Leitsatz (amtlich)
a) Zur Klärung eines Streites über die Reichweite eines Vollstreckungstitels steht die Feststellungsklage zur Verfügung.
b) Eine Erweiterung des Sicherungszwecks einer vollstreckbaren Grundschuld ist formfrei wirksam; sie enthält keine Abänderung der notariellen Unterwerfungserklärung.
Die Erweiterung der Haftung aus einer Grundschuld durch eine formularmäßige Zweckbestimmungserklärung auf alle bestehenden und künftigen Verbindlichkeiten aus Oder-Konten ist jedenfalls insoweit nicht überraschend, als die Verbindlichkeiten aus Verfügungen des Sicherungsgebers resultieren.
Normenkette
ZPO §§ 256, 767, 794 Abs. 1 Nr. 5; BGB § 1191; AGBG § 3
Tenor
Auf die Anschlußrevision der Beklagten wird das Urteil des 19. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 21. März 1996 aufgehoben.
Die Berufung der Kläger gegen das Endurteil des Landgerichts München I, 24. Zivilkammer, vom 20. Juli 1995 wird zurückgewiesen.
Die Revision der Kläger wird zurückgewiesen.
Die Kosten der Rechtsmittelverfahren tragen die Kläger als Gesamtschuldner.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Parteien streiten in erster Linie darüber, ob die beklagte Bank wegen Kontokorrentkreditforderungen aus einer notariellen Grundschuldbestellungsurkunde mit Übernahme der persönlichen Haftung vollstrecken darf.
Am 24. Juni 1986 kauften die Kläger ein Grundstück. Zur Finanzierung des Kaufpreises bestellte der Verkäufer am gleichen Tage für die kreditgebende Beklagte eine vollstreckbare Grundschuld über 720.000 DM zuzüglich Zinsen. In der notariellen Bestellungsurkunde übernahmen die Kläger sowie der Vater des Klägers zu 1) und der Ehemann der Klägerin zu 2) die persönliche Haftung in Höhe der Grundschuld und unterwarfen sich der sofortigen Zwangsvollstreckung in ihr gesamtes Vermögen. Nach der in der Grundschuldbestellungsurkunde enthaltenen Sicherungsabrede darf der Gläubiger bis zum Übergang des Grundstückseigentums auf die Käufer „das Grundpfandrecht nur insoweit als Sicherheit verwerten und/oder behalten, als er oder der Käufer tatsächlich Zahlungen auf die Kaufpreisschuld des Käufers geleistet hat. Alle weiteren innerhalb oder außerhalb dieser Urkunde getroffenen Zweckbestimmungserklärungen, Sicherungs- und Verwertungsvereinbarungen gelten erst nach Übergang des Eigentums am Pfandobjekt auf den Käufer.”
Am 25. Juni 1986 unterzeichneten die Kläger, der Vater des Klägers zu 1), der Ehemann der Klägerin zu 2) und der Grundstücksverkäufer eine formularmäßige Zweckbestimmungserklärung. Danach dienen „diese Grundschuld und die sonstigen nach der Grundschuldbestellungsurkunde bestehenden Rechte als Sicherheit für alle – auch bedingten oder befristeten – Ansprüche” der Beklagten aus der bankmäßigen Geschäftsverbindung gegen die beiden Kläger, den Vater des Klägers zu 1) und den Ehemann der Klägerin zu 2).
Die Kläger, die im Dezember 1986 als Miteigentümer zu je 1/2 ins Grundbuch eingetragen wurden, sowie der Vater des Klägers zu 1) und der Ehemann der Klägerin zu 2) eröffneten bei der Beklagten ein Gemeinschaftskonto mit Einzelzeichnungsberechtigung, die Klägerin zu 2) ein weiteres Oderkonto zusammen mit ihrem Ehemann, der Kläger zu 1) außerdem ein Einzelkonto. Alle Kontokorrentkonten weisen nach dem Vortrag der Beklagten fällige Sollsalden auf. Diese resultieren bei allen Konten auch aus Verfügungen der Kläger.
Die Beklagte nimmt für sich das Recht in Anspruch, aus der vollstreckbaren Grundschuldbestellungsurkunde wegen ihrer Forderungen aus dem Gemeinschafts- und aus dem Einzelkonto gegen den Kläger zu 1) in dessen Miteigentumsanteil und gesamtes Vermögen sowie wegen ihrer Forderungen aus dem Gemeinschafts- und aus dem anderen Oderkonto gegen die Klägerin zu 2) in deren Miteigentumsanteil und gesamtes Vermögen zu vollstrecken.
