Entscheidungsstichwort (Thema)
Schadensersatzrecht, Unterhaltsschaden, fixe Kosten des Haushalts, Haushaltsführungsschaden, ersatzfähiger Steuerschaden
Leitsatz (amtlich)
a) Zu den im Rahmen der Berechnung des Unterhaltsschadens nach § 844 Abs. 2 BGB zu ermittelnden „fixen Kosten” des Haushalts gehören auch die Aufwendungen für den Kindergartenbesuch der hinterbliebenen Kinder.
b) Wird ein Beamter durch ein Schadensereignis getötet und erhält die Witwe beamtenrechtliche Versorgungsbezüge, die den ihr im Sinne des § 844 Abs. 2 BGB entgangenen Unterhaltsleistungen des Verstorbenen (teilweise) kongruent sind, so hat der Schädiger der Witwe die auf den entsprechenden Teil des Witwengeldes entfallende Einkommen- und Kirchensteuer als weiteren Schadensposten zu ersetzen.
Während dieser (zusätzliche) Anspruch bei der Witwe verbleibt, wird der auf Ersatz des Unterhaltsschadens gerichtet Anspruch als solcher in Höhe des entsprechenden (an die Witwe ausgezahlten sowie an das Finanzamt abgeführten) Teils des Witwengeldes vom Rechtsübergang auf den Versorgungsträger erfaßt.
Normenkette
BGB § 844 Abs. 2
Verfahrensgang
Tatbestand
Das klagende Land nimmt die Beklagte aus übergegangenem Recht auf Schadensersatz im Hinblick auf geleistete beamtenrechtliche Versorgungsbezüge in Anspruch.
Am 6. April 1985 verunglückte der damals 35 Jahre alte, als Beamter im Dienste des klagenden Landes stehende Realschullehrer W. anläßlich einer Hilfeleistung auf der Bundesautobahn tödlich. Die volle Einstandspflicht der Beklagten – als Haftpflichtversicherer des Unfallverursachers – für die Unfallfolgen steht zwischen den Parteien außer Streit.
W. hinterließ seine – ebenfalls im Beamtenverhältnis stehende – Ehefrau und zwei 1980 und 1982 geborene Kinder, denen er unterhaltspflichtig war. Der Kläger zahlte seit dem Unfallzeitpunkt an die Witwe und die beiden Kinder beamtenrechtliche Hinterbliebenenversorgung; das Witwengeld betrug für den Zeitraum bis Ende 1992 insgesamt brutto 210.043,72 DM, netto 163.000,52 DM.
Das klagende Land macht gegenüber der Beklagten den im Hinblick auf die Leistung des Witwengeldes übergegangenen Anspruch der Witwe auf Ersatz des Unterhaltsschadens geltend. Auf diesen Regreßanspruch hat die Beklagte an den Kläger vorprozessual 55.897,49 DM erstattet. Im vorliegenden Rechtsstreit hat der Kläger Zahlung weiterer Beträge, im Berufungsrechtszug zuletzt (unter zusätzlicher Einbeziehung beamtenrechtlicher Beihilfeleistungen) 245.365,45 DM nebst Zinsen und die Feststellung einer weitergehenden Ersatzpflicht der Beklagten begehrt. Der Streit der Parteien geht insoweit insbesondere um die Berücksichtigungsfähigkeit und Höhe der bei der Ermittlung des Unterhaltsschadens anzusetzenden „fixen Kosten”, um die Bemessung des Wertes der der Witwe entgangenen Haushaltsführungsleistung des Getöteten sowie um die der Witwe auf den geschuldeten Schadensersatz gegebenenfalls zu ersetzenden Einkommensteuerbeträge.
Das Landgericht hat weitergehende Zahlungsansprüche des Klägers aus übergegangenem Recht der Witwe verneint. Das Berufungsgericht hat – unter Klageabweisung im übrigen – dem Kläger für die Zeit bis Ende 1992 76.685,87 DM nebst Verzugszinsen und Zinsen auf den insoweit geltend gemachten Verzugsschaden zuerkannt und die begehrte Feststellung ausgesprochen. Mit seiner Revision verfolgt der Kläger sein Zahlungsbegehren in Höhe eines darüber hinausgehenden Betrages von 64.879,82 DM nebst Zinsen und Verzugsschaden weiter.
