Entscheidungsstichwort (Thema)
Anforderungen an die Ausführung der Aufklärungsrüge im berufsgerichtlichen Verfahren. zeitlich begrenzte Ausschließung aus dem Beruf
Leitsatz (redaktionell)
1. Die zeitlich nicht fest begrenzte Ausschließung aus dem Beruf (§ 90 Abs. 1 Nr. 4 StBerG) widerspricht nicht dem Grundgesetz. Bedenken gegen die Regelung der Wiederzulassung nach rechtskräftiger Ausschließung (§ 48 Abs. 1 Nr. 2 StBerG) sind durch Art. 1 Nr. 26 des 4. Gesetzes zur Änderung des Steuerberatungsgesetzes vom 9. Juni 1989 (BGBl I S. 1062) ausgeräumt.
2. Die Aufklärungsrüge darf sich nicht auf die Mitteilung der Tatsachen beschränken, die nach Meinung des Beschwerdeführers nicht hinreichend erforscht sind, sondern muß bestimmte Beweisbehauptungen enthalten und angeben, auf welchem Wege das Gericht die vermißte Aufklärung hätte versuchen sollen, insbesondere welche Beweismittel es zur weiteren Erforschung der Wahrheit hätte benutzen müssen.
Normenkette
StBerG § 130 Abs. 3 S. 1, § 90 Abs. 1 Nr. 4, § 48 Abs. 1 Nr. 2; StPO § 344 Abs. 2 S. 2, § 244 Abs. 2
Verfahrensgang
OLG Celle (Urteil vom 23.08.1988; Aktenzeichen StO 1/87) |
LG Hannover (Urteil vom 02.03.1987; Aktenzeichen 44 StL 39/84) |
Tenor
Die Revision des Steuerbevollmächtigten gegen das Urteil des Senats für Steuerberater- und Steuerbevollmächtigtensachen des Oberlandesgerichts Celle vom 23. August 1988 wird verworfen.
Der Steuerbevollmächtigte hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
I.
1. Der Berufsangehörige war von 1968 bis 1971 in der Finanzverwaltung und danach bis 1978 als Angestellter bei verschiedenen Steuerbevollmächtigten tätig. Am 16. Februar 1978 bestand er die Steuerbevollmächtigtenprüfung und wurde am selben Tage zum Steuerbevollmächtigten bestellt. Anschließend eröffnete er eine eigene Praxis in L. Wegen finanzieller Schwierigkeiten veräußerte er diese Praxis 1983 an eine Steuerberatungsgesellschaft und führte sie als auswärtige Beratungsstelle dieser Gesellschaft als freier Mitarbeiter fort.
2. Der Steuerbevollmächtigte ist wiederholt in berufsrechtlicher Hinsicht auffällig geworden.
a) Durch Urteil vom 28. Juni 1982 (rechtskräftig seit 11. August 1982) verhängte die Kammer für Steuerberater- und Steuerbevollmächtigtensachen des Landgerichts Hannover gegen den Steuerbevollmächtigten einen Verweis und eine Geldbuße von 1.500 DM, weil er bei der Übernahme der Praxis des Steuerbevollmächtigten A. die vertragsgemäße Übernahme aller Mandanten, von der der Kaufpreis abhängig war, vereitelt und auf den Kaufpreis nichts gezahlt hatte. Außerdem hatte er auf Anfrage der Steuerberaterkammer in dieser Sache erst nach Mahnung unvollständig und dann gar nicht mehr geantwortet.
b) Durch Urteil vom 16. Mai 1983 (rechtskräftig seit demselben Tag) verhängte die Kammer für Steuerberater- und Steuerbevollmächtigtensachen des Landgerichts Hannover gegen den Steuerbevollmächtigten einen Verweis und eine Geldbuße von 3.000 DM, weil er die Aufträge seiner Mandanten P. und G. nicht ordnungsgemäß, teils schleppend, teils überhaupt nicht bearbeitet und nach Kündigung der Mandatsverhältnisse die Unterlagen nicht herausgegeben hatte. Auf Anfragen und Mahnungen der Berufskammer zu den beiden Fällen hatte er nicht geantwortet.
c) Weil der Steuerbevollmächtigte die verhängte Geldbuße nicht zahlte, wurde ein weiteres berufsgerichtliches Verfahren gegen ihn eingeleitet, aber nach § 154 StPO eingestellt.
