Leitsatz (amtlich)
Die §§ 4 Nr. 7, 8 Nr. 3 VOB/B enthalten für den VOB-Vertrag eine abschließende Sonderregelung. Will der Auftraggeber Ersatz der Fremdnachbesserungskosten, muß er den Vertrag vor Beginn der Fremdnachbesserung gemäß § 8 Nr. 3 Abs. 1 VOB/B kündigen (Bestätigung des Senatsurteils vom 15. Mai 1986 – VII ZR 176/85 = BauR 1986, 573 = ZfBR 1986, 226).
Bei Fehlen der Kündigung kann der Anspruch auf Ersatz der Fremdnachbesserungskosten nicht aus analoger Anwendung von § 633 BGB oder § 13 Nr. 5 Abs. 2 VOB/B hergeleitet werden.
Bei der VOB/B handelt es sich nicht um eine Norm, sondern um Allgemeine Geschäftsbedingungen, deren einzelne Regelungen wegen § 5 AGBG nicht analog auf eindeutig geregelte Sachverhalte anwendbar sind.
Normenkette
VOB/B § 4 Nr. 7, § 8 Nr. 3; BGB § 633; AGBG § 5; VOB/B § 13 Nr. 5
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Rechtsmittel der Klägerin wird das Urteil des 21. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 17. Dezember 1996 teilweise aufgehoben und das Urteil der 9. Zivilkammer des Landgerichts Essen vom 6. Dezember 1994 teilweise geändert:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin weitere 1.861,62 DM nebst 12% Zinsen vom 1. Juli 1992 bis zum 27. April 1994, 11,75% Zinsen vom 28. April 1994 bis zum 5. Juni 1994, 11,5% Zinsen vom 6. Juni 1994 bis zum 31. Juli 1995 und 4% Zinsen seit dem 1. August 1995 zu zahlen.
Der Zinsausspruch im Berufungsurteil wird dahin berichtigt, daß es statt „6.05.1994” richtig „5. Juni 1994” heißt.
Die Kosten erster Instanz tragen die Klägerin zu 7/20 und die Beklagte zu 13/20.
Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Klägerin zu 2/5 und die Beklagte zu 3/5.
Die Kosten des Revisionsverfahrens hat die Beklagte zu tragen.
Die Klägerin hat von den außergerichtlichen Kosten des Streithelfers der Beklagten erster Instanz 7/20 und des Berufungsverfahrens 2/5 zu tragen; im übrigen trägt der Streithelfer seine außergerichtlichen Kosten selbst.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Klägerin erbrachte für die Beklagte Estricharbeiten. Die Geltung der VOB/B war vereinbart. Sie verlangt die Bezahlung einer unstreitigen Restforderung von 11.423,72 DM. Die Beklagte verweigert die Zahlung mit der Begründung, ihr stehe ein Anspruch auf Ersatz von Mängelbeseitigungskosten, Minderung und Schadensersatz wegen Unebenheiten des Estrichs in gleicher Höhe zu.
Landgericht und Oberlandesgericht haben die Aufrechnung teilweise für begründet erachtet. Im Revisionsverfahren geht es nur noch um die Frage, ob die Beklagte gegen die Klägerin Anspruch auf Erstattung von Kosten in Höhe von 1.633 DM netto hat, die sie für die vom Fliesenleger durchgeführten Ausgleichsarbeiten aufgewendet hat. Insoweit hat das Berufungsgericht die Aufrechnung der Beklagten durchgreifen lassen.
Das Berufungsgericht hat die Revision der Klägerin zugelassen wegen der Frage, ob dieser Anspruch ohne Kündigung gegeben ist.
Entscheidungsgründe
Das Rechtsmittel hat Erfolg.
I.
Das Berufungsgericht ist der Ansicht, der Beklagten stünde ein Anspruch auf Erstattung der vom Fliesenleger durchgeführten Ausgleichsarbeiten zu.