Entscheidungsgründe
I.
Das Berufungsgericht ist der Ansicht, ein der Witwe des W. zustehender, auf § 844 Abs. 2 BGB gegründeter Anspruch auf Ersatz des Unterhaltsschadens sei gemäß § 103a LBG Schleswig-Holstein, § 87a BBG für die Zeit bis Ende 1992 in Höhe von insgesamt 132.583,36 DM auf das klagende Land übergegangen. Nach Abzug der vorprozessual geleisteten Zahlung verbleibe ein Erstattungsbetrag von 76.635,87 DM.
Das Berufungsgericht berücksichtigt bei der Ermittlung des Unterhaltsschadens zum einen den entgangenen „Barunterhalt”, den es auf der Grundlage der hierzu in der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze berechnet. Beim Ansatz der sogenannten fixen Kosten des Haushalts bezieht das Berufungsgericht im Hinblick darauf, daß die Familie des Getöteten im Unfallzeitpunkt in einem schuldenfreien Eigenheim gewohnt habe, lediglich Erhaltungs- und Instandsetzungsaufwendungen in Höhe von durchschnittlich 3.900 DM jährlich ein; die Berücksichtigung einer vom Kläger geltend gemachten „fiktiven Miete” (von monatlich zunächst 750 DM, ab 1990 1.500 DM – nach dem Umzug der Familie in ein größeres, ebenfalls eigenes Anwesen) komme nicht in Betracht. Daneben hat das Berufungsgericht Pauschbeträge betreffend Aufwendungen und Rücklagen für Hausratsersatzbeschaffung angesetzt. Vom Kläger herangezogene Kindergartenkosten hat es mit der Begründung außer Ansatz gelassen, es handele sich hier um personengebundene Ausgaben. Stromkosten sind bei der Berechnung der „fixen Kosten” nicht erwähnt.
Zur Ermittlung des entgangenen „Haushaltsführungsschadens” geht das Berufungsgericht von 17 Wochenstunden Haushaltstätigkeit des Getöteten aus und berechnet den Ersatzbetrag anhand des für eine „fiktive”, nach Vergütungsgruppe IXa bzw. IXb des Bundesangestelltentarifvertrages zu entlohnende Ersatzkraft anfallenden Aufwands.
Das Berufungsgericht läßt offen, ob eine der Witwe zustehende Unterhaltsschadensrente der Einkommensteuerpflicht unterläge, da sie tatsächlich eine derartige Rente – wegen des Forderungsübergangs auf den Kläger – nicht erhalten habe.
Es komme dann für die Ersatzpflicht der Beklagten nicht auf eine eventuelle fiktive, auf eine unmittelbar gezahlte Schadensrente zu entrichtende Steuer an, sondern auf die Steuer, die vom Witwengeld tatsächlich einbehalten werde. Diese sei ein ersatzfähiger Schaden; der Übergang der Schadensersatzforderung auf den Kläger sei insoweit durch den Betrag begrenzt, der sich aus dem Unterhaltsschaden als Nettoeinkommen zuzüglich der aus dem gesamten Witwengeld zu zahlenden Steuern bei Anwendung der Splittingtabelle ergebe.
II.
Das Berufungsurteil hält den Angriffen der Revision nicht in allem stand.
1. Bei der Ermittlung des Barunterhaltsschadens geht das Berufungsgericht zutreffend von den Grundsätzen der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs aus (vgl. z.B. Senatsurteile vom 6. Oktober 1987 – VI ZR 155/86 – VersR 1987, 1243; vom 31. Mai 1988 – VI ZR 116/87 – VersR 1988, 954, 955, 957 und vom 5. Dezember 1989 – VI ZR 276/88 – VersR 1990, 317). Zu Recht beanstandet die Revision jedoch, daß dem Berufungsgericht bei der Errechnung der „fixen Kosten” des Haushalts Rechtsfehler unterlaufen sind.
a) Ohne Erfolg wendet sich die Revision allerdings dagegen, daß das Berufungsgericht im Rahmen der fixen Kosten keine „fiktive Miete” in Ansatz gebracht hat.
