Leitsatz (amtlich)
Der Rahmen der vertraglich übernommenen Verpflichtungen steckt bei einem Werkvertrag zugleich den Umfang der Obhuts- und Beratungspflichten ab.
Normenkette
BGB § 631
Verfahrensgang
LG Baden-Baden (Aktenzeichen 2 O 537/95) |
OLG Karlsruhe (Aktenzeichen 10 U 155/96) |
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 10. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 23. Januar 1998 abgeändert.
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Baden-Baden vom 14. Juni 1996 wird insgesamt zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt – unter Einschluß der Kostenentscheidung aus dem Beschluß vom 25. Januar 2000 – die Kosten des Rechtsstreits.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Klägerin, ein Verlagsunternehmen, unterhält auf ihrem Betriebsgelände in R. zwei Heizöltanks, von denen der kleinere mit 30.000 l Fassungsvermögen seit 1984 stillgelegt war. 1989 entschloß sie sich, diesen Tank, dessen Außenwand leck geworden war, wieder in Betrieb zu nehmen. Zu diesem Zweck brachte ein Drittunternehmen eine Leckschutzauskleidung an. Nach Überprüfung durch den Technischen Überwachungsverein wurde der Tank Anfang 1990 abgenommen, aber zunächst noch nicht wieder in Betrieb genommen. Bei Erdarbeiten auf dem Betriebsgelände kam es zu einer Beschädigung der Schutzrohre der im Erdreich verlegten Tankleitungen. Die Klägerin erteilte daraufhin der Beklagten den Auftrag, neue Schutzrohre bis zum Heizraum zu führen, die Ölleitungen und die Tankrohre zu erneuern. Die Beklagte ließ die Arbeiten durch zwei Arbeitnehmer (den früheren Zweit- und Drittbeklagten) und zwei Helfer im März 1991 durchführen. Nach Befüllung Anfang November 1992 wurde der Tank am 17. Dezember 1992 in Betrieb genommen. Wenige Tage später wurde bemerkt, daß ca. 20.000 l Heizöl in das Erdreich versickert waren. Als Ursache stellte sich heraus, daß die Rücklaufleitung statt am vorgesehenen Stutzen des Domdeckels an einem Anschlußstutzen für den Leckflüssigkeitsbehälter am – schadhaften – Doppelmantel angeschlossen worden war, von wo aus das Öl in das Erdreich auslaufen und eindringen konnte. Zwischen den Parteien war zunächst streitig, ob der Fehlanschluß von Leuten der Klägerin – wie die Beklagte behauptet hat – oder von den Monteuren der Beklagten – wie die Klägerin behauptet hat – vorgenommen wurde; die Klägerin hat ein haftungsbegründendes Verhalten der Beklagten aber auch für den Fall angenommen, daß diese den Anschluß nicht selbst hergestellt, sondern bereits vorgefunden hat.
Die Klägerin hat nach ihrer Behauptung für die Beseitigung der Kontamination bisher 531.054,27 DM aufgewendet; die Sanierung ist noch nicht abgeschlossen. Das Landgericht hat die auf Schadensersatz und Feststellung gerichtete Klage insgesamt abgewiesen. Im Berufungsverfahren hat die Klägerin die Klage erweitert und Zahlung in Höhe von 531.054,27 DM sowie die Feststellung begehrt, daß die Beklagten auch den weiteren Schaden zu ersetzen haben. Nach Einholung eines Sachverständigengutachtens zu der Frage, ob bei fachmännischer Arbeitsweise der Falschanschluß der Rücklaufleitung hätte auffallen müssen, und Durchführung eines Ortstermins durch die Einzelrichterin hat das Berufungsgericht das erstinstanzliche Urteil in Richtung gegen die frühere Erst- und nunmehr allein verbliebene Beklagte dahin abgeändert, daß die Zahlungsklage dem Grunde nach zu 50 % für gerechtfertigt ist; es hat weiter festgestellt, daß die Beklagte auch im übrigen zum Ersatz des aus dem Vorfall entstandenen Schadens zu 50 % dem Grunde nach verpflichtet ist.
Mit ihrer Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter. Die Klägerin tritt dem Rechtsmittel entgegen; ihre Anschlußrevision hat der Senat nicht zur Entscheidung angenommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Revision führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Abweisung der Klage insgesamt.
I. Das Berufungsgericht geht von einem Werkvertrag zwischen den Parteien aus. Es kann nicht feststellen, daß die Leute der Beklagten den Fehlanschluß selbst hergestellt hätten. Die Beklagte sei nämlich nur beauftragt gewesen, ein Schutzrohr zu verlegen und die im Schutzrohr geführten Anschlußleitungen an dem Tank zu erneuern. Die Leute der Beklagten hätten auch nicht die alten Leitungen von den Anschlüssen am Tank abgeschraubt und die neu verlegten Leitungen an den Muffen und Armaturen des Tanks angeschraubt, sondern noch ein Stück altes Rohr belassen. Diese ihr günstigen Feststellungen greift die Beklagte nicht an.
II. Das Berufungsgericht stellt fest, daß die Arbeitnehmer der Beklagten als deren Erfüllungsgehilfen bei der Auftragsdurchführung den vorhandenen Fehlanschluß zwar nicht bemerkt und deshalb eine entsprechende Mitteilung über die Gefahrensituation an die Klägerin unterlassen hätten, ihn aber hätten erkennen können und müssen. Dies greift die Revision mit Verfahrensrügen ohne Erfolg an (§ 565a Satz 1 ZPO).