Die Kläger sind der Ansicht, die Sicherungsabrede vom 25. Juni 1986 sei unwirksam, die Grundschuld sichere nur das Kaufpreisfinanzierungsdarlehen. Sie beantragen, festzustellen, daß die Beklagte nicht berechtigt ist, wegen der fälligen Kontokorrentsalden aus der Grundschuld und aus der Übernahme der persönlichen Haftung gegen die Kläger vorzugehen, das belastete Grundstück zu versteigern sowie Zwangsvollstreckungsmaßnahmen zu Lasten des Vermögens der Kläger zu ergreifen. Die Beklagte beantragt im Wege der Hilfswiderklage für den Fall der Begründetheit der negativen Feststellungsklage, die Kläger als Gesamtschuldner zur Zahlung von 50.426,01 DM, den Kläger zu 1) zu weiteren 30.896,92 DM und die Klägerin zu 2) zu weiteren 55.949,60 DM, jeweils zuzüglich Zinsen, zu verurteilen.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat ihr stattgegeben und auf die Hilfswiderklage die Kläger antragsgemäß zur Zahlung verurteilt. Mit ihrer Revision beantragen die Kläger die Abweisung der Hilfswiderklage. Die Beklagte begehrt im Wege der Anschlußrevision die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.
Entscheidungsgründe
Die Anschlußrevision ist begründet, die Revision erfolglos.
I.
Das Berufungsgericht hat im wesentlichen ausgeführt:
Die Feststellungsklage sei zulässig; das erforderliche Feststellungsinteresse sei gegeben, da die Kläger nicht nur die Unzulässigkeit der Zwangsvollstreckung geltend machten, sondern grundsätzlich die Feststellung begehrten, daß die Beklagte aus der Grundschuldbestellungsurkunde wegen der Forderungen aus den Gemeinschafts- und Einzelkonten nicht vollstrecken dürfe.
Die Klage sei auch begründet; die notariell beurkundete Zwangsvollstreckungsunterwerfungserklärung in der Grundschuldbestellungsurkunde erfasse nur das Kaufpreisfinanzierungsdarlehen. Die Einbeziehung weiterer Forderungen aus der bankmäßigen Geschäftsbeziehung in der Sicherungsabrede vom 25. Juni 1986 enthalte eine inhaltliche Abänderung der Unterwerfungserklärung, die der notariellen Form bedurft hätte. Daß eine Sicherungsabrede formfrei getroffen werden könne, ändere nichts.
Auch die Hilfswiderklage sei zulässig und begründet. Zwischen ihr und der Feststellungsklage bestehe der vom Gesetz geforderte rechtliche Zusammenhang. Die Beklagte habe die Sollsalden auf den Kontokorrentkreditkonten, für die die Kläger teilweise als Gesamtschuldner hafteten, detailliert dargelegt. Substantiierte Einwände hätten die Kläger dagegen nicht erhoben, insbesondere nicht vorgetragen, inwieweit die Verbindlichkeiten nicht auf Verfügungen der Kläger, sondern des Ehemannes der Klägerin zu 2) beruhten.
II.
Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung in wesentlichen Punkten nicht stand. Das Berufungsgericht hat der negativen Feststellungsklage der Kläger zu Unrecht stattgegeben. Über die nur für den Fall der Begründetheit der Feststellungsklage erhobene Hilfswiderklage der Beklagten war nicht zu entscheiden.
1. Nicht zu beanstanden ist allerdings, daß das Berufungsgericht die negative Feststellungsklage als zulässig angesehen hat. Entgegen der Ansicht der Anschlußrevision kann das erforderliche Feststellungsinteresse (§ 256 Abs. 1 ZPO) nicht mit der Begründung verneint werden, die Kläger könnten ihr Rechtsschutzziel mit Hilfe einer Vollstreckungsgegenklage nach § 767 ZPO i. V. mit §§ 794 Abs. 1 Nr. 5, 795 ZPO umfassender erreichen.