aa) Wohnt – wie hier – die Familie in einem Eigenheim, so kann die fiktive Miete, d.h. die Miete, die erforderlich wäre, um eine dem bewohnten Eigenheim vergleichbare und gleichwertige Wohnung zu finden (vgl. z.B. Senatsurteile vom 3. Juli 1984 – VI ZR 42/83 VersR 1984, 961, 962 und vom 31. Mai 1988 – VI ZR 116/87 aaO), im Rahmen der zu berücksichtigenden Fixkosten zwar eine Rolle spielen. Ihr kommt aber nicht die Bedeutung einer Bemessungsgrundlage zu, denn nur tatsächlich entstehende Aufwendungen für ein Eigenheim sind als anerkennungsfähige Fixkosten in Betracht zu ziehen. Vielmehr bildet die fiktive Miete lediglich die Obergrenze, bis zu der solche tatsächlichen Aufwendungen, soweit sie nicht der Vermögensbildung dienen, ansetzbar sind (vgl. hierzu Senatsurteil vom 5. Dezember 1989 – VI ZR 276/88 – aaO).
bb) Zu Recht hat daher das Berufungsgericht lediglich einen – von ihm beanstandungsfrei auf der Grundlage des § 287 ZPO ermittelten – Betrag für Instandsetzungs- und Erhaltungsaufwand hinsichtlich des Eigenheims in die Fixkostenberechnung eingestellt. Solche Aufwendungen entstehen tatsächlich und wären bei Anmietung einer Wohnung auch über den Mietzins zu tragen; sie können daher – bis zur Höhe eines fiktiven Mietzinses – bei den Fixkosten berücksichtigt werden.
b) Soweit sich die Revision gegen die Höhe der vom Berufungsgericht in die Fixkosten mit einbezogenen Aufwendungen und Rücklagen für die Ersatzbeschaffung und Reparatur von Hausrat wendet, vermag sie keine revisionsrechtlich relevanten Rechtsfehler aufzuzeigen. Die Überlegungen des Berufungsgerichts halten sich im Rahmen der Schadensschätzung nach § 287 Abs. 1 ZPO. Entgegen der Auffassung der Revision ist es auch nicht zu beanstanden, daß im Berufungsurteil hier die Ausgaben für Bodenbeläge, Tapeten, Baustoffe etc. außer Betracht gelassen worden sind; diese Kosten hat das Berufungsgericht bereits bei den Instandsetzungs- und Unterhaltungskosten für das Eigenheim als solches berücksichtigt.
c) Zu Recht – und entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung mit prozeßordnungsgemäß ausgeführter Rüge – wendet sich die Revision jedoch dagegen, daß das Berufungsgericht bei der Ermittlung der Fixkosten die Aufwendungen für die Stromversorgung außer Ansatz gelassen hat. Daß die Stromkosten zu den fixen Kosten des Haushalts gehören (st. Rspr., vgl. z.B. Senatsurteil vom 31. Mai 1988 – VI ZR 116/87 – aaO), stellt auch die Beklagte nicht in Abrede.
d) Mit Erfolg rügt die Revision weiter, daß das Berufungsgericht es zu Unrecht abgelehnt hat, die Kindergartenkosten betreffend die beiden 1980 und 1982 geborenen Kinder des getöteten W. in die Berechnung der fixen Kosten einzubeziehen.
aa) Als fixe Kosten können Aufwendungen dann berücksichtigt werden, wenn sie vom Getöteten im Fall seines Fortlebens unterhaltsrechtlich geschuldet worden wären (vgl. z.B. Senatsurteile vom 23. September 1986 VI ZR 46/85 – VersR 1987, 156, 1-57 und vom 31. Mai 1988 VI ZR 116/87 – aaO m.w.N.) und wenn sie weitgehend unabhängig vom Wegfall des getöteten Familienmitglieds als feste Kosten des Haushalts weiterlaufen (vgl. Senatsurteile vom 11. Oktober 1983 – VI ZR 251/81 – VersR 1984, 79, 81; vom 1. Oktober 1985 – VI ZR 36/84 – VersR 1986, 39, 40 und vom 31. Mai 1988 – VI ZR 1-16/87 – aaO). Als Fixkosten scheiden daher Aufwendungen aus, wenn sie an die Person des Getöteten gebunden waren.
