Leitsatz (amtlich)
Zur Frage, unter welchen Voraussetzungen die nicht darlegungs- und beweisbelastete Prozeßpartei Tatsachenbehauptungen der Gegenpartei substantiiert bestreiten muß.
Normenkette
ZPO § 138
Verfahrensgang
OLG Nürnberg (Aktenzeichen 13 U 1624/97) |
LG Nürnberg-Fürth (Aktenzeichen 13 O 8095/96) |
Tenor
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 13. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Nürnberg vom 6. November 1997 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Mit Vertrag vom 5./10. März 1996 veräußerte der Beklagte seine Anwaltskanzlei zum Kaufpreis von 180.000 DM an die Klägerin. Im Zuge der dem Vertragsschluß vorausgegangenen Verhandlungen hatte er der Klägerin mit Schreiben vom 8. Januar 1996 Jahreseinnahmen der Kanzlei für die Jahre 1992 bis 1994 mit 333.600 DM, 293.800 DM und 350.000 DM angegeben. Einnahmen in dieser Höhe für die betreffenden Jahre hatte Rechtsanwalt K., der frühere Sozius des Beklagten, der in der Kanzlei die Bücher führte, ermittelt und im Februar 1995 den Steuerberatern der Kanzlei mitgeteilt. Diese bestätigten mit Schreiben vom 10. Januar 1996, das der Beklagte der Klägerin zuleitete, die Richtigkeit dieser Zahlen.
Die Klägerin bezahlte den Kaufpreis und übernahm die Kanzlei zum 1. April 1996. Mit einem an den Beklagten gerichteten Schreiben vom 12. Juni 1996 focht sie den Kaufvertrag wegen arglistiger Täuschung an. Zur Begründung machte sie geltend, die ihr mitgeteilten Jahresumsätze seien unrichtig, weil in den genannten Beträgen Fremdgelder enthalten seien, die Rechtsanwalt K. fälschlich als Einnahmen gebucht habe. Unter Herausrechnung der Fremdgelder ergäben sich Jahresumsätze für das Jahr 1992 von 295.255,48 DM, für das Jahr 1993 von 211.705,61 DM und für das Jahr 1994 von 114.338,17 DM. Zum Beleg hierfür hat die Klägerin Gewinn- und Verlustrechnungen (Anlagen K 37 bis K 39) und Gewinnermittlungen (Anlagen K 41 bis K 43) für die betreffenden Jahre vorgelegt. Sie hat sich ferner auf ein Schreiben vom 29. März 1996 (Anlage K 40) berufen, in welchem Rechtsanwalt K. dem Steuerberater U. der Kanzlei „auf der Grundlage der von (dem Beklagten) überlassenen Mandatskontenlisten 1991 bis 1994 … die Beträge (mitteilte), die in den Jahressteuererklärungen fälschlich als Betriebseinnahmen/Gewinn gebucht und behandelt (worden) bzw. als durchlaufende Gelder aufzunehmen (seien)”. Diese Beträge sind für das Jahr 1991 mit 31.203,45 DM, für das Jahr 1992 mit 25.994,95 DM, für das Jahr 1993 mit 97.198,40 DM und für das Jahr 1994 mit 99.438,48 DM angegeben.
Mit der Klage begehrt die Klägerin Erstattung des Kaufpreises und Ersatz der ihr im Zusammenhang mit der Kanzleiübernahme entstandenen Aufwendungen, die sie auf insgesamt 43.501,57 DM beziffert, abzüglich erzielter Einnahmen in Höhe von 13.398,97 DM.
Der Beklagte hat behauptet, seine Angaben zu den Kanzleiumsätzen der Jahre 1992 bis 1994 seien richtig. Fremdgelder seien in den genannten Beträgen nicht enthalten. Die von Rechtsanwalt K. in dessen Schreiben vom 29. März 1996 genannten Zahlen seien unrichtig, die von der Klägerin vorgelegten, nachträglich erstellten Gewinn- und Verlustrechnungen für ihn nicht nachvollziehbar.
Das Landgericht hat der Klage im wesentlichen stattgegeben und den Beklagten zur Zahlung von 210.102,59 DM nebst Zinsen Zug um Zug gegen Rückgabe des Kanzleiinventars und der der Klägerin überlassenen Akten verurteilt.