d) Durch Urteil vom 27. Februar 1984 (rechtskräftig seit 20. März 1984) verhängte die Kammer für Steuerberater- und Steuerbevollmächtigtensachen des Landgerichts Hannover gegen den Steuerbevollmächtigten erneut einen Verweis und eine Geldbuße von 3.000 DM: Er hatte vor seiner Bestellung zum Steuerbevollmächtigten mit einer anderen Person die T. -S. gesellschaft mbH in Berlin gegründet, die Komplementärin der T. -S gesellschaft & Co. KG in Stade wurde. Geschäftsführer wurde der Berufsangehörige; er behielt diese Stellung auch nach seiner Bestellung zum Steuerbevollmächtigten bis zum 15. Juni 1978 bei. Seiner Aufgabe als Geschäftsführer kam er nicht ordnungsmäßig nach. Unterlagen, Bilanzen, Steuererklärungen, Buchführung und Bestandsaufnahmen waren so mangelhaft, daß die Buchführung nach einer Außenprüfung als nicht ordnungsgemäß verworfen wurde. Auf die Anfrage der Steuerberaterkammer wegen seiner Inanspruchnahme als Haftender durch das Finanzamt reagierte der Berufsangehörige nicht, auch nicht auf zwei Erinnerungen.
Außerdem hatte der Steuerbevollmächtigte auf eine Anfrage der Steuerberaterkammer wegen der Beschwerde einer Mandantin über nachlässige Bearbeitung ihrer Steuerangelegenheiten erst nach Erinnerung, nicht ausreichend und dann gar nicht mehr geantwortet.
3. Gegenstand des vorliegenden Verfahrens sind folgende Vorfälle:
a) Am 24. November 1983 forderte die Steuerberaterkammer den Steuerbevollmächtigten zur Stellungnahme zu einer Beschwerde des Steuerbevollmächtigten A. wegen Nichtzahlung des bei der Praxisübernahme vereinbarten Preises auf. Der Steuerbevollmächtigte reagierte weder auf diese Anfrage noch auf mehrere Erinnerungen.
b) Während der gesamten Zeit des Bestehens der 1977 gegründeten H. K. GmbH, deren Mitgesellschafter er zunächst war und deren Alleingesellschafterin und Geschäftsführerin ab 1978 seine Ehefrau war, übte der Berufsangehörige faktisch die Tätigkeit eines Geschäftsführers dieser Gesellschaft aus. Wie seine Ehefrau unterließ er es, dafür Sorge zu tragen, daß die Bilanzen der GmbH rechtzeitig erstellt, die Buchführung ordnungsgemäß geführt und die Arbeitnehmer- Beitragsanteile zur Sozialversicherung abgeführt wurden, obwohl er sich bewußt war, daß diese Verpflichtung ihn als faktischen Geschäftsführer ebenso traf wie seine Ehefrau. Er versäumte es auch, nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit der GmbH die Eröffnung des Konkursverfahrens zu beantragen; insoweit ist allerdings davon auszugehen, daß er annahm, diese Verpflichtung bestehe nur für den eingetragenen Geschäftsführer.
Wegen dieses Sachverhalts wurde der Berufsangehörige am 15. November 1985 (rechtskräftig seit demselben Tage) vom Schöffengericht Otterndorf wegen vorsätzlicher Verletzung der Buchhaltungs- und Bilanzierungspflicht, vorsätzlichen Vorenthaltens von Arbeitnehmer-Beitragsanteilen zur Sozialversicherung und fahrlässigen Unterlassens des Konkursantrages zu einer Gesamtgeldstrafe von 170 Tagessätzen zu je 60 DM verurteilt.
c) Durch das Engagement in der vorgenannten GmbH und einem mit dieser zusammenarbeitenden Speditionsunternehmen seiner Ehefrau geriet der Steuerbevollmächtigte in hohe Verschuldung. In der Zeit vom 5. Januar 1983 bis zum 13. Februar 1987 hatte der Gerichtsvollzieher 74 Vollstreckungsaufträge gegen den Steuerbevollmächtigten zu bearbeiten; in zahlreichen Fällen erklärte der Steuerbevollmächtigte dem Gerichtsvollzieher, nicht zahlen zu können. In mehreren Verfahren erwirkten Gläubiger gegen den Steuerbevollmächtigten Haftbefehle zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung; nachdem der Steuerbevollmächtigte zweimal die Verhaftung durch Zahlung abgewendet hatte, wurde er am 8. März 1984 dem Amtsgericht Otterndorf zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung vorgeführt, die er auch leistete.