Darüber hinaus kommt dem Merkmal der „Personengebundenheit” als solchem hingegen nicht ohne weiteres rechtlich entscheidende Bedeutung zu (a.A. Wussow/Küppersbusch, Ersatzpflicht bei Personenschaden, 6. Aufl., Rdz. 234, 236); Aufwendungen, die als zur Organisation der gemeinsamen Lebenshaltung der Familie gehörig anzusehen sind, haben auch dann rechtliche Bedeutung als Teil der fixen Kosten, wenn sie von der Zahl und den Bedürfnissen der hinterbliebenen Familienmitglieder abhängig sind (vgl. dazu Senatsurteil vom 23. Juni 1987 – VI ZR 188/86 – VersR 1987, 1241, 1242) und im konkreten Fall auf einzelne der Unterhaltsberechtigten aufgeteilt und diesen zugeordnet werden können. Entscheidend ist dann, ob diese Aufwendungen entsprechend dem Zuschnitt und der Organisation des Haushalts für diesen als familientypisch anfallen und unabhängig vom Wegfall des getöteten Unterhaltsverpflichteten weiterlaufen. Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall hinsichtlich der Kindergartenkosten erfüllt.
bb) Die Aufwendungen für den Kindergartenbesuch der beiden Kinder der Familie W. sind durch den Unfalltod des Ehemannes W. weder in ihrer Notwendigkeit noch in ihrer Höhe beeinflußt worden. Das Kindergartenentgelt gehört bei einer Familie des hier gegebenen Zuschnitts auch in solcher Weise zu den festen Kosten der gemeinsamen Haushaltsführung, daß es bei den Fixkosten in Ansatz zu bringen ist. Denn es stellt in der Lebenshaltung der Familie einen für alle Beteiligten nicht weniger unabdingbaren Posten in der Haushaushaltsorganisation dar als andere fixe Kosten, wie etwa die Hausrats- oder die Haftpflichtversicherung, der PKW, das Telefon oder die Tageszeitung.
Dabei ist nicht allein entscheidend, daß es hier um eine „Doppelverdienerehe” zweier berufstätiger Elternteile geht. Vielmehr ist unter den heutigen Verhältnissen, insbesondere auch im Hinblick auf die Erkenntnisse über die bestmögliche Erziehung und Förderung, die den Kindern zuteil werden sollen, davon auszugehen, daß in Familien mit Kindern im Alter zwischen drei und sechs Jahren der Kindergartenbesuch grundsätzlich zu einem festen Bestandteil der Haushaltsorganisation gehört. Dem tragen auch die Bemühungen Rechnung, möglichst jedem Kind in entsprechendem Alter einen Kindergartenplatz zur Verfügung zu stellen. Die Aufwendungen für den Kindergartenbesuch liegen im Interesse aller Familienmitglieder und gehören zu den Unterhaltskosten, die vom Unterhaltsverpflichteten zur Aufrechterhaltung der gemeinsamen Basis der Lebensführung der Familie – den Kindern wie dem Ehepartner gegenüber – geschuldet sind. Dementsprechend sind die Kosten des Kindergartenbesuchs für die beiden Kinder der Familie W. hier als fixe Kosten im Rahmen der Ermittlung des Barunterhaltsschadens der Witwe zu berücksichtigen.
2. Keinen Erfolg hat die Revision, soweit sie sich gegen die Ermittlung des Haushaltsführungsschadens der Witwe W. im Berufungsurteil wendet. Die Revision nimmt insoweit die Bemessung des durch die Tötung des Ehemannes W. verursachten Arbeitszeitbedarfs mit 17 Wochenstunden hin, wendet sich aber gegen die vom Berufungsgericht vorgenommene Schadensberechnung auf der Grundlage der Aufwendungen für eine nach den Vergütungsgruppen IXa (bis 1988) und IXb (ab 1989) des BAT zu entlohnende fiktive Ersatzkraft. Die Revision hält hier die Heranziehung der Vergütungsgruppe VIb BAT für geboten; sie vermag jedoch insoweit keinen revisionsrechtlich relevanten Rechtsfehler des Berufungsgerichts aufzuzeigen.