Die Estricharbeiten der Klägerin seien mangelhaft gewesen. Die Klägerin sei wiederholt zur Mängelbeseitigung aufgefordert worden. Ihr sei auch eine Frist zur Nachbesserung gesetzt worden. Die Werkleistung der Klägerin sei nicht abgenommen worden, eine Kündigung nicht erfolgt. Dies sei auch nicht erforderlich. Entgegen der Auffassung des Bundesgerichtshofs und des Oberlandesgerichts Düsseldorf, die auch in der Literatur verbreitet sei, enthielten die §§ 4 Nr. 7, 8 Nr. 3 VOB/B keine abschließende Regelung der Ansprüche des Auftraggebers auf Ersatz der Kosten für die Beseitigung von Mängeln, die sich schon vor Vollendung und Abnahme des Baues gezeigt hätten. Die VOB/B enthalte jedenfalls in den Fällen, in denen der Auftraggeber die Leistung an sich fertiggestellt habe, diese aber in Teilbereichen mangelhaft sei, eine Regelungslücke, die vom Bundesgerichtshof verkannt worden sei. Die Konsequenz seiner Auffassung wäre, daß der Auftraggeber entweder zu einer Abnahme des Werkes gezwungen wäre, das mit wesentlichen Mängeln behaftet sei, um Ansprüche gemäß § 13 Nr. 5 Abs. 2 VOB/B geltend zu machen oder zu einer inhaltsleeren Kündigung, um seine Ansprüche auf § 4 Nr. 7 i.V.m. § 8 Nr. 3 VOB/B stützen zu können. Es sei widersinnig, auch dann eine Kündigung als Voraussetzung für den Ersatz von Mängelbeseitigungskosten zu fordern, wenn der Auftragnehmer die Leistung an sich fertiggestellt habe. Wenn keine Leistung mehr zu erbringen sei, sei die Kündigung sinnlos. Von einem Baupraktiker könne keine Kündigung erwartet werden. Sie sei von so theoretischer Natur, daß an das Übersehen solch einer inhaltsleeren Förmelei nicht der Verlust von Ansprüchen auf Kostenersatz geknüpft werden könne. Wenig überzeugend sei die Begründung des Bundesgerichtshofs, es solle auf der Baustelle „möglichst nichts durcheinandergehen”. Diese Begründung treffe auch deswegen nicht zu, da nach der weiteren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BauR 1987, 689, 690) auch bei Kündigung das Nachbesserungsrecht fortbestehe. Die Höhe der Mängelbeseitigungskosten sei von der Klägerin nicht substantiiert angegriffen worden.
II.
Dies hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
1. Nach der Rechtsprechung des Senats (Urteil vom 15. Mai 1986 – VII ZR 176/85 = BauR 1986, 573 = ZfBR 1986, 226 = NJW-RR 1986, 1148), die in der Literatur weitgehend Zustimmung gefunden hat (vgl. Werner/Pastor, Der Bauprozeß, 8. Aufl. Rdnr. 1618; Kaiser, Mängelhaftungsrecht, 7. Aufl. Rdnr. 31 b; Clemm, BauR 1986, 136; Locher, Das private Baurecht, 6. Aufl. Rdnr. 115), kann der Auftraggeber auch bei Verzug des Auftragnehmers mit der Mängelbeseitigung gemäß § 4 Nr. 7 VOB/B Ersatz von Fremdnachbesserungskosten regelmäßig nicht verlangen, bevor er den Auftrag entzogen hat.
Für einen VOB-Vertrag enthalten die §§ 4 Nr. 7 und 8 Nr. 3 VOB/B eine abschließende Regelung der Ansprüche des Auftraggebers aus Mängeln, die sich schon vor Vollendung und vor Abnahme des Baus gezeigt haben. Der Auftraggeber ist danach auch bei Verzug des Auftragnehmers mit der Mängelbeseitigung jedenfalls im Regelfall nicht ohne Einhaltung des in § 4 Nr. 7 Satz 3 VOB/B vorgeschriebenen Weges befugt, die Mängel auf Kosten des Auftragnehmers durch einen anderen Unternehmer beseitigen zu lassen. Ohne Setzung einer angemessenen Frist zur Mängelbeseitigung unter der Androhung, nach fruchtlosem Fristablauf den Auftrag zu entziehen, und vor der Auftragsentziehung kann er die ihm aus der Beauftragung eines anderen Unternehmers entstandenen Mängelbeseitigungskosten deshalb regelmäßig nicht vom Auftragnehmer ersetzt verlangen.
