Tenor
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des 3. Zivilsenats des Thüringer Oberlandesgerichts in Jena vom 20. Juni 2000 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat die Kosten des Revisionsrechtszuges einschließlich derjenigen des Streithelfers zu tragen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Kläger kauften durch notariellen Vertrag vom 5. August 1993 von der Wohnungs- und Gewerbebau S. GmbH ein 816 m² großes Baugrundstück in der ehemaligen Gemeinde A., die inzwischen in die beklagte Stadt eingemeindet worden ist. In dem Kaufvertrag verpflichtete sich die Verkäuferin, die öffentlich-rechtlichen Erschließungsbeiträge zu tragen und die innere und äußere Erschließung des Grundstücks zu gewährleisten. Auch gegenüber der Gemeinde A. hatte sich die Verkäuferin verpflichtet, das Baugebiet zu erschließen. Zur Absicherung dieser letzteren Verpflichtung diente eine bis zum 15. Mai 1993 befristete Bankbürgschaft.
Im Kaufvertrag wurde vereinbart, daß der Notar den auf die Erschließungsleistungen entfallenden Kaufpreisanteil (57.120 DM) erst dann an die Verkäuferin auszahlen sollte, wenn die Gemeinde ihm gegenüber bestätigt hatte,
„daß die äußere und innere Erschließung entsprechend dem bestehenden Bebauungsplan fertiggestellt, abgenommen, abgerechnet und bezahlt ist oder die Zahlung sichergestellt ist und feststeht, daß der Käufer nicht mehr für Erschließungskosten für die Erschließung entsprechend dem Bebauungsplan nach BauGB oder Kommunalabgabengesetz herangezogen wird.”
Mit Schreiben an den Notar vom 3. Juni 1993 hatte der Bürgermeister bereits vor Vertragsschluß bestätigt, daß
„1. Die Zahlung der Erschließungskosten für die äußere und innere Erschließung entsprechend dem bestehenden Bebauungsplan für das gesamte Baugebiet …, nämlich für die Grundstücke, Gemarkung A. [darunter auch dasjenige der Kläger] sichergestellt ist und
2. feststeht, daß die Grundstückseigentümer der vorbezeichneten Grundstücke oder Teilflächen dieser Grundstücke nicht mehr für diese Erschließungskosten nach BauGB oder Kommunalabgabengesetz herangezogen werden.”
Von den hinterlegten 57.120 DM zahlte der Notar 8.712,78 DM an die Verkäuferin aus. Die Auszahlung des Restkaufpreises wurde durch die Kläger verhindert.
Die Verkäuferin kam ihren Verpflichtungen aus dem mit der Gemeinde geschlossenen Erschließungsvertrag nicht nach und ist seit Ende 1994 zahlungsunfähig. Die Bürgschaft war nicht fristgemäß in Anspruch genommen worden.
Nach der Eingemeindung führte die Beklagte die Erschließungsmaßnahmen selbst durch und verlangte von den Klägern insgesamt 18.093,41 DM Erschließungskosten. Das gegen die entsprechenden Bescheide von den Klägern geführte verwaltungsgerichtliche Verfahren ist noch nicht beendet.
Die Kläger nehmen die Beklagte als Rechtsnachfolgerin der Gemeinde A. auf Schadensersatz mit der Begründung in Anspruch, die seinerzeitige Auskunft des Bürgermeisters sei unrichtig gewesen. Nach mehrfach wechselnden Anträgen haben sie zuletzt die Feststellung begehrt, daß die Beklagte verpflichtet sei, ihnen den Schaden zu ersetzen, der ihnen aus der falschen Auskunft des Bürgermeisters der Gemeinde A. in dem Schreiben vom 3. Juni 1993 an den Notar, betreffend die Erschließung des Baugebiets, entstanden sei und noch entstehen werde. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat dem zuletzt gestellten Feststellungsantrag stattgegeben. Mit der zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet.
1. Die von der Revision erhobenen Bedenken gegen die Zulässigkeit des von den Klägern zuletzt gestellten Feststellungsantrags, dem das Berufungsgericht entsprochen hat, greifen nicht durch.
a) Der aus der behaupteten Falschauskunft des früheren Bürgermeisters hergeleitete Amtshaftungsanspruch der Kläger gegen die Beklagte (§ 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG) begründet ein Rechtsverhältnis, das Gegenstand einer Feststellungsklage im Sinne des § 256 ZPO sein kann. Derzeit läßt sich auch noch nicht absehen, in welchem Umfang die Kläger tatsächlich zu Erschließungsbeiträgen herangezogen werden und welches Schicksal der hinterlegte Restbetrag haben wird. Deswegen ist ihnen eine Bezifferung des Schadens derzeit nicht möglich.