Die Überprüfung der im Rahmen des Schätzungsermessens des Tatrichters nach § 287 Abs. 1 ZPO vorzunehmenden Bewertung der unfallbedingt entgangenen Tätigkeit des Getöteten im Haushalt durch das Revisionsgericht ist darauf beschränkt, ob das Berufungsurteil auf grundsätzlich falschen Erwägungen beruht oder entscheidungserhebliche Tatsachen unberücksichtigt gelassen hat (vgl. z.B. Senatsurteil vom 10. April 1979 – VI ZR 151/75 – VersR 1979, 670, 671). Derartige Fehler sind hier nicht ersichtlich. Das Berufungsgericht hat sich in beanstandungsfreier Weise an einem anerkannten Tabellenwerk (Schulz-Borck/Hofmann, Schadenersatz bei Ausfall von Hausfrauen und Müttern im Haushalt, 4. Aufl.) ausgerichtet und die Heranziehung der Vergütungsgruppen IXa und IXb BAT nachvollziehbar begründet. Entgegen der Auffassung der Revision konnte das Berufungsgericht ohne Rechtsfehler davon ausgehen, daß die Witwe W. weiterhin in der Lage sei, die Leitungsfunktion im Haushalt auszuüben und daß daher zum Ausgleich der entgangenen Haushaltstätigkeit des Getöteten nur eine entsprechende Hilfskraft erforderlich sei.
3. Ohne Erfolg bleibt die Revision, soweit sie geltend macht, auf das klagende Land sei ein höherer als der im angefochtenen Urteil zugesprochene Ersatzanspruch wegen des „Steuerschadens” der Witwe übergegangen. Zwar beanstandet sie zu Recht die vom Berufungsgericht vorgenommene Berechnung des ersatzpflichtigen Schadens der Witwe, der in ihrer Belastung mit Einkommensteuer und Kirchensteuer besteht, die aus dem Witwengeld zu bezahlen ist. Ein der Witwe insoweit – in weitergehendem Umfang als im Berufungsurteil angenommen – zustehender Ersatzanspruch ist jedoch nicht auf den Kläger übergegangen.
a) Entgegen der Auffassung der Revision geht das Berufungsgericht im Ansatz zutreffend davon aus, daß der ersatzfähige „Steuerschaden” nicht nach einem fiktiven Steuerbetrag zu bemessen ist, den die Witwe möglicherweise dann zu entrichten hätte, wenn die Beklagte die Unterhaltsschadensrente direkt an sie zu zahlen hätte, ein Anspruchsübergang auf das klagende Land also nicht gegeben wäre. Vielmehr stellt das Berufungsgericht zu Recht darauf ab, in welcher Höhe das vom Kläger gezahlte Witwengeld, soweit es dem zu ersetzenden Unterhaltsschaden kongruent ist, mit Einkommen- und Kirchensteuer belastet ist.
aa) Keinem Zweifel unterliegt es, daß der Schädiger dem Geschädigten, falls dieser eine Schadensersatzrente versteuern muß, auch diese Steuern als weiteren Schadensberechnungsposten ersetzen muß; dies gilt grundsätzlich auch im Rahmen des auf der Grundlage des § 844 Abs. 2 BGB zu leistenden Schadensersatzes (vgl. Senatsurteil vom 10. April 1979 – VI ZR 151/75 – VersR 1979, 670, 671). Ob, wovon bisher im Hinblick auf die steuerrechtliche Rechtsprechung (vgl. BFH, NJW 1979, 2423) auszugehen war, Unterhaltsschadensrenten nach § 844 Abs. 2 BGB der Einkommensteuerpflicht unterliegen oder ob dies nunmehr entsprechend den neuerdings vom Bundesfinanzhof zu Renten für vermehrte Bedürfnisse angestellten Überlegungen (vgl. BFH, DStR 1995, 49 ff.) anders zu beurteilen ist, kann im vorliegenden Rechtsstreit – wie auch das Berufungsgericht zutreffend sieht – offen bleiben. Denn auch dann, wenn von der fortbestehenden Steuerpflicht einer unmittelbar an die Witwe zu zahlenden Schadensersatzrente auszugehen sein sollte, kann im Falle des Rechtsübergangs unter den hier gegebenen Umständen nicht im Wege der Fiktion auf den entsprechenden Steuerbetrag zurückgegriffen werden. Umgekehrt könnte sich die Beklagte jedoch auch dann, wenn die Unterhaltsschadensrente nach § 844 Abs. 2 BGB als solche einkommensteuerfrei wäre, nicht darauf berufen, sie müsse deshalb der Witwe auch die von dieser tatsächlich auf das kongruente Witwengeld zu entrichtenden Steuern nicht ersetzen. Denn in beiden Richtungen ist im vorliegenden Fall kein Raum für einen Rückgriff auf die fiktive Lage, wie sie ohne die Zahlung des Witwengeldes und den dadurch herbeigeführten Rechtsübergang bestünde.
