Entscheidungsstichwort (Thema)
Voraussetzungen der Geltendmachung des Anspruchs nach § 888 Abs. 1 BGB
Leitsatz (amtlich)
Der Anspruch nach § 888 Abs. 1 BGB setzt nicht voraus, dass der Vormerkungsberechtigte bereits als Eigentümer (oder sonstiger Rechtsinhaber) in das Grundbuch eingetragen worden ist.
Normenkette
BGB § 888
Verfahrensgang
LG Halle (Saale) (Urteil vom 18.12.2009; Aktenzeichen 2 S 150/09) |
AG Halle (Saale) (Entscheidung vom 09.06.2009; Aktenzeichen 95 C 677/09) |
Tenor
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil der 2. Zivilkammer des LG Halle vom 18.12.2009 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Rz. 1
Mit notariellem Vertrag vom 30.3.2006 kaufte der Kläger ein Grundstück von einer GmbH, welches ihm lastenfrei übertragen werden sollte. Seit Mai 2006 ist zu seinen Gunsten eine Auflassungsvormerkung im Grundbuch eingetragen. Im Oktober 2008 wurde zugunsten des Beklagten eine Zwangssicherungshypothek eingetragen. Die Eigentumsumschreibung auf den Kläger ist noch nicht erfolgt.
Rz. 2
Der Kläger verlangt von dem Beklagten, die Löschung der Zwangssicherungshypothek zu bewilligen. Das AG hat der Klage stattgegeben; das LG hat sie abgewiesen. Mit der von dem LG zugelassenen Revision, deren Zurückweisung der Beklagte beantragt, verfolgt der Kläger seinen Antrag weiter.
Entscheidungsgründe
I.
Rz. 3
Das Berufungsgericht meint, ein Vormerkungsberechtigter könne den Anspruch nach § 888 Abs. 1 BGB grundsätzlich erst nach seiner Eintragung als Eigentümer geltend machen. So sei es auch hier. Der Eigentumserwerb des Klägers sei nicht von der Löschung der Sicherungshypothek abhängig. Zwar beeinträchtige die Hypothek seinen Anspruch auf Erwerb lastenfreien Eigentums. Vor der Eigentumsumschreibung sei aber offen, ob es tatsächlich zu einer Vollrechtseintragung komme und sich die in § 879 Abs. 1 BGB geregelte Rangwahrung verwirkliche. Ein Löschungsanspruch des Klägers bestehe daher erst, wenn er mit dem Rang der Vormerkung als Eigentümer im Grundbuch eingetragen sei.
II.
Rz. 4
Diese Ausführungen halten revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht stand.
Rz. 5
1. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist die Frage, ob der Vormerkungsberechtigte die Löschung einer nachrangigen Zwangssicherungshypothek erst dann verlangen kann, wenn er als Eigentümer im Grundbuch eingetragen ist, höchstrichterlich geklärt. Nach ständiger Rechtsprechung des BGH kann der Anspruch nach § 888 Abs. 1 BGB geltend gemacht werden, wenn der durch die Vormerkung gesicherte Anspruch entstanden und fällig ist, also ggü. dem Anspruchsgegner durchgesetzt werden könnte. Nicht erforderlich ist, dass dieser den Anspruch bereits erfüllt hat oder rechtskräftig dazu verurteilt worden ist. Daraus folgt zugleich, dass die Durchsetzung des Anspruchs gem. § 888 Abs. 1 BGB die Eintragung des Vormerkungsberechtigten im Grundbuch nicht voraussetzt (vgl. BGH BGHZ 99, 385 [388]; Senat, Urt. v. 31.10.1980 - V ZR 95/79, NJW 1981, 446 [447]; Urt. v. 24.6.1988 - V ZR 51/87, NJW-RR 1988, 1357; Urt. v. 14.7.2000 - V ZR 384/98, NJW 2000, 3496; BGH, Urt. v. 26.4.2007 - IX ZR 139/06, WM 2007, 1137; ebenso Staudinger/Gursky, BGB [2008], § 888 Rz. 49; MünchKomm/BGB/Kohler, 5. Aufl., § 888 Rz. 11; Kesseler, ZfIR 2007, 88, 92 f.; Wolf, NZM 2008, 29).