III. Das Berufungsgericht stützt die Verurteilung der Beklagten ersichtlich allein auf die Verletzung der werkvertraglichen Nebenpflicht, die Tankanlage auf für Fachleute erkennbare Fehlanschlüsse zu überprüfen. Hiergegen wendet sich die Revision mit Erfolg.
1. Habe die Beklagte mangels entsprechenden Auftrags nicht die Pflicht getroffen, die Anschlüsse der Rücklaufleitungen an die Tanks auf ihre Ordnungsmäßigkeit zu überprüfen, könne es keine Haftung begründen, wenn ihren Leuten der Fehlanschluß nicht aufgefallen sei; andernfalls werde die nicht vereinbarte Prüfungspflicht auf dem Umweg über eine vertragliche Nebenpflicht eingeführt. In einer derartigen Annahme sieht die Revision einen Denkfehler (§ 286 ZPO). Das Berufungsgericht ergänze die vertraglichen Pflichten der Beklagten stillschweigend um eine Sichtprüfung der Anlage auf Funktionstüchtigkeit und Betriebssicherheit, was zusätzliche Maßnahmen erfordere und das Haftungsrisiko des Werkunternehmers erheblich erweitere. Die Klägerin habe auch keine Umstände dargelegt, aus denen sich eine Haftung der Beklagten etwa deshalb ergebe, weil ihre Leute die Augen vor den Gefahren für die Klägerin verschlossen hätten. Zudem sei dem Berufungsgericht gegenüber der von ihm getroffenen Abwägung der Mitverschuldensanteile (§ 254 BGB) ein Wertungswiderspruch unterlaufen.
2. Die Rüge ist jedenfalls im Ergebnis begründet. Daß eine bestimmte Leistung nicht als Hauptleistungspflicht vertraglich vereinbart ist, steht zwar der Annahme nicht denknotwendig entgegen, daß sie gleichwohl als Nebenpflicht nach Treu und Glauben aus dem Vertrag abzuleiten ist. Dies gilt insbesondere für Sicherungs- und Obhutspflichten (vgl. Sen.Urt. v. 19.11.1996 - X ZR 75/95, NJW 1997, 342; Sen.Urt. v. 14.9.1999 - X ZR 89/97, NJW 2000, 280; BGH, Urt. v. 23.9.1982 - VII ZR 82/82, NJW 1983, 113). Jedoch steckt der Rahmen der vertraglich übernommenen Verpflichtungen zugleich den Umfang der Obhuts- und Beratungspflichten ab (so für die Beratungspflichten BGH, Urt. v. 23.9.1976 - III ZR 119/74, VersR 1977, 178).
Als geschuldete Werkleistung können nach den Feststellungen des Berufungsgerichts vorliegend nur das Verlegen der Schutzrohre, die Erneuerung der Ölleitung und der Tankentlüftung angesehen werden, nicht darüber hinaus eine Überprüfung der Funktionstüchtigkeit der bestehenden Anlage. Selbst wenn der rechtlichen Beurteilung im genannten Urteil des III. Zivilsenats hinsichtlich der sich aus solchen Verträgen ergebenden Pflichten nur soweit beizutreten sein sollte, als der Rahmen des vertraglich Geschuldeten deutlich überschritten ist und als nicht besondere, hier ersichtlich nicht in Betracht kommende Umstände – wie positive Kenntnis oder bewußtes Sichverschließen vor der Erkenntnis – nach Treu und Glauben eine andere Bewertung erfordern, kann die Leistungsverpflichtung der Beklagten vorliegend nicht über die Annahme einer Nebenpflicht so weit erstreckt werden, wie das Berufungsgericht das angenommen hat. Wer, wie vorliegend die Klägerin, eine in ihrem Umfang eingeschränkte Werkleistung bestellt und im Zweifel nur eine dementsprechend hohe Vergütung vereinbart hat, muß sich im Verhältnis zum Unternehmer an einer solchen Beschränkung festhalten lassen und kann nicht unter Berufung auf Nebenpflichten des Unternehmers die Erbringung nicht geschuldeter Leistungen verlangen oder aus deren Nichterbringung Haftungsfolgen ableiten.
IV. Da weitere Feststellungen ersichtlich nicht in Betracht kommen, andere Anspruchsgrundlagen nicht erkennbar sind und insbesondere zum Haftungsgrund Gegenrügen der Klägerin nicht erhoben sind, kann der Senat abschließend beurteilen, daß die Beklagte durch das Nichterkennen des Fehlanschlusses eine gegenüber ihr der Klägerin obliegende vertragliche Nebenpflicht nicht verletzt hat. Somit scheidet eine Haftung der Beklagten schon dem Grunde nach aus. Auf die weiteren Revisionsrügen kommt es deshalb nicht mehr an. Daraus ergibt sich, daß die erstinstanzliche Entscheidung in vollem Umfang wiederherzustellen ist.
V. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.
Unterschriften
Rogge, Melullis, Scharen, Keukenschrijver, Mühlens
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 03.05.2000 durch Vondrasek Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
Fundstellen
DB 2000, 1859 |
NJW 2000, 2102 |
NWB 2000, 3037 |
IBR 2000, 490 |
Nachschlagewerk BGH |
WM 2000, 1912 |
MDR 2001, 21 |
VersR 2002, 451 |
ZfBR 2000, 411 |
NZBau 2000, 328 |
RdW 2000, 435 |