Entscheidungsstichwort (Thema)
Nießbrauch am Hof
Leitsatz (amtlich)
a) Der Nießbraucher eines Hofes, dem die Stellung eines Unternehmers eingeräumt ist, ist befugt, einzelne Betriebszweige unter Aufrechterhaltung des landwirtschaftlichen Betriebs im übrigen aufzugeben.
b) Veräußert der Unternehmensnießbraucher Anlagevermögen des Hofes, ist er bereits während des Bestehens des Nießbrauchs verpflichtet, durch Reinvestition den landwirtschaftlichen Betrieb in seinem Bestand zu erhalten; hierbei steht ihm ein unternehmerischer Ermessensspielraum zu. Die Reinvestition kann auch durch Tilgung von Hofverbindlichkeiten erfolgen.
c) Der Eigentümer des Hofes kann, wenn Reinvestitionen für veräußerte Anlagegüter unterbleiben, Sicherheitsleistung verlangen.
Normenkette
BGB §§ 1030, 1036 Abs. 2, § 1037 Abs. 1, §§ 1039, 1041, 1051
Verfahrensgang
Schleswig-Holsteinisches OLG |
LG Kiel |
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 8. Zivilsenats des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig vom 11. Juli 2000 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als es den Anspruch auf Sicherheitsleistung zum Gegenstand hat.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Parteien sind Erben ihrer am 3. Oktober 1979 verstorbenen Mutter E. H. (im folgenden: Erblasserin). Diese war Eigentümerin des Guts F. in L., das als Hof im Sinne der Höfeordnung eingetragen ist und aus Herrenhaus, Wirtschaftsgebäude sowie Acker- und Waldflächen von ca. 321 ha besteht. Hofvorerbe ist der Kläger; Hofnacherben sind seine ehelichen Kinder, ersatzweise die Beklagte.
Ursprünglich hatte die Erblasserin beabsichtigt, die Beklagte als Hofvorerbin einzusetzen. Indessen räumte sie ihr ab dem 1. Juli 1979 unentgeltlich einen lebenslangen Nießbrauch an dem Gut ein, das sie mit allen Aktiven und Passiven übernehmen sollte.
Mit Vertrag vom 1. April 1986 verpachtete die Beklagte die Ackerflächen des Guts (152,5 ha) zusammen mit Eigenflächen (17,5 ha) bis zum 30. Juni 2005 an die N. Saatzuchtgesellschaft mbH (im folgenden: Pächterin). In dem Vertrag wurde vereinbart, daß die Pächterin bei Pachtbeginn den Gutsbesatz, bestehend aus totem Inventar, Feldinventar und Vorräten, von der Beklagten kaufen und diese den Gutsbesatz bei Pachtende zurückkaufen sollte.
Die Beklagte verkaufte der Pächterin totes Inventar für 320.000 DM, das diese kurz nach Pachtbeginn weiter veräußerte und vom Hof entfernte. Der Kläger genehmigte die Veräußerung. Außerdem verkaufte die Beklagte die zum Gut gehörenden Milchkühe, nachdem bereits die Erblasserin auf die Vermarktung von Milcherzeugnissen verzichtet hatte. Schließlich verkaufte die Beklagte noch die mit dem Nießbrauch übernommenen Aktien einer Zuckerfabrik sowie Molkerei- und Viehverwertungsanteile für zusammen 50.560,16 DM.
Der Kläger hat behauptet, die Beklagte habe die Erlöse aus diesen und weiteren Veräußerungen nicht in das Gut reinvestiert. Er hat (u.a.) für die Erfüllung seines bei Beendigung des Nießbrauchs entstehenden Anspruchs auf vollständige Übergabe Sicherheitsleistung in Höhe von 961.970,16 DM verlangt. Das Landgericht hat dem Anspruch nur insoweit stattgegeben, als ihm die Veräußerung von totem Inventar, Milchkühen und Geschäftsanteilen zugrunde liegt, und die Sicherheitsleistung auf 331.570,16 DM bemessen. Die hiergegen gerichtete Berufung der Beklagten ist ohne Erfolg geblieben.