Rz. 6
2. Die von dem Berufungsgericht angeführten Gegenstimmen (OLG Zweibrücken NJW-RR 2007, 87; OLG Rostock NotBZ 2007, 223; OLG Dresden NJW-RR 1999, 1177; OLG Stuttgart OLGReport Stuttgart 1998, 285, 286; ebenso: Palandt/Bassenge, BGB, 69. Aufl., § 888 Rz. 5; NK-Krause, BGB, 2. Aufl., § 888 Rz. 5; PWW/Huhn, BGB, 5. Aufl., § 888 Rz. 3; Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 14. Aufl., Rz. 1529; Schreiber, NJ 2007, 176) geben keinen Anlass zu einer Änderung der Rechtsprechung.
Rz. 7
a) Die Auffassung, ein Auflassungsvormerkungsberechtigter könne erst nach seiner Eintragung als Eigentümer die Zustimmung zur Löschung einer vormerkungswidrigen Belastung des Grundstücks verlangen, vermag schon deshalb nicht zu überzeugen, weil sie zu einer im Gesetz nicht vorgesehenen unterschiedlichen Ausgestaltung des Anspruchs nach § 888 Abs. 1 BGB je nach Art der vormerkungswidrigen Verfügung führte. Besteht diese in der Übertragung des Eigentums an einen Dritten, kann der Vormerkungsberechtigte erst als Eigentümer eingetragen werden, nachdem der Dritterwerber die nach § 888 Abs. 1 BGB geschuldete Zustimmung hierzu erteilt hat. Bei einer solchen erfüllungsvereitelnden Verfügung ist es denknotwendig ausgeschlossen, die Entstehung des Anspruchs nach § 888 Abs. 1 BGB von der Eintragung des Vormerkungsberechtigten als Eigentümer abhängig zu machen. Weshalb dies anders sein soll, wenn der gleiche Anspruch - wie hier - gegen einen nach der Auflassungsvormerkung eingetragenen Grundpfandrechtsgläubiger geltend gemacht wird, dessen Recht den vorgemerkten Anspruch beeinträchtigt, ist nicht nachvollziehbar. In beiden Fällen ist die Verfügung dem Vormerkungsberechtigten gegenüber unwirksam (§ 883 Abs. 2 Satz 1 BGB); das gilt auch dann, wenn sie - wie hier - im Wege der Zwangsvollstreckung erfolgt (§ 883 Abs. 2 Satz 2 BGB).
Rz. 8
b) Das Interesse des nach § 888 Abs. 1 BGB in Anspruch genommenen Dritten, seine Rechtsposition erst aufgeben zu müssen, wenn feststeht, dass der durch die Vormerkung gesicherte Anspruch besteht, ist unabhängig davon schutzwürdig, ob die zu seinen Gunsten vorgenommene Verfügung diesen Anspruch beeinträchtigt oder ihn vereitelt. Es wird dadurch geschützt, dass der Dritte ggü. dem Vormerkungsberechtigten alle Einreden und Einwendungen gegen die Vormerkung und den durch sie gesicherten Anspruch erheben kann, namentlich auch den Einwand, der gesicherte Anspruch sei untergegangen (vgl. Senat, Urt. v. 14.7.2000, V ZR 384/98, a.a.O.). Dabei muss der Vormerkungsberechtigte Bestehen und Fälligkeit des gesicherten Anspruchs darlegen und beweisen (Staudinger/Gursky, BGB [2008], § 888 Rz. 68; Palandt/Bassenge, BGB, 69. Aufl., § 888 Rz. 7). Das gilt auch dann, wenn der Schuldner des gesicherten Übereignungsanspruchs bereits rechtskräftig zur Auflassung des Grundstücks an den Vormerkungsberechtigten verurteilt worden ist (vgl. Soergel/Stürner, BGB, 13. Aufl., § 888 Rz. 8).
Rz. 9
c) Eines weitergehenden Schutzes bedarf der Dritte nicht. Insbesondere muss er nicht befürchten, seine Eintragung als Eigentümer oder sein Grundpfandrecht nebst dazugehörigem Rang zu verlieren, wenn der durch die Vormerkung gesicherte Anspruch später einverständlich aufgehoben wird und es deshalb nicht zu einer Übereignung des Grundstücks an den Vormerkungsberechtigten kommt. Denn der Vormerkungsberechtigte kann die Löschung des vormerkungswidrig eingetragenen Rechts nur im Zuge der Erfüllung des vorgemerkten Anspruchs erreichen.