Das Oberlandesgericht hat die Berufung des Beklagten zurückgewiesen und auf die in zweiter Instanz erweiterte Klage festgestellt, daß der Beklagte sich mit der Rücknahme des Kanzleiinventars in Annahmeverzug befinde. Mit der Revision, deren Zurückweisung die Klägerin beantragt, verfolgt der Beklagte sein Klageabweisungsbegehren weiter.
Entscheidungsgründe
I. Das Berufungsgericht hat ausgeführt:
Der Beklagte sei der Klägerin wegen Verschuldens bei Vertragsschluß zum Schadensersatz verpflichtet. Ein hierauf gegründeter Schadensersatzanspruch der Klägerin sei weder durch die erklärte Anfechtung noch – mangels vertraglicher Zusicherung – durch die kaufrechtlichen Gewährleistungsvorschriften ausgeschlossen. Der Beklagte habe – unter anderem – in seinem Schreiben vom 8. Januar 1996, das zur Bildung des Kaufpreises herangezogen worden sei, unrichtige Angaben zu den Kanzleieinnahmen gemacht. Die Klägerin habe mittels der Gewinn- und Verlustrechnungen für die Jahre 1992 bis 1994 (Anlagen K 37 bis K 39) im einzelnen dargelegt, daß und wie bei den einzelnen Mandanten Fremdgelder, Auslagen und Gebühren nicht von den sonstigen Einnahmen getrennt worden seien. Gegenüber einem „so nachvollziehbaren Rechenwerk” und der nach dem Sachvortrag der Klägerin zutreffenden Vergleichsberechnung anhand der Gewinnermittlungen nach § 4 Abs. 3 EStG für die genannten Jahre (Anlagen K 41 bis K 42) reiche ein einfaches Bestreiten nicht aus. Von dem Beklagten sei insoweit vielmehr ein substantiiertes Bestreiten zu verlangen gewesen. Nähere Angaben dazu, wie denn die (korrekte) Verbuchung geschehen sei, wären dem Beklagten auch zumutbar gewesen. Daß er die notwendigen Informationen für eine Gegenrechnung gehabt hätte, gehe aus seinem Schreiben vom 11. Januar 1996 hervor, mit welchem er Rechtsanwalt K. die Mandantenkontenlisten zur Verfügung gestellt habe, die zur Zusammenstellung der durchlaufenden Gelder durch Rechtsanwalt K. vom 29. März 1996 geführt hätten. In Anbetracht des bloßen Bestreitens der Endbeträge der in den Jahresumsatzzahlen enthaltenen Fremdgelder habe es das Landgericht mangels substantiierten Sachvortrags zu Recht als unstreitig angesehen, daß die in dem Schreiben des Beklagten vom 8. Januar 1996 genannten Jahreseinnahmesummen unzutreffend seien. Aufgrund des Schriftverkehrs stehe ferner fest, daß der Beklagte dies bei den Vertragsverhandlungen wenigstens billigend in Kauf genommen habe. In einem Schreiben vom 16. Mai 1995 an die Rechtsanwaltskammer habe er nämlich selbst ausgeführt, Rechtsanwalt K. habe Eingangsbuchungen in Gesamtbeträgen ohne Aufschlüsselung nach Fremdgeld, Auslagen und Gebühren vorgenommen. Daß Rechtsanwalt K. eine unkorrekte Buchungspraxis gegenüber der Rechtsanwaltskammer verständlicherweise bestritten habe, ändere daran nichts.
Die falschen Einnahmezahlen seien unstreitig in den verhandelten Kaufpreis eingegangen. Dem Vorbringen der Klägerin, sie hätte bei Angabe richtiger Zahlen vom Vertragsschluß Abstand genommen, sei der Beklagte nicht mit dem ihm obliegenden Beweisantritt entgegengetreten.
Auch der Höhe nach begegne die Verurteilung des Beklagten keinen Bedenken. Für den der Klägerin zustehenden Anspruch auf Ersatz des Vertrauensschadens sei es unerheblich, ob die Kanzlei den vereinbarten Kaufpreis wert gewesen sei. Auch die darüber hinaus geltend gemachten Aufwendungen habe der Beklagte der Klägerin als Vertrauensschaden zu ersetzen. Daß die Klägerin höhere als die von ihr angegebenen Einnahmen erzielt habe, habe der Beklagte nicht substantiiert dargetan. Da der Beklagte sich mit der Rücknahme des Kanzleiinventars in Annahmeverzug befinde, sei auch der in zweiter Instanz erhobene Feststellungsantrag begründet.