Mit der Revision verfolgt sie den Antrag auf volle Abweisung des Anspruchs auf Sicherheitsleistung weiter. Der Kläger beantragt die Zurückweisung des Rechtsmittels.
Entscheidungsgründe
I.
Nach Auffassung des Berufungsgerichts hat die Beklagte an dem Gut F. einen Unternehmensnießbrauch erhalten. Das Gut sei ihr mit dem Umlaufvermögen sowie den Geschäftsforderungen, verbunden mit einer weitgehenden Verfügungsbefugnis im Rahmen der geschuldeten ordnungsgemäßen Geschäftsführung, übertragen worden. Von den Beschränkungen der §§ 1036 Abs. 2, 1037 Abs. 1 BGB sei sie weitgehend befreit. Deswegen sei sie berechtigt gewesen, die Verkäufe vorzunehmen. Allerdings müßten die Erlöse zeitnah in das Anlagevermögen des Betriebs reinvestiert werden (§ 1041 BGB). Zum Ausgleich von Substanzverlusten erst bei Beendigung des Nießbrauchs sei die Beklagte nicht berechtigt, sie müsse das Gut während der gesamten Dauer des Nießbrauchs in der Substanz erhalten. Die Beklagte sei ihrer Reinvestitionspflicht nicht nachgekommen. Entsprechend § 1039 Abs. 1 Satz 2 BGB habe sie dem Kläger Sicherheit zu leisten.
Dies hält den Angriffen der Revision nicht in allen Punkten stand.
II.
Nicht mit der angegebenen Begründung, wohl aber im Ergebnis zutreffend, bejaht das Berufungsgericht einen Anspruch des Klägers auf Sicherheitsleistung für den Fall, daß eine Reinvestition der erzielten Erlöse unterblieben ist.
1. Rechtlich unbedenklich und von der Revision auch nicht angegriffen ist die Feststellung des Berufungsgerichts, daß der Beklagten ein Nießbrauch an dem Hof eingeräumt wurde, der ihr die Stellung der verantwortlichen Leiterin des landwirtschaftlichen Betriebs verschaffte (zum „Unternehmensnießbrauch mit Unternehmerstellung” vgl. Staudinger/Frank, BGB [1994], Anhang zu §§ 1068, 1069 Rdn. 24 f.). Zu Recht geht das Berufungsgericht auch davon aus, daß sie danach befugt war, über die Gegenstände, deren Veräußerung Grundlage des Anspruchs auf Sicherheitsleistung ist, zu verfügen. Hinsichtlich des toten Inventars hatte der Kläger als Hoferbe dem Geschäft zudem zugestimmt. Der Verkauf des Milchviehs war durch die Entscheidung der Erblasserin, auf die Vermarktung von Milcherzeugnissen zu verzichten, bereits vorgezeichnet. Eine Konsequenz dieser Entscheidung war auch die Veräußerung der Molkerei- und Viehverwertungsanteile. Für die Aktien der Zuckerrübenfabrik kann von einer Vorentscheidung der früheren Hofinhaberin oder einer Zustimmung des Klägers nicht ausgegangen werden. Die Anteile mögen, je nach den Umständen, als Hofbestandteil (§ 2 Buchst. b HöfeO) auch zum Anlagevermögen des Betriebes (vgl. § 266 Abs. 2 A III Nr. 3 i.V.m. § 271 Abs. 1 HGB) gerechnet und deshalb von einem Eigentumserwerb durch die Beklagte als Unternehmensnießbraucherin entsprechend § 1067 BGB (vgl. Palandt/Bassenge, BGB, 60. Aufl., § 1085 Rdn. 6) ausgeschlossen gewesen seien. Die gegenüber dem Nießbraucher einer Sache, eines Inbegriffs von Sachen im Sinne des § 1035 BGB, oder eines einzelnen Rechtes erweiterte Entscheidungsbefugnis des Nießbrauchers an einem Unternehmen ließ den Verkauf dieser Beteiligungen, auch wenn mit ihnen Anlieferungsrechte verbunden gewesen sein sollten (vgl. Senat, BGHZ 111, 110), zu. Hierbei braucht nicht entschieden zu werden, inwieweit es § 1036 Abs. 2, 1. Halbsatz, § 1037 Abs. 1 BGB dem Nießbraucher eines Unternehmens generell gestatten, die bisherigen Geschäftszwecke zu verlassen oder diese einzuschränken. Die Aufgabe eines einzelnen Betriebszweigs unter Beibehaltung des landwirtschaftlichen Betriebs im übrigen verläßt jedenfalls die dem Nießbraucher des Hofes zustehenden Befugnisse nicht.
