Entscheidungsstichwort (Thema)
Zur Form des Schiedsvertrages bei der Beteiligung von Nichtkaufleuten
Leitsatz (amtlich)
Der Kommanditist, der kein Kaufmann ist, wird es weder durch seine Beteiligung an der Kommanditgesellschaft, noch ist er es, soweit er Vorträge mit der Gesellschaft oder den Gesellschaftern abschließt.
Orientierungssatz
Sind an einer Schiedsabrede im Rahmen eines Gesellschaftsvertrages – hier einer Kommanditgesellschaft – Nichtkaufleute beteiligt, so bedarf der Schiedsvertrag der Form des ZPO § 1027 Abs 1.
Normenkette
HGB §§ 1, 161, 343; ZPO § 1027
Verfahrensgang
OLG München (Urteil vom 26.08.1964) |
LG München II |
Tenor
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des 7. Zivilsenats des Oberlandesgerichts in München vom 26. August 1964 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Im Jahre 1960 gründete die SWG Sanatorien- und Wohnheim GmbH (im folgenden SWG, mit 9 oder 10 weiteren Personen eine Kommanditgesellschaft, die als „SWG Sanatorien- und Wohnheim Gesellschaft mit beschränkter Haftung M. KG” am 24. Oktober 1960 in das Handelsregister eingetragen wurde. Persönlich haftende Gesellschafterin wurde die SWG, die übrigen Gesellschafter, darunter die Beklagte, wurden Kommanditisten. Im § 28 der beiden von der Klägerin eingereichten voneinander z.Tl. abweichenden Vertragsurkunden (Bl. 7a und 16 i.d.) Akt. war, insoweit übereinstimmend, vorgesehen, daß über alle Streitigkeiten aus dem Gesellschaftsvertrag zwischen den Gesellschaftern untereinander oder zwischen Gesellschaftern und der Gesellschaft ein Schiedsgericht entscheiden sollte und daß die näheren Bestimmungen in einer besonderen Urkunde zu regeln waren. Diese Urkunde wurde nicht errichtet.
Die Beklagte leistete ihre Einlage nicht. Der für die KG bestellte Notgeschäftsführer trat einen Teil des Anspruchs auf Zahlung der Einlage in Höhe von 20.000 DM an die Klägerin ab, die ihn mit der Klage geltend macht. Sie hat ihre Forderung ferner, und zwar „primär” (Schriftsätze vom 30. Juli 1963 und 19. Oktober 1964 darauf gestützt, daß sie der KG ein Darlehen von 400.000 DM gewährt habe, für das die Beklagte in Höhe ihrer nicht geleisteten Kommanditeinlage gemäß dem § 171 HGB einstehen müsse.
Die Beklagte bestreitet, zur Zahlung verpflichtet zu sein. Vorab hat sie die Einrede des Schiedsvertrags erhoben.
Das Landgericht hat diese Einrede durch Zwischenurteil verworfen, das Oberlandesgericht die Berufung zurückgewiesen.
Mit der Revision beantragt die Beklagte, das Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen. Die Klägerin bittet, das Rechtsmittel zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
I.
Das Landgericht hat nur den Anspruch auf Leistung der Einlage behandelt, den die Klägerin aus abgetretenem Recht geltend macht; es hat die Einrede des Schiedsvertrags insoweit für unbegründet erklärt.
Dieses Vorgehen war unzulässig. Die von der Klägerin erhobenen Forderungen beruhen mindestens zum Teil auf verschiedenen Tatsachen. Hieran ändert sich auch dadurch nichts, daß die Tilgung der einen zum Erlöschen der anderen führt.
Unter diesen Umständen war das Landgericht nicht befugt, sich, entgegen der ausdrücklichen Bestimmung der Klägerin, nur mit dem Anspruch zu befassen, den diese hilfsweise geltend gemacht hatte. Seine Begründung, die Klägerin sei verpflichtet, sich zuerst aus der abgetretenen Forderung zu befriedigen und dürfe deshalb den Anspruch aus § 171 HGB nur hilfsweise erheben, ist zudem auch sachlich unrichtig. Der Beklagten gegenüber bestand eine solche Verpflichtung nicht; wahrscheinlich hätte auch die KG nicht etwas derartiges verlangen können; denn ihr konnte es nach Lage der Sache gleichgültig sein, auf welche Weise sich die Klägerin befriedigte und die Beklagte ihre Einlage leistete.