Eine Vollstreckungsgegenklage ist darauf gerichtet, die Vollstreckbarkeit eines Titels zu beseitigen (BGH, Urteil vom 19. Juni 1984 – IX ZR 89/83, FamRZ 1984, 878, 879). Darum geht es den Klägern nicht, jedenfalls erschöpft sich ihr Rechtsschutzziel darin nicht. Die Kläger ziehen nicht in Zweifel, daß die vollstreckbare Grundschuld das Kaufpreisfinanzierungsdarlehen sichert und aus der Grundschuld vollstreckt werden darf, wenn das Darlehen nicht bedient und fällig gestellt wird. Sie stellen lediglich in Abrede, daß durch die Grundschuld und das in der Übernahme der persönlichen Haftung liegende abstrakte Schuldanerkenntnis auch die Kontokorrentkreditforderungen der Beklagten gesichert werden. Streitig ist damit neben dem Umfang der Sicherungsabrede letztlich die Reichweite des Vollstreckungstitels. Ein solcher Streit ist mit Hilfe einer Feststellungsklage auszutragen (vgl. BGHZ 36, 11, 14; BGH, Urteil vom 23. Februar 1973 – I ZR 117/71, NJW 1973, 803, 804; MünchKomm-ZPO/Karsten Schmidt § 767 Rdnr. 18).
Abgesehen davon gilt der Vorrang der Vollstreckungsgegenklage gegenüber einer Feststellungsklage nicht ausnahmslos. Wenn schon eine Feststellungsklage zur endgültigen Erledigung der aufgetretenen Streitpunkte führt, bestehen gegen deren Zulässigkeit keine Bedenken. Das ist hier der Fall, da bei einer Bank wie der Beklagten hinreichende Gewähr dafür besteht, daß sie sich an ein rechtskräftiges Feststellungsurteil hält (vgl. BGHZ 130, 115, 120; Senatsurteil vom 30. Mai 1995 – XI ZR 78/94, WM 1995, 1219, 1220, insoweit in BGHZ 130, 59 ff. nicht abgedruckt).
2. Nicht gefolgt werden kann dagegen der Ansicht des Berufungsgerichts, die Einbeziehung der Kontokorrentkredite in den Sicherungszweck der vollstreckbaren Grundschuld durch die Vereinbarung vom 25. Juni 1986 stelle eine erweiternde Abänderung der Unterwerfungserklärung nach § 794 Abs. 1 Nr. 5 ZPO dar, die mangels notarieller Beurkundung unwirksam sei. Die Unterwerfung unter die sofortige Zwangsvollstreckung bezieht sich auf die abstrakte, nicht akzessorische Grundschuld über 720.000 DM zuzüglich Zinsen und Nebenleistungen sowie auf das abstrakte Schuldanerkenntnis in Höhe der Grundschuld. Durch die Erweiterung des Sicherungszwecks der Grundschuld und des abstrakten Schuldanerkenntnisses wird der Inhalt der Unterwerfungserklärung nicht berührt. Die Unterwerfungserklärung erlaubt weiterhin die Zwangsversteigerung des Grundstücks wegen der Grundschuldforderung sowie die Zwangsvollstreckung in das gesamte Vermögen der Kläger aus dem abstrakten Schuldanerkenntnis in gleicher Höhe. Die gegenteilige Ansicht des Berufungsgerichts basiert auf einem falschen Verständnis des Verhältnisses von Grundschuld bzw. abstraktem Schuldanerkenntnis und der gesicherten kausalen Forderung.
Abgesehen davon hat das Berufungsgericht unberücksichtigt gelassen, daß die vollstreckbare Grundschuldbestellungsurkunde die gesicherten Forderungen nicht abschließend festlegt, sondern für den Fall des Übergangs des Grundstückseigentums auf die Kläger den Sicherungsumfang besonderen Zweckbestimmungserklärungen überläßt. Eine solche Erklärung enthält die am 25. Juni 1986 getroffene formularmäßige Sicherungsabrede. Daß sie schon vor der Umschreibung des Grundbuchs erfolgt ist, ist entgegen der Ansicht der Kläger ohne Belang. Als schuldrechtlicher Vertrag kann eine Sicherungszweckvereinbarung jederzeit wirksam getroffen werden, gleichgültig, ob der Sicherungsgeber Eigentümer des belasteten Grundstücks ist oder nicht.
