Entscheidungsstichwort (Thema)
Rückzahlung der Mietkaution durch Zwangsverwalter. Beendigung des Mietverhältnises bereits vor Anordnung der Zwangsverwaltung
Leitsatz (amtlich)
§ 152 Abs. 2 ZVG bezieht sich nur auf zum Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Beschlagnahme bestehende Mietverhältnisse. Der Zwangsverwalter einer Mietwohnung ist deshalb nicht zur Auszahlung einer vom Mieter an den Vermieter geleisteten und von diesem nicht an den Zwangsverwalter weitergegebenen Kaution verpflichtet, wenn das Mietverhältnis bereits beendet und die Wohnung geräumt ist, bevor die Anordnung der Beschlagnahme wirksam wird.
Normenkette
ZVG § 152 Abs. 2
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision der Kläger gegen das Urteil der 11. Zivilkammer des LG Potsdam vom 25.8.2005 wird zurückgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten des Revisionsverfahrens.
Von Rechts wegen
Tatbestand
[1]Die Kläger waren Mieter einer in B. gelegenen Wohnung. Sie entrichteten der Vermieterin die vertraglich vereinbarte Mietkaution. Zum 30.9.2003 kündigten die Kläger den Mietvertrag und zogen aus der Wohnung aus. Durch Beschluss vom 7.10.2003 ordnete das AG Potsdam die Zwangsverwaltung über das Grundstück an und setzte den Beklagten als Zwangsverwalter ein. Die Mietkaution wurde dem Beklagten nicht weitergegeben.
[2]Die Kläger verlangen von dem Beklagten Auszahlung der Kaution. Das AG hat den Beklagten antragsgemäß verurteilt; das LG hat die Klage abgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgen die Kläger ihren Zahlungsanspruch weiter.
Entscheidungsgründe
[3]I.
Das Berufungsgericht, dessen Urteil in WuM 2005, 772 (LG Potsdam v. 25.8.2005 - 11 S 278/04, WuM 2005, 772) veröffentlicht ist, hat ausgeführt: Den Klägern stehe gegen den beklagten Zwangsverwalter kein Anspruch auf Rückzahlung der Kaution zu. Der Beklagte sei gem. § 152 Abs. 2 ZVG nicht in das bereits vor der Beschlagnahme beendete Mietverhältnis eingetreten. Die Vorschrift setze, wie bereits ihrem Wortlaut zu entnehmen sei, einen bei Beschlagnahme bestehenden Mietvertrag voraus. Es sei auch nicht geboten, den durch § 152 Abs. 2 ZVG gewährten Schutz des Mieters auf beendete, aber noch abzuwickelnde Mietverhältnisse zu erstrecken, denn der Mieter könne bei Abschluss des Mietvertrages auf einer sicheren Anlage der Kaution durch den Vermieter bestehen.
[4]II.
Das Berufungsurteil hält der rechtlichen Nachprüfung stand, so dass die Revision zurückzuweisen ist.
[5]Die Pflichten aus der Kautionsabrede fallen zwar bei zur Zeit der Beschlagnahme bestehendem Mietvertrag in den Aufgabenbereich des Zwangsverwalters, denn er ist gem. § 152 Abs. 2 ZVG an einen bestehenden Miet- oder Pachtvertrag gebunden (BGH, Urt. v. 9.3.2005 - VIII ZR 330/03, MDR 2005, 980 = BGHReport 2005, 1174 = NJW-RR 2005, 1029, unter II 3b; Urt. v. 26.3.2003 - VIII ZR 333/02, MDR 2003, 893 = BGHReport 2003, 780 = NJW 2003, 2320, unter II 2a). Nach dieser Vorschrift ist der Miet- oder Pachtvertrag auch dem Verwalter gegenüber wirksam, wenn das Grundstück vor der Beschlagnahme einem Mieter oder Pächter überlassen ist. Demnach ist der Verwalter auch dann zur Rückzahlung der Kaution verpflichtet, wenn sie ihm von dem Vermieter nicht ausgehändigt worden ist. Ein Mietverhältnis, welches bereits beendet ist, bevor der gerichtliche Beschluss, der die Beschlagnahme des Grundstücks anordnet, wirksam wird (§§ 22 Abs. 1, 146 Abs. 1 ZVG; § 151 Abs. 1 ZVG), fällt dagegen nicht unter die Regelung des § 152 Abs. 2 ZVG, so dass auch keine nachwirkenden Verpflichtungen auf den Zwangsverwalter übergehen. Auch nach Auffassung des Schrifttums bezieht sich § 152 Abs. 2 ZVG nur auf zur Zeit der Beschlagnahme bestehende Mietverhältnisse (Stöber, ZVG, 18. Aufl., § 152 Rz. 12.15; Haarmeyer/Wutzke/Förster/Hintzen, Zwangsverwaltung, 3. Aufl., § 6 ZwVerwV Rz. 7; Haarmeyer/Wutzke/Förster/Hintzen, Handbuch zur Zwangsverwaltung, 2. Aufl., Teil 1, Kap. 2 Rz. 94; Böttcher, ZVG, 4. Aufl., § 152 Rz. 40; Depré/Mayer, Die Praxis der Zwangsverwaltung, 2. Aufl., Rz. 484; Belz in Bub/Treier, Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete, 3. Aufl., Kap. VII.A Rz. 142; Hörndler in Lindner-Figura/Oprée/Stellmann, Geschäftsraummiete, Kap. 19 Rz. 60, 63, 89; Bank, JurBüro 1982, 1128). Das folgt aus dem Gesetzeswortlaut, welcher verlangt, dass das Grundstück vor der Beschlagnahme einem Mieter oder Pächter überlassen ist. Die gewählte Zeitform spricht dafür, die besondere Regelung des § 152 Abs. 2 ZVG nicht auf vor Beschlagnahme beendete Mietverhältnisse zu erstrecken. Andernfalls hätte die Formulierung nahe gelegen: "War das Grundstück vor der Beschlagnahme einem Mieter oder Pächter überlassen...".