Da jedoch das Land- und ihm folgend das Oberlandesgericht die Einrede des Schiedsvertrags nur hinsichtlich des Hilfsanspruchs geprüft und für unbegründet erklärt haben, kann sich auch das Revisionsgericht nur hiermit befassen.
In jedem Falle geht der Revisionsantrag, die Klage abzuweisen, zu weit. Mit ihm könnte höchstens verlangt werden, die Einrede des Schiedsvertrags hinsichtlich des bisherigen Hilfsanspruchs für begründet zu erklären und die Sache zur Entscheidung über den noch beim Landgericht anhängigen Hauptanspruch zurückzuverweisen. Dieser Antrag ist in dem auf Abweisung der Klage enthalten.
II.
Las Berufungsgericht prüft, ob sich die an dem Gesellschaftsvertrag Beteiligten darüber geeinigt haben, daß ein Schiedsgericht zuständig sein solle. Zwar hätten die Einzelheiten, so führt es aus, in einer besonderen Urkunde geregelt werden sollen. Dieser Vorbehalt rechtfertige es aber nicht, die Abmachung infolge mangelnder Einigung über einen wesentlichen Punkt gemäß den § 154 BGB als unwirksam anzusehen. Denn die Vertragsschließenden hätten immerhin über die Zusammensetzung des Schiedsgerichts und die Wahl der Schiedsrichter Bestimmungen getroffen; deswegen sei anzunehmen, daß sie sich schon mit dem Abschluß des Gesellschaftsvertrags endgültig auf ein Schiedsgericht geeinigt hätten (S. 3 und 8 d. Urt.).
Hierbei hat das Oberlandesgericht übersehen, daß die von der Klägerin eingereichten Gesellschaftsverträge in zahlreichen Punkten voneinander abweichen. Der von der Beklagten anerkannte, mit dem Datum vom 8. Oktober 1960 versehene Vertrag enthält, im Gegensatz zu dem von der Klägerin zuerst überreichten, im § 28 keine Regelung über die Zusammensetzung des Schiedsgerichts und die Wahl der Schiedsrichter; gerade hierauf hat das Berufungsgericht seine Entscheidung abgestellt, hätte also möglicherweise das Zustandekommen einer Schiedsabrede verneint, wenn es den vom 8. Oktober 1960 datierten Vertrag im Auge gehabt hätte.
Diese Unstimmigkeit ist aber für das Revisionsverfahren ohne Bedeutung. Die Revision hat sie nicht gerügt; sie hatte auch keinen Anlaß dazu, weil das Berufungsgericht in diesem Zusammenhang die der Beklagten günstigere Fassung zu Grunde gelegt hat, die für eine endgültige Einigung spricht. Der Senat muß somit gemäß den §§ 561 und 314 ZPO davon ausgehen, daß der für die Parteien maßgebende § 28 die weitergehende Fassung hat, auf die sich das Berufungsgericht stützt.
Dann ist gegen dessen Würdigung, daß eine Einigung über das Schiedsgericht zustande gekommen sei, rechtlich nichts einzuwenden.
III.
Das Oberlandesgericht hält aber diese Schiedsabrede für unwirksam, weil sie der Form des § 1027 Abs. 1 ZPO entbehre.
Zwar seien, so führt es aus, die KG ebenso wie die Beklagte Kaufleute, so daß der Abschluß des Gesellschafts- und Schiedsvertrags für sie ein Handelsgeschäft gewesen sei. An dem Vertrag seien aber mehrere Nichtkaufleute beteiligt gewesen; der Schiedsvertrag hätte insoweit der Form des § 1027 Abs. 1 ZPO bedurft. Da sie nicht eingehalten worden sei, sei die ganze Abrede gemäß dem § 139 BGB unwirksam.
Die Revision wendet sich vergeblich gegen diese Beurteilung.
1.) Sie macht an erster Stelle geltend, die Schiedsabrede sei jeweils „ein zweiseitiger Vertrag gewesen. Es komme deswegen vorliegend nur darauf an, ob die KG, die persönlich haftende Gesellschafterin und die Beklagte Kaufleute gewesen seien. Diese Voraussetzungen seien unstreitig gegeben.
