als Kaufpreis und 100.000 DM nebst Zinsen als Vertragsstrafe. Das LG hat der Klage stattgegeben, das KG hat sie abgewiesen. Mit der von dem Senat zugelassenen Revision erstrebt die Klägerin die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils. Die Beklagte beantragt die Zurückweisung des Rechtsmittels.
Entscheidungsgründe
I.
Das Berufungsgericht hält den notariellen Kaufvertrag, auf den die Klage gestützt wird, für schwebend unwirksam, da es an der erforderlichen Genehmigung durch die Rechtsaufsichtsbehörde fehle. Der Vertrag sei nach § 44 Abs. 6 DDR-KommVerf genehmigungsbedürftig, da er wirtschaftlich der Eingehung einer Kreditverpflichtung gleichkomme. Das zeige sich daran, dass der Beklagten der Kaufpreis über einen längeren Zeitraum gestundet worden sei. Sie habe daher im laufenden Haushaltsjahr eine Leistung erhalten, während sie die von ihr geschuldete Leistung erst zu einem späteren Zeitpunkt habe erbringen müssen. Darin liege eine Kreditierung.
II.
Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Prüfung nicht stand. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts unterliegt der Kaufvertrag der Parteien nicht dem Genehmigungserfordernis des § 44 Abs. 6 DDR-KommVerf.
1. Zutreffend geht das Berufungsgericht allerdings von einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise aus und sieht den Zweck des Genehmigungserfordernisses darin, die Gemeinde vor der Eingehung einer langfristigen Leistungsverpflichtung mit erheblichen Belastungen für künftige Haushaltsjahre zu schützen (vgl. auch Schneider/Dressler/Lüll, Hess. Gemeindeordnung, Stand: Dezember 2003, § 103 Anm. 15; Grundlach, LKV 2001, 203, 205, für § 100 Abs. 5 SachsAnhGO). Daraus darf indes, entgegen der Annahme des Berufungsgerichts, nicht gefolgert werden, dass jede Verpflichtung, die eine Gemeinde zur Erlangung einer Leistung im laufenden Haushaltsjahr eingeht und die teilweise oder ganz erst in späteren Haushaltsjahren zu erfüllen ist, einer genehmigungsbedürftigen Kreditverpflichtung gleichkommt. Dies kann so sein (wie Grundlach, LKV 2001, 203, 205, für § 100 Abs. 5 SachsAnhGO zutreffend anmerkt), muss aber nicht so sein. Das zeigt schon, dass Gemeinden Verpflichtungsermächtigungen zu Lasten späterer Haushaltsjahre im Haushalt veranschlagen können, die die Grundlage für die Eingehung von Verpflichtungen bieten, die nicht in demselben Haushaltsjahr zu erfüllen sind (§ 43 DDR-KommVerf). Solche Fälle werden von § 44 Abs. 6 DDR-KommVerf nicht generell erfasst. Entscheidend ist vielmehr die vertragliche Gestaltung im Einzelfall.
2. Nicht tragfähig ist auch die Annahme des Berufungsgerichts, die Klägerin habe der Beklagten den Kaufpreis gestundet und ihr damit einen Kredit gewährt. Auch insoweit gilt, dass die Vereinbarung einer Stundung geschuldeter Beträge, etwa aus Kaufverträgen, wie auch die Vereinbarung von Ratenzahlungen den Tatbestand eines einer Kreditaufnahme gleichkommenden Rechtsgeschäfts erfüllen kann. Entscheidend sind jedoch die Umstände des Einzelfalls (vgl. Kunze/Bronner/Katz, Gemeindeordnung Baden Württemberg, Stand: Januar 1987, § 87 Rz. 80). Danach fehlt es hier an den für eine Kreditierung charakteristischen Merkmalen.
a) Unzutreffend ist schon, dass die Zahlungsvereinbarung in dem Kaufvertrag eine Stundung des Kaufpreises, also ein Hinausschieben der Fälligkeit (BGH, Beschl. v. 25.3.1998 - VIII ZR 298/97, MDR 1998, 857 = NJW 1998, 2060 [2061], m. w. N.), zum Inhalt hat. Das Berufungsgericht schließt dies aus dem Umstand, dass die Fälligkeit abweichend von § 271 Abs. 1 BGB nicht sofort, d. h. mit Vertragsschluss, sondern nach Vorliegen bestimmter zur Umschreibung des Eigentums erforderlicher Voraussetzungen eintreten sollte. Dies verkennt jedoch den Regelungsgehalt des § 271 BGB. Die Norm enthält subsidiäre Regelungen. Sie greift nur ein, wenn eine Leistungszeit nicht in anderer Weise bestimmt ist (Krüger in MünchKomm/BGB, 4. Aufl., Bd. 2a, § 271 Rz. 5, 31). Hier haben die Parteien eine Fälligkeitsbestimmung vorgenommen. Sie schiebt den Leistungszeitpunkt nicht hinaus, sondern regelt ihn.
