Verfahrensgang
LG Saarbrücken (Urteil vom 25.08.2004) |
Tenor
1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Saarbrücken vom 25. August 2004 mit den Feststellungen aufgehoben.
2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Gründe
Das Landgericht hat den Angeklagten von dem Vorwurf freigesprochen, die Nebenklägerin – seine Schwägerin – in drei Fällen vergewaltigt zu haben, weil es sich „nicht mit der qualifizierten Mehrheit des § 263 Abs. 1 StPO von der Schuld des Angeklagten überzeugen” konnte. Gegen dieses Urteil wendet sich die Staatsanwaltschaft mit ihrer Revision, mit der sie die Verletzung materiellen Rechts rügt. Das Rechtsmittel, das vom Generalbundesanwalt vertreten wird, hat Erfolg.
1. Spricht der Tatrichter den Angeklagten frei, weil er Zweifel an seiner Täterschaft nicht zu überwinden vermag, so ist das durch das Revisionsgericht hinzunehmen, denn die Beweiswürdigung ist grundsätzlich Sache des Tatrichters. Der Beurteilung durch das Revisionsgericht unterliegt insoweit nur, ob dem Tatrichter bei der Beweiswürdigung Rechtsfehler unterlaufen sind. Das ist dann der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist oder gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt. Rechtlich zu beanstanden sind die Beweiserwägungen ferner dann, wenn sie erkennen lassen, daß das Gericht überspannte Anforderungen an die zur Verurteilung erforderliche Überzeugungsbildung gestellt und dabei nicht beachtet hat, daß eine absolute, das Gegenteil denknotwendig ausschließende und von niemandem anzweifelbare Gewißheit nicht erforderlich ist, vielmehr ein nach der Lebenserfahrung ausreichendes Maß an Sicherheit genügt, das vernünftige und nicht bloß auf denktheoretische Möglichkeiten gegründete Zweifel nicht zuläßt (st. Rspr.; vgl. BGH StV 1994, 580; BGHR StPO § 261 Überzeugungsbildung 25; vgl. auch Meyer-Goßner StPO 47. Aufl. § 261 Rdn. 2 m.w.N.).
2. Nach den getroffenen Feststellungen ist nicht nachvollziehbar, aus welchem Grund sich das Landgericht an einer Verurteilung des die Anklagevorwürfe bestreitenden Angeklagten gehindert sah.
Allerdings sind besonders strenge Anforderungen an die Beweiswürdigung zu stellen, wenn – wie hier – Aussage gegen Aussage steht und es entscheidend darauf ankommt, ob der Tatrichter den Angaben des Belastungszeugen folgt; in diesem Fall müssen die Urteilsgründe erkennen lassen, daß das Gericht alle Umstände, die die Entscheidung beeinflussen können, erkannt und in seine Überlegungen einbezogen hat (st. Rspr., vgl. nur BGHSt 44, 256 f.; BGHR StPO § 261 Beweiswürdigung 23).
Das Landgericht hat die Glaubwürdigkeit der Nebenklägerin nach ausführlicher Prüfung bejaht. Dabei hat es berücksichtigt, daß die Zeugin „ohne überschießende Belastungstendenzen ausgesagt”, „keinerlei Dramatisierungstendenzen bei der Tatschilderung gezeigt” und nicht versucht hat, „durch Überzeichnung ihrer psychischen Beeinträchtigungen dem Angeklagten zu schaden”. Ferner hat das Landgericht im einzelnen dargelegt, welche Gründe für die Richtigkeit der Aussage der Nebenklägerin sprechen: Die Zeugin habe die Abläufe der drei Taten detailliert und – mit Ausnahme der zeitlichen Einordnung des Falles 3 der Anklageschrift – konstant geschildert. Insoweit habe sie in der Hauptverhandlung bekundet, daß sich das durch ungewöhnliche Einzelheiten gekennzeichnete Tatgeschehen nicht im Jahre 2002, sondern etwa Anfang 1996 – jedenfalls vor der Geburt ihres zweiten Kindes – zugetragen habe. Dessen sei sie sich deswegen sicher, weil sich diese Vergewaltigung zu einer Zeit ereignet habe, zu der sie wegen des Kinderwunsches ihres Ehemannes auf medikamentöse Verhütungsmittel verzichtet habe. Die Nebenklägerin habe in der Hauptverhandlung auch nicht den Versuch unternommen, ihre Bekundungen zum Tatzeitpunkt auf Vorhalt ihrer polizeilichen Aussage dieser anzupassen. Schließlich habe die Zeugin den Umstand, daß sie nicht schon früher anderen von den Taten berichtet hat, damit erklären können, daß „ihr in der Familie jeglicher Rückhalt gefehlt habe”.
Ein Motiv für eine etwaige Falschbelastung hat die Strafkammer nicht erkennen können, vielmehr habe die Nebenklägerin durch eine Inhaftierung des Angeklagten eher Nachteile zu erwarten, da ihr getrennt lebender Ehemann auf die finanzielle Unterstützung durch den Angeklagten angewiesen sei, um ihre Ausgleichsforderungen zu befriedigen.
Nach alledem hat das Landgericht keine ernsthaft in Betracht kommenden Hinweise dafür gesehen, daß die den Angeklagten belastenden Bekundungen der Nebenklägerin unrichtig sein könnten. Wenn es trotzdem meint, nicht sicher feststellen zu können, ob es zu den sexuellen Übergriffen auf die Zeugin gekommen ist, so stellt es überspannte Anforderungen an die richterliche Überzeugungsbildung. Eine bloße gedankliche Möglichkeit, daß der Geschehensablauf auch anders gewesen sein könnte, darf die Verurteilung nicht hindern (vgl. Schoreit in KK-StPO 5. Aufl. § 261 Rdn. 4 m.w.N.).
Unterschriften
Tepperwien, Kuckein, Athing, Solin-Stojanović, Ernemann
Fundstellen
Haufe-Index 2557005 |
NStZ-RR 2005, 149 |