Die Rüge richtet sich gegen die Feststellungen des Tatrichters, an die das Revisionsgericht gebunden ist (§ 561 ZPO). Das Oberlandesgericht legt rechtlich unangreifbar dar, daß es sich bei dem Gesellschaftsvertrag ebenso wie bei der Schiedsabrede um ein einheitliches Abkommen zwischen allen Gesellschaftern gehandelt habe. Es würdigt den Sachverhalt weiter dahin, daß die Beteiligten nicht zweierlei Zuständigkeiten für die im § 28 des Vertrags erwähnten Streitigkeiten hätten schaffen wollen; damit meint es, sie hätten die Schiedsabrede ohne den wegen Nichteinhaltung der Form des § 1027 Abs. 1 ZPO unwirksamen Teil nicht getroffen.
Was die Revision hiergegen vorbringt, liegt allein auf tatsächlichem Gebiet und kann nicht beachtet werden.
2.) Das Berufungsgericht befaßt sich weiter mit der Frage, ob etwa der Abschluß des Gesellschaftsvertrages auch für die daran beteiligten Nichtkaufleute ein Handelsgeschäft gewesen sei. Es meint, die Verhältnisse lägen insoweit ebenso wie bei der Gründung einer offenen Handelsgesellschaft. Bei dieser erwerbe der Gesellschafter nicht schon durch den Gründungsvertrag die Eigenschaft eines Kaufmanns, sondern erst durch den Betrieb der Gesellschaft.
Die Revision greift diese Rechtsauffassung an. Die Beklagte habe zudem, so führt sie aus, behauptet und unter Beweis gestellt, daß der auf den 8. Oktober 1960 datierte Gesellschaftsvertrag mit der im § 28 enthaltenen Schiedsabrede erst wesentlich später unterzeichnet worden sei, als die KG bereits im Handelsregister eingetragen gewesen war und ihren Betrieb seit langem aufgenommen hatte. Die Kommanditisten seien also bei der Unterzeichnung Kaufleute gewesen, so daß es einer Innehaltung der Form des § 1027 Abs. 1 ZPO nicht bedurft habe.
Auch diese Rüge ist unbegründet.
a) Dem Berufungsgericht kann nicht zugestimmt werden, wenn es in diesem Zusammenhang die Kommanditgesellschaft der offenen Handelsgesellschaft rechtlich gleichstellt.
Die Mitgesellschafter einer offenen Handelsgesellschaft werden, ebenso wie die persönlich haftenden Gesellschafter einer Kommanditgesellschaft, durch die Aufnahme des Geschäftsbetriebs Kaufleute (BGHZ 34, 293, 296 f; BGH IM § 406 HGB Nr. 1)= Es wird ferner die Ansicht vertreten, daß bereits der Abschluß des Vertrags über die Errichtung einer offenen Handelsgesellschaft für die Gründer ein Handelsgeschäft sei, selbst wenn sie bis dahin keine Kaufleute gewesen sein sollten; diese Auffassung stützt sich im wesentlichen darauf, daß die Gründer mit jenem Abschluß ihr künftiges Handelsgewerbe vorbereiten (Hueck, Das Recht der offenen Handelsgesellschaft, 3. Aufl., § 3 Nr. 9; Ritter, HGB, § 343 Anm. 6 b. A.A. u.a. Zöllner, Betr. 1964, 795 mit Nachw.).
Diese Begründung versagt bei der Kommanditgesellschaft. Denn die Kommanditisten werden durch ihre Beteiligung an ihr keine Kaufleute, wenn nicht besondere, hier nicht in Betracht kommende Umstände hinzutreten (Urt.d.Sen.v. 27 = Mai 1957 – VII ZR 223/56 – = WM 1957, 883; RGSt 69, 65, 67 ff; RG HRR 1934, 143; RGRK HGB, 2. Aufl., § 161 Anm. 15).
Zwar wird im Schrifttum auch das Gegenteil behauptet, und zwar entweder grundsätzlich (Ballerstedt, JuS 1963, 253, 259) oder wenigstens insoweit, als der Kommanditist mit anderen Gesellschaftern oder der Kommanditgesellschaft Geschäfte schließt (Hueck, Gesellschaftsrecht, 12. Aufl., S. 94; Lehmann, Gesellschaftsrecht, 2. Aufl., S. 148; Schlegelberger-Gessler, HGB, 4. Aufl., § 161 Rdn. 27 – entgegen Schlegelberger-Hefermehl, HGB, 4. Aufl., § 343 Rdn. 17/18 –). Dem kann aber nicht zugestimmt werden.
