Gründe
I. Die Staatsanwaltschaft legt dem Angeklagten schwere Brandstiftung, Versicherungsbetrug, Betrug und Vortäuschen einer Straftat zur Last. Das Landgericht hat den Angeklagten freigesprochen, weil es seine Täterschaft nicht für erwiesen hielt. Gegen dieses Urteil wendet sich die Staatsanwaltschaft mit der Revision, die sie mit Verfahrensrügen und der Sachrüge begründet hat. Das vom Generalbundesanwalt vertretene Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft ist unbegründet.
II. Der näheren Erörterung bedarf lediglich die Verfahrensrüge, mit der die Staatsanwaltschaft geltend macht, ihr Ablehnungsgesuch gegen den Vorsitzenden der erkennenden Strafkammer sei zu Unrecht verworfen worden (§§ 338 Nr. 3, 24 Abs. 2 StPO). Diese Rüge hat keinen Erfolg. Die Strafkammer hat zu Recht angenommen, daß das Ablehnungsgesuch unzulässig war, weil es verspätet angebracht wurde (§ 25 Abs. 2 Nr. 2 StPO).
1. a) Die Hauptverhandlung fand am 17., 19., 22. und 30. August 1994 statt. Am 22. August 1994 wurde - ausweislich des Hauptverhandlungsprotokolls - von 15.55 Uhr bis 17.40 Uhr Kriminalkommissar M. als Zeuge vernommen, der die kriminalpolizeilichen Ermittlungen geführt hatte. Bei ihm hatte der Angeklagte nach der Festnahme ein Geständnis abgelegt und dieses beim Haftrichter wiederholt. Später hat er es über seinen Verteidiger widerrufen. Der Vorsitzende hielt dem Zeugen M. vor, als ermittelnder Beamter habe er ein Interesse, daß der für ihn ermittelte Täter zur Strecke gebracht wird. Dieser Vorhalt wurde auf Antrag der Staatsanwaltschaft protokolliert. Sodann sagte der Zeuge weiter zur Sache aus. Von 17.40 Uhr bis 17.45 Uhr wurde die Hauptverhandlung unterbrochen. Danach wurde bis 18.00 Uhr ein weiterer Zeuge vernommen. Anschließend wurden Photos in Augenschein genommen, der Verteidiger gab eine Erklärung ab und der Angeklagte äußerte sich zur Sache. Um 18.05 Uhr wurde die Hauptverhandlung auf den 30. August 1994 vertagt.
b) Mit Schriftsatz vom 23. August 1994, beim Landgericht eingegangen am 24. August 1994, hat die Staatsanwaltschaft den Vorsitzenden Richter B. wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt und zur Begründung u.a. ausgeführt:
"In der Hauptverhandlung vom 22.08.1994 erklärte der Vorsitzende Richter am Landgericht B. gegenüber dem Zeugen KK M., er habe den Angeklagten ... um 07.00 Uhr festgenommen und erst um 15.30 Uhr vernommen. Dieser sei also bis dahin im Verließ gewesen. Auf die Antwort des Zeugen: 'Nein, im PGD', erwiderte der Vorsitzende sinngemäß: Sie haben ihn also schmoren lassen und sodann wörtlich: 'Weichkochen nennt man so etwas'.
Tatsächlich war dem Vorsitzenden bekannt, daß am Vormittag zwei ebenfalls in den frühen Morgenstunden festgenommene Personen, nämlich die Lebensgefährtin des Angeklagten und seine Geliebte zunächst vernommen werden mußten.
Im weiteren Verlauf der Vernehmung des Zeugen M. erklärte der Vorsitzende sinngemäß: Sie, als engagierter Kriminalbeamter, haben doch sicher ein Interesse daran, wörtlich: 'den Angeklagten zur Strecke zu bringen'. Auf den erneuten Antrag der Sitzungsvertreterin der Staatsanwaltschaft wurde letzteres nunmehr protokolliert ... .
Diese Äußerungen verbunden mit dem Verhalten des Vorsitzenden und seinen Fragen sowie Vorhalten gegenüber anderen Zeugen in der vorangegangenen Beweisaufnahme rechtfertigen das Mißtrauen gegen die Unparteilichkeit dieses Richters.
Hierdurch ist der Eindruck entstanden, daß er sich in seiner Überzeugung von der Unwahrhaftigkeit der Zeugenaussage bereits endgültig festgelegt hat und der Angeklagte deshalb freizusprechen sei ... .