bb) Das Berufungsgericht zieht zu Recht die Überlegungen heran, die der Bundesgerichtshof bei früherer Gelegenheit zu Fällen des Rechtsübergangs bei Fortzahlung von Beamtenbezügen (Senatsurteil in BGHZ 42, 76, 80 ff.) und bei Lohn- und Gehaltsfortzahlung (Senatsurteil in BGHZ 43, 378, 380 ff.) angestellt hat. Sie sind im Grundsatz auch auf eine Fallgestaltung wie die hier gegebene entsprechend anwendbar.
Auch wenn es dem Schädiger nicht zugute kommen darf, daß durch die Zahlung des Witwengeldes schadenskongruente Bedürfnisse des Geschädigten von dritter Seite ausgeglichen werden, geht es dennoch nicht an, für die Ermittlung der Schadenshöhe die Zahlung des Witwengeldes schlicht „wegzudenken” und die durch sie geschaffene tatsächliche Lage fiktiv durch die Situation zu ersetzen, die ohne diese Versorgungsleistung bestünde (vgl. hierzu BGHZ 42, 76, 81; BGHZ 43, 378, 381). Vielmehr ist grundsätzlich von dem tatsächlich gegebenen Sachverhalt auszugehen, der wesentlich dadurch geprägt ist, daß die Witwe eine beamtenrechtliche Versorgung erhält, die auch zur Sicherstellung der ihr durch den Wegfall des unterhaltsverpflichteten Ehemannes entgangenen Unterhaltsleistungen dienen soll.
Angesichts dieser konkret gegebenen Situation kommt es hinsichtlich des „Steuerschadens” darauf an, daß das Witwengeld als solches einkommen- und kirchensteuerpflichtig ist und diese Steuerpflicht die Witwe belastet. Ihr (normativer) Schaden im Rechtssinne setzt sich dann zusammen aus dem den entgangenen Unterhaltsleistungen kongruenten Teil des Witwengeldes und den Steuern, die hierauf entfallen (und bei der Auszahlung vom Kläger einbehalten und an das Finanzamt abgeführt werden); der Witwe muß der im dargestellten Sinne kongruente Teil der Versorgungsleistung ungeschmälert netto verbleiben (vgl. dazu die Überlegungen im Senatsurteil BGHZ 43, 76, 82). Denn hierauf – und nicht auf einen fiktiv aus einer tatsächlich nicht an sie bezahlten Schadensrente errechneten Steuerbetrag – geht der Schadensersatzanspruch der Witwe.
b) Dieser „Steuerschaden” der Witwe W. darf, was die Revision zutreffend beanstandet, entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts für die Jahre ab 1987 nicht nach der Splitting-Tabelle des Einkommensteuerrechts ermittelt werden.
aa) Die Revision weist darauf hin, daß die Witwe W. nur in den Jahren 1985 und 1986, also dem Jahr des Schadensereignisses und dem ersten Folgejahr, nach der Splitting-Tabelle veranlagt wurde, während die Finanzbehörden für die Jahre ab 1987 – steuerrechtlich zutreffend – die Grundtabelle herangezogen haben; davon geht auch das Berufungsgericht aus. Dann aber muß für die Zeit ab 1987 der „Steuerschaden” der Witwe W. anhand der Grundtabelle ermittelt werden. Denn es geht um den konkreten Steuerbetrag, mit dem die Witwe hinsichtlich des schadenskongruenten Teils der Versorgungsbezüge belastet worden ist; dieser – für die Jahre ab 1987 auf der Anwendung der Grundtabelle beruhende – Steuerbetrag ist ihr ersatzfähiger Schaden.