II. Diese Ausführungen halten den Angriffen der Revision in einem entscheidenden Punkt nicht stand.
1. Zutreffend geht das Berufungsgericht allerdings davon aus, daß sich eine Schadensersatzpflicht des Beklagten wegen unrichtiger Angaben zu den Kanzleieinnahmen der Jahre 1992 bis 1994 aus Verschulden bei Vertragsschluß (culpa in contrahendo) ergeben kann.
Der Vorrang der kaufrechtlichen Gewährleistungsvorschriften steht einem solchen Anspruch schon deswegen nicht entgegen, weil Angaben des Verkäufers über Umsätze und Erträge des verkauften Unternehmens regelmäßig weder einen Sachmangel begründen noch eine zusicherungsfähige Eigenschaft des Unternehmens darstellen (Senatsurteile vom 5. Oktober 1988 - VIII ZR 222/87 = WM 1988, 1700 unter II 2; vom 8. Februar 1995 - VIII ZR 8/94 = WM 1995, 767 unter I 2 c; vom 6. Dezember 1995 - VIII ZR 192/94 = NJW-RR 1996, 429 unter II 1). Dies gilt jedenfalls dann, wenn sie sich – wie hier (vgl. Senatsurteil vom 5. Oktober 1988 aaO) – nicht über einen längeren, mehrjährigen Zeitraum erstrecken und deshalb keinen verläßlichen Anhalt für die Bewertung der Ertragsfähigkeit und damit des Wertes des Unternehmens geben (Senatsurteile vom 5. Oktober 1988 und vom 8. Februar 1995, jew. aaO m.w.Nachw.). Diese zur Veräußerung eines kaufmännischen Unternehmens entwickelten Grundsätze gelten gleichermaßen für den damit vergleichbaren Verkauf einer Rechtsanwaltskanzlei (vgl. Senatsurteil vom 5. Oktober 1988 aaO für den Verkauf einer Rechtsbeistandspraxis).
Ansprüche aus Verschulden bei Vertragsschluß werden zudem durch die Vorschriften über die kaufrechtliche Sachmängelgewährleistung dann nicht verdrängt, wenn der Verkäufer vorsätzlich unrichtige Angaben gemacht hat (st.Rspr., z.B. BGH, Urteile vom 14. Oktober 1994 - V ZR 196/93 = WM 1995, 263, und vom 17. Mai 1995 - VIII ZR 70/94 = WM 1995, 1145, jew. unter II 1 m.w.Nachw.), was das Berufungsgericht im Streitfall annimmt.
An der Geltendmachung eines Schadensersatzanspruchs wegen Verschuldens bei Vertragsschluß ist die Klägerin schließlich auch nicht durch die von ihr erklärte Täuschungsanfechtung – deren Wirksamkeit unterstellt – gehindert. Der auf die Anfechtung zurückgehende Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung und der durch die Täuschung begründete Schadensersatzanspruch wegen vorsätzlichen Verschuldens beim Vertragsschluß stehen dem getäuschten Käufer nebeneinander zu (BGH, Urteil vom 14. Oktober 1994 aaO). Der Käufer kann danach ohne Beschränkung auf das Erfüllungsinteresse verlangen, so gestellt zu werden, wie wenn es zu dem Kauf nicht gekommen wäre (BGH, Urteile vom 3. Juli 1992 - V ZR 97/91 = WM 1992, 1997 unter II 3 a, und vom 17. Mai 1995 aaO).