b) Auch ein rechtliches Interesse an alsbaldiger Feststellung im Sinne des § 256 Abs. 1 ZPO läßt sich hier nicht verneinen. Ein solches kann wegen eines erst künftig aus dem Rechtsverhältnis erwachsenden Schadens angenommen werden, wenn nach der Lebenserfahrung und dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge der Schadenseintritt hinreichend wahrscheinlich ist (BGH, Urteil vom 15. Oktober 1992 – IX ZR 43/92 = NJW 1993, 648, 653 m.zahlr. w.N.). Wird der Schadensersatzanspruch aus der Verletzung einer Vorschrift hergeleitet, die – wie der hier in Betracht kommende § 839 Abs. 1 BGB – das Vermögen im allgemeinen schützt, ist im Interesse des Anspruchsgegners bereits für die Zulässigkeit der Klage zu verlangen, daß der Anspruchsteller die Wahrscheinlichkeit eines auf die Verletzungshandlung zurückzuführenden Schadenseintritts dartut (BGH aaO S. 654; BGH, Urteil vom 14. Dezember 1995 – IX ZR 242/94 = NJW 1996, 1062, 1063 m.zahlr.w.N.). Diese Wahrscheinlichkeit eines Schadens wurde hier schon dadurch begründet, daß der amtierende Notar im Vertrauen auf die Auskunft des Bürgermeisters den in Rede stehenden, für die Erschließungsleistungen bestimmten Teilbetrag an die Verkäuferseite auskehrte, obwohl gerade nicht feststand, daß die Kläger seitens der Gemeinde nicht mehr für die Erschließungskosten herangezogen werden konnten.
c) Ein Rechtsschutzinteresse für die begehrte Feststellung entfällt auch nicht dadurch, daß die Kläger gegen die Beitragsbescheide, durch die sie seitens der Beklagten zur Tragung der Erschließungskosten herangezogen worden sind, verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutz in Anspruch genommen haben. Die Revision meint, es bestehe keine Notwendigkeit, neben dem bereits anhängigen Rechtsstreit vor dem Verwaltungsgericht einen weiteren vor den ordentlichen Gerichten zu führen, da die Kläger mit ihren auf das Schreiben des Bürgermeisters der Gemeinde gestützten Einwendungen auch beim Verwaltungsgericht gehört werden könnten. Darin kann der Revision nicht gefolgt werden.
aa) Insoweit ist zunächst klarzustellen, daß jenes verwaltungsgerichtliche Verfahren im Verhältnis zum jetzigen Amtshaftungsprozeß keinen Fall des Primärrechtsschutzes im Sinne des § 839 Abs. 3 BGB darstellt. „Rechtsmittel” im Sinne des § 839 Abs. 3 BGB sind nur solche Rechtsbehelfe, die sich unmittelbar gegen die schädigende Amtshandlung oder Unterlassung selbst richten und nach gesetzlicher Ordnung ihre Beseitigung oder Berichtigung bezwecken und ermöglichen (st. Rspr.; vgl. zuletzt Senatsurteil vom 12. Oktober 2000 – III ZR 121/99 = WM 2001, 146; ferner Senatsurteile BGHZ 123, 1, 7 m.zahlr.w.N.; BGHZ 137, 11, 23). Hier richten sich die verwaltungsgerichtlichen Rechtsbehelfe der Kläger gerade nicht gegen das pflichtwidrige Verhalten des Bürgermeisters, nämlich die unrichtige Auskunftserteilung als solche, sondern gegen die späteren, in Widerspruch zu jener Auskunft stehenden Beitragsbescheide. Insoweit besteht eine Parallele zum Senatsurteil vom 12. Oktober 2000 (aaO), wo es ebenfalls um einen Amtshaftungsanspruch gegangen war, den der dortige Kläger aus der Erteilung einer unrichtigen Auskunft hergeleitet hatte, und wo ebenfalls ein verwaltungsgerichtlicher Rechtsbehelf mit dem Ziel eingelegt worden war, einen im Widerspruch zu jener Auskunft ergangenen belastenden Verwaltungsakt zu beseitigen. Auch dort hatte der Senat die unmittelbare Anwendbarkeit des § 839 Abs. 3 BGB verneint. Nichts anderes kann für die hier zu beurteilende Fallkonstellation gelten.