Zwar kann eine Stundungsabrede auch sogleich bei Vertragsschluss getroffen werden (Esser/Schmidt, Schuldrecht Band 1, Teilband 1, 8. Aufl., § 15 II 2). Sie muss aber ein Hinausschieben der Fälligkeit über den nach dem Vertrag an sich nahe liegenden und üblichen Zeitpunkt hinaus zum Inhalt haben, etwa wenn die Vertragsparteien die Fälligkeit abweichend von dem Grundsatz der Zug-um-Zug-Leistung regeln (vgl. Krüger in MünchKomm/BGB, § 271 Rz. 21). Das ist hier gerade nicht der Fall. Vielmehr dient die Bestimmung des Zahlungszeitpunkts der Abwicklung der beiderseitigen Leistungspflichten aus dem Grundstückskaufvertrag, dessen Besonderheit darin besteht, dass die Erfüllung der Eigentumsverschaffungspflicht regelmäßig nicht sogleich möglich ist, sondern, schon wegen der notwendigen Mitwirkung des Grundbuchamts, Zeit benötigt.
b) Selbst wenn man aber von einer Stundungsabrede ausgeht, liegt darin keine Kreditierung des Kaufpreises, die die Verpflichtungen aus dem Kaufvertrag, wirtschaftlich betrachtet, in die Nähe einer Kreditverpflichtung rücken.
Dagegen spricht zum einen der Zweck der Fälligkeitsbestimmung, die Zug-um-Zug-Abwicklung der gegenseitigen Verpflichtungen den Eigentümlichkeiten eines Grundstückskaufvertrages anzupassen und den beiderseitigen Risiken Rechnung zu tragen. Sie weicht inhaltlich im Ergebnis nicht wesentlich von dem ab, was auch bei sofortiger Fälligkeit des Kaufpreises, dann auf Grund von § 320 Abs. 1 BGB, gelten würde. Die Beklagte könnte die Zahlung bis zur Eigentumsübertragung verweigern. Das Bestehen der Einrede hinderte den Verzugseintritt (Emmerich in MünchKomm/BGB, § 320 Rz. 46, m. w. N.). Zinsen sind weder nach §§ 291, 641 BGB (vgl. BGH BGHZ 55, 198; BGHZ 61, 42 [46]) noch nach § 353 HGB geschuldet (Palandt/Heinrichs, BGB, 63. Aufl., § 320 Rz. 12). Die Beklagte hat daher durch die Vertragsgestaltung keine Kreditmittel erhalten, die ihr anderenfalls nicht zugestanden hätten. Zudem blieb die Beklagte nach der gewählten Vertragsgestaltung ohnehin noch vorleistungspflichtig, da die Auflassung erst nach nachgewiesener Zahlung vorzunehmen war.
3. Einen kreditähnlichen Charakter hat auch nicht die Vereinbarung über den vorgezogenen Übergang von Besitz, Nutzen und Lasten. Darin liegt zwar an sich eine Vorleistung der Klägerin, für die als Gegenleistung und als Ausgleich für die der Beklagten schon überlassenen Nutzungsmöglichkeit eine Verzinsung - Nutzungszins (vgl. BGH, Urt. v. 26.5.2000 - V ZR 49/99, MDR 2000, 1238 = NJW-RR 2001, 195) - vereinbart war. Obwohl diese Gegenleistung erst zusammen mit dem Kaufpreis, also erhebliche Zeit nach dem Übergang von Besitz und Nutzen, zu erbringen war, liegt darin keine Kreditierung des Nutzungszinses. Dies belegt ein Vergleich mit der gesetzlichen Regelung über die Fälligkeit des Mietzinses. Sowohl nach der im vorliegenden Fall noch geltenden (Art. 229 § 3 Nr. 7 EGBGB) Regelung in § 551 Abs. 1 BGB a. F. wie auch nach der Neuregelung des § 579 Abs. 1 S. 1 BGB ist die Miete für ein Grundstück, wenn nicht Zeitabschnitte vereinbart sind, am Ende der Mietzeit zu entrichten. Wenn die Parteien die Fälligkeit des Nutzungszinses, der wirtschaftlich einem Mietzins gleicht, in ähnlicher Weise, nämlich auf das Ende der Nutzungszeit, die nicht durch den Kaufpreis abgedeckt ist, gelegt haben, so haben sie damit eine dem Gesetz entsprechende Fälligkeitsbestimmung vorgenommen. Eine Kreditierung des Nutzungsentgelts kann darin nicht erblickt werden.
