Leitsatz (amtlich)
Wer – ohne arbeitsunfähig zu sein – vorzeitig Versorgungsbezüge erhält, ist, wenn er im Sicherungsfall seine Altersgrenze noch nicht erreicht hat, nicht Versorgungsempfänger im Sinne von § 7 Abs. 1 BetrAVG.
Normenkette
BetrAVG § 7 Abs. 1
Verfahrensgang
LG Köln (Urteil vom 05.10.1983) |
Tenor
Die Sprungrevision des Klägers gegen das Urteil der 24. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 5. Oktober 1983 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Der Kläger nimmt seit der Vollendung seines 63. Lebensjahres am 4. März 1983 den verklagten Pensionssicherungsverein auf Zahlung von Versorgungsbezügen in Anspruch. Er war gemäß Anstellungsvertrag mit Versorgungszusage vom 16. September 1963 seit dem 1. Januar 1964 technischer Geschäftsführer der F. & H. GmbH, der persönlich haftenden Gesellschafterin der R.-Werke F. & H. in Br. § 9 dieses Anstellungsvertrages lautete in der zuletzt gültigen Fassung auszugsweise:
„Bei Vollendung des 65. Lebensjahres oder bei vorzeitiger Pensionierung steht Herrn Dr. P. eine Pension zu. Diese hat dem Betrage zu entsprechen, der 350 v. H. der Gruppe 7 (Richtgehalt nach vier Jahren in dieser Gruppe) der Gehaltsgruppe für die Angestellten in der Metallindustrie Niedersachsens gleichkommt.”
Seine Witwe sollte 60 % dieser Pension erhalten.
Am 24. August 1974 traf der Kläger mit den R.-Werken und ihrer Komplementärin eine Vereinbarung, nach der er „mit sofortiger Wirkung aus der Geschäftsführung und aus den Diensten der Gesellschaft” ausschied, seine monatlichen Bezüge noch bis zum 31. Dezember 1974 und anschließend seine Pension entsprechend § 9 seines Anstellungsvertrages erhielt. Danach wurde verfahren, bis die R.-Werke am 21. Juni 1981 Antrag auf Eröffnung des Vergleichsverfahrens stellten. Im Dezember 1981 wurde das Anschlußkonkursverfahren eröffnet. Der Kläger hat seit dem 1. Juli 1981 keine Pension mehr erhalten.
Er hat beantragt,
- den Beklagten zu verurteilen, an ihn (für die Zeit vom 4. März bis 3. August 1983 5 mal 13.947,50 =) 69.737,50 DM nebst gestaffelten Zinsen zu zahlen,
festzustellen, daß der Beklagte verpflichtet ist,
- an ihn selbst vom 4. August 1983 an monatlich 350 % und
im Falle seines Vorversterbens an seine Witwe monatlich 210%
der in seinem Anstellungsvertrag vereinbarten Gehaltsgruppe nach dem jeweils gültigen Tarifvertrag, höchstens aber 15.000 DM monatlich, zu zahlen.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Mit der Sprungrevision, deren Zurückweisung der Beklagte beantragt, verfolgt der Kläger seine erstinstanzlichen Anträge weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet. Dem Kläger stünden nach § 7 Abs. 1 und 2 des Gesetzes zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung (BetrAVG) nach dem Konkurs seiner Dienstberechtigten Versorgungsansprüche gegen den Beklagten als Träger der Insolvenzsicherung nur zu, wenn er im Zeitpunkt der Eröffnung des Konkurses bereits Versorgungsempfänger gewesen wäre oder eine nach § 1 BetrAVG unverfallbare Versorgungsanwartschaft erworben hätte. Beides ist jedoch, wie das Landgericht zu Recht ausgeführt hat, nicht der Fall.