bb) Das Berufungsgericht beruft sich für seine hiervon abweichende Auffassung zu Unrecht auf das Urteil des erkennenden Senats vom 10. April 1979 – VI ZR 151/75 – aaO. Soweit dort ausgeführt ist, der Verlust des Splitting-Tarifs könne bei Ersatzansprüchen eines hinterbliebenen Ehegatten aus § 844 Abs. 2 BGB nicht berücksichtigt werden, betraf dies eine andere Problemstellung, die mit der vorliegenden nicht vergleichbar ist. Seinerzeit ging es darum, daß der hinterbliebene Ehemann (der damals Alleinverdiener in der Familie war) den steuerlichen Nachteil geltend machte, der ihm dadurch entstand, daß er nach dem unfallbedingten Wegfall seiner Ehefrau für sein Einkommen nicht mehr nach dem Splitting-Tarif, sondern nach der Grundtabelle veranlagt wurde. Diesen Nachteil hat der Senat als nicht ersatzfähig erachtet; zugleich hat er aber ausdrücklich ausgesprochen, daß der Schädiger, falls der Ehemann eine ihm zugesprochene Unterhaltsschadensrente versteuern muß, auch diese Steuer als weiteren Schadensposten in vollem Umfang ersetzen muß.
Im vorliegenden Fall geht es nicht um einen steuerlichen Nachteil der Witwe W., der darin liegen könnte, daß sie ihre Einkünfte (insbesondere das Einkommen aus ihrem eigenen Beamtenverhältnis) wegen des unfallbedingten Wegfalls ihres Ehemannes künftig nicht nach dem Splitting-Tarif versteuern kann. Vielmehr ist der Steuerbetrag zu ermitteln, mit dem der schadenskongruente Teil des Witwengeldes konkret steuerrechtlich belastet wird und den die Beklagte in vollem Umfang zu ersetzen hat. Da das Witwengeld in den Jahren ab 1987 unter Anwendung der einkommensteuerrechtlichen Grundtabelle besteuert worden ist, ist der „Steuerschaden” dementsprechend zu berechnen.
c) Der in dieser Weise zu errechnende Anspruch der Witwe W. auf Ersatz von ihr zu entrichtender Steuern ist jedoch nicht auf das klagende Land übergegangen, sondern bei ihr verblieben. Mit der Einkommensteuer und Kirchensteuer, die vom Witwengeld einzubehalten und an die Steuerbehörden abzuführen waren, ist die Witwe W. selbst belastet. Insoweit ist daher ihr als Steuerschuldnerin zusätzlich ein unfallbedingter, vom Schädiger zu ersetzender Schaden erwachsen. Auf das klagende Land übergegangen ist hingegen der Anspruch der Witwe W. auf die nach § 844 Abs. 2 BGB vom Schädiger geschuldete Unterhaltsschadensrente als solche; denn lediglich in dieser Höhe besteht Kongruenz bezüglich des entsprechenden (an die Witwe ausgezahlten und für sie an das Finanzamt abgeführten) Teils des Witwengeldes.
Soweit das Berufungsgericht dem klagenden Land einen Anspruch auf Ersatz des „Steuerschadens” aus übergegangenem Recht zugesprochen hat, ist dies allerdings nicht mit einem Rechtsmittel angefochten worden; aus dem (oben b) aufgezeigten Berechnungsfehler des Berufungsurteils kann der Kläger jedoch mangels Rechtsübergangs keine weiteren Rechte herleiten.
III.
Das Berufungsurteil war daher teilweise aufzuheben und die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, das die auf das klagende Land übergegangenen Schadensersatzansprüche der Witwe W. auf der Grundlage der dargestellten rechtlichen Überlegungen neu zu ermitteln haben wird.
Fundstellen
Haufe-Index 604937 |
BGHZ, 237 |
NJW 1998, 985 |
FamRZ 1998, 416 |
JurBüro 1998, 331 |
ZAP 1998, 107 |
ZBR 1999, 230 |
DÖD 1998, 161 |
MDR 1998, 283 |
SGb 1998, 270 |
VRS 1998, 425 |
VersR 1998, 333 |