2. Hiervon ausgehend verbietet es sich aber, einen Anspruch des Klägers auf Ausgleich für die veräußerten Teile des Anlagevermögens und, im Vorfeld dazu, auf Sicherheitsleistung, auf die entsprechende Anwendung des § 1039 BGB zu stützen, der die übermäßige Fruchtziehung zum Gegenstand hat. Veräußerungen, die der Nießbraucher des Hofes befugterweise vornimmt, sind mit einer übermäßigen Fruchtziehung, insbesondere wenn sie auf einem Verstoß gegen die Regeln der ordnungsgemäßen Wirtschaftsführung (§ 1036 Abs. 2, 2. Halbs. BGB) beruht, nicht zu vergleichen. Das Berufungsgericht geht auch, zutreffend, aber in Abweichung von § 1039 BGB, der grundsätzlich Wertersatz bei Beendigung des Nießbrauchs vorsieht, davon aus, daß der aus der Veräußerung der Vermögensstücke entstandene Erlös nach § 1041 Satz 1 BGB alsbald dem Betrieb wieder zugeführt werden muß. Die übermäßige Fruchtziehung führt nicht notwendig zu einem Eingriff in den durch § 1041 Satz 1 BGB geschützten wirtschaftlichen Bestand des Nießbrauchgegenstandes. Sie kann, wenn zwischen den Beteiligten Einvernehmen besteht, bei Ende des Nießbrauchs in Geld ausgeglichen werden. Die Verkürzung der Unternehmenssubstanz durch Veräußerung von Anlagegütern erfordert dagegen regelmäßig unmittelbaren Ausgleich. Grundlage des Anspruchs des Bestellers auf Sicherheitsleistung ist in diesem Falle § 1051 BGB, der die Besorgnis einer erheblichen Verletzung der Rechte des Bestellers zur Voraussetzung hat.
3. Allerdings könnten am Bedürfnis nach Sicherheitsleistung Zweifel bestehen, wenn dem Besteller ein sofort fälliger Anspruch auf Ausgleich der Veräußerung durch Reinvestition zusteht. Dies würde indessen den Verhältnissen beim Unternehmensnießbrauch nicht gerecht. Anders als der Nießbraucher einer Sache oder einer Sachgesamtheit im Sinn des § 1035 BGB, dem aus § 1041 Satz 1 BGB gegenständlich umrissene Handlungspflichten erwachsen (etwa Ausbesserung bestimmter Sachen, soweit dies nicht von § 1041 Satz 2 BGB ausgeschlossen wird, oder deren Wiederbeschaffung), ist dem Unternehmensnießbraucher bei der gebotenen Reinvestition des Erlöses ein wirtschaftlicher Ermessensspielraum eröffnet. Die Reduzierung seines unternehmerischen Ermessens auf eine bestimmte Reinvestitionsmaßnahme stellt eher den Ausnahmefall dar. Insbesondere wird ein Anspruch auf Wiederbeschaffung der Anlagegüter, die der Nießbraucher befugterweise aufgegeben hat, im Regelfalle nicht in Frage kommen. Sie würde ihn dem Zwang aussetzen, seine Entscheidung im Ergebnis rückgängig zu machen. Sind Erlöse aus dem Verkauf von Anlagegütern entstanden, aber nicht in das Unternehmen zurückgeführt, ist ein berechtigtes Interesse des Bestellers, sich des Risikos eines Eingriffs in den rechtlich gesicherten Ermessensspielraum des Unternehmensnießbrauchers zu enthalten, dafür aber Sicherheitsleistung zu fordern, nicht von der Hand zu weisen. Der erweiterten Entscheidungsbefugnis des Nießbrauchers über die Unternehmensteile steht ein gesteigertes, rechtlich anzuerkennendes