Rz. 10
§ 888 Abs. 1 BGB begründet einen unselbständigen Hilfsanspruch, der allein der Verwirklichung des durch die Vormerkung gesicherten Anspruchs dient (vgl. BGH BGHZ 49, 263 [267]; Urt. v. 5.12.2003 - V ZR 341/02, WM 2004, 1601 [1602]; MünchKomm/BGB/Kohler, § 888 Rz. 1; Wolf, NZM 2008, 29 [31]). Während § 883 Abs. 2 BGB für das materielle Recht die relative Unwirksamkeit des Rechtserwerbs des Dritten anordnet, stellt die Vorschrift des § 888 BGB sicher, dass die nach dem formellen Grundbuchrecht notwendige Bewilligung des Betroffenen (§ 19 GBO) erwirkt werden kann (vgl. Senat, Urt. v. 5.12.2003 - V ZR 341/02, WM 2004, 1601 [1602]). Der akzessorische Charakter des Anspruchs wird materiell-rechtlich durch den Erklärungsgehalt der abzugebenden Zustimmung sichergestellt; dieser richtet sich nach dem Inhalt des vormerkungsgesicherten Anspruchs (Senat, Urt. v. 14.7.2000 - V ZR 384/98, NJW 2000, 3496; MünchKomm/BGB/Kohler, 5. Aufl., § 888 Rz. 13). Ist er - wie hier - auf die Übertragung lastenfreien Eigentums gerichtet, kann der Vormerkungsberechtigte nicht die Zustimmung zu einer sofortigen Löschung des Grundpfandrechts verlangen, sondern nur die Zustimmung dazu, dass das Grundpfandrecht mit der Eintragung des Vormerkungsberechtigten als Eigentümer gelöscht wird (vgl. Senat, Urt. v. 14.7.2000 - V ZR 384/98, a.a.O., zu der von einem Zwischenerwerber geschuldeten Zustimmung).
Rz. 11
Auf der Ebene des formellen Grundbuchrechts scheitert eine isolierte, d.h. von der Erfüllung des vorgemerkten Anspruchs losgelöste Löschung des Grundpfandrechts durch den Vormerkungsberechtigten daran, dass ihm die nach § 13 GBO erforderliche Antragsbefugnis fehlt (vgl. OLG DüsseldorfRpfleger 2007, 69; OLG Frankfurt NJW-RR 1996, 1482 f. sowie Staudinger/Gursky, BGB [2008], § 888 Rz. 49 m.w.N.). Auch deshalb ist es unbedenklich, die Klage nach § 888 BGB vor der Eintragung des Vormerkungsberechtigten als Eigentümer zuzulassen (so zutreffend Assmann, Die Vormerkung, S. 433 f.).
Rz. 12
d) Andererseits kann dem Vormerkungsberechtigten entgegen einer teilweise geäußerten Auffassung (OLG Rostock NotBZ 2007, 223, 224) nicht das Rechtsschutzbedürfnis für die Durchsetzung des Zustimmungsanspruchs (§ 888 BGB) mit der Begründung abgesprochen werden, als nur mittelbar Betroffenem fehle ihm die nach § 13 GBO erforderliche Antragsberechtigung und damit die Rechtsmacht, den Anspruch aus § 888 Abs. 1 BGB durchzusetzen.
Rz. 13
Bei vormerkungswidrigem Rechtserwerb hat der Berechtigte im Normalfall Ansprüche gegen zwei verschiedene Personen: auf Erfüllung des vorgemerkten Anspruchs (hier: auf lastenfreie Übereignung) gegen den Vormerkungsschuldner und auf Zustimmung dazu nach § 888 BGB gegen den Dritten. Beide Ansprüche müssen geltend gemacht werden, um den vorgemerkten Anspruch zu verwirklichen (vgl. Senat, Urt. v. 2.4.1958 - V ZR 203/56, BB 1958, 1225). Denn der Umstand, dass die Belastung vormerkungswidrig ist, entbindet den Schuldner nicht von der Verpflichtung zur lastenfreien Eigentumsübertragung (Senat, Urt. v. 5.12.2003 - V ZR 341/02, WM 2004, 1601 [1602]).