Soweit die Revisionserwiderung die Zinsvereinbarung als Hinweis für ein kreditähnliches Geschäft wertet (vgl. auch Kunze/Bronner/Katz, Gemeindeordnung Baden Württemberg, Stand: Januar 1987, § 87 Rz. 77), verkennt sie, dass die Zinsen nicht die Gegenleistung für eine vom dispositiven Recht abweichende Stundung darstellen (was für ein Kreditgeschäft sprechen könnte), sondern ein Entgelt für die gewährte Nutzungsmöglichkeit sind.
4. Dass die mit dem Kaufvertrag übernommenen Investitionsverpflichtungen möglicherweise die Leistungsfähigkeit der Beklagten überschreiten, führt entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung nicht zur Genehmigungsbedürftigkeit nach § 44 Abs. 6 DDR-KommVerf. Die Norm schützt die Gemeinden nicht generell vor der Eingehung von Geschäften, die sie finanziell überfordern. Sie schützt sie nur vor einer unüberlegten Kreditaufnahme und vor dem Abschluss kreditähnlicher Verträge. Bei großen Investitionen sind sie allein durch das Haushaltsrecht, insbesondere durch die Bestimmungen über die Veranschlagung von Verpflichtungsermächtigungen gebunden. Genehmigungserfordernisse für vertragliche Bindungen bestehen indes nicht. Auch der Umstand, dass die Beklagte zur Erfüllung der in dem Vertrag übernommenen Verpflichtungen möglicherweise einen Kredit aufnehmen muss, macht das Rechtsgeschäft selbst, wie das Berufungsgericht auch nicht verkannt hat, nicht zu einem kreditähnlichen und damit genehmigungsbedürftigen Geschäft. Die Genehmigungserfordernisse in den Gemeindeordnungen der Länder sind auf bestimmte, im Einzelnen festgelegte Geschäfte begrenzt. Sie stellen einen besonders starken Eingriff in die kommunale Selbstverwaltung dar (BGH, Urt. v. 10.6.1999 - IX ZR 409/97, MDR 1999, 1280 = NJW 1999, 3335 [3336]). Sie bedürfen deswegen und wegen ihrer Auswirkungen auf das Privatrecht, die Belange des Verkehrsschutzes und der Rechtssicherheit berühren, einer Rechtsgrundlage, aus der die Fälle der Genehmigungsbedürftigkeit deutlich erkennbar sind (BGH, Urt. v. 10.6.1999 - IX ZR 409/97, MDR 1999, 1280 = NJW 1999, 3335 [3337]). Damit ist ein Genehmigungserfordernis, das darauf abstellt, ob die Gemeinde im konkreten Fall zur Erfüllung der eingegangenen Vertragspflichten einen Kredit aufnehmen muss, nicht vereinbar (zutreffend OLG Jena v. 16.1.2001 - 3 U 655/00, OLGReport Jena 2001, 539; a. A., ohne Begründung, OLG Rostock v. 15.4.1993 - 1 U 197/92, NJW-RR 1994, 661 [662]). Denn es müsste in jedem Einzelfall geprüft werden, ob die jeweilige Haushaltslage die Erfüllung des Vertrages erlaubt oder die nachträgliche - selbst auch genehmigungspflichtige - Kreditaufnahme erfordert. Für den Vertragspartner läge darin eine Ungewissheit, die verlässliche Planungen ausschließt und ihm nicht zugemutet werden kann. Entscheidend kann daher nur der Charakter des Rechtsgeschäfts selbst sein, nicht die Frage nach der Notwendigkeit einer Finanzierung im Einzelfall.
5. Die Berechtigung der geltend gemachten Forderungen selbst, einen wirksamen Vertrag vorausgesetzt, stellt die Revisionserwiderung nicht infrage. Rechtsfehler sind in dem zusprechenden Urteil des LG, das sich bezüglich der Ausführungen zur Vertragsstrafe auf dem Boden der Senatsrechtsprechung (BGH, Urt. v. 3.4.1998 - V ZR 6/97, MDR 1998, 825 = NJW 1998, 2600) bewegt, insoweit auch nicht ersichtlich.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO.
Fundstellen
Haufe-Index 1147598 |
BGHR 2004, 1072 |
WM 2004, 2183 |
DNotZ 2005, 375 |
LKV 2004, 431 |
MDR 2004, 990 |
NJ 2004, 460 |