1. Die im Dienstvertrag des Klägers begründete Versorgungsanwartschaft ist im Sinne des Gesetzes nicht unverfallbar geworden. Sie war zwar vertraglich als unverfallbar vereinbart. Nach der eindeutigen Regelung des § 7 Abs. 2 BetrAVG greift aber die Insolvenzsicherung nur bei Versorgungsanwartschaften ein, bei denen die gesetzlichen Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 BetrAVG erfüllt sind. Diese Vorschrift kommt dem Kläger nicht zugute, weil er aus seinem Dienstverhältnis bereits am 24. August 1974 ausgeschieden und das Betriebsrentengesetz erst später, nämlich am 22. Dezember 1974 in Kraft getreten ist; nach der Übergangsregelung des § 26 BetrAVG gilt § 1 des Gesetzes für vor diesem Zeitpunkt beendete Dienstverhältnisse nicht.
Die Revision möchte dieses Ergebnis dadurch vermeiden, daß sie die Beendigung des Dienstverhältnisses auf einen nach dem 22. Dezember 1974 liegenden Zeitpunkt verlegen zu können glaubt, weil der Kläger nach der Vereinbarung vom 24. August 1974 für die Dauer von zwei weiteren Jahren den Organen der R.-Werke noch in Einzelfällen zur Verfügung stehen sollte. Was damit ins Auge gefaßt wurde, war aber keine Fortsetzung des bis dahin auf eine dauernde Tätigkeit angelegten Dienstverhältnisses, sondern nichts weiter als eine gelegentliche Hilfeleistung des Klägers „aus dem Ruhestand heraus”, wie das nicht selten vorkommt, wenn sich ein Unternehmen bei Bedarf noch gewisse Kenntnisse und Erfahrungen eines Pensionärs zunutze machen will. Die bloße Möglichkeit zu gelegentlicher Inanspruchnahme kann keinem ständigen Dienstverhältnis gleichgestellt werden, wie es zur Begründung einer unverfallbaren Anwartschaft nach §§ 26, 1 BetrAVG ausreichen würde. Eine gegenteilige Auffassung hat der Senat entgegen der Ansicht der Revision in seinem Urteil vom 1. Juni 1981 – II ZR 140/80 = ZIP 1981, 892 nicht vertreten. Er hat dort für einen Geschäftsführer, der sein Amt mit dem 65. Lebensjahr niedergelegt hatte, aber als Betriebsleiter voll weiter tätig blieb, ausgesprochen, in diesem Falle bestehe keine Veranlassung, die Zeiten dieser fortdauernden Beschäftigung nicht zur Dauer der Betriebszugehörigkeit zu rechnen oder ihren Zusammenhang mit der Versorgungszusage zu verneinen. Hiermit ist die Erklärung des Klägers, zur Mitwirkung in Einzelfällen bereit zu sein, nicht zu vergleichen. Wie die Rechtslage zu beurteilen wäre, wenn ein Pensionär in Fällen dieser Art tatsächlich noch in beträchtlichem Umfange zu Dienstleistungen herangezogen wird, kann auf sich beruhen; der Kläger hat solches für sich nicht behauptet.