d) Die Versicherungsstelle Wiesbaden teilte der Steuerberaterkammer am 26. Mai 1986 mit, die Berufshaftpflichtversicherung des Steuerbevollmächtigten sei erloschen. Der Steuerbevollmächtigte reagierte weder auf die Aufforderung der Steuerberaterkammer, den Nachweis einer Berufshaftpflichtversicherung vorzulegen, noch auf zwei weitere Schreiben.
e) Am 10. und 30. Januar 1984 übergab eine Mandantin dem Steuerbevollmächtigten insgesamt zehn Schecks über insgesamt 130.250,49 DM mit dem Auftrag, sie beim Finanzamt S. zum Ausgleich von Steuerschulden abzugeben. Der Steuerbevollmächtigte ließ diese Schecks jedoch seinem Konto bzw. dem seiner Ehefrau gutschreiben und verwendete das Geld zur Begleichung von Schulden aus dem Speditionsgeschäft.
Wegen dieses Verhaltens wurde der Steuerbevollmächtigte durch Urteil des Schöffengerichts Otterndorf vom 10. September 1987 (rechtskräftig seit 15. Oktober 1987) wegen veruntreuender Unterschlagung zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt, die zur Bewährung ausgesetzt wurde.
4. Wegen seines Verhaltens unter 3 a, b, c und d hat die Kammer für Steuerberater- und Steuerbevollmächtigtensachen des Landgerichts Hannover den Steuerbevollmächtigten durch Urteil vom 2. März 1987 aus dem Beruf ausgeschlossen. Wegen des Verhaltens unter 3 e hat dasselbe Gericht den Steuerbevollmächtigten durch Urteil vom 25. April 1988 nochmals aus dem Beruf ausgeschlossen.
5. Die Berufungen des Steuerbevollmächtigten hat der Senat für Steuerberater- und Steuerbevollmächtigtensachen des Oberlandesgerichts Celle nach Verbindung der Verfahren durch Urteil vom 23. August 1988 – dem Verteidiger zugestellt am 3. Oktober 1988 – verworfen.
6. Gegen das Berufungsurteil hat der Verteidiger des Steuerbevollmächtigten am 25. August 1988 Revision eingelegt und das Rechtsmittel durch Schriftsatz vom 21. Oktober 1988, eingegangen am 24. Oktober 1988, begründet. Er rügt die Verletzung formellen und materiellen Rechts.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision bleibt erfolglos.
A. Die Verfahrensrüge ist nicht dem § 130 Abs. 3 Satz 1 StBerG i.V.m. § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO gemäß ausgeführt worden.
Die Revision beanstandet, das Berufungsgericht habe es „verabsäumt, die finanzielle Situation der Ehefrau (des Steuerbevollmächtigten) weiter aufzuklären”. Die Aufklärungsrüge darf sich aber nicht auf die Mitteilung der Tatsachen beschränken, die nach Meinung des Beschwerdeführers nicht hinreichend erforscht sind, sondern muß bestimmte Beweisbehauptungen enthalten und angeben, auf welchem Wege das Gericht die vermißte Aufklärung hätte versuchen sollen, insbesondere welche Beweismittel es zur weiteren Erforschung der Wahrheit hätte benutzen müssen (Pikart in KK-StPO 2. Aufl. § 344 Rn. 51). Dies ist nicht geschehen.
B. Auch die Sachrüge kann der Revision nicht zum Erfolg verhelfen.
1. Die Würdigung des Berufungsgerichts, der Steuerbevollmächtigte habe seine Berufspflichten verletzt, läßt keine Rechtsfehler zum Nachteil des Steuerbevollmächtigten zu erkennen.
a) Den Vorwurf eines Verstoßes gegen § 80 StBerG durch Nichtbeantwortung von Anfragen der Berufskammer wegen der Beschwerde des ehemaligen Steuerbevollmächtigten A. und der Mitteilung des Erlöschens der Berufshaftpflichtversicherung (oben I 3 a, d) nimmt die Revision hin. Insoweit ist auch kein Rechtsfehler zum Nachteil des Steuerbevollmächtigten erkennen. Das gleiche gilt hinsichtlich der auftragswidrigen Verwendung von Mandantenschecks (oben I 3 e).
b) Hinsichtlich des Vorwurfes von Pflichtverletzungen durch die Ausübung der tatsächlichen Geschäftsführung der H. K. Transporte GmbH beanstandet die Revision lediglich, der Steuerbevollmächtigte sei zur Stellung des Konkursantrages nicht berechtigt gewesen.