2. Mit Erfolg wendet sich die Revision jedoch gegen die Annahme des Berufungsgerichts, der Beklagte habe die Behauptung der Klägerin nicht wirksam bestritten, in den von ihm genannten und der Klägerin schriftlich mitgeteilten Umsatzzahlen seien Fremdgelder enthalten gewesen.
a) Daß der Beklagte diesen Sachvortrag der Klägerin jedenfalls durch einfaches Bestreiten in Abrede gestellt hat, steht aufgrund der Beweiskraft des Tatbestands des Berufungsurteils (§ 314 ZPO) fest. Davon, daß der Beklagte den betreffenden Sachvortrag der Klägerin bestritten hat, geht auch das Berufungsgericht aus. Es behandelt das Vorbringen der Klägerin allein deshalb als unstreitig, weil ein einfaches Bestreiten nicht ausreiche, der Beklagte vielmehr substantiiert hätte bestreiten, d.h. eine Gegenrechnung aufmachen müssen.
b) Das ist nicht richtig.
aa) Die Anforderungen an die Substantiierungslast des Bestreitenden hängen davon ab, wie substantiiert der darlegungspflichtige Gegner – hier die Klägerin – vorgetragen hat (st.Rspr., z.B. BGH, Urteile vom 12. Oktober 1989 - IX ZR 184/88 = WM 1989, 1779 unter IV, und vom 8. Dezember 1992 - VI ZR 24/92 = WM 1993, 461 unter II 4 a, jew. m.w.Nachw.). In der Regel genügt gegenüber einer Tatsachenbehauptung des darlegungspflichtigen Klägers das einfache Bestreiten des Beklagten (BGH, Urteile vom 23. März 1993 - VI ZR 176/92 = NJW 1993, 1782 unter II 3 a m.w.Nachw., und vom 11. Juli 1995 - X ZR 42/93 = NJW 1995, 3311 unter II 3). Ob und inwieweit die nicht darlegungsbelastete Partei ihren Sachvortrag substantiieren muß, läßt sich nur aus dem Wechselspiel von Vortrag und Gegenvortrag bestimmen, wobei die Ergänzung und Aufgliederung des Sachvortrags bei hinreichendem Gegenvortrag immer zunächst Sache der darlegungs- und beweispflichtigen Partei ist (BGH, Urteile vom 1. April 1993 - VII ZR 22/92 = DtZ 1993, 278 unter II 2 b cc, und vom 30. September 1993 - VII ZR 178/91 = NJW 1993, 3196 unter III 1, jew. m.w.Nachw.). Eine darüber hinausgehende Substantiierungslast trifft die nicht beweisbelastete Partei nur ausnahmsweise dann, wenn der darlegungspflichtige Gegner außerhalb des von ihm darzulegenden Geschehensablaufs steht und die maßgebenden Tatsachen nicht näher kennt, während sie der anderen Partei bekannt und ihr ergänzende Angaben zuzumuten sind (st.Rspr., z.B. BGH, Urteile vom 23. März 1993 und vom 11. Juli 1995, jew. aaO; vom 11. Juni 1990 - II ZR 159/89 = WM 1990, 1844 unter III 2; vom 17. Oktober 1996 - IX ZR 293/95 = WM 1996, 2253 unter II 2 b, jew. m.w.Nachw.).
bb) Bei Anlegung dieser Maßstäbe war das einfache Bestreiten des Beklagten ausreichend und wirksam.
(1) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts hat die Klägerin mit Hilfe der vom Berufungsgericht angeführten Unterlagen nicht im einzelnen dargetan, daß und wie bei den einzelnen Mandantenkonten Fremdgelder, Auslagen und Gebühren ohne Trennung von den sonstigen Einnahmen (Honoraren) gebucht worden sein sollen. Den Gewinn- und Verlustrechnungen für die Jahre 1992 bis 1994 (Anl. K 37 bis K 39), auf die das Berufungsgericht sich in diesem Zusammenhang in erster Linie bezieht, ist dafür nichts zu entnehmen. Auf der Einnahmeseite dieser Aufstellungen sind jeweils nur „Erlöse”, „sonstige Erlöse” und „Zinserträge” für einen bestimmten Monat sowie „kumuliert” aufgelistet. Ob und in welcher Höhe bei den aufgelisteten Beträgen Fremdgelder als Kanzleieinnahmen verbucht worden sind, geht aus den Aufstellungen nicht hervor. Ebensowenig lassen sie Rückschlüsse darauf zu, ob und in welcher Weise Fremdgelder, Auslagen und Gebühren bei den einzelnen Mandantenkonten verbucht worden sind. Darüber könnten allenfalls Kontenblätter oder die Mandantenkontenlisten Aufschluß geben, zu deren Inhalt die Klägerin indessen nichts vorgetragen und die sie auch nicht zu den Akten gereicht hat.