Rz. 14
Auch wenn der Vormerkungsberechtigte allein mit dem Urteil gegen den Dritten die Löschung des vormerkungswidrigen Rechts noch nicht erreichen kann, ist die nach § 888 Abs. 1 BGB abzugebende Zustimmung des Dritten für die Verwirklichung des vorgemerkten Anspruchs unverzichtbar. Ist sie erklärt, erfolgt die Löschung des Grundpfandrechts mithilfe des Vormerkungsschuldners. Als Grundstückseigentümer ist er gem. § 13 GBO zur Stellung des Löschungsantrags berechtigt. Im Verhältnis zu dem Vormerkungsberechtigten verpflichtet ihn der gesicherte Anspruch, diesen Antrag - zusammen mit den übrigen zur Verwirklichung des Anspruchs notwendigen Erklärungen und Anträgen - bei dem Grundbuchamt einzureichen; dabei kann der Schuldner von der Möglichkeit des § 16 Abs. 2 GBO Gebrauch machen.
Rz. 15
Da die Verwirklichung des vorgemerkten Anspruchs die Mitwirkung sowohl des Anspruchsschuldners als auch des Dritten erfordert, muss der Vormerkungsberechtigte parallel gegen sie vorgehen können, um annähernd gleichzeitig gegen beide einen vollstreckbaren Titel zu erlangen (vgl. Staudinger/Gursky, BGB [2008], § 888 Rz. 49). Nach der Rechtsprechung des Senats ist es dem Vormerkungsberechtigten auch möglich, zunächst nur den Dritten und dann den Schuldner des vorgemerkten Anspruchs zu verklagen oder aber die umgekehrte Reihenfolge zu wählen (BGH BGHZ 54, 56 [62]; Senat, Urt. v. 2.4.1958 - V ZR 203/56, BB 1958, 1225; Urt. v. 24.6.1988 - V ZR 51/87, NJW-RR 1988, 1357; MünchKomm/BGB/Kohler, 5. Aufl., § 888 Rz. 11). Ob er sich gegen eine die Vormerkung vereitelnde oder diese nur beeinträchtigende Verfügung wendet, ist auch hierbei ohne Belang.
III.
Rz. 16
Das angefochtene Urteil kann somit keinen Bestand haben; es ist aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Die Sache ist an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 ZPO), weil sie nicht zur Endentscheidung reif ist. Der Beklagte wendet ein, dass der Auflassungsanspruch der Klägerin infolge eines vorrangig vorgemerkten Rückkaufrechts einer Verwaltungsgemeinschaft entweder nicht fällig oder aber bereits erloschen ist. Hierzu hat das Berufungsgericht, von seinem Rechtsstandpunkt aus konsequent, bislang keine Feststellungen getroffen. Das wird nachzuholen sein.
Rz. 17
Zugleich ist auf eine sachdienliche, dem akzessorischen Charakter des Anspruchs nach § 888 Abs. 1 BGB Rechnung tragende Antragstellung hinzuwirken (§ 139 Abs. 1 Satz 2 ZPO). Beispielsweise kann die von dem Beklagten abzugebende Bewilligung die Zustimmung zur Löschung der Zwangssicherungshypothek bei Umschreibung des Eigentums auf den Kläger zum Inhalt haben. Dem steht nicht entgegen, dass Eintragungsbewilligungen (zu denen auch Löschungsbewilligungen zählen) grundsätzlich bedingungsfeindlich sind und vorbehaltlos erklärt werden müssen. Denn die Bewilligung nach § 19 GBO kann unter dem Vorbehalt abgegeben werden, dass eine andere Eintragung erfolgt (vgl. Demharter, GBO, 27. Aufl., § 16 Rz. 15 m.w.N.).
Fundstellen
Haufe-Index 2368606 |
BGHZ 2011, 130 |
NJW 2010, 3367 |
EBE/BGH 2010 |
DNotI-Report 2010, 207 |
JR 2011, 441 |
MittBayNot 2011, 135 |
NZM 2010, 799 |
WM 2010, 1710 |
ZAP 2010, 986 |
ZfIR 2011, 60 |
DNotZ 2011, 125 |
JA 2011, 549 |
JZ 2010, 1013 |
MDR 2010, 1243 |
NotBZ 2010, 449 |
RÜ 2010, 552 |
ZNotP 2010, 340 |
HRN 2011, 80 |
LL 2010, 657 |