Die Feststellung, daß der Steuerbevollmächtigte die tatsächliche Geschäftsführung dieser Gesellschaft ausgeübt hat, greift die Revision nicht an. Rechtlich führt dieser Umstand dazu, daß der Steuerbevollmächtigte auch ohne förmliche Bestellung zum Geschäftsführer die Pflichten erfüllen muß, die den Geschäftsführer treffen, und daß er bei deren Verletzung die Folgen zu tragen hat, die das Gesetz an eine solche Pflichtverletzung durch den Geschäftsführer knüpft. Denn Normadressat der § 64 Abs. 1, § 84 Abs. 1 Nr. 2 GmbHG ist nicht allein der förmlich zum Geschäftsführer Bestellte, sondern auch derjenige, der die Geschäftsführung tatsächlich übernommen hat. Dies gilt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes jedenfalls dann, wenn dies – wie hier – mit dem Einverständnis der Gesellschafter geschah (BGHSt 31, 118, 122 m.w.N.; 33, 21, 24; vgl. auch BGHZ 104, 44, 46).
c) Mit der Rüge, die Vorinstanzen hätten dem Steuerbevollmächtigten sämtliche Verbindlichkeiten seiner Ehefrau angelastet und auch ein großer Teil der Zwangsmaßnahmen habe die Ehefrau des Steuerbevollmächtigten betroffen, entfernt die Revision sich von den Feststellungen des Berufungsgerichts, das ausdrücklich festgestellt hat, „der Steuerbevollmächtigte” sei in hohe Verschuldung geraten und es sei zu zahlreichen Vollstreckungsmaßnahmen „gegen ihn” gekommen. Eine durchgreifende Verfahrensrüge gegen diese Feststellungen hat die Revision nicht erhoben.
d) Unerheblich ist das Vorbringen der Revision, soweit sie auf die Möglichkeit hinweist, daß der Steuerbevollmächtigte in einzelnen Fällen beim ersten Vollstreckungsversuch nicht habe zahlen wollen, obwohl er dazu in der Lage gewesen wäre. Auch ein solches Verhalten stellt eine Berufspflichtverletzung dar.
2. Auch den Rechtsfolgenanspruch beanstandet die Revision ohne Erfolg.
a) Die verfassungsrechtlichen Bedenken der Revision gegen die zeitlich nicht begrenzte Ausschließung aus dem Beruf sind unbegründet.
Die zeitlich nicht fest begrenzte Ausschließung aus dem Beruf (§ 90 Abs. 1 Nr. 4 StBerG) widerspricht nicht dem Grundgesetz. Bedenken gegen die Regelung der Wiederzulassung nach rechtskräftiger Ausschließung (§ 48 Abs. 1 Nr. 2 StBerG) sind durch Art. 1 Nr. 26 des 4. Gesetzes zur Änderung des Steuerberatungsgesetzes vom 9. Juni 1989 (BGBl I S. 1062) ausgeräumt.
b) Der Umstand, daß der Steuerbevollmächtigte sich um Wiedergutmachung des Schadens und Tilgung seiner Schulden bemüht hat, ist vom Berufungsgericht gewürdigt worden. Wenn es dabei nicht ausdrücklich erwähnt hat, daß der Steuerbevollmächtigte von 1984 bis 1988 keine weiteren Berufspflichtverletzungen begangen hat, so läßt sich daraus nicht schließen, daß es diesen Umstand übersehen hat. Der Ausschließung aus dem Beruf stehen diese Milderungsgründe hier nicht entgegen.
c) Auch die Würdigung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Steuerbevollmächtigten wird durch die Beanstandungen der Revision nicht in Frage gestellt.
d) Im übrigen zeigen die Ausführungen des Berufungsgerichts, daß es sich der besonderen Voraussetzungen bewußt gewesen ist, unter denen die schwerste berufsgerichtliche Maßnahme der Ausschließung aus dem Beruf verhängt werden darf (vgl. hierzu BGHSt 20, 73 f). Seine Würdigung der Berufspflichtverletzungen des Steuerbevollmächtigten läßt auch insoweit Rechtsfehler zu seinem Nachteil nicht erkennen.
Fundstellen
Haufe-Index 1974794 |
KTS 1990, 445 |