(2) Unergiebig sind insoweit auch die von der Klägerin weiter zu den Akten gereichten „Gewinnermittlungen nach § 4 Abs. 3 EStG” (Anl. K 41 bis K 43). Ein Abzugsposten „enthaltene Fremdgelder – netto –” findet sich allein in der „berichtigten Gewinnermittlung” für das Jahr 1992 (Anl. K 41). Die Aufstellung läßt indessen nicht erkennen, wie sich der dort aufgeführte Betrag von 22.802,59 DM zusammensetzt sowie ob und in welchem Umfang ihm tatsächlich fälschlich als Honorareinnahmen verbuchte Fremdgelder zugrunde liegen. Dies im einzelnen darzulegen, wäre Sache der Klägerin gewesen. Solange sie untätig blieb, durfte der Beklagte sich auf ein einfaches Bestreiten ihres Sachvortrags beschränken.
(3) Ein einfaches Bestreiten des Beklagten war schließlich auch insoweit ausreichend, als die Klägerin sich zur Stützung ihres Sachvortrags auf das als Anlage K 40 zu den Akten gereichte Schreiben des Rechtsanwalts K. vom 29. März 1996 bezogen hat. Die dort jeweils als Jahressumme aufgeführten Beträge lassen gleichfalls nicht erkennen, wie sie sich im einzelnen zusammensetzen. Sie beziehen sich zudem auf die Jahressteuererklärungen, die nicht zu den Akten gelangt sind und zu deren Inhalt die Klägerin nichts vorgetragen hat. Dem Schreiben vom 29. März 1996 ist somit nicht mehr zu entnehmen als die pauschale Behauptung, in den Jahren 1991 bis 1994 seien Fremdgelder in Höhe der jeweils angegebenen Summen „in den Jahressteuererklärungen” fälschlich als Betriebseinnahmen gebucht und behandelt worden. Dieses pauschale Vorbringen der Klägerin durfte der Beklagte ebenso pauschal bestreiten.
cc) Umstände, die ausnahmsweise eine Substantiierungslast des nicht darlegungs- und beweispflichtigen Beklagten begründen könnten, hat das Berufungsgericht nicht festgestellt. Die Mandatskontenlisten, die möglicherweise Aufschluß über die Verbuchung eingehender Fremdgelder geben könnten, hat der Beklagte nach der Darstellung der Klägerin, die das Berufungsgericht seiner Entscheidung zugrunde legt, bereits mit Schreiben vom 11. Januar 1996, also vor Abschluß des Kaufvertrages der Parteien, an Rechtsanwalt K. übersandt. Daß dieselben danach an den Beklagten zurückgelangt wären, ist weder festgestellt noch von der Klägerin vorgetragen worden. Die in der Kanzlei vorhandene EDV-Anlage, mit deren Hilfe möglicherweise Feststellungen zur Verbuchung eingegangener Gelder getroffen werden können, ist mit der Übernahme der Kanzlei durch die Klägerin in deren Besitz übergegangen. Dasselbe gilt zumindest für einen Teil des vorhandenen Aktenbestandes. Unter diesen Umständen ist dem Beklagten auch unter Berücksichtigung seiner Äußerungen in seinem Schreiben an die Rechtsanwaltskammer vom 16. Mai 1995, sein für die Buchhaltung verantwortlicher Kollege K. habe die Buchungen nur in Gesamtbeträgen vorgenommen und müsse die Einbuchungen nach Fremdgeldern, Auslagen und Gebühren aufschlüsseln, nicht die Möglichkeit abgeschnitten, das nicht nachvollziehbare Rechenwerk der Klägerin durch ein einfaches Bestreiten in Frage zu stellen. Es fehlt nach alledem an den Voraussetzungen, unter denen die Rechtsprechung (vgl. oben unter II 2 b aa a.E.) ausnahmsweise eine Substantiierungslast der an sich nicht darlegungs- und beweisbelasteten Partei anerkennt.