2. Der Kläger war, als das Konkursverfahren über das Vermögen der R.-Werke eröffnet wurde, auch nicht Versorgungsempfänger im Sinne des § 7 Abs. 1 BetrAVG. Denn nach der Legaldefinition des § 1 Abs. 1 Satz 1 BetrAVG kann als Versorgungsempfänger nur angesehen werden, wer (aus Anlaß eines Arbeitsverhältnisses) Leistungen der „Alters-, Invaliditäts- oder Hinterbliebenenversorgung” erhält (oder zu diesem Zeitpunkt trotz Fortsetzung seines Dienstverhältnisses schon beanspruchen könnte – vgl. insoweit BGHZ 77, 233, 245 f.; Urt. v. 16.6.1980 – II ZR 195/79 = LM BetrAVG Nr. 2 und v. 28.9.1981 – II ZR 181/80 = LM BetrAVG Nr. 7 unter IV und V 2). Arbeitsunfähig war der Kläger nicht, so daß er Invalidenversorgung nicht erhalten hat, und die Bezüge, die er auf Grund der Vereinbarung vom 24. August 1974 in Verbindung mit § 9 seines Anstellungsvertrages seit seinem 55. Lebensjahr erhalten hatte, waren auch keine Versorgung, wie sie in Betrieben üblicherweise gewährt wird, wenn ein Arbeitnehmer aus keinem anderen Grunde als dem seines fortgeschrittenen Alters ausscheidet. Versorgungsleistungen, die jemand nach seinem vorzeitigen Ausscheiden aus dem Betrieb erhält, waren daher in der Regel in dem hier maßgeblichen Zeitpunkt, wie der Senat mehrfach entschieden hat, nicht als „wirkliches” Altersruhegeld im Sinne des BetrAVG anzusehen, solange der Berechtigte nicht das 63. Lebensjahr vollendet hatte (Urt. v. 16.3.1981 – II ZR 222/79 = LM BetrAVG Nr. 5; v. 4.5.1981 – II ZR 100/80 = LM BetrAVG Nr. 4 unter 3; v. 22.6.1981 – II ZR 146/80 = LM BetrAVG Nr. 6 und v. 28.9.1981 – II ZR 181/80 = LM BetrAVG Nr. 7; ferner BAG WM 1984, 750 unter 2). Das war beim Kläger, der im März 1920 geboren ist, bei Konkurseröffnung im Jahre 1981 noch nicht der Fall. Soweit der Senat im Urteil vom 28. September 1981 a.a.O. unter IV eine Versorgungsberechtigung schon nach Erreichung der vertraglichen Altersgrenze von 55 Lebensjahren als ausreichend bezeichnet hat, war das ein im Widerspruch zu allen anderen einschlägigen Entscheidungen stehendes offenbares Versehen, das in jenem Falle auch nicht entscheidungserheblich war, weil der dortige Kläger eine unverfallbare Anwartschaft besaß. Ein Ausnahmefall, in dem eine vertragliche Regelung, die die Altersgrenze für den Dienstverpflichteten allgemein vor das 63. Lebensjahr vorverlegt, aus besonderen Gründen im Rahmen des § 7 BetrAVG als verbindlich angesehen werden müßte (vgl. dazu Sen. Urt. v. 16.3.1981 – II ZR 222/79 = LM BetrAVG Nr. 5 und v. 28.9.1981 a.a.O.), liegt hier nicht vor. Denn aus dem Dienstvertrag des Klägers ergibt sich zweifelsfrei, daß die Vertragschließenden das 65. Lebensjahr als das beiderseits maßgebliche normale Ruhestandsalter angesehen haben.
3. Die Ansicht der Revision, der Kläger könne nach Vollendung seines 63. (oder 65.) Lebensjahres in die Insolvenzsicherung „hineingewachsen” sein, weil er bis dahin ein Übergangsgeld bezogen habe, findet im Gesetz keine Stütze. Dieses stellt nur auf den Eintritt des Sicherungsfalles (hier Dezember 1981) ab; wer zu diesem Zeitpunkt keinen Vollanspruch auf Altersversorgung und auch noch keine unverfallbare Anwartschaft hat, kommt nicht in den Genuß der Insolvenzsicherung. Die Härte, die sich aus dieser strengen Abgrenzung gerade für den Kläger ergibt, dessen Dienstverhältnis länger als zehn Jahre angedauert und nur wenige Monate vor dem gesetzlichen Stichtag des § 26 BetrAVG sein Ende gefunden hat, kann von der Rechtsprechung aus keinem rechtlichen Gesichtspunkt, insbesondere auch nicht aus Billigkeitserwägungen, ausgeglichen werden.
Das Landgericht hat nach alledem die Klage zur Recht abgewiesen.
Unterschriften
Stimpel, Dr. Schulze, Dr. Bauer, Dr. Seidl, Brandes
Fundstellen
Haufe-Index 1502391 |
NJW 1985, 385 |
Nachschlagewerk BGH |
ZIP 1984, 1127 |