Im Laufe des 23.08.1994 war die Antragstellerin durch wichtige andere Dienstgeschäfte - unter anderem wurde sie als Zeugin in einem bei der 1. großen Strafkammer anhängigen Strafverfahren vernommen - gehindert, den Befangenheitsantrag zu stellen. Danach war die Geschäftsstelle der Strafkammer bei dem Landgericht in Bonn nicht mehr besetzt."
c) Am 30. August 1994 setzte der Vorsitzende die Verfahrensbeteiligten von dem Ablehnungsgesuch in Kenntnis und verkündete anschließend einen Gerichtsbeschluß, durch den das Ablehnungsgesuch wegen Verspätung als unzulässig verworfen wurde.
2. Die Strafkammer hat das Ablehnungsgesuch zu Recht als verspätet angesehen.
Nach Beginn der Vernehmung des Angeklagten zu seinen persönlichen Verhältnissen muß die Ablehnung eines Richters unverzüglich geltend gemacht werden (§ 25 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 2 StPO). "Unverzüglich" bedeutet "ohne schuldhaftes Zögern", das heißt ohne eine durch die Sachlage nicht begründete Verzögerung. Dabei ist im Interesse einer zügigen Durchführung des Verfahrens ein strenger Maßstab anzulegen (BGHSt 21, 334, 339, 344, 345; st. Rspr.). Dem zur Ablehnung Berechtigten ist aber eine gewisse Zeit zum Überlegen und Abfassen des Gesuches zu bewilligen (BGHR StPO § 25 Abs. 2 unverzüglich 1 und 2 jeweils m.w.N.; BGH NStZ 1992, 290). Welcher Zeitraum hierfür erforderlich ist, hängt von den Umständen des Einzelfalles ab. Ergibt sich während einer Zeugenvernehmung ein Umstand, der die Besorgnis der Befangenheit eines Richters begründet, ist der Ablehnungsberechtigte nicht verpflichtet, auf eine umgehende Unterbrechung der Vernehmung hinzuwirken, um sein Ablehnungsgesuch anzubringen (BGH StV 1986, 281). Das Erfordernis, ein Ablehnungsgesuch unverzüglich geltend zu machen, gilt aber auch im Falle einer Verhandlungsunterbrechung. Bei einer längeren Unterbrechung muß daher das Gesuch außerhalb der Hauptverhandlung unverzüglich schriftlich oder zu Protokoll der Geschäftsstelle angebracht werden (BGH NStZ 1993, 141; 1982, 291, 292).
Nach diesen Grundsätzen ist das Gesuch der Staatsanwaltschaft verspätet. Zwar war die Staatsanwaltschaft hier nicht gehalten, die Ablehnung noch am selben Tage geltend zu machen. Vielmehr hätte es genügt, das Ablehnungsgesuch so anzubringen, daß es noch am Vormittag des folgenden Tages (23. August) von der Strafkammer hätte zur Kenntnis genommen werden können. Eine darüber hinausgehende Überlegungs- und Abfassungsfrist bis zum übernächsten Tag stand der Staatsanwaltschaft bei dem einfach gelagerten Sachverhalt hingegen nicht zu. Die Staatsanwaltschaft macht selbst nicht geltend, an der früheren Anbringung ihres Ablehnungsgesuchs durch Gründe gehindert gewesen zu sein, die sich aus dem vorliegenden Verfahren ergeben, insbesondere macht sie nicht geltend, eine Überlegungsfrist bis zum übernächsten Tag (24. August) benötigt zu haben. Die Verspätung des Gesuchs kann nicht damit gerechtfertigt werden, daß die Sitzungsvertreterin der Staatsanwaltschaft im Laufe des 23. August durch "wichtige andere Dienstgeschäfte" gehindert war, den Befangenheitsantrag zu stellen. Diese Dienstgeschäfte - mit Ausnahme der Vernehmung als Zeugin - hätten zurückgestellt oder durch Vertreter wahrgenommen werden müssen. Schließlich kommt es nicht darauf an, ob die Geschäftsstelle der Strafkammer besetzt war und ob das Verfahren durch das verspätete Anbringen des Ablehnungsgesuchs verzögert wurde.
3. Da das Ablehnungsgesuch verspätet ist, kommt es nicht darauf an, ob es begründet war.
Fundstellen
Haufe-Index 2993336 |
BGHR StPO § 25 II Unverzüglich 3 |
DRsp IV(448)169Nr. 4 |
NStZ 1996, 47 |
StV 1996, 1 |