[6]Dieses Ergebnis trägt auch dem von § 152 ZVG verfolgten Gesetzeszweck Rechnung. Die Zwangsverwaltung ist, wie sich insb. aus § 152 Abs. 1 ZVG ergibt, darauf gerichtet, die laufenden, aus der ordnungsgemäßen Nutzung des Grundstücks stammenden Erträge zur Befriedigung des Gläubigers einzusetzen, während dem Vollstreckungsschuldner die Substanz des Vermögensgegenstandes ungeschmälert erhalten bleibt. Zugleich soll sie den Gläubiger vor einer Wertminderung des Objekts und sonstigen Beeinträchtigungen schützen (BGH, Beschl. v. 10.12.2004 - IXa ZB 231/03, BGHReport 2005, 602 = MDR 2005, 653 = NZM 2005, 156, unter II 2b; Beschl. v. 14.4.2005 - V ZB 6/05, MDR 2005, 1012 = BGHReport 2005, 1145 = NJW-RR 2005, 1032, unter II 2b aa). Es würde den Gesetzeszweck verfehlen, den Zwangsverwalter zur Rückzahlung einer Mietkaution zu verpflichten, wenn das Mietverhältnis zur Zeit des Wirksamwerdens der Beschlagnahme bereits beendet war.
[7]Dies wahrt auch die berechtigten Interessen des Mieters, denen durch § 152 Abs. 2 ZVG besonderes Gewicht verliehen wird. Nach der gesetzlichen Wertung des § 152 Abs. 2 ZVG soll der Mieter nicht dadurch schlechter gestellt werden, dass das vermietete Grundstück beschlagnahmt und die Zwangsverwaltung angeordnet wird (BGH, Urt. v. 9.3.2005 - VIII ZR 330/03, MDR 2005, 980 = BGHReport 2005, 1174 = NJW-RR 2005, 1029, unter II 3d). War das Mietverhältnis jedoch bereits beendet, bevor die Zwangsverwaltung wirksam wird, benachteiligt es den Mieter nicht unbillig, wenn er sich an seinen Vermieter zu halten hat. Denn die durch § 152 Abs. 2 ZVG begründete Sonderstellung des Mieters findet ihre Rechtfertigung darin, dass auch er den Vertrag in vollem Umfang weiterhin zu erfüllen hat. Der Fortbestand der Mietverträge und die daraus zu erzielenden Mieteinnahmen sind in vielen Fällen Grundlage dafür, dass eine Zwangsverwaltung überhaupt wirtschaftlich sinnvoll ist und eine Befriedigung der Gläubiger aus der durch die Mieteinnahmen entstehenden Haftungsmasse ermöglicht (BGH, Urt. v. 9.3.2005 - VIII ZR 330/03, MDR 2005, 980 = BGHReport 2005, 1174 = NJW-RR 2005, 1029, unter II 4a). Auf Miet- und Pachtforderungen erstreckt sich die Beschlagnahme deshalb, weil das Nutzungsrecht des Mieters unberührt bleibt (Stöber, ZVG, 18. Aufl., § 148 Rz. 2.3). Diese Erwägungen treffen auf ein beendetes Mietverhältnis, durch welches keine Erträge mehr zu erzielen sind, nicht zu. Ein Anspruch auf Rückgewähr der Kaution würde dem Mieter hier einen vom Gesetzeszweck nicht getragenen Vorteil gewähren.
[8]Dabei kann offen bleiben, ob der Zwangsverwalter unter Umständen - nach Wegfall des Sicherungszwecks - zur Erstattung einer ihm vom Vermieter nicht ausgekehrten Kaution an den Mieter verpflichtet ist, wenn die Anordnung der Zwangsverwaltung in der Zeit zwischen Vertragsende und Rückgabe des Mietobjekts wirksam wird und der Zwangsverwalter die gem. § 546a Abs. 1 BGB vom Mieter geschuldete Nutzungsentschädigung zur Haftungsmasse zieht (Eckert in Wolf/Eckert/Ball, Handbuch des gewerblichen Miet-, Pacht- und Leasingrechts, 9. Aufl., Rz. 1430; unter Hinweis auf BGH, Urt. v. 23.7.2003 - XII ZR 16/00, BGHReport 2003, 1120 = MDR 2003, 1408 = NJW-RR 2003, 1308, unter II 1). Eine solche Fallgestaltung liegt hier nicht vor.
Fundstellen