3. Die Entscheidung des Berufungsgerichts über die Feststellungsklage stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 563 ZPO). Die formularmäßige Sicherungszweckbestimmung vom 25. Juni 1986 verstößt, soweit die Beklagte Rechte daraus in Anspruch nimmt, weder gegen § 3 noch gegen § 9 Abs. 1 AGBG.
a) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist die formularmäßige Ausdehnung der dinglichen Haftung des Sicherungsgebers für alle bestehenden und künftigen Verbindlichkeiten eines Dritten zwar grundsätzlich überraschend (§ 3 AGBG). Das gilt auch dann, wenn der Dritte der Ehegatte des Sicherungsgebers ist (BGHZ 106, 19, 24; 126, 174, 177; BGH, Urteil vom 18. Februar 1992 – XI ZR 126/91, WM 1992, 563, 564). Der überraschende Charakter entfällt aber, soweit Sicherungsgeber und persönlicher Schuldner identisch sind. Das ist hier der Fall.
Zwar dienen die Grundschuld und die der Beklagten aus der Grundschuldbestellungsurkunde zustehenden Rechte nach der Zweckerklärung vom 25. Juni 1986 auch der Sicherung von Forderungen, für die der Kläger zu 1) oder die Klägerin zu 2) nicht persönlich haften. Die Beklagte will in die Miteigentumsanteile und das Vermögen der Kläger zu 1) und 2) erklärtermaßen aber nur insoweit vollstrecken, als diese für die Kontokorrentkredite persönlich haften. Nur auf die letztgenannten Forderungen bezieht sich die negative Feststellungsklage der Kläger; im übrigen besteht zwischen den Parteien kein Streit und damit auch kein Feststellungsinteresse.
Soweit der eigene Miteigentumsanteil und das eigene Vermögen für Verbindlichkeiten des Klägers zu 1) bzw. der Klägerin zu 2) haften sollen, bestehen gegen die Wirksamkeit der Zweckbestimmungserklärung vom 25. Juni 1986 keine Bedenken. Insoweit ist das Risiko künftiger von der Grundschuldhaftung erfaßter Verbindlichkeiten für den Sicherungsgeber vermeidbar und damit nicht überraschend (§ 3 AGBG). Daß es sich bei zwei der drei Kontokorrentkonten, aus denen die Forderungen der Beklagten resultieren, um Gemeinschaftskonten handelt, ändert nichts. Für Verbindlichkeiten aus solchen Konten haften die Kontoinhaber gemäß § 421 BGB als Gesamtschuldner (BGH, Urteil vom 9. November 1992 – II ZR 219/91, WM 1993, 141, 143; Hadding in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch § 35 Rdnr. 9 m. w. N.).
Daß die Verbindlichkeiten teilweise nicht aus Verfügungen der Kläger, sondern anderer Kontomitinhaber resultieren, ist hier schon deshalb ohne Belang, weil Gegenstand der negativen Feststellungsklage nach den gestellten Anträgen nur das Recht der Beklagten ist, aus der Grundschuldbestellungsurkunde wegen Verbindlichkeiten aus den drei Kontokorrentkreditkonten zu vollstrecken. Auf die genaue Höhe der Forderungen der Beklagten beziehen sich die Anträge nicht. Die Kläger, die nicht bestreiten, daß die Konten Debetsalden aufweisen, haben dementsprechend weder zur Höhe der Salden noch dazu substantiiert vorgetragen, in welchem Umfang diese aus Verfügungen anderer Kontomitinhaber resultieren.
b) Ein Verstoß gegen § 9 Abs. 1 AGBG scheidet nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs schon deshalb aus, weil Inhalt und Umfang der schuldrechtlichen Zweckbindung einer Grundschuld nicht gesetzlich festgelegt sind, sondern freier Vereinbarung unterliegen (Senatsurteile vom 28. März 1995 – XI ZR 151/94, WM 1995, 790, 791 f. und vom 6. Februar 1996 – XI ZR 121/95, WM 1996, 2233, 2234).
III.
Auf die Anschlußrevision der Beklagten war die angefochtene Entscheidung daher aufzuheben und das klageabweisende Urteil des Landgerichts wiederherzustellen. Über die Hilfswiderklage der Beklagten war nicht zu entscheiden, da sie nur für den Fall der Begründetheit der Klage erhoben worden ist. Aus Gründen der Klarstellung war das Berufungsurteil auch insoweit aufzuheben (vgl. BGHZ 106, 219, 221) und die Revision der Kläger zurückzuweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 609819 |
NJW 1997, 2320 |
ZIP 1997, 1229 |
DNotZ 1998, 575 |
MDR 1997, 863 |
ZBB 1997, 273 |