2. An dieser Rechtsprechung wird festgehalten. Der Senat teilt nicht die vom Berufungsgericht und in Teilen der Literatur (Ingenstau/Korbion, VOB, 13. Aufl. Rdnr. 402 zu B § 4; Nicklisch in Nicklisch/Weick, VOB/B, z. Aufl., § 4 Rdnr. 113 c; Müller-Foell, NJW 1987, 1608; Hochstein, Anm. in Schäfer/Finnern/Hochstein, § 4 Nr. 7 VOB/B (1973) Nr. 3) hiergegen vorgetragenen Bedenken. Die §§ 4 Nr. 7, 8 Nr. 3 VOB/B enthalten für den VOB-Vertrag eine abschließende Sonderregelung.
a) Entgegen der Ansicht von Ingenstau/Korbion (a.a.O. Rdnr. 402 und Nicklisch (a.a.O. Rdnr. 113 c) kann der Anspruch nicht aus § 633 BGB in direkter oder analoger Anwendung i.V.m. § 13 Nr. 5 Abs. 2 VOB/B (so Müller-Foell, NJW 1987, 1608) hergeleitet werden. Eine analoge Anwendung des § 13 VOB/B scheidet schon deswegen aus, weil es sich bei der VOB/B nicht um eine Norm, sondern um Allgemeine Geschäftsbedingungen handelt, deren einzelne Regelungen wegen § 5 AGBG nicht analog auf eindeutig geregelte Sachverhalte anwendbar sind.
Aus der „Kannbestimmung” des § 4 Nr. 7 Satz 3 VOB/B kann nicht gefolgert werden (so Ingenstau/Korbion a.a.O. Rdnr. 402), daß die VOB/B neben der Kündigung die Möglichkeit der Ersatzvornahme zuläßt. § 4 Nr. 7 Satz 3 VOB/B besagt nur, daß der Auftragnehmer eine Frist setzen kann, nicht aber muß, und erklären kann, daß er den Auftrag nach fruchtlosem Ablauf der Frist entziehe. Durch die Fristsetzung und Kündigungsandrohung wird der Auftragnehmer an die Folgen seines weiteren Verzugs mit der Mängelbeseitigung hingewiesen. Der Anspruch auf Ersatz der Fremdnachbesserungskosten vor Abnahme ist abschließend in § 8 Nr. 3 Abs. 2 VOB/B geregelt. Er setzt nach dem eindeutigen Wortlaut des § 8 Nr. 3 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 die Kündigung voraus. Will der Auftraggeber Ersatz der Fremdnachbesserungskosten, muß er den Weg der Kündigung gehen.
b) Gegen die von Korbion (a.a.O. Rdnr. 402) vorgeschlagene Lösung, § 633 Abs. 3 BGB anzuwenden, diesen aber auf in sich klar abgrenzbare Fälle zu beschränken, bestehen Bedenken. Würde man ihr folgen, so ließen sich die Ausnahmefälle kaum eingrenzen.
Die Ansicht, § 633 Abs. 3 BGB anzuwenden, die Anwendung aber auf eng begrenzte Ausnahmefälle zu beschränken, ist inkonsequent. Ist § 633 Abs. 3 BGB anwendbar, besteht, wenn dessen Voraussetzungen gegeben sind, Anspruch auf Ersatz der Kosten der Fremdnachbesserung. Einschränkungen lassen sich außer über § 242 BGB nicht begründen.
c) Ob man aus § 242 BGB in Ausnahmefällen ein Recht auf Erstattung von Fremdnachbesserungskosten ohne Kündigung herleiten kann, bedarf hier nicht der Entscheidung. Der Fall unterscheidet sich nicht so weit von den üblichen Fällen, daß ein Rückgriff auf § 242 BGB geboten wäre.
III.
Demnach hat die zugelassene Revision Erfolg. Da keine weiteren Feststellungen mehr zu treffen sind, sind das Urteil des Oberlandesgerichts und des Landgerichts mit dem in der Beschlußformel bezeichneten Inhalt zu ändern. Der Zinsanspruch ist entsprechend der Urteilsformel wegen offenbarer Unrichtigkeit zu berichtigen.
Fundstellen
Haufe-Index 856985 |
NJW-RR 1998, 235 |
ZAP 1998, 252 |
MDR 1998, 40 |