III. Der Klage hätte daher nicht ohne Beweisaufnahme über die angebliche Unrichtigkeit der von dem Beklagten genannten Umsatzzahlen stattgegeben werden dürfen. Das Berufungsurteil stellt sich auch nicht aus anderen Gründen teilweise – in Höhe des von der Klägerin gezahlten Kaufpreises von 180.000 DM – als richtig dar (§ 563 ZPO).
1. Der Kaufvertrag der Parteien ist nicht gemäß § 134 BGB in Verbindung mit § 203 StGB wegen Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot nichtig (vgl. dazu BGHZ 116, 268, 272 ff für den Verkauf einer Arztpraxis; Senatsurteil vom 17. Mai 1995 - VIII ZR 94/94 = WM 1995, 1357 für die Übertragung einer Rechtsanwaltskanzlei; Senatsurteil vom 22. Mai 1996 - VIII ZR 194/95 = WM 1996, 1815 für die Übertragung einer Steuerberaterkanzlei). Die Parteien haben nämlich in § 7 des Kaufvertrages vereinbart, daß Aktenvorgänge und sonstige Unterlagen der Klägerin nur insoweit überlassen werden, als sie Auftraggeber betreffen, die mit der Fortführung des Mandates durch die Klägerin einverstanden sind. Eine solche Absprache verletzt weder das informationelle Selbstbestimmungsrecht der Mandanten noch die anwaltliche Schweigepflicht des veräußernden Rechtsanwalts (Senatsurteil vom 17. Mai 1995 - VIII ZR 94/94 aaO unter 2 a aa). Ob dies auch für die in § 8 des Vertrages geregelte Abtretung der Honorarforderungen gilt, bedarf keiner Entscheidung. Die eventuelle Nichtigkeit dieser Vertragsbestimmung (vgl. dazu Senatsurteil vom 17. Mai 1995 - VIII ZR 94/94 aaO unter 1 a) hat nach dem Willen der Vertragsschließenden nicht die Unwirksamkeit des Vertrages insgesamt zur Folge. In § 12 Abs. 2 des Vertrages haben die Parteien nämlich vereinbart, daß die Unwirksamkeit einzelner Vertragsbestimmungen die Gültigkeit des Gesamtvertrages nicht berühren soll. Eine derartige salvatorische Klausel verkehrt die Vermutung des § 139 BGB in ihr Gegenteil (Senatsurteil vom 11. Oktober 1995 - VIII ZR 25/94 = WM 1996, 22 unter II 2 b aa m.w.Nachw.). Zur Widerlegung der danach für bloße Teilnichtigkeit sprechenden Vermutung ist nichts festgestellt, im übrigen auch nichts vorgetragen worden.
2. Ein Anspruch der Klägerin auf Rückzahlung des Kaufpreises wegen ungerechtfertigter Bereicherung infolge der von ihr erklärten Täuschungsanfechtung (§ 123 Abs. 1, § 142 Abs. 1, § 812 Abs. 1 BGB) setzt, soweit er auf die Angaben des Beklagten zu den Kanzleiumsätzen der Jahre 1992 bis 1994 gestützt ist, ebenso wie der Schadensersatzanspruch aus Verschulden bei Vertragsschluß unter anderem voraus, daß die von dem Beklagten angegeben Umsatzzahlen unrichtig sind. Dazu fehlt es, wie unter II dargelegt, an verfahrensfehlerfrei getroffenen Feststellungen des Berufungsgerichts.
IV. Das angefochtene Urteil kann somit keinen Bestand haben (§ 564 Abs. 1 ZPO). Eine abschließende Entscheidung (§ 565 Abs. 3 Nr. 1 ZPO) ist dem erkennenden Senat verwehrt, weil die Sache nicht zur Endentscheidung reif ist. Der Rechtsstreit ist daher an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 565 Abs. 1 ZPO). Im Zuge der neuerlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht wird der Beklagte Gelegenheit haben, auf die in der Revisionsinstanz vorsorglich erhobenen weiteren Rügen zurückzukommen.
Unterschriften
Dr. Deppert, Dr. Zülch, Dr. Hübsch, Ball, Wiechers
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 03.02.1999 durch Mayer Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
Fundstellen
Haufe-Index 539167 |
NJW 1999, 1404 |
Nachschlagewerk BGH |
WM 1999, 1034 |
MDR 1999, 696 |
VersR 2000, 511 |