Interesse des Bestellers an einer Sicherheitsleistung gegenüber. Die Voraussetzungen des § 1051 BGB dürfen in solchen Fällen nicht überspannt werden. Die Absonderung der Erlöse über einen längeren Zeitraum, im Streitfalle nach der Behauptung des Klägers über mehr als ein Jahrzehnt, aus dem Anlagevermögen des Unternehmens ist geeignet, die Besorgnis einer erheblichen Verletzung der Rechte des Bestellers aus § 1041 Satz 1 BGB zu begründen. Dem Sicherungsverlangen des Klägers stattzugeben, ist das Berufungsgericht nicht durch den Umstand gehindert, daß dieser seinem Antrag, jedenfalls zeitweise, Wertersatz nach § 1039 BGB zugrunde gelegt hat. Hierbei handelt es sich lediglich um eine unzutreffende rechtliche Einordnung des Begehrens, die dessen nach § 308 ZPO maßgeblichen Inhalt unberührt läßt. Im übrigen geht das von dem Kläger verteidigte Berufungsurteil bereits von einer sofort fälligen Reinvestitionspflicht aus.
III.
Das Berufungsurteil hat indessen keinen Bestand, da die Feststellung, nennenswerte Reinvestitionen aus dem Erlös, einer Summe von 341.841,72 DM, seien nicht erfolgt, auf einer unzutreffenden Beurteilung des sachlichen Rechts beruht. Das Berufungsgericht meint, allerdings ohne Begründung, die von der Beklagten behauptete Tilgung von Hofverbindlichkeiten in Höhe von annähernd 200.000 DM komme als Reinvestition nicht in Betracht. Dem ist nicht zu folgen. Der Unternehmensnießbraucher hat den Zinsdienst für die Betriebskredite zu tragen, nicht aber deren Tilgung herbeizuführen (§ 1047 BGB entspr.). Die Tilgung von Hofverbindlichkeiten aus dem Erlös stellt einen Beitrag zum wirtschaftlichen Bestand des Hofes im Sinne des § 1041 Satz 1 BGB dar. In der Buchführung des Unternehmens kommt dies durch eine Entlastung der Passivseite der Jahresabrechnung zum Ausdruck. Was die über die Gebäudeaufwendungen der Beklagten hinausgehenden weiteren Investitionen angeht, wird das Berufungsgericht die Erfüllung des Anspruchs aus § 1041 Satz 1 BGB nicht mit dem bisherigen Argument verneinen können, das Anlagevermögen des Hofes habe einen weiteren Substanzverlust erlitten. Dieser kann, auch bei Schließung der durch die Verkäufe entstandenen Substanzlücke, auf Mängel der Wirtschaftsführung (vgl. die Beurteilung der Betriebsführung des Gutes in dem beigezogenen Sachverständigengutachten) zurückzuführen sein. Die weitere Überlegung, die Reinvestitionen seien nicht zeitnah erfolgt, spielt für die Frage, ob ein Sicherungsbedürfnis des Klägers noch zu bejahen ist, keine Rolle.
Unterschriften
Tropf, Schneider, Krüger, Klein, Gaier
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 02.11.2001 durch Riegel, Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
Fundstellen
Haufe-Index 657752 |
DB 2002, 263 |
NJW 2002, 434 |
BGHR 2002, 213 |
BGHR |
DNotI-Report 2002, 22 |
JurBüro 2002, 219 |
Nachschlagewerk BGH |
WM 2002, 609 |
ZEV 2002, 233 |
ZEV 2002, 71 |
AgrarR 2002, 20 |
DNotZ 2002, 217 |
MDR 2002, 210 |
Rpfleger 2002, 70 |
NotBZ 2002, 26 |
ZErb 2002, 111 |