bb) Darüber hinaus sind über den Stand des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens keine näheren Einzelheiten vorgetragen worden. Es ist daher insbesondere nicht erkennbar, ob die hier in Rede stehende Amtshaftung der Beklagten dort überhaupt entscheidungserheblich werden kann. Zwar haben die Kläger mit Schreiben vom 29. Mai 1998 gegen die Erschließungsbeiträge mit dem hier in Rede stehenden Amtshaftungsanspruch aufgerechnet. In ähnlichem Sinne meint die Revision, daß im verwaltungsgerichtlichen Verfahren der Beitragsforderung der Beklagten eine auf die Amtshaftung gegründete Einwendung der Kläger entgegengesetzt werde. Indessen weist die Revisionserwiderung des seinerzeit amtierenden Notars als Streithelfer der Kläger zutreffend darauf hin, daß nach § 226 Abs. 3 AO die Aufrechnung gegen öffentliche Abgaben nur zulässig ist, wenn die Gegenforderung unbestritten oder rechtskräftig festgestellt ist, und daß Gleiches nach § 1 Abs. 3 i.V.m. § 15 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. a des Thüringer Kommunalabgabengesetzes vom 7. August 1991 (ThürGVBl. 1991, 329) auch für Abgaben gilt, die die Kommunen aufgrund anderer Gesetze erheben, also auch für Beiträge (§ 1 Abs. 2 des Gesetzes), zu denen auch die Erschließungsbeiträge nach §§ 127 ff BauGB gehören.
cc) Endlich spricht auch das „Stillhalteabkommen” zwischen den Parteien, aufgrund dessen die Beklagte vorläufig darauf verzichtet, die Beiträge zwangsweise einzuziehen, nicht dagegen, sondern eher dafür, die Amtshaftungsfrage dem Grunde nach noch vor der endgültigen Entscheidung über die sachliche Berechtigung der Erschließungsbeiträge zu klären.
2. Der Feststellungsantrag ist auch begründet. Den Klägern steht gegen die Beklagte der geltend gemachte Amtshaftungsanspruch dem Grunde nach zu.
a) Wie die Revision selbst einräumt, war die Auskunft des Bürgermeisters vom 3. Juni 1993, in der auch das von den Klägern erworbene Grundstück aufgeführt war, unzutreffend, da sich die Gemeinde nur durch eine bis zum 15. Mai 1993 befristete Bürgschaft abgesichert hatte, die nicht rechtzeitig in Anspruch genommen worden war. Die Revision stellt auch nicht mehr in Abrede, daß die Unrichtigkeit dem Bürgermeister bei Anlegung des das Amtshaftungsrecht beherrschenden objektivierten Sorgfaltsmaßstabs erkennbar war, insoweit also auch ein Fahrlässigkeitsvorwurf gegen ihn begründet ist.
b) Zutreffend hat das Berufungsgericht ferner entschieden, daß die verletzte Amtspflicht auch zugunsten der Kläger als geschützter „Dritter” im Sinne des § 839 Abs. 1 Satz 1 BGB bestanden hat. Die Amtspflicht, eine Auskunft richtig, klar, unmißverständlich und vollständig zu geben, so daß der Empfänger der Auskunft entsprechend disponieren kann, besteht gegenüber jedem Dritten, in dessen Interesse oder auf dessen Antrag die Auskunft erteilt wird (Senatsurteile vom 10. Juli 1980 – III ZR 23/79 = NJW 1980, 2573, 2574 und vom 10. Juli 1986 – III ZR 39/85 = BGHR BGB § 839 Abs. 1 Satz 1 Auskunft 1 = VersR 1987, 50). Schon aus dem Inhalt der Auskunft selbst ergab sich ohne weiteres, daß sie dem um sie nachsuchenden Notar als amtlicher Nachweis über die Sicherstellung der Erschließung und über die Freistellung der Grundstückseigentümer des Plangebiets von der Heranziehung zu Erschließungsbeiträgen dienen sollte. Es war daher insbesondere erkennbar, daß die Auskunft im Grundstücksverkehr, d.h. bei der Beurkundung und Abwicklung der notariellen Kaufverträge über die Grundstücke des Plangebietes, verwendet werden sollte. Dementsprechend war bei der Erteilung der Auskunft auch auf die Interessen der zukünftigen Grundstückserwerber als eines durch die Beziehung zum Plangebiet begrenzten Personenkreises, der die erschlossenen Grundstücke kaufen und mit Wohnhäusern bebauen wollte, in individualisierter und qualifizierter Weise Rücksicht zu nehmen. Die unmittelbare Beteiligung am Amtsgeschäft ist ebensowenig Voraussetzung für die Annahme einer drittgerichteten Amtspflicht wie ein Rechtsanspruch des Betroffenen auf die in Frage stehende Amtshandlung (Senatsurteil BGHZ 137, 11, 15 m.w.N.).