Kaufmann ist nach § 1 Abs. 1 HGB, wer ein Handelsgewerbe betreibt. Das trifft für den Kommanditisten nicht zu. Die Gesellschaft wird nicht auf seinen Namen geführt, er haftet für die Verbindlichkeiten nur mit seiner Einlage, von der Geschäftsführung ist er ausgeschlossen, er ist nicht zur Vertretung berechtigt und es besteht für ihn kein Wettbewerbsverbot. Bei einer so beschränkten Rechtsstellung kann nicht mehr davon gesprochen werden, daß er die Geschäfte der Gesellschaft mitbetreibt oder daß dies der persönlich haftende Gesellschafter für ihn und in seinem Namen tut. Er ist, wie das Reichsgericht a.a.O. zutreffend sagt, für den unbefangenen Beobachter nicht „Inhaber” oder „Prinzipal” des Betriebs.
Daran ändert sich nichts, wenn der Kommanditist mit anderen Gesellschaftern oder der Gesellschaft Verträge schließt. Hierdurch betreibt er nicht die Geschäfte der Kommanditgesellschaft. Solche Verträge sind also nur dann für ihn Handelsgeschäfte, wenn er ohnehin Kaufmann ist und im Rahmen dieses Gewerbes mit der Gesellschaft oder den Gesellschaftern in Beziehung tritt. Abgesehen von einer solchen Sachgestaltung fehlt es an einem hinreichenden Grunde, ihn als Kaufmann zu behandeln. Kegelt er seine Beziehungen zur Gesellschaft oder zu den Gesellschaftern, so übt er damit nicht ein Gewerbe aus; denn dabei handelt es sich nicht um einen für die Dauer berechneten Kreis von Geschäften, wie es für die Ausübung eines Handelsgewerbes i.S. des § 1 Abs. 1 KGB erforderlich ist. Er ist also auch nicht in dem beschränkten Umfange Kaufmann, wie es von den oben angeführten Schriftstellern angenommen wird (ebenso Zöllner, Betr. 1964, 795).
Schließlich sind auch etwaige Billigkeitserwägungen, auf die in Schrifttum verwiesen wird (Ballerstedt aaO), nicht geeignet, ein anderes Ergebnis zu rechtfertigen. Der Senat hat im Urteil BGHZ 36, 273, 277 ausgeführt, daß die im § 1027 Abs. 2 ZPO zugelassene Formfreiheit eine eng auszulegende Ausnahmeregelung ist. Daran ist festzuhalten. Es besteht also kein Anlaß zu einer weitherzigen Anwendung.
b) Aus dem Gesagten folgt, daß die Schiedsabrede, die ein Kommanditist im Gesellschaftsvertrag vereinbart, der Form des § 1027 Abs. 1 ZPO bedarf, wenn er nicht im Hinblick auf ein anderes von ihn betriebenes Gewerbe ohnehin Kaufmann ist. Das gilt auch für Vereinbarungen, die er während des Bestehens der Gesellschaft mit dieser oder den anderen Gesellschaftern schließt. Deswegen ist es vorliegend unerheblich, ob der Gesellschaftsvertrag in Wirklichkeit erst nach Beginn des Geschäftsbetriebs und der Eintragung im Handelsregister unterzeichnet worden ist.
Da nach dem oben Gesagten an der Schiedsabrede Nichtkaufleute beteiligt waren, diese Abmachung als Einheit anzusehen ist und nach der bedenkenfreien Feststellung des Oberlandesgerichts ohne den unwirksamen Teil nicht getroffen worden wäre, ist die KG gemäß dem § 1027 Abs. 1 ZPO der Beklagten gegenüber nicht daran gebunden gewesen. Die Vorinstanzen haben die Einrede also mit Recht verworfen.
3.) Die Beklagte hat gemäß dem § 97 ZPO die Kosten ihrer unbegründeten Revision zu tragen.
Unterschriften
Glanzmann, Heimann-Trosien, Meyer, Vogt, Pinke
Fundstellen
BGHZ 45, 282 |
BGHZ, 282 |
NJW 1966, 1960 |
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