c) Im Ergebnis zu Recht hat das Berufungsgericht die Frage außer acht gelassen, ob für die Kläger wegen eines Fehlverhaltens des Streithelfers eine anderweitige Ersatzmöglichkeit gegeben wäre. Im Verhältnis zwischen der Staatshaftung und der konkurrierenden Notarhaftung greift das Verweisungsprivileg des § 839 Abs. 1 Satz 2 bei beiderseitiger Fahrlässigkeit nicht ein. Dies gilt selbst dann, wenn – was hier nicht im einzelnen aufgeklärt zu werden braucht – der Notar eine nach §§ 23, 24 BNotO übernommene Amtspflicht verletzt hat (Senatsurteil BGHZ 123, 1, 7 m.w.N.). In den neuen Bundesländern richteten sich Schadensersatzansprüche gegen einen Notar nach dem seinerzeit (1993) geltenden § 18 Abs. 1 der Verordnung über die Tätigkeit von Notaren in eigener Praxis, der auf § 19 Abs. 1 BNotO verwies. Die Bundesnotarordnung war bis 1998 in den neuen Bundesländern nicht unmittelbar anwendbar. Stattdessen galt gemäß Anlage II Kapitel III Sachgebiet A Abschnitt III Nr. 2 des Einigungsvertrages die DDR-NotVO nach Maßgabe der im Einigungsvertrag geregelten Änderungen fort. Nach deren § 18 Abs. 1 haftete für Schadensersatzansprüche, die sich aus der Verletzung von Amtspflichten ergaben, der Notar dem Geschädigten nach den „Vorschriften des Zivilrechts”. Damit war zunächst auf die Zivilrechtsordnung der ehemaligen DDR Bezug genommen. Nachdem diese außer Kraft getreten ist, waren die entsprechenden Bestimmungen des Rechts der Bundesrepublik Deutschland anzuwenden (Anlage II Kapitel III Sachgebiet A Abschnitt III Nr. 3 i.V.m. Anlage I Kapitel II Sachgebiet A Abschnitt III Nr. 28 Buchst. b des Einigungsvertrages). Da sich die DDR-NotVO eng an die Bundesnotarordnung anlehnte, war die Vorschrift des § 19 Abs. 1 BNotO als die sachnächste Haftungsnorm anzusehen (BGH, Urteil vom 15. Januar 1998 – IX ZR 4/97 = BGHR DDR-NotVO § 18 Abs. 1 Notarhaftung 1 m.w.N.). Deswegen sieht der erkennende Senat keine Bedenken, auch im Verhältnis zwischen Staatshaftung und Notarhaftung in den neuen Bundesländern die Anwendung der Subsidiaritätsklausel des § 839 Abs. 1 Satz 2 BGB auszuschließen.
3. Vergeblich wendet sich die Revision dagegen, daß im Tenor des Berufungsurteils eine umfassende Feststellung der Schadensersatzpflicht der Beklagten getroffen worden sein soll. Schon aus der Urteilsformel selbst ergibt sich mit hinreichender Deutlichkeit, daß die Feststellung nur solche Schäden betrifft, die durch die falsche Auskunft verursacht worden sind. Ausgeklammert sind daher von vornherein Nachteile, die auch ohne die Auskunft in gleicher Weise entstanden wären. Andererseits ist die rechtskräftige Feststellung nicht auf den vom Berufungsgericht für möglich gehaltenen Höchstbetrag von 8.712,78 DM beschränkt. Ob es deshalb hinsichtlich des Feststellungsausspruchs einer Klageabweisung im übrigen bedurfte (und ob eine solche überhaupt zulässig war), bedarf im Revisionsverfahren keiner Klärung, da das Berufungsurteil insoweit allenfalls die Kläger und Revisionsbeklagten und nicht die Beklagte und Revisionsklägerin beschwert.
Unterschriften
Rinne, Wurm, Streck, Schlick, Dörr
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 03.05.2001 durch Freitag Justizamtsinspektor als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle
Fundstellen
Haufe-Index 599821 |
NJW 2002, 1646 |
BGHR 2001, 690 |
BGHR |
BauR 2001, 1404 |
NVwZ 2002, 373 |
IBR 2001, 397 |
ZfIR 2001, 847 |
DVP 2006, 476 |
NJ 2002, 88 |
ZfBR 2001, 412 |
BRS 2002, 623 |
BayVBl. 2002, 124 |
GK/BW 2002, 109